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Abs - der Bankier und sein Jahrhundert
Hermann Josef Abs, dessen Leben fast das gesamte 20. Jahrhundert umspannt, war der mächtigste Bankier seiner Zeit. Sein Name ist bis heute ein Synonym für den oft mehr erahnten als greifbaren Einfluß des "Kapitals" auf Politik und Wirtschaft. Lothar Galls faszinierende Biographie zeigt einen Bankier bei der Arbeit, der wie kein zweiter die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert mitgestaltet hat. Hermann Josef Abs, noch ein Jahr vor seinem Tod als "mit Abstand mächtigster Mann in Deutschland"…mehr

Produktbeschreibung
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Abs - der Bankier und sein Jahrhundert

Hermann Josef Abs, dessen Leben fast das gesamte 20. Jahrhundert umspannt, war der mächtigste Bankier seiner Zeit. Sein Name ist bis heute ein Synonym für den oft mehr erahnten als greifbaren Einfluß des "Kapitals" auf Politik und Wirtschaft. Lothar Galls faszinierende Biographie zeigt einen Bankier bei der Arbeit, der wie kein zweiter die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert mitgestaltet hat.
Hermann Josef Abs, noch ein Jahr vor seinem Tod als "mit Abstand mächtigster Mann in Deutschland" apostrophiert, verkörpert wie niemand sonst die Macht des Geldes im 20. Jahrhundert. Der legendäre Chef der Deutschen Bank war kein Bankier unter anderen, er war der Bankier schlechthin, die Verkörperung all dessen, was - positiv wie negativ - mit dem Geflecht der Beziehungen zwischen Staat, Wirtschaft und Politik assoziiert wird.
Seiner Biographie geht nun mit Lothar Gall einer der angesehensten deutschen Historiker nach. Auf der Grundlage akribischer Quellenforschung erzählt Gall nicht nur vom steilen Aufstieg Abs' zum einflußreichsten Bankier Deutschlands, sondern er begreift ihn stets als charakteristischen Repräsentanten der jeweiligen Epoche, als Symbolfigur der übergreifenden Tendenzen und Entwicklungen des 20. Jahrhunderts. Das gilt für die Weimarer Republik wie für die Jahre des "Dritten Reiches", denen Gall mit nuanciertem Urteil besondere Aufmerksamkeit widmet. Es gilt aber vor allem auch für die Geschichte der Bundesrepublik, die Abs maßgeblich mitgestaltet hat. So ist eine exemplarische Biographie entstanden, ein meisterhaftes Portrait der Welt des Geldes und der Macht - und des Mannes, der ihr Bankier war.
Autorenporträt
Lothar Gall, geb. 1936, ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Frankfurt am Main. Er ist u. a. Träger des Leibniz-Preises und des Balzan-Preises. Veröffentlichungen u. a.: Bismarck. Der weiße Revolutionär (Berlin 91997); Bürgertum in Deutschland (Berlin 1989); (als Hrsg.) Die Deutsche Bank 1870-1995 (C.H.Beck 1995); Die Eisenbahn in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (C.H.Beck 1999).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.11.2004

