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Franck liebt Emilie - aber liebt Emilie ihre Arbeit mehr als ihn? Das fragt er sich, als er sie nach endloser Trennung auf der verlassenen Hebriden-Insel Mirhalay besucht. Dort war die Doktorandin für ein mehrmonatiges Aufenthaltsstipendium. Und nun, wo er endlich da ist, hat sie kaum Zeit für ihn, denn als krönenden Abschluss muss sie eine Tagung organisieren und leiten. Es geht dabei um Galwin Donnell, der seine weltberühmten Kriminalromane hier auf Mirhalay schrieb - bis er eines Tages spurlos verschwand. Bald wimmelt die sonst so einsame Insel vor Professoren und Lektorinnen, Studentinnen…mehr

Produktbeschreibung
Franck liebt Emilie - aber liebt Emilie ihre Arbeit mehr als ihn? Das fragt er sich, als er sie nach endloser Trennung auf der verlassenen Hebriden-Insel Mirhalay besucht. Dort war die Doktorandin für ein mehrmonatiges Aufenthaltsstipendium. Und nun, wo er endlich da ist, hat sie kaum Zeit für ihn, denn als krönenden Abschluss muss sie eine Tagung organisieren und leiten. Es geht dabei um Galwin Donnell, der seine weltberühmten Kriminalromane hier auf Mirhalay schrieb - bis er eines Tages spurlos verschwand. Bald wimmelt die sonst so einsame Insel vor Professoren und Lektorinnen, Studentinnen und verkannten Dichtern. Franck allerdings ist Krankenpfleger und unter all den Geistesgrößen fühlt er sich nicht besonders wohl. Also sucht er, sehr zu Emilies Missfallen, die Gesellschaft von Jock, dem schweigsamen, ein wenig skurrilen Wächter der Insel... Ein wunderbares literarisches Vexierspiel.
Autorenporträt
Alice Zeniter wurde 1986 in Clamart geboren und wuchs in dem kleinen Dorf Champfleur auf, bis die Familie nach Alençon zog. Sie lebt heute in Paris und in der Bretagne. Schon als Schülerin schrieb sie ihren ersten Roman. Nach ihrem Schulabschluss studierte sie an der École normale supérieure in Paris. Sie arbeitet(e) als Lehrerin und Dramaturgin (einige Jahre lang auch in Budapest). Internationales Aufsehen erregte sie mit ihrem fünften Roman, »Die Kunst zu verlieren«, mit dem sie es u.a. in die letzte Auswahl für den Prix Goncourt schaffte, den begehrten Prix Goncourt des Lycéens erhielt und außerdem im Jahr 2022 den wohl begehrtesten Preis für ein literarisches Einzelwerk, den Dublin Literary Award. Der Vorgängerroman »Kurz vor dem Vergessen«, war bereits mit dem Prix Renaudot ausgezeichnet worden. 2020 erschien in Frankreich »Comme un empire dans un empire« (»Machtspiele«, 2023), 2022 »Toute une moitié du monde« ihr vielbeachteter Essay zur Rolle der Frau in der Literatur. (Deutsch: »Eine ganze Hälfte der Welt«, erscheint im Oktober 2024).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2021

Das
Wunderkind
Rhapsodie über das Verblassen der Liebe:
Alice Zeniters Roman „Kurz vor dem Vergessen“
VON JOSEPH HANIMANN
Mit ihrem Roman „Die Kunst zu verlieren“ hat Alice Zeniter vor zwei Jahren auch in Deutschland nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht. Es handelte sich um die brillant über drei Generationen hinweg erzählte und nicht zuletzt ergreifende Geschichte einer „Harki“-Familie, also jener Algerier, die während des Befreiungskriegs auf französischer Seite standen und dann nach der Unabhängigkeit 1962 in Frankreich trotzdem unerwünscht waren. Zeniter beherrscht aber auch andere Themenregister. Ihr jüngster Roman etwa, der auf Deutsch noch nicht vorliegt, handelt von politisch motiviertem Hackertum, dem Hacktivism.
