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Die Ordnung der Gesellschaft im »Zeitalter der Extreme« im Zusammenspiel von Wissenschaft, Verwaltung und Politik.Die Geschichte der Raumplanung in Deutschland ist die Geschichte eines Jahrhundertprojekts. Es ist die Geschichte einer kleinen Gruppe von Experten und ihres unermüdlichen Versuchs, »Ordnung« zu schaffen. Wissenschaftlicher Idealismus und Opportunismus, Erfolg und Misserfolg lagen dabei dicht nebeneinander. Ariane Leendertz beschreibt die Kontinuitäten und Brüche raumplanerischen Denkens im 20. Jahrhundert: die Wurzeln des Projekts, seinen Gegenstand und dessen Erfassung, die…mehr

Produktbeschreibung
Die Ordnung der Gesellschaft im »Zeitalter der Extreme« im Zusammenspiel von Wissenschaft, Verwaltung und Politik.Die Geschichte der Raumplanung in Deutschland ist die Geschichte eines Jahrhundertprojekts. Es ist die Geschichte einer kleinen Gruppe von Experten und ihres unermüdlichen Versuchs, »Ordnung« zu schaffen. Wissenschaftlicher Idealismus und Opportunismus, Erfolg und Misserfolg lagen dabei dicht nebeneinander. Ariane Leendertz beschreibt die Kontinuitäten und Brüche raumplanerischen Denkens im 20. Jahrhundert: die Wurzeln des Projekts, seinen Gegenstand und dessen Erfassung, die Perspektiven auf Raum und Bevölkerung. Zugleich erzählt sie vom zähen Kampf einer Disziplin um Macht, Einfluss und Ressourcen bei dem Versuch, ihre Ideen Wirklichkeit werden zu lassen. Das »Dritte Reich« eröffnete den Raumplanern Chancen, die sie bereitwillig ergriffen - und die im »Generalplan Ost« ihren fürchterlichen Höhepunkt erreichten. Die Nachkriegszeit war deshalb geprägt von Rechtfertigungen, vorsichtigen Neujustierungen und vom Ringen um eine nationale Raumordnungspolitik. Der Konjunktur der Raumplanung in der Bundesrepublik der sechziger Jahre folgte alsbald die Krise. Damit zeichnete sich im Laufe der siebziger Jahre das Ende eines Projekts der »klassischen Moderne« ab, dessen ideelle und materielle Voraussetzungen im Übergang zur postindustriellen Gesellschaft einem fundamentalen Wandel unterlagen.
Autorenporträt
Ariane Leendertz, geb. 1976, studierte Neuere Geschichte und Romanische Philologie in Tübingen und Florenz. Sie promovierte 2006 in Tübingen und war von 2003 bis 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Zeitgeschichte der Universität Tübingen. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2010

Nur das halbe Leben
Geschichte der deutschen Raumplanung im 20. Jahrhundert

Ordnung ist das halbe Leben. Und manchmal eine ganze Welt. Dieser Welt, jener vielfach verschlungenen Geschichte der deutschen Raumplanung im 20. Jahrhundert, geht Ariane Leendertz nach. Indem sie die Geschichte der Raumplanung vom ausklingenden Kaiserreich bis in die planungsseligen sechziger Jahre verfolgt, entwirft sie nicht nur das facettenreiche Bild einer nach Macht und Einfluss strebenden Wissenschaft, sondern leistet zugleich einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Kontinuitäten und Brüche im politischen Ordnungsdenken des 20. Jahrhunderts. Zu Recht erzählt Frau Leendertz den Aufstieg und Fall der deutschen Raumplanung als die Geschichte eines "utopischen Großprojekts", das stets durch eine unauflösliche Verschränkung von Idealismus und Opportunismus geprägt war.

Ausgehend von der Perhorreszierung der Großstadt, die in den zwanziger Jahren nicht selten als alles verschlingender Moloch erschien, beförderte die Raumplanung bewusste Gegenentwürfe, die rasch an Einfluss gewannen und mit ihren Konzepten agrarisch strukturierter Siedlungen bald in die Nähe nationalsozialistischer Vorstellungen gerieten. Tatsächlich eröffneten sich der Raumplanung nach 1933 neue Gestaltungsspielräume, die etwa von Konrad Meyer, einem einflussreichen Siedlungsexperten, der es - dem Geburtsjahrgang 1901 nach ein bedingter Vertreter der "Generation des Unbedingten" - 1937 an die Spitze der "Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung" (RAG) brachte, nach Kräften genutzt wurden.