Ein Bürger alten Stils
Hermann Josef Abs ist ein Musterbeispiel für ungebrochene Kontinuitäten deutscher Wirtschaftseliten
Hermann Josef Abs, seit 1938 mit der Deutschen Bank, „seiner” Bank, als Vorstandsmitglied, Vorstandssprecher und schließlich Aufsichtsratsvorsitzender verbunden, war ein Bürger klassischer Prägung - so das Urteil Lothar Galls. Daher ist es durchaus folgerichtig, dass gerade Gall, der die neuere Geschichtsschreibung über das deutsche Bürgertum stark beeinflusste, diese erste umfassende Biografie vorgelegt hat. Der Titel „Der Bankier” bezeichnet eigentlich nur jene drei Jahre aus Abs’ Leben richtig, in denen er von 1935 bis 1937 Teilhaber des Privatbankhauses Delbrück Schickler&Co. war. Danach war er streng genommen, worauf auch Gall wiederholt hinweist, leitender Bankangestellter, Großbankmanager. Nach Habitus, Auftreten und innerer Lebenseinstellung sei Abs jedoch immer „Bankier” geblieben und nie „Banker” geworden, und genau dies werde durch seine Verwurzelung im Bürgertum unterstrichen.
1901 als Sohn eines Bonner Rechtsanwalts geboren und katholisch erzogen, entschied Abs sich nach dem Abitur am humanistischen Gymnasium, ganz entgegen allen bloß bildungsbürgerlichen Vorstellungen, für eine Banklehre. Nach Berufsjahren im europäischen und außereuropäischen Ausland und der Heirat 1928 trat er im selben Jahr als Prokurist in das bedeutende Privatbankhaus ein, dessen Teilhaber er später wurde. Ehrgeizig wie er war, hatte er bereits damals eine steile Karriere hinter sich.
Aber Abs war nicht nur „Berufsmensch”, wie Gall stets betont. Schon als Kind hatte er Klavier- und Orgelspielen gelernt, was er sein ganzes Leben pflegte. Auch war er früh an die Malerei herangeführt worden; später entwickelte er eine richtiggehende Kennerschaft. In der Bundesrepublik betätigte er sich höchst aktiv in der Kunst- und Kulturförderung sowie als weltläufiger Stratege und Koordinator beim Wiedererwerb von historischen Kulturgütern für die Bundesrepublik, wie dem Evangeliar von Heinrich dem Löwen. Er pflegte ebenfalls intensive Kontakte zu kirchlichen Würdenträgern und arbeitete aktiv in verschiedenen katholischen Organisationen mit. So lebte Abs seine Überzeugung vor, dass es gerade für den in der Wirtschaft Tätigen der kulturellen Rückbindung bedürfe sowie der Orientierung am Gemeinwohl. Eben das macht ihn in den Augen Galls zu einem „Bürger alten Stils”. Er verschweigt dabei auch nicht die damit einhergehenden, höchst unangenehmen Eigenschaften bei Abs: Selbststilisierung, autoritäres Auftreten, unbedingter Machtwille und die Überzeugung, „in seiner Person jeweils die wahren Interessen des Gemeinwesens zu verkörpern”.
Sein Machtwille war es denn auch, der Abs bewog, 1938 als für das Auslandsgeschäft zuständiges Mitglied in den Vorstand der Deutschen Bank zu wechseln. Das ist umso bemerkenswerter, als mit dieser Entscheidung gewaltige Gehaltseinbußen für ihn einhergingen und er sich über die Natur des Regimes, dem er nun ungleich stärker zuarbeiten würde, im Klaren sein musste. Jedoch war für ihn, wie er selbst einräumte, der Gedanke, größere Wirkungsmacht zu gewinnen, ausschlaggebend. Es verwundert daher nicht, dass er in der Phase der deutschen Expansion energisch und mit beträchtlichem Erfolg daranging, der Deutschen Bank in den nun unter deutschen Einfluss geratenden Ländern eine dominierende Stellung zu verschaffen, durch die Übernahme der Kontrolle ausländischer Banken sowie von Aktienpaketen bei anderen wichtigen Unternehmen .
Das war meist ganz im Sinne des NS-Regimes, doch gab es keinen staatlichen Zwang, so zu handeln, denn im Prinzip achtete das Regime die Autonomie deutscher Unternehmen in geradezu erstaunlicher Weise. Es waren traditionelle langfristige Zielsetzungen und die weiter bestehende Konkurrenz der Großbanken untereinander, die die Aktionen der Deutschen Bank und des sich mit ihrem Schicksal voll identifizierenden Abs motivierten. Von niemandem ist Märtyrertum zu erwarten, und daher ist die Tatsache verständlich, dass sich Abs trotz einiger diesbezüglicher Kontakte nicht tiefer mit dem Widerstand einließ. Aber er ist auch der Versuchung erlegen, die Vorteile des Expansionsstaates für die Zwecke seiner Bank zu nutzen. Er hat sie sogar im Bewusstsein des Charakters dieses Handelns systematisch zu instrumentalisieren gesucht - immerhin benutzte er in diesem Zusammenhang selbst einmal den Begriff „Raub”. Und gerade bei Abs lassen sich dafür auch nicht „mildernde Umstände” geltend machen, hatte er sich doch bewusst und sehenden Auges für seine Rolle entschieden.
