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In dieser Weltgeschichte des »Kalten Kriegs« erzählt und analysiert Odd Arne Westad präzise und elegant zugleich die Geschichte eines der bis heute wirkmächtigsten Konflikte der Neuzeit. Dabei porträtiert er die Epoche des »Kalten Kriegs« länderübergreifend in globalgeschichtlicher Perspektive und stellt scharfsinnig die Bezüge zu unserer Gegenwart her.
Der »Kalte Krieg« dominierte die internationale Politik und prägte das Leben der Menschen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts - in allen Teilen der Welt. Er verursachte Angst und Verwirrung von Hollywood bis Hanoi. Auf der Höhe der
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Produktbeschreibung
In dieser Weltgeschichte des »Kalten Kriegs« erzählt und analysiert Odd Arne Westad präzise und elegant zugleich die Geschichte eines der bis heute wirkmächtigsten Konflikte der Neuzeit. Dabei porträtiert er die Epoche des »Kalten Kriegs« länderübergreifend in globalgeschichtlicher Perspektive und stellt scharfsinnig die Bezüge zu unserer Gegenwart her.

Der »Kalte Krieg« dominierte die internationale Politik und prägte das Leben der Menschen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts - in allen Teilen der Welt. Er verursachte Angst und Verwirrung von Hollywood bis Hanoi. Auf der Höhe der Forschung präsentiert Odd Arne Westad eine große, umfassende Geschichte dieses Weltkonfliktes und deutet ihn erstmals aus globaler Perspektive. Glänzend zeigt er, dass er weit mehr war als eine begrenzte Konfrontation zwischen den beiden Supermächten, die mit dem Kollaps der Sowjetunion endete. Eindrücklich argumentiert er, dass der »Kalte Krieg« den globalen Transformationen des 19. Jahrhunderts entsprang, und begreift ihn im Zusammenhang des weltweiten wirtschaftlichen, technischen, sozialen und politischen Wandels. Höchst anschaulich analysiert er die verschiedenen Phasen der Konfrontation zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Das neue Standardwerk und unerlässliche Lektüre für alle, die verstehen wollen, wie tiefgreifend der »Kalte Krieg« das Leben der Menschen prägte, und welche Rolle er bei der Entstehung unserer heutigen Welt gespielt hat.

»Eine großartige Gesamtdarstellung von einem unserer großen Historiker.«
Timothy Snyder

»Ein Meisterwerk der Geschichtsschreibung.«
The Times Literary Supplement, Books of the Year

Autorenporträt
Odd Arne Westad, geboren 1960, ist einer der international renommiertesten Experten zum 'Kalten Krieg'. Von 1998 bis 2014 forschte und lehrte er an der London School of Economics. Seit 2015 ist er Professor für internationale Beziehungen und Globalgeschichte in Harvard an der 'Kennedy School of Government'.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2019

Die Rückkehr des Gespensts

Eine eindrucksvolle Geschichte des globalen Kalten Krieges

Von Michael Epkenhans

Der Kalte Krieg in Europa endete, weil sich die Angst, die Ost und West voreinander hatten, durch jahrelangen engeren Kontakt vermindert hatte und weil die Europäische Gemeinschaft bewiesen hatte, dass sie auch periphere Länder erfolgreich integrieren konnte. Er endete 1989, weil die Völker in Osteuropa rebellierten und Gorbatschow nichts unternahm, um die kommunistischen Regime zu retten." Aus der Rückschau und einer völlig veränderten Weltlage überkommt manche Leser zweifellos Wehmut. Sie erinnern sich an jene Monate 1989/90, in denen eine fast fünfzigjährige Zeit der Konfrontation, in der zwei mächtige Blöcke, bis an die Zähne bewaffnet, manches Mal hart am Rande eines nuklearen Krieges einander unversöhnlich gegenübergestanden hatten, zu Ende gegangen war. Das 21. Jahrhundert, so die allgemeine Erwartung, würde eine Zeit des Friedens und des endgültigen Durchbruchs demokratischer Werte, aber auch des Wohlstands überall auf der Welt sein.