Nach einer kurzen Phase der abwartenden Selbstrechtfertigung machte sich die Raumplanung in den fünfziger Jahren daran, ihre Konzepte neuerlich in die politische Arena zu bringen. Dies gelang ihr mit umso größerem Erfolg. Die führenden Köpfe der RAG fanden sich im "Institut für Raumforschung" in Bad Godesberg wieder, Meyer gelangte 1956 auf einen Lehrstuhl in Hannover. Die Raumplanung empfahl sich damals der Politik nachdrücklich als Instrument zur planmäßigen Herstellung "gleichwertiger Lebensbedingungen", gewissermaßen als bundesdeutsche Version der diskreditierten "Volksgemeinschaft". Mit der Ankündigung der sozialliberalen Koalition, ein Bundesraumordnungsgesetz auf den Weg zu bringen, wähnten sich die Raumplaner 1969 am Ziel ihrer Träume. Sie wurden jedoch durch die Umbrüche der Jahre 1968/73, die an die Stelle einer überbordenden Planungseuphorie zukunftskritische Warnrufe rückten, schließlich unsanft geweckt.

Zu Recht versteht sich die flüssig geschriebene und über weite Strecken überzeugende Studie als ein Beitrag zu jener neuen Ideengeschichte, wie sie sich unter dem Leitbegriff einer "Verwissenschaftlichung des Sozialen" entwickelt hat. Dementsprechend geht es der Arbeit weniger darum, nach der Entstehung einzelner Ideen zu fragen, sondern die "Verdichtung" von Ideen in "Denksystemen" zu untersuchen sowie der Umsetzung solcher "Denksysteme" im politischen Handeln nachzugehen. Insofern ist es nur konsequent, wenn sich Frau Leendertz ausdrücklich zu einem "methodischen Eklektizismus" bekennt. Doch so folgerichtig dieses Credo wirkt, so hastig ist es streckenweise heruntergebetet. Wenn etwa die Rede davon ist, dass die Arbeit unter anderem "politik-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche sowie kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Perspektiven" einnehme, so handelt es sich insofern um eine kleine Mogelpackung, als die Studie gerade keine fundierte wissenschaftshistorische Sichtweise eröffnet - was ihr im Übrigen nicht schadet. Profitiert hätte sie freilich von einem gezielten Rückgriff auf einzelne Konzepte der Wissenschaftsgeschichte. Das gilt nicht zuletzt für Phänomene der Popularisierung, ohne deren Kenntnis die Mechanismen, mit deren Hilfe eine kleine Elite von politischen Entscheidungsträgern und Wissenschaftsfunktionären den Erwartungen innerhalb der Gesellschaft zu entsprechen suchte, nur schemenhaft erkennbar sind.

Wenn Ariane Leendertz schließlich nach den leitenden Ideen deutscher Raumplaner zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik fragt und dabei auf Vorstellungen von Ordnung und Harmonie stößt, die sich aus einer dezidiert antiliberalen Haltung speisen, so entsteht leicht der Eindruck einer konservativ-dunklen Kulisse, vor der alle Katzen grau sind. Dass die zivilisationskritische Ausrichtung der Raumplanung mitnichten allüberall eine antimoderne Spitze aufwies und sich keineswegs zwangsläufig in einem diffusen konservativen Kulturpessimismus erschöpfte, gerät demgegenüber ins Hintertreffen.

Bei alledem hat das Ende der raumplanerischen Utopien die grundsätzlichen Probleme von Ordnung und Planung keineswegs entschärft. Noch immer neigen politisch Handelnde dazu, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, indem sie sich einer vermeintlich unpolitischen Wissenschaft als Fluchthelfer bedienen. In dieser Hinsicht ist Frau Leendertz' eindrucksvolle Studie ein Lehrstück über jene "Experten", die ihren Max Weber nicht gelesen haben und - Wissenschaft und Politik verwechselnd - mit praktischen Handlungsanleitungen zur Stelle sind, um den Lauf der Dinge planvoll zu steuern. Ordnung aber ist nur das halbe Leben.

CARSTEN KRETSCHMANN

Ariane Leendertz: Ordnung schaffen. Deutsche Raumplanung im 20. Jahrhundert. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. 459 S., 42,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Carsten Kretschmann würdigt die Studie von Ariane Leendertz zur deutschen Raumplanung des 20. Jahrhunderts als "facettenreiches" Panorama einer Wissenschaft und als "wichtigen Beitrag zur Erforschung der Kontinuitäten und Brüche im politischen Ordnungsdenken" des vergangenen Jahrhunderts. Er lobt den Band für seine flüssige Schreibweise und attestiert den Darlegungen zumindest überwiegend große Überzeugungskraft. Die Autorin versteht ihr Buch als ein Stück "Ideengeschichte", erklärt der Rezensent einverstanden, der auch den "methodischen Eklektizismus", zu dem sich Leendertz bekennt, grundsätzlich gutheißt. Allerdings stellt er anhand mancher Passagen kritisch fest, dass dieser mitunter mehr behauptet als konsequent verfolgt wird. Denn es handelt sich auf keinen Fall um eine maßgeblich wissenschaftshistorische Arbeit, stellt Kretschmann klar, der das aber nicht weiter schlimm findet. Kritischer dagegen sieht er die implizite Behauptung der Autorin, die Raumplanung in Deutschland habe sich insgesamt vor allem aus einem konservativen Geist heraus entwickelt und eine antimoderne Stoßrichtung gehabt.

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