Abs selbst hatte sich durchaus ein Gefühl für die Fragwürdigkeit seines Handelns bewahrt. Jedenfalls sann er, wie Gall schreibt, später darüber nach, wie dies zu bewerten sei. Er hatte keine justiziablen Verbrechen begangen, er konnte sogar jüdische Fürsprecher aufbieten, die er ihrer Einschätzung nach bei der „Arisierung” ihres Vermögens besonders fair behandelt hatte. Nach dem Krieg zunächst in Hamburg ansässig, konnte er sich mithilfe der Briten dem massiven amerikanischen Drängen auf eine Anklage entziehen. 1948 wurde sein Entnazifierungsverfahren beendet und er selbst als unbelastet eingestuft.
Jetzt stand einer zweiten Karriere nichts mehr entgegen, bei derAbs seine alten Kontakte und sein in der NS-Zeit gestärkter Ruf als außergewöhnlicher Bankier und Finanzfachmann zugute kamen. Er wurde in rascher Folge 1949 Vorstandssprecher der neu geschaffenen staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau und, aufgrund einer Entscheidung Adenauers, 1951 Leiter der deutschen Delegation bei den Verhandlungen über das Londoner Schuldenabkommen. Zugleich war er eine der treibenden Kräfte bei den Bemühungen um eine Rezentralisierung der von den Alliierten zerschlagenen und bis auf die Ebene der Länder zerlegten Großbanken. Dies gelang nach einem Zwischenschritt: Abs trat 1952 an die Spitze der Süddeutschen Bank, einer der drei Regionalbanken, in die die alte Deutsche Bank aktienrechtlich aufgespalten worden war. 1957 wurde Abs erwartungsgemäß Vorstandssprecher der wiedererstandenen Deutschen Bank. Außerdem knüpfte er auch insofern bruchlos an die Zeit vor 1945 an, als er in Dutzenden von Aufsichtsräten großer Unternehmen präsent blieb oder neu in sie berufen wurde, in der Mehrzahl der Fälle als Vorsitzender. Gleichsam nebenbei war er national wie international ein hoch angesehener Ansprechpartner und Berater in jeglichen finanziellen Fragen.
Gall hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass Abs nicht nur die Kontinuität der Wirtschaftseliten über die Zäsur von 1945 hinweg repräsentierte, sondern auch als Symbolfigur der korporativen Traditionen des Wirtschaftssystems anzusehen ist, die in den fünfziger und sechziger Jahren den Charakter der bundesdeutschen Wirtschaft noch vergleichsweise stark mitprägten. Tatsächlich waren auch seine Anschauungen durchaus von diesen typisch deutschen Traditionen bestimmt, etwa wenn er den Verbänden eine wichtige Rolle als wirtschaftliche Ordnungskräfte zugestand, vehement das Depotstimmrecht der Banken verteidigte oder gegen jegliche Beschränkung der Möglichkeiten zur Bildung stiller Reserven eintrat. Manche dieser Vorstellungen passten nicht ganz zu der von ihm sonst geforderten unbedingten Achtung des Privateigentums. Ebenso wenig passt dazu die instinktlose Hartnäckigkeit, mit der Abs auf der Legitimität der Besitztitel der Deutschen Bank beharrte, die unter seiner Regie im Krieg in besetzten Ländern erworben worden waren.
Im Leben und Denken von Abs gab es noch andere verblüffende Facetten, etwa die ideelle Unterstützung, die er der argentinischen Militärjunta angedeihen ließ, oder, auf einer völlig anderen Ebene, seine Gegnerschaft gegen die DM-Aufwertungen der sechziger Jahre und den Übergang zu flexiblen Wechselkursen, die er mit ziemlich untauglichen Argumenten begründet zu haben scheint. Insgesamt entwirft die Biografie ein gelungenes Bild dieser interessanten und komplexen Persönlichkeit. Dabei ist es ihr sicherlich sehr zugute gekommen, dass Gall das persönliche Archiv nutzen konnte, das Abs selbst mit der Absicht angelegt hat, sein Wirken umfassend zu dokumentieren. Unschön ist jedoch, dass Externe noch weitere zehn Jahre warten müssen, bis sie die Quellen von Gall ebenfalls einsehen dürfen.
Lothar Gall
Der Bankier.
Hermann Josef Abs
C. H. Beck, München 2004. 526 Seiten, 29,90 Euro.
Symbolfigur der jungen Bundesrepublik: Hermann Josef Abs (1901-1994), der unerschütterliche Bankier.
Foto: vario-press
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.10.2004