Dass die Hoffnung auf ein "goldenes" Zeitalter sich als Illusionen erweisen würde, ließen nicht nur die Kriege auf dem Balkan, sondern auch im Mittleren Osten im Zeichen der Kuweit-Krise 1990/91 und der "Wars on Terror" nach 9/11 erahnen. In dem Moment, in dem der russische Präsident Wladimir Putin den amerikanischen Anspruch auf alleinige Vormachtstellung auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2007 öffentlich in Frage stellte, wurde die Gefahr eines neuen Kalten Krieges deutlich. Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, der hybriden Bedrohung der baltischen Staaten und der Unterstützung von Separatisten in der Ostukraine durch Moskau ist der Kalte Krieg wieder mehr als nur ein Gespenst. Nato-Truppen stehen seitdem an Russlands Grenzen, Wehretats werden in ganz Europa erhöht. Und auch die Rhetorik vieler Akteure erinnert an die Zeit vor 1989. Das Auslaufen des symbolisch bedeutsamen INF-Vertrages im Sommer offenbarte, dass der Versuch, Eskalationen durch Abkommen zu verhindern, zunächst gescheitert ist. Die Migrationskrise und die von Populisten geschürte Debatte über die von einst als Allheilmittel gepriesene Globalisierung zeigen deren Schattenseiten.

Vor diesem Hintergrund tut es uns allen, vor allem aber den verantwortlichen Politikern gut, sich Genese, Verlauf und Ergebnisse des Kalten Krieges zu vergegenwärtigen. Das 2017 erstmals erschienene, nun ins Deutsche übersetzte Buch des norwegischen Historikers Odd Arne Westad ist eine mustergültige und außerordentlich lehrreiche Orientierungshilfe.

Westads Studie ist nicht allein deshalb bedeutsam, weil sie den Kalten Krieg nicht wie oft üblich mit Churchills Fulton-Rede über den "Eisernen Vorhang" 1946 beginnen lässt oder diesen einfach als primär europäisches Phänomen betrachtet. Aus Westads Sicht kann der Kalte Krieg nur als Ergebnis eines im 19. Jahrhundert beginnenden "wirtschaftlichen, sozialen und politischen Wandels" begriffen werden. Dieser habe sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Verwandlung der Vereinigten Staaten und Russlands "in zwei mächtige Imperien mit der immer stärkeren Überzeugung, eine internationale Mission zu haben" sowie der Verschärfung der Kluft zwischen dem Kapitalismus und seinen Kritikern beschleunigt. Das Jahr 1917 betrachtet er zu Recht als Scharnierjahr. Zum einen traten die Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg ein, um die westliche Welt zu retten. Zum anderen stürzten die Sowjets das zaristische System, um unter dem weltweiten Beifall vieler Linker einer neuen, vermeintlich gerechteren Gesellschaftsordnung den Weg zu ebnen.

Um diese These zu belegen, beschreibt Westad nach seiner Analyse der "Formierung der Welt" in 22 Kapiteln den Kalten Krieg als epochales und globales Ereignis. Die Bandbreite reicht von den beiden Weltkriegen über das "neue Asien", die "koreanische Tragödie" und den "Fluch Chinas" bis hin zu den "zerfallenden Imperien", den "Begegnungen mit Vietnam" und den "Strudeln des Nahen Ostens" sowie den "globalen Transformationen" nach "Gorbatschow". Allein die Überschriften wecken Lust zum Lesen. Doch es ist nicht nur der "leichte", essayistische Stil, der das Lesen zum Vergnügen macht. Die beeindruckenden Analysen sind vielmehr auch das Ergebnis intensiver Quellenforschung. Diese spiegelt sich in aussagekräftigen Zitaten an zentralen Stellen. Dass Westad Themen und nicht die Chronologie zur Leitschnur seiner Darstellung macht, mag anfangs irritieren. Es erweist sich aber als großer Vorteil. So kann der Leser tief eintauchen in Problemfelder quer über den Globus verteilt, die den meisten von uns unbekannt sein dürften.

Dazu gehörten neben dem Streben nach Hegemonie der weltweite Kampf zwischen Arm und Reich, zwischen Unterdrückern und Unterdrückten, zumal in den Kolonien. Die Ideologien des Kalten Krieges luden diese Probleme auf, versprachen sie doch einfache Lösungen auf komplizierte Probleme. Damit einher ging der Wille der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, sich durch Interventionen Vorteile zu verschaffen und so zugleich die Überlegenheit des eigenen Systems zu beweisen. Die Folge war jedoch nicht mehr Sicherheit, sondern Chaos, da immer mehr Staaten mit ungeheuren Opfern in den Strudel dieses Konflikts hineingezogen wurden: Vietnam und Kambodscha, die ehemaligen portugiesischen Kolonien und der Nahe Osten.

