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Die vom Bundesverfassungsgericht als "Parlamentsarmee" titulierte Bundeswehr ist mittlerweile zu einer "Armee im Einsatz" mit weltweitem Aktionsradius geworden. Im Zuge der immer tieferen internationalen und europäischen Integration der Streitkräfte - so die Hauptthese des Autors - geraten die vergleichsweise stark ausgestalteten parlamentarischen Kontrollmechanismen der deutschen Wehrverfassung zunehmend unter Druck. Die demokratische Legitimation integrierter Streitkräfte durch den Deutschen Bundestag lässt sich damit nicht mehr vollauf gewährleisten.
Im Spannungsfeld zwischen
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Produktbeschreibung
Die vom Bundesverfassungsgericht als "Parlamentsarmee" titulierte Bundeswehr ist mittlerweile zu einer "Armee im Einsatz" mit weltweitem Aktionsradius geworden. Im Zuge der immer tieferen internationalen und europäischen Integration der Streitkräfte - so die Hauptthese des Autors - geraten die vergleichsweise stark ausgestalteten parlamentarischen Kontrollmechanismen der deutschen Wehrverfassung zunehmend unter Druck. Die demokratische Legitimation integrierter Streitkräfte durch den Deutschen Bundestag lässt sich damit nicht mehr vollauf gewährleisten.

Im Spannungsfeld zwischen Demokratieprinzip und internationaler Integration untersucht Roman Schmidt-Radefeldt im ersten Teil seiner Leipziger Habilitationsschrift die Befehls- und Kommandogewalt des deutschen Verteidigungsministers in integrierten Führungsstrukturen der multinationalen Korps; weiterhin analysiert er die Defizite parlamentarischer Vertragsgewalt bei entwicklungsoffenen Bündnisverträgen und beleuchtet die Steuerungsmöglichkeiten des Parlamentsvorbehalts bei Einsätzen integrierter Streitkräfteformationen.

Historisch und komparativ angereichert, skizziert der Autor die Entwicklungstendenzen transatlantischer Sicherheit und Verteidigung, zeigt die integrationsbedingten Kontrolldefizite des Deutschen Bundestages auf und liefert einen Beitrag zur aktuellen Diskussion um die gesetzliche Ausgestaltung der parlamentarischen Beteiligung beim Streitkräfteeinsatz. Vor dem Hintergrund der parlamentarischen Legitimationsdefizite auf nationaler Ebene erörtert Schmidt-Radefeldt im zweiten Teil Ansätze einer demokratischen Kontrolle der ESVP durch interparlamentarische Versammlungen und das Europäische Parlament. Mit Blick auf den EU-Verfassungsvertrag plädiert er abschließend für eine parlamentarische Dimension der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur, bei der Legitimationsbausteine und Kontrollmechanismen verschiedener Rechtsebenen ergänzend zusammenwirken.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.06.2005

Integration und Kontrolle
Der Einfluß der Mitgliedstaaten auf internationale Streitkräfte

Roman Schmidt-Radefeldt: Parlamentarische Kontrolle der internationalen Streitkräfteintegration. Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005. 322 Seiten, 83,80 [Euro].

Die internationale Einbindung staatlicher Streitkräfte im Prozeß militärischer Integration stellt, so die Kernthese von Roman Schmidt-Radefeldt, "die parlamentarische Streitkräftekontrolle - wenn nicht gar das Demokratieprinzip schlechthin - vor bislang unbewältigte Herausforderungen". Geprägt von informellen Kooperationsformen, komplexen Entscheidungsstrukturen, überstaatlichen Akteuren und faktischen Bündniszwängen, entziehe sich diese Integration zunehmend einer durchgehenden, voll inhaltlichen demokratischen Kontrolle und Mitverantwortung. Die Verantwortung nationaler Parlamente reduziere sich praktisch auf den Akt der Zustimmung zur Beschränkung oder Übertragung staatlicher Hoheitsgewalt in internationalen Sicherheitssystemen. Die nationale demokratische Legitimation militärischer Befehlsgewalt trage bei multinationalen Befehlsinstituten und integrierten Führungsstrukturen nicht mehr. Insbesondere bei hochintegrierten Einsatzverbänden bestünden tatsächliche Integrationszwänge und bündnispolitische Rücksichtnahmepflichten, durch die sich die Einwirkungsmöglichkeiten der nationalen Parlamente nicht nur während des Einsatzes, sondern schon in der Entscheidungsphase verengten. So bleibe letztlich nur eine nachträgliche Kontrolle bereits getroffener Entscheidungen, mit der jedoch integrationspolitsche Entwicklungen nicht gesteuert werden können.