Die Sehnsucht des Bankiers nach Ordnung
Der Historiker Lothar Gall über Hermann Josef Abs, den legendären Chef der Deutschen Bank

VON GERALD BRAUNBERGER

Ein Bankier wird kaum zum Sujet einer Biographie aus der Feder eines angesehenen Historikers, wenn er lediglich Kredite vergibt oder mit Aktien handelt. Hermann Josef Abs (1901 bis 1994) verstand sich nicht nur als eine Institution - er war eine. Privatbankier bei Delbrück, Vorstandssprecher der Deutschen Bank und der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Multi-Aufsichtsrat, internationaler Finanzfachmann, Regierungsberater, Diplomat, Kunstsammler, Mäzen und nicht zuletzt begnadeter Selbstdarsteller: Abs blieb lange der bekannteste Vertreter der deutschen Wirtschaft - und ein höchst umstrittener Mann. Sein Erfolgsrezept: Er war ein ungewöhnlich talentierter Netzwerker. Abs kannte jeden, vergaß niemanden. Der Rheinländer wurde so zur Verkörperung des rheinischen Kapitalismus, eines auf persönlichen Beziehungen und Konsens bestehenden Nachkriegsdeutschlands, das sich allmählich aufzulösen scheint. Denn auch das ist Abs: Obgleich erst zehn Jahre tot, wirkt er wie ein Mann einer längst vergangenen Epoche.

Der Frankfurter Historiker und erfahrene Biograph Lothar Gall hat, gestützt auf den bislang unzugänglichen Aktennachlaß, eine dicht geschriebene, sich gelegentlich in Details verlierende Lebensbeschreibung verfaßt, die wichtige Einblicke in die Vita des eher zugeknöpften Bankiers gestattet, den Leser aber auch hier und da etwas unbefriedigt läßt.

Der aus einer Bonner Juristenfamilie stammende Abs war ein ehrgeiziger, früh zu Arroganz neigender Senkrechtstarter, der es mit Mitte Dreißig zum gut verdienenden Geschäftsinhaber des Berliner Privatbankhauses Delbrück brachte. Im Jahre 1938 wechselte Abs als Vorstand für das Auslandsgeschäft zur Deutschen Bank. Dort wurde er schlechter bezahlt, doch lockte ihn die Macht. Seine neue Position verglich der von Barockmusik Begeisterte mit einer Stelle als Domorganist, der auf einer wundervollen Orgel mit 5 Manualen und 72 lebenden Registern spielen könne: "die Sehnsucht eines Orgelspielers". Macht blieb für Abs kein Selbstzweck. Nutzen wollte er sie, um "Dinge, die der Ordnung bedürfen, in Ordnung zu halten oder zu bringen". Eine anspruchsvolle, man könnte mit Blick auf die Ordnungsfixierung auch sagen: eine sehr deutsche Selbstverpflichtung.