Jetzt ist erst auf Deutsch erst einmal „Kurz vor dem Vergessen“ erschienen, ein Roman, der im Original 2015 erschienen ist, da war die Autorin noch keine dreißig Jahre alt. Trotzdem war es bereits ihr vierter Roman und er verrät schon viel von der spitzbübischen Virtuosität, die aus dieser Vielfachbegabten als Erzählerin, Drehbuch- und Theaterautorin, Regisseurin und Performerin eine der originellsten Erscheinungen der französischen Gegenwartsliteratur macht.
Akademische Milieustudien, eine erlahmende Liebesgeschichte, vernebelte Hebriden-Exotik stehen in diesem Roman mühelos nebeneinander. Die Doktorandin Émilie Perret verbringt einen mehrmonatigen Studienaufenthalt auf der einsamen Hebrideninsel Mirhalay, auf der der berühmte Krimiautor Galwin Donnell, Gegenstand ihrer Forschung, zwanzig Jahre lang gelebt hat, bevor er spurlos verschwand.
Trubel kommt in diese Schafweiden-, Regen- und Philologen-Verlassenheit durch die Ankunft einer Schar von Professoren, Studenten und sonstigen Teilnehmern eines Donnell-Kolloquiums an diesem Ort. Dass just in dem Moment auch Franck, Émilies Lebenspartner, aus Paris anreist, passt schlecht und bringt die Paarbeziehung in Schieflage. Franck hat nur die Nähe zu Émilie im Kopf, diese hat als Organisatorin des Treffens den Kopf aber anderswo.
Es entsteht eine gender-gespiegelte Liebeskiste, von der Autorin jedoch feinsinnig als Gegenklischee aufgebaut. Émilie weint heimlich unter der Dusche beim Gedanken, wie schwer Beruf und Liebe vereinbar sind. Franck hilft sich in Gesellschaft des kauzigen Inselwächters Jock mit dessen ekligem Whisky über seine Selbstzweifel hinweg. Im ständigen Wechsel der Erzählperspektiven dringen wir als Leser in die Herzen der einen oder anderen ein, bewegen uns in der schrulligen Gelehrtengemeinschaft, durchstreifen die regengetränkte schottische Inselwelt, tauchen ab auf den Meeresgrund, wo die von den Fischen bis aufs Weiß der Knochen gesäuberten Reste von Galwin Donnell im Rhythmus der Algen hin und her wiegen. Denn dieser „Misanthrop, Eremit & Schriftsteller“, wie es auf der Gedenktafel an der Rückwand der Inselkapelle heißt, ist der Knoten des ganzen Geschehens. Um die von Zeniter frei erfundene Figur winden sich immer neue Schlaufen literarischer Spielerei. Donnells Werke werden von den Kolloquiumsrednern andächtig zerpflückt, seine Interviewauszüge sorgfältig bibliografiert, die Hypothesen über den Grund seines Verschwindens – Mord? Selbstmord? Identitätswechsel? – ausführlich rapportiert. Das Ergebnis ist eine Art literarisch verfremdeter Krimi. Die von Donnell geschaffene Figur des Privatdetektivs Adrian Dickson Carr, ein weder intelligenter, noch attraktiver und überdies unter Sexsucht leidender Kerl, kommt uns bald so vertraut vor wie seine berühmten Kollegen Sherlock Holmes, Dexter oder Yosuke Kobayashi.
Wie oft bei Alice Zeniter ist auf selbstironische Weise manches aus ihrer eigenen Biografie ins Buch eingeflossen, angefangen mit einer Doktorarbeit über die weiblichen Figuren bei Martin Crimp, die nie abgeschlossen wurde. In ihrem Kolloquiumsvortrag spricht Émilie über die Frauen bei Galwin Donnell und kommt zum Schluss, sie alle seien nichts als aus Versatzstücken zusammengesetzte Puppen, bis auf eine, die in jeder Hinsicht ganz aus der Reihe tanzt.
