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Mehr als 11 Millionen illegale Einwanderer leben und arbeiten in den USA. Die meisten passieren die Grenze über Mexiko. In der heißen Einöde von Texas verbindet Sam Hawken drei Schicksale miteinander. Das der Texas Rangerin Ana Torres, die in der Nähe der Grenzstadt Presidio während einer Kontrolle die Leiche eines Mexikaners findet. Das des ehemaligen Kojoten Luis Gonzales, der früher Einwanderer in die USA schmuggelte und dessen freiwilliger Rückzug als Ladenbesitzer endet, als der Coyote-Boss Ángel Luis' erneut seine Dienste in Anspruch nehmen will. Und das der jungen Marisol Herrera, die…mehr

Produktbeschreibung
Mehr als 11 Millionen illegale Einwanderer leben und arbeiten in den USA. Die meisten passieren die Grenze über Mexiko. In der heißen Einöde von Texas verbindet Sam Hawken drei Schicksale miteinander. Das der Texas Rangerin Ana Torres, die in der Nähe der Grenzstadt Presidio während einer Kontrolle die Leiche eines Mexikaners findet. Das des ehemaligen Kojoten Luis Gonzales, der früher Einwanderer in die USA schmuggelte und dessen freiwilliger Rückzug als Ladenbesitzer endet, als der Coyote-Boss Ángel Luis' erneut seine Dienste in Anspruch nehmen will. Und das der jungen Marisol Herrera, die von El Salvador aufbricht, um ihren Traum zu verwirklichen, in die USA auszuwandern. Hawken beschreibt das eindrucksvolle Porträt einer Grenzregion, in der Menschen spurlos auf der Suche nach dem Glück verschwinden. Mitten im Niemandsland, in dem ein Menschenleben nichts bedeutet.
Autorenporträt
Sam Hawken wurde 1970 in Texas geboren und studierte an der Universität von Maryland. Nach seinem Abschluss in Geschichte widmete er sich zunächst seiner Karriere als Historiker, bevor er sich dem Schreiben zuwendete. 2011 veröffentliche er seinen ersten Roman, The Dead Women of Juárez. Er lebt in Baltimore, Maryland, zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rose-Maria Gropp fasziniert besonders die Intensität in dem Roman von Sam Hawken. Das laut Gropp auch gut als Appell gegen Grenzen zu lesende Buch über drei Biografien an der mexikanisch-texanischen Grenze besticht für sie durch hohe Erzählkunst und weniger durch reißerische Effekte. Die Frage, ob es sich um einen Krimi handelt, erübrigt sich für Gropp, weil der Autor den Stoff aufrichtig, mittels genauer Beobachtungen und eines eindringlichen Stils behandelt, wie sie schreibt. Wie geduldige Alltagsschilderungen und das Protokoll einer menschlichen Degradierung im Buch abwechseln, hat Gropp beeindruckt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2016

Der Tote unter dem Vergewaltigungsbaum

Sam Hawkens Roman "Kojoten" handelt von Menschen an der Grenze zwischen Texas und Mexiko. Und damit vom Schicksal aller Migranten dieser Welt.

Sie werden cojotes genannt, die Schleuser und Schlepper an der Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko. Dort wird jener inzwischen mehr als dreitausend Kilometer lange Zaun immer weiter ausgebaut, der die illegale Einwanderung aus oder über Mexiko aufhalten soll. "Kojoten" heißt Sam Hawkens Roman in deutscher Übersetzung, der 2013 als "La Frontera" in Amerika erschien.

Der Roman hat drei Teile, sie tragen die Namen von Menschen: Ana, Luis, Marisol. Ana Torres ist eine Polizistin in Texas, eine Rangerin in der Kleinstadt Presidio an der Grenze zu Mexiko. Sie ist auf ihrem Pferd auf Streife unterwegs, in sengender Hitze über ödestem Ranchland. Ana, die nicht aus dieser Gegend stammt, gehört zu den Texas Rangers, die in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden das Eindringen der "Grenzquerer" verhindern sollen. Luis González ist ein Mann in seinen Dreißigern, der etwas außerhalb von Ojinaga wohnt, einer mexikanischen Kleinstadt auf der anderen Seite des Zauns; er wird der "Hundemann" genannt, weil er streunenden Kötern auf seinem bescheidenen Areal eine Heimat gegeben hat, wie eine Metapher der Hoffnung für die schlimme Situation der Migranten mutet das an. Denn Luis war früher einer der gewieftesten Kojoten, die sie ins ersehnte Gebiet jenseits des Zauns führten. Jetzt hat er einen kleinen Laden in Ojinaga für ihre Ausrüstung, und er wünscht sich ein kleines Glück mit der hübschen sanften Adriana. Marisol Herrera ist eine beherzte junge Frau aus dem Dorf Perquín in El Salvador, deren sehnliches Streben es ist, der heimatlichen Provinz zu entkommen ins gelobte Land, das Geld dafür spart sie sich vom Mund ab, ehe sie sich auf den langen Weg macht.