Am Ende sollten die Vereinigten Staaten und der Kapitalismus als Sieger aus dem Konflikt hervorgehen. Die Sowjetunion implodierte. Doch die Lehren, die die Amerikaner aus diesem Sieg gezogen hätten, seien fatal gewesen. Hier wird Westad politisch: "Der Mangel an Selbstreflexion" und der "Triumphalismus" der amerikanischen Politik nach dem Kalten Krieg hätten notwendige Veränderungen verhindert. Statt "selbstgefällig" und "einfallslos" zu agieren, nutzlose Kriege zu führen, kurzfristige Sicherheit mit langfristigen strategischen Zielen zu verwechseln, hätte diese aus dem Kalten Krieg die Lehre ziehen müssen, "andere an die Prinzipien für internationales Verhalten zu binden, die sie selbst, insbesondere da ihre Macht abnimmt, langfristig gerne beachtet sehen wollen." Daher sei Amerika wie jede Supermacht "im Niedergang" in einer multipolaren Welt auch weniger gut als je zuvor darauf vorbereitet, die großen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen: den Aufstieg Chinas und Indiens, den Transfer wirtschaftlicher Macht von Ost nach West oder systemische Probleme wie Klimawandel und Epidemien. Das sind harte, im Zeichen von "America first" aber erst recht notwendige Urteile.

Doch nicht nur an die Vereinigten Staaten richtet Westad seine Botschaft, sondern auch an "junge Menschen". So verständlich deren Bedürfnis, "Teil von irgendeiner großen Idee, der sie ihr Leben widmen", auch sei, sie sollten eines nicht vergessen: "Wir wissen nicht immer, wo Ideen uns hinführen. Deshalb ist es besser, sorgfältig die Risiken abzuwägen, die wir für gute Ergebnisse einzugehen bereit sind, damit wir nicht erneut den schrecklichen Tribut zahlen, den das 20. Jahrhundert bei seinem Streben nach Perfektion entrichtet hat." Dem ist nichts hinzuzufügen. Auch wenn man sich als Militärhistoriker einen Abschnitt über "Rüstung" gewünscht hätte, kann man angesichts aktueller Krisen nur hoffen, dass viele dieses sehr gut geschriebene Buch lesen - ungeachtet aller politischen Akzente.

Odd Arne Westad: "Der Kalte Krieg". Eine Weltgeschichte.

Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2019. 763 S., geb., 34,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2019