Der Analyse wird man kaum widersprechen können. Doch wie kann hier Abhilfe geschaffen werden? Der Verlust demokratisch-parlamentarischer Legitimation und Kontrolle auf nationaler Ebene muß nach Ansicht Schmidt-Radefeldts durch parlamentarische Kontrollmechanismen auf überstaatlicher Ebene "abgefedert" und kompensiert werden. Aber läßt sich die parlamentarische Streitkräftekontrolle internationalisieren und die internationale militärische Integration so demokratisieren? Die Möglichkeiten einer ergänzenden internationalen parlamentarischen Legitimation des militärischen Integrationsprozesses "im Rahmen eines parlamentarischen Mehrebenensystems" sind begrenzt.

Der Beitrag, den interparlamentarische Versammlungen wie WEU und Nato zur demokratischen Abstützung zu leisten vermögen, geht über eine "international abgestimmte Artikulation von integrationsrelevanten Empfehlungen" nicht hinaus. Das Europäische Parlament besitzt in sicherheitspolitischen Angelegenheiten der EU kein Mitentscheidungsrecht, sondern ist auf die vertraglich zugewiesene Rolle eines "gut informierten Beobachters" verwiesen.

Sicherlich ließe sich diese Kontrolle ausbauen; doch taugt eine "vernetzte und sich ergänzende nationale und europaparlamentarische Abstützung des militärischen Integrationsprozesses" überhaupt als Lösungsansatz? Der Verfasser folgt der These von der "Mehrebenendemokratie". Diese Formel vermag aber das demokratische Integrationsdilemma nicht aufzulösen. Das Demokratieprinzip muß stets auf ein bestimmtes Legitimationssubjekt bezogen sein. Hier kommen zum einen die Gesamtheit der Bürger des Integrationsverbandes, zum anderen die in den demokratischen Mitgliedstaaten organisierten Nationen in Betracht. Die zu dem einen oder anderen Legitimationssubjekt hinführenden demokratischen Legitimationsstränge lassen sich nicht ohne weiteres miteinander im Sinne einer kumulativen, doppelten demokratischen Legitimation verbinden. Je nachdem, auf welches Legitimationssubjekt abgestellt wird, ergeben sich nämlich unterschiedliche, teilweise sogar entgegengesetzte Anforderungen an die Organisationsstruktur des Integrationsverbandes. Nationale parlamentarische Kontrolle und Legitimation ist daher durch supranationale "Legitimationsbausteine" auch nicht partiell substituierbar.

Die Behauptung - der Verfasser spricht von "Erkenntnis" -, daß "Demokratie und Internationalisierung keine gegenläufigen Phänomene sind", klingt da wie das Pfeifen im Walde. Es ist kein Zufall, daß in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik die Entscheidungszuständigkeit ausschließlich beim Rat liegt und das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Denn dies ermöglicht eine demokratische politische Kontrolle durch die nationalen Parlamente, denen die einzelnen Ratsmitglieder verantwortlich sind. Souveränitätsvorbehalte sind Demokratievorbehalte. Ob eine supranationale Verteidigungsunion erstrebenswert erscheint, muß auch aus demokratischen Gründen bezweifelt werden. Der Integrationsprozeß, zumal der militärische, stößt an demokratische Grenzen. Existentielle Grundentscheidungen wie die über Aufstellung und Einsatz einer bewaffneten Streitmacht bedürfen einer hinreichenden demokratischen Legitimation, die auf der überstaatlichen Ebene nicht hervorgebracht werden kann. Sie können nur und müssen daher auch weiterhin national verantwortet werden.

CHRISTIAN HILLGRUBER

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht überzeugt zeigt sich Rezensent Christian Hillgruber von Roman Schmidt-Radefeldts Buch "Parlamentarische Kontrolle der internationalen Streitkräfteintegration". Zwar stimmt er dessen Analyse zu, die internationale Einbindung staatlicher Streitkräfte entziehe sich im Prozess militärischer Integration zunehmend demokratischer Kontrolle und Mitverantwortung auf nationaler Ebene. Dieser Verlust demokratisch-parlamentarischer Legitimation und Kontrolle müsse nach Ansicht Schmidt-Radefeldts durch parlamentarische Kontrollmechanismen auf überstaatlicher Ebene "abgefedert" und kompensiert werden. Den Vorschlag, die parlamentarische Streitkräftekontrolle zu internationalisieren und die internationale militärische Integration so zu demokratisieren, betrachtet Hillgruber allerdings skeptisch, sind doch die Möglichkeiten einer ergänzenden internationalen parlamentarischen Legitimation des militärischen Integrationsprozesses "im Rahmen eines parlamentarischen Mehrebenensystems" begrenzt. Zudem erscheint ihm auch aus demokratischen Gründen fraglich, ob eine supranationale Verteidigungsunion erstrebenswert ist.

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