Sam Hawken nimmt die Spuren von Ana, Luis und Marisol auf. Er erzählt geduldig in eindringlichen Schilderungen aus ihrem Alltag, unter dem langen Schatten von La Frontera. Ana ist mutig, auch wenn ihr die "Border Patrol" der waffenstarrenden texanischen Rancher eher unangenehm ist. Bei ihrem Grenzritt am Anfang des Romans stößt sie auf einen Baum, an dem Fetzen von Frauenunterhosen hängen; "Vergewaltigungsbaum" ist das Wort dafür, Zeugnis für einen fürchterlichen Preis, den die Frauen unter den Migranten an manche der Schleuser bezahlen müssen, nachdem ihnen wie den Männern und selbst den Kindern schon alle Habe und Würde genommen worden sind. In geringer Entfernung vom Baum findet Ana die Leiche eines Mannes, der offenbar von hinten erschossen wurde. Die Aufklärung des Geschehens wird routinemäßig eingeleitet, und diese Routine weiß ebenso, dass eine Klärung des Falls, eines weiteren dieser Art nur, kaum möglich sein wird - ein namenloser Toter mehr unter so vielen an diesem Zaun.

Luis hatte abgeschlossen mit seiner Vergangenheit als cojote. Doch der tyrannische Anführer einer Schlepper- und Drogenschmugglerbande zwingt ihn mit Zerstörungswut und brachialer physischer Gewalt noch einmal zurück, Marisols Aufbruch führt sie über die Hauptstadt San Salvador und durch Guatemala nach Mexiko. Ihre Reise ist das Protokoll der gnadenlosen Degradierung einer hoffnungsvollen, talentierten jungen Frau, die in die Illegalität gezwungen wird, beschädigt und ausgebeutet, bis zum nackten Überleben.

Der in Texas geborene Sam Hawken, Jahrgang 1970, hat Geschichte studiert. Schon in seinem ersten Roman, der auf Deutsch 2012 unter dem Titel "Die toten Frauen von Juárez" erschien, widmete er sich der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juárez, in der seit den neunziger Jahren, vielfach dokumentiert, bis heute Hunderte von unaufgeklärten Frauenmorden geschehen. Die Genauigkeit der Beobachtung in "Kojoten" mag dem Blick des Historikers geschuldet sein, die Eindringlichkeit aber verdankt sich Hawkens vibrierendem Erzählstil, in dem die Selbstbeherrschung des Autors angesichts seines Themas spürbar ist. Hawken verrät seinen Stoff nicht an reißerische Sensationen, ihm geht es um Aufrichtigkeit. Erst ganz am Ende führt er die drei Stränge seiner Geschichten zusammen. Der Tote, den Ana nahe dem Vergewaltigungsbaum fand, bekommt ein Gesicht, Marisol eine Chance, vielleicht - keine versöhnlerische Attitüde, eine Ahnung von Menschlichkeit, das wäre schon das Äußerste.

Müßig die Frage, ob es sich bei "Kojoten" überhaupt um einen Kriminalroman handelt, als der das Buch firmiert. Denn die generelle Abkopplung des Genres von den Forderungen an das, was gemeinhin anspruchsvolle Literatur heißt, ist ohnehin unsinnig. Natürlich gehört nicht jede Kriminalstory zu Unterhaltungszwecken in diese Kategorie. Aber die klassische Schule des Kriminalromans - dafür müssen nicht erst Chandler und Highsmith, Simenon oder Fred Vargas aufgerufen werden - war schon immer hohe Erzählkunst, keineswegs abseits von gesellschaftlichen und politischen Geschehnissen. Sam Hawkens Widmung lautet "Für die Migranten", so lapidar wie pathetisch. Zumal in der europäischen Gegenwart und ihren Flüchtlingsströmen. Noch sind keine Zäune errichtet. So erhält "Kojoten" von einer anderen Grenze her den Charakter eines Appells. Doch entscheidend ist die Intensität dieses Roman, die in der deutschen Übersetzung von Karen Witthuhn bewahrt ist.

ROSE-MARIA GROPP

Sam Hawken: "Kojoten". Kriminalroman.

Aus dem Amerikanischen von Karen Witthuhn, mit einem Vorwort von Tobias Gohlis.

Polar Verlag, Hamburg 2015. 390 S., br., 14,90 [Euro].

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