Vorbei, aber nicht vergangen
Der norwegische Historiker Odd Arne Westad hat eine fulminante Bilanz des Kalten Krieges erarbeitet.
Er widerlegt die These vom „langen Frieden“ und beleuchtet einen eher unbekannten Treibsatz für die Konfrontation
VON BERND GREINER
Das gibt es selten: Dass ein Autor, der schon zig Bücher zu einem Thema vorgelegt hat, sich mit dem Erreichten nicht zufriedengibt, sondern alte Einsichten so lange dreht und wendet, bis neue Sichtachsen gelegt sind. Odd Arne Westad, norwegischer Historiker mit einem Lehrstuhl in Harvard, ist für diese produktive Unruhe bekannt. Deshalb gelingen ihm immer wieder große Würfe, nun mit einer Weltgeschichte des Kalten Krieges. An den dort gesetzten Maßstäben werden sich alle messen lassen müssen, die künftig an einer Synthese dieser Epoche arbeiten. Konziser und erhellender kann man über den Kalten Krieg, seine Triebkräfte und weltweiten Verästelungen kaum schreiben.
Auf den ersten Blick mutet vieles noch sehr vertraut an. Insbesondere die aus der „Weltbürgerkriegsdebatte“ bekannte These, der zufolge seit dem späten 19. Jahrhundert zwei unvereinbare Entwürfe politisches Denken prägten und gesellschaftliches Leben spalteten: Sozialismus und staatlicher Dirigismus auf der einen Seite, unternehmerische Freiheit und liberale Demokratie auf der anderen. Ein universeller, mit missionarischem Eifer verfochtener Anspruch zeichnete diese Ordnungsmodelle aus. Zum Kampf um die „Seele der Menschheit“ kam es indes erst, als mit den USA und der UdSSR zwei aufstrebende Weltmächte in die Rolle letztinstanzlicher Garanten des Unvereinbaren schlüpften. Diese Konkurrenz zu einer Frage nationalen Überlebens aufzuplustern, war im Grunde nur eine Frage der Zeit. „Kalter Krieg“ ist das Signum der Wende ins Extreme: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges pochten beide Seiten auf die globale Multiplikation ihres jeweiligen Modells als Voraussetzung von Sicherheit, Wohlfahrt und Stabilität.
Dass die USA und die UdSSR sich nicht nur gegenseitig beharkten, sondern zu Führern verfeindeter Blöcke aufsteigen konnten, hat bekanntlich mit vielen unterschiedlichen Gründe zu tun. Odd Arne Westad sortiert und gewichtet sie, verweist auf die Attraktivität des Dollar, auf die Macht sowjetischer Gewehrläufe und die toxische Wirkung der beiderseits aufgelegten Angstkampagnen, die umso glaubwürdiger erschienen, je mehr Weltuntergangswaffen gehortet wurden. Und dann setzt er ein überraschendes Ausrufezeichen hinter den Faktor Technologie.
Für Länder der Dritten Welt war Technologie eine verdinglichte Utopie, der Stoff, mit dessen Hilfe man die Modernisierung beschleunigen und die Fesseln des Kolonialismus endgültig abstreifen konnte. Anbieter von Wissen und Fertigprodukten hatten folglich ein einzigartiges Mittel der Machtprojektion zur Hand, unauffälliger, vielfältiger und vor allem effizienter als die klobigen Instrumente aus dem Besteckkasten früherer Imperien. Die Pointe der Geschichte allerdings ist der Handlungsspielraum der Käufer: Sie wählten keine Ideologie, sondern suchten sich aus technologischen Angeboten das für ihre Bedürfnisse Passende – und spielten bei Bedarf die Marktführer gegeneinander aus. Allein die Drohung, im anderen Lager auf Einkaufstour zu gehen, reichte mitunter zur Verbesserung der „terms of trade“. Die Rekonstruktion dieser Zusammenhänge erweitert nicht allein das Wissen zur politischen Ökonomie internationaler Beziehungen. Sie identifiziert einen gemeinhin unterbewerteten Treibsatz des Kalten Krieges und verdeutlicht, warum der Wettstreit um die Zukunft noch im hintersten Winkel der Welt ausgetragen wurde. Und weshalb er erst ein Ende fand, als einer der Konkurrenten mit den Fortschritten der Technologie nicht mehr mithalten konnte.
Ebenso prägnant rückt Odd Arne Westad einiges zurecht, was in der Literatur zum Kalten Krieg in Schieflage geraten ist. An diesen Stellen gerät das Buch einmal mehr zur erfrischenden Lektüre – weil es daran erinnert, dass man mit steilen Thesen zwar immer Aufmerksamkeit, aber selten Erkenntnisgewinn erzielt.