Abs' Verhalten während des Dritten Reiches bleibt bis heute Gegenstand der Kontroverse. Die Deutsche Bank suchte im Zweiten Weltkrieg in den eroberten Gebieten Fuß zu fassen - mit dem Auslandsvorstand Abs in einer prominenten Rolle. Zudem besaß er eine erhebliche Zahl von Aufsichtsratsmandaten; darunter bei der I.G. Farben, die KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter beschäftigte. Viel später gestand Abs, von dem "furchtbaren Geschehen in Majdanek oder Auschwitz" gewußt zu haben: "Sich dahinter zu verschanzen, daß man nichts davon wußte, nehme ich nur wenigen ab." Gall schließt, man könne Abs sowohl als Mitläufer wie als Mittäter wie als einen Mann mit Kontakten zum Widerstand beschreiben - eine vielleicht allzu vage Äußerung. Fest steht, daß Abs' hohes Ansehen im westlichen Ausland unter den Kriegsereignissen kaum litt. Nach einer kurzen Zwangspause etablierte sich Abs in der jungen Bundesrepublik als mächtige Spinne in einem eindrucksvollen Beziehungsnetz. Er leitete zunächst die neugegründete Kreditanstalt für Wiederaufbau und ab 1957 die Deutsche Bank, saß in mehr als 20 Aufsichtsräten, ging bei Adenauer und Erhard ein und aus. Abs leitete die Bonner Delegation bei den Londoner Verhandlungen zur Regelung der deutschen Auslandsschulden, beriet Entwicklungsländer und baute die im Krieg verlorenen Auslandsbeziehungen der Deutschen Bank wieder auf. Als Mann des Ausgleichs fand er zum Ärger der Großindustrie freundliche Worte für Gewerkschaften und Mitbestimmung. Der gläubige Katholik unterhielt enge Kontakte zum Heiligen Stuhl. Diese Omnipräsenz begriff Abs als ureigenen Beitrag zur Sicherung der westdeutschen Nachkriegsordnung. Für seine Gegner war er der Inbegriff der Macht des Geldes.

Die Welt dieses Mannes bestand, den Prinzipien seiner Zeit gemäß, aus dem Beziehungsgeflecht mächtiger Individuen, nicht, wie man es heute sieht, aus an Regeln gebundenen Institutionen. Deshalb konnte die Welt des Hermann Josef Abs keinen Bestand haben. Der Bundestag beschränkte in den sechziger Jahren in einer "Lex Abs" die Zahl der für eine Person zulässigen Aufsichtsratsmandate auf 10. Seitdem ist dem noch bestehenden Beziehungsnetz der deutschen Wirtschaft die Spinne abhanden gekommen. Und auch in der Deutschen Bank ist Abs nur noch eine Legende.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Noch zu Lebzeiten erkannte der Bankier Hermann Josef Abs, dass er das Mitglied einer aussterbenden Spezies war. Schon der Titel des Buches deutet es an: Als Vorstandssprecher und später Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank war er im strengen und heute geltenden Sinne "Angestellter" der Bank, nicht Bankier. Mit großer Selbstverständlichkeit aber nahm er sich als solcher wahr und wurde auch als solcher akzeptiert. Zu nahe war er der Macht, zu einflussreich, zu staatsmännisch trat er an der Seite Adenauers auf. Die Biografie von Lothar Gall spart freilich die Jahre Abs' im Dritten Reich nicht aus: Der Banker mag dabei als Vorstandsmitglied der Deutschen Bank eine gewisse, religiös begründet Distanz zum Regime gehabt haben, von jeder Form von "Widerstand" war und blieb er weit entfernt. Eine "direkte Mitschuld" an NS-Verbrechen lässt sich nach Galls Erkenntnissen aber nicht nachweisen. Die Biografie selbst preist der Rezensent Jürgen Jeske als "großen Wurf", mit dem Gall beweist, dass historische Seriosität und "fesselnde Geschichtserzählung" einander nicht ausschließen müssen.