Gerade diese von den Gender Studies übersehene Figur, schließt die Vortragende, sei die einzige echte Frau in Donnells Romanen und damit der Schlüssel für dessen Blick auf das andere Geschlecht. Und der sei geprägt von einem „vollkommenen und beängstigenden Unverständnis“.
Wie die permanente Brandung des Meeres unten am Inselstrand lässt die Autorin Zeniter das Gefühlsleben ihrer Figuren an dieser harten Philologinneneinsicht über die Liebe auflaufen. Während Émilies Vortrag sitzt Franck nicht im Saal, sondern mit Jock beim Whiskytrinken irgendwo in einem entlegenen Winkel von Mirhalay. Eine von Humor und Witz durchblitzte sanfte Traurigkeit schwebt über diesem Buch. Einzelne Stellen sind erzählerisch womöglich zu breit ausgewalzt. Nebensächliches behindert den Fortgang des Geschehens und die meistens sehr kurzen Kapitel kommen mit allzu gewichtigen Titeln daher. Auch möchte man nicht unbedingt alle paar Seiten am neuen Kapitelanfang ein (fiktives) Motto aus Galwin Donnells Gesamtwerk lesen.
Und doch wiegt Alice Zeniters kluge und packende Darstellung einer langsam ins Reich des Vergessens abdriftenden Liebe diese Ungeschicklichkeiten reichlich auf. Und die Übersetzerin hat zwischen dem Wuchern der literarischen Anspielungen jenen Sprachton getroffen, der auch im Deutschen Parodie und Ernst im Rhythmus von Strömung und Gegenströmung wunderbar hin und herwiegen lässt.
Im Mittelpunkt steht ein
schottischer Eremit
und Misanthrop
Alice Zeniter:
Kurz vor dem Vergessen. Aus dem Framzössichen von Yvonne Eglinger. Berlin Verlag,
Berlin/München 2021.
320 Seiten, 22 Euro.
Hier kommt das Papier zum ersten Mal mit dem Manuskript in Berührung, in der
Rollenoffsetdruckmaschine der Buchdruckerei Pustet in Regensburg.
Die Maschine ist ausgerichtet auf den einfarbigen Werkdruck, ideal für Bücher.
Oben verlassen die Fahnen die Druckmaschine zum ersten Mal im Rohzustand,
unten sind sie schon geschnitten und gefalzt.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Joseph Hanimann ist ganz verliebt in die "spitzbübische Virtuosität" der französischen Autorin, Regisseurin und Perfomerin Alice Zeniter. Entsprechend erfreut greift der Kritiker denn auch zu Zeniters nun auf Deutsch erschienenen, im Original bereits 2015 veröffentlichten Roman "Kurz vor dem Vergessen", der von der Doktorandin Emilie erzählt, die für ihre Arbeit Zeit auf der einsamen Hebrideninsel Mirhalay verbringt und im Rahmen eines Kolloquiums bald Besuch von Professoren, Studenten und weiteren Teilnehmern bekommt. Es wird über den spurlos verschwundenen (fiktiven) Krimiautor Galwin Donnell und dessen Werk diskutiert, aber auch über Liebe und Beziehung, resümiert der Kritiker. Der Mix aus "akademischer Milieustudie", Krimi, Witz und "sanfter Traurigkeit" hat Hanimann so gut gefallen, dass er über wenige Längen gern hinwegsieht.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Er verrät schon viel von der spitzbübischen Virtuosität, die aus dieser Vielfachbegabten als Erzählerin, Drehbuch- und Theaterautorin, Regisseurin und Performerin eine der originellsten Erscheinungen der französischen Gegenwartsliteratur macht.« Josef Hanimann Süddeutsche Zeitung 20211019