Zu den vorzeitig in die Jahre gekommenen Neuheiten zählt die Umformatierung des Kalten Krieges in einen „langen Frieden“. Im Rückgriff auf seine früheren Studien erinnert Westad an den Preis, der in der Dritten Welt für die Stellvertreterkriege der Blockführer oder dafür gezahlt wurde, dass Ost wie West wegen kurzfristiger Gewinnerwartungen lokale Konflikte anheizten und künstlich in die Länge zogen. Nachdrücklicher als bisher verweist er auch auf die existenzbedrohende Risikobereitschaft mancher Hauptakteure und eine Zockermentalität, die derart abenteuerlich war, dass man sie schon bald als unglaubwürdig abtat. Sich bewusst zu machen, wie oft die Welt haarscharf am Desaster eines Atomkrieges vorbeischrammte, entzieht der normativen Beilage des „langen Friedens“ die Grundlage – der Behauptung nämlich, dass der Aufwand des Kalten Krieges gerechtfertigt und einträglich war. Dem hält Westad ein faktengesättigtes Widerwort entgegen: Weil alle Beteiligten zu viel bezahlt haben, hat auch keiner im Kalten Krieg dazugewonnen. Was in dieser Deutlichkeit einmal gesagt werden musste und nicht oft genug wiederholt werden kann.
Zweitens wehrt sich Odd Arne Westad gegen die Verbannung des Kalten Krieges in den Fußnotenapparat einer welthistorischen Großerzählung. Gewiss sind Modernisierung und Globalisierung epochenübergreifende Taktgeber, die eigenen Gesetzen folgen und von politischen Konjunkturen nicht aus der Bahn geworfen werden. Doch was ist mit dieser zutreffenden Beobachtung gewonnen? Mit einer Flughöhe, die zwar ein riesiges Panorama öffnet, aber Kontinente eben nur in ihren Umrissen abbildet? Viel und doch viel zu wenig, betont Westad und wechselt konsequent zwischen Makro- und Mikroperspektive. Seine Ausflüge in das Unterholz des Kalten Krieges, in den Alltag von Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Medien und in das Schicksal „kleiner Leute“, illustrieren das Stilbildende und Unverwechselbare der Zeit. Eine Fußnote? Nur, wenn man die Erfahrung von Generationen zur lässlichen Hinterlassenschaft erklärt.
Drittens relativiert Westad überzogene Deutungsansprüche aus dem Bereich der Kulturwissenschaften. Dass lange vernachlässigte Fragen nach der Bedeutung von Mentalitäten, Geschlechterrollen oder Zeit- und Raumerfahrung mitunter mit viel Aplomb zur Diskussion gestellt werden – geschenkt. Nur sollte der Sinn für Proportionen nicht verlorengehen. Oder für die Orte, wo der Bartel auch und gerade im Kalten Krieg den Most holte: beim Militär, in der Wirtschaft, bei der Justiz. Eben dort, wo die Macht zu Hause war und Machtworte gesprochen wurden. Wer diese tragenden Säulen im Innersten einer Gesellschaft aus dem Blick verliert oder bis zur Unkenntlichkeit nivelliert, macht aus Geschichtswissenschaft eine Modeschau. Auch in Polemik ist Westad also bewandert. Aber er trägt sie unaufgeregt vor. Und vor allem mit stupender Überzeugungskraft.
Der Kalte Krieg ist vorbei. Und einen globalen, mit der Drohung der Selbstvernichtung unterlegten Kampf um letzte Werte wird es auf absehbare Zeit auch nicht noch einmal geben. Einige Untote gehen dennoch weiter um. Nämlich in Gestalt jener Ideen, die ehemals an der Wiege dieser Konfrontation standen – dass komplexe Probleme mit einfachen Rezepten lösbar sind, dass die Sicherheit des eigenen Landes umso größer ist, je stärker man andere ängstigt und verunsichert, und dass das Recht des Stärkeren im Zweifel über dem Recht steht. Dabei geht Westad mit den USA besonders hart ins Gericht. Aus guten Gründen und im Wissen um den politischen Streitwert einer zeitgemäßen Geschichtswissenschaft. Daran werden nicht nur am Kalten Krieg Interessierte ihre Freude haben.
Der Wettstreit um die Zukunft
wurde noch im hintersten
Winkel der Welt ausgetragen
In Schwedt an der Oder wurde Hauke Hückstädt geboren, 1984 verließ er mit seinem Vater und
dessen neuer Frau die DDR, siedelte nach Hannover über. Seit 2010 leitet Hückstädt das
Literaturhaus Frankfurt in einem rekonstruierten historischen Gebäude, Adresse: Schöne Aussicht.

Odd Arne Westad:
Der Kalte Krieg. Eine Weltgeschichte. Klett Cotta, Stuttgart 2019.
769 Seiten, 34 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Der Harvard-Historiker Odd Arne Westad schafft in seiner Gesamtdarstellung des Kalten Kriegs den schwierigen Spagat zwischen anschaulichen Erzählen und tiefschürfender Analyse - trotz intensiver Quellenforschung liest sich sein Buch spannend wie ein Kriminalroman. [...] Eines der besten Überblickswerke zum Kalten Krieg [...].« Clausewitz, Januar/Februar 2021 Clausewitz 20210101