© Perlentaucher Medien GmbH"
Cheforganist im Gelddom
Der legendäre Bankier Hermann Josef Abs sah sich auch als Sprecher der "Deutschland AG" / Von Jürgen Jeske

Nach seiner erfolgreichen Bismarck-Biographie und der exemplarischen Darstellung des Bürgertums in Deutschland ist Lothar Gall mit der ersten umfassenden Biographie des Bankiers Hermann Josef Abs ein weiterer großer Wurf gelungen. Auch das neueste Buch zeigt das Talent des Frankfurter Neuhistorikers, akribische trockene Quellenforschung und spröde ökonomische Analyse mit fesselnder Geschichtserzählung zu verbinden. Auf diese Weise ist ein facettenreiches Porträt des bedeutendsten und einflußreichsten deutschen Bankiers der Nachkriegszeit entstanden.

Abs war eine Jahrhundertgestalt. Der heute legendäre erste Vorstandssprecher der nach dem Krieg von den Siegermächten zerschlagenen und später wieder zusammengeführten Deutschen Bank war ein Bankmann, der auch Staatsmann hätte sein können. Zusammen mit dem Amerikaner David Rockefeller wird er zu Recht als einer der großen "Weltbankiers" gesehen. Gall macht am Lebens- und Berufsweg von Abs zwischen 1901 bis 1994 zugleich die Grundtendenzen der jeweiligen Epoche, die Brüche der deutschen Geschichte ebenso wie ihre Kontinuitäten deutlich. So wird Abs nicht nur als beispielhaft für das ambivalente Verhältnis der wirtschaftlichen Führungskräfte zur Hitler-Diktatur dargestellt, sondern auch für deren Fortwirken nach dem Zusammenbruch von 1945 und ihre Rolle im rheinischen Konsens-Kapitalismus.

Als Mitglied der Historischen Kommission der Deutschen Bank und als Mitherausgeber der 1995 veröffentlichten Geschichte des Geldhauses ist Gall mit der Materie seit Jahren vertraut. Für sein Buch konnte er erstmals das 5000 Aktenordner umfassende persönliche Archiv des Bankiers im Historischen Archiv der Deutschen Bank auswerten, das für Außenstehende nach wie vor testamentarisch gesperrt ist. Wer dabei im Hinblick auf die Zeit des Nationalsozialismus überraschende Entdeckungen erwartet hat, wird enttäuscht sein. Solche Überraschungen gibt es nicht. Das verwundert aber nicht, wenn man die politischen Verhältnisse einer Diktatur und die überaus große Vorsicht von Abs bedenkt. Aufgrund der Aktenlage stellt der Historiker Schlußfolgerungen und Mutmaßungen infrage, die Abs eine genaue Kenntnis und direkte Mitschuld an NS-Verbrechen unterstellen. Das betrifft die sogenannten Arisierungen der Deutschen Bank in der Tschechoslowakei und Abs' Mitgliedschaft im Aufsichtsrat des IG-Farben-Konzerns, der ein Werk in Auschwitz betrieb und über eine Tochterfirma das zur Judenvernichtung verwendete Gas "Zyklon B" produzierte. Der Historiker Harold James hatte behauptet, Abs sei mit vielen verzweigten Ketten in das System der Verfolgung und Vernichtung eingebunden gewesen, ihm sei sogar persönliche Mitschuld an begangenen Brutalitäten anzurechnen - ein Vorwurf, der leider ungeprüft von anderen übernommen wurde. Nachvollziehbare Beweise dafür gibt es nach Galls Forschungen nicht.

Gleