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Die bislang wenig bekannte Künstlerin Mary Warburg, geb. Hertz (1866-1934), Ehefrau des Hamburger Kunst- und Kulturhistorikers Aby Warburg, steht im Mittelpunkt dieser ersten umfassenden wissenschaftlichen Monografie. In zahlreichen Aufsätzen, einem kommentierten Werkverzeichnis sowie biographischen Dokumenten werden Leben und Werk der bedeutenden Zeichnerin, Grafikerin und Bildhauerin einprägsam vor Augen geführt.Mary Warburg gehört zur Reihe jener weithin unsichtbaren, aber bedeutenden Künstlerinnen, die von der Kunstgeschichte zu Unrecht übergangen worden sind. Bereits zu Lebzeiten stand…mehr

Produktbeschreibung
Die bislang wenig bekannte Künstlerin Mary Warburg, geb. Hertz (1866-1934), Ehefrau des Hamburger Kunst- und Kulturhistorikers Aby Warburg, steht im Mittelpunkt dieser ersten umfassenden wissenschaftlichen Monografie. In zahlreichen Aufsätzen, einem kommentierten Werkverzeichnis sowie biographischen Dokumenten werden Leben und Werk der bedeutenden Zeichnerin, Grafikerin und Bildhauerin einprägsam vor Augen geführt.Mary Warburg gehört zur Reihe jener weithin unsichtbaren, aber bedeutenden Künstlerinnen, die von der Kunstgeschichte zu Unrecht übergangen worden sind. Bereits zu Lebzeiten stand sie im Schatten ihres Ehemannes Aby Warburg, den sie in einer bekannten Bronzebüste prominent porträtiert hat. Ihr Nachlass befindet sich in der Hamburger Kunsthalle sowie in Privatbesitz. Jetzt wird sie erstmals ausführlich in Aufsätzen sowie durch ein kommentiertes Werkverzeichnis gewürdigt.
Autorenporträt
Michael Diers ist Kunsthistoriker, er war bis zu seiner Emeritierung Professor für Kunstgeschichte an der HFBK Hamburg sowie am Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Ingo Arend dankt der Direktorin des Altonaer Museums, Bärbel Hedinger und dem Warburg-Forscher Michael Diers dafür, dass sie Mary Warburg mit diesem Porträt endlich aus dem unverdienten Schattendasein erlösen. Zwar ordnete Mary ihr Leben dem Wirken ihres Mannes Aby Warburg unter, konnte aber durchaus als eigenständige Künstlerin bestehen, klärt der Kritiker auf. Ihre Werke - laut Werkverzeichnis immerhin knapp 900 - orientieren sich zwar eher am Realismus als an der Avantgarde und mögen nicht durchgehend brillant sein, räumt Arend ein. Nur eine "Hobby-Künstlerin", wie sie zeitlebens und auch später bezeichnet wurde, war Mary Warburg allerdings keineswegs, lernt der Rezensent hier. Nicht zuletzt liest er diese Monografie auch als Werk über weibliches Kunstschaffen unter dem Patriarchat im Fin de Siècle.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2020

Geschnittene
Flügel
Mary Warburg war mehr als
die Frau hinter dem Gelehrten
Aby Warburg. Eine Monografie
rehabilitiert sie als Künstlerin
VON PETER RICHTER
Lieber Kamerad!“, beginnt die junge Frau aus Hamburg das, was offensichtlich auf keinen Fall wie ein Liebesbrief klingen soll: „Diese Anrede u daß ich Ihnen überhaupt schreibe, zeigt schon von vornherein den Zweck dieses Briefes: nämlich Ihnen zu sagen, daß ich von jetzt an für Sie ein Junge sein will, Ihr guter Freund und Kamerad, wollen Sie es mit mir versuchen?“
Ein paar Briefe lang geht das so, dann schreibt sie nicht mehr „Kamerad“ sondern: „Liebster“. Und noch später schreibt sie: „Liebster alter Mann“. Da sind beide 44. Noch einmal zehn Jahre später wird daraus „Mein geliebter alter Bangebusen.“
Er antwortet mit: „Liebe allerbeste alte Frau“. Nachdem diese Geschichte also scheinbar mit einer fast schon spröden Abwehr romantischerer Beziehungsoptionen beginnt, endet sie mit einem so warmen Eheglück wie bei Philemon und Baucis – dies allerdings womöglich ebenfalls nur scheinbar, wie nun einem Band zu entnehmen ist, der nicht nur diesen Briefwechsel an die Öffentlichkeit bringt: Es ist ein großbürgerliches Sittenbild vom Fin de Siècle und ein tiefer Einblick in die Privatverhältnisse hinter einer der Prunkfassaden der Geistesgeschichte. Es geht schon damit los, dass sich die beiden Gleichaltrigen aus Hamburg in Florenz zum ersten Mal begegnen. Es hat damit zu tun, dass Mary Hertz, so heißt die junge Frau, aus einer begüterten Familie von Kaufleuten stammt, aber dringlich Künstlerin werden will, heißen „Malhunger“ verspürt, wie sie bereits als Teenager schreibt. Und es gipfelt in dem Problem, dass der junge Mann, den sie da in Florenz kennenlernte, der folgenreichste Kunst- und Kulturhistoriker seiner Zeit werden sollte. Mary Hertz traf also auf Aby Warburg, den Hamburger Bankierssohn, der gerade dabei war, in seinen Studien zur Renaissance aufzugehen.
Und zunächst einmal erschien das wohl auch eher als ein großer Gewinn, und zwar für beide. Die kunstenthusiastische Frau hätte sich keinen gelehrteren Museumsführer wünschen können – „Frln. Hertz sehr verständig“, notiert dieser nach einem ersten gemeinsamen Besuch im Palazzo Pitti.
Die beiden Kunsthistoriker Bärbel Hedinger und Michael Diers legen in ihrem Buch nun nahe, dass umgekehrt auch Warburg wesentlich von Mary Hertz inspiriert wurde, nicht zuletzt als er sich zu seiner berühmt gewordenen Dissertation über die „Geburt der Venus“ und den „Frühling“ von Sandro Botticelli entschloss. Dass Warburgs Lieblingslebensthema, die von Antike bis Moderne immer wiederkehrende Figur der bewegt ins Bild hineinschneienden „Nymphe“, immer auch die in sein eigenes Leben hineingeschneite Mary gespiegelt haben könnte, ist immerhin eine der herzerwärmenderen Thesen der Wissenschaftsgeschichte.
Die Folgen waren auf jeden Fall für beide herausfordernd. Ein eigener Aufsatz beleuchtet, was allein die Eheschließung damals für ein heikles Problem aufwarf. Denn Warburgs jüdisches Elternhaus war religiös konservativ bis an die Grenzen zur Orthodoxie. Die Heirat des Erstgeborenen mit einer ebenso strengen Protestantin galt zunächst als Unding, und dass der Großvater von Mary Hertz selbst einst einer Ehe wegen erst ins Christentum konvertiert war, damals ein beträchtlicher Skandal in Hamburgs jüdischer Gemeinde, das machte die Sache insgesamt nicht einfacher.
Das eigentliche Problem, das von Hedinger und Diers hier nun herausgearbeitet wird, beginnt aber eigentlich erst da, wo aus Mary Hertz erfolgreich Mary Warburg geworden war und die Rollen der Gelehrtengattin und bald auch der Familienmutter diejenige der Künstlerin eigenen Rechts zu überschatten begann. Der künstlerische Nachruhm von Mary Warburg, die als Malerin begonnen hatte und sich später intensiv der Skulptur zuwandte, beruhte lange nur auf einem bestimmten Werk: der Büste ihres Mannes.
Von dieser bitteren Pointe ausgehend breiten Hedinger und Diers nun den kompletten Werkkatalog von Mary Warburg aus und drängen auf Rehabilitierung, verweisen auf die Zeitgenossenschaft mit dem Impressionismus in ihrer Malerei und in der Skulptur das Erbe von Florenz. Denn die Rezeption hat Mary Warburgs Arbeiten bisher bestenfalls herablassend als Produkte einer enthusiastisch vor sich hin dilettierenden höheren Tochter behandelt.
Als die Hamburger Kunsthalle sie überhaupt zum ersten Mal zeigte, erst in den Achtzigern und nur für zwei Wochen versteckt im Kupferstichkabinett, ging das offenbar nicht ohne den Hinweise, dass Mary Warburg leider nicht so avantgardistisch gewesen sei wie zum Beispiel Picasso. Immerhin hat der vor einem Jahr verstorbene Kunsthistoriker Martin Warnke damals erste Schüler auf das Thema angesetzt; das langfristige Ergebnis liegt nun vor. Posthum kommt Warnke hier sogar noch einmal zu Wort, in seinem vielleicht letzten Aufsatz geht es um Warburgs Einsatz für die Gegenwartskunst (Marc, Nolde, aber auch das Hamburger Bismarckdenkmal).
Man kann das Ganze als wichtigen Forschungsbeitrag zur Hamburgischen Kunstgeschichte in den Schrank stellen, man kann es aber auch als ebenso erhellendes wie erschütterndes Stück Literatur über Möglichkeiten und Beschränkungen einer ambitionierten Frau unter großbürgerlichen Eheverhältnissen lesen – als einen Roman, der den beklemmenden Vorzug hat, nicht ausgedacht zu sein.
„Ich bin unzufrieden mit mir“, schreibt Mary Warburg schon ein paar Jahre nach der Hochzeit in ihr Tagebuch: „und zwar besonders darüber, daß ich unzufrieden mit den Verhältnissen bin, die es mir unmöglich machen, so recht für meine Kunst zu leben.“ Es komme ihr vor, „als wenn mir die Flügel geschnitten sind“.
Bärbel Hedinger, Michael Diers: Mary Warburg, Porträt einer Künstlerin. Hirmer Verlag, München 2020. 536 Seiten, 68 Euro.
Sie kommt aus einer Familie
von Kaufleuten, verspürt
aber heißen „Malhunger“
Man kann das Buch als
Forschungsbeitrag lesen oder
als dokumentarischen Roman
Unzufrieden mit den
Verhältnissen:
Bildhauerin Mary Warburg. Rechts ihr Gemälde
„Steilküste in Cornwall“
aus dem Jahr 1897.
Foto: Warburg Institute, London
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»Diese großangelegte Monografie betreibt jetzt Mary Warburgs Rehabilitation als vielschichtige Künstlerin eigenen Rechts.«Süddeutsche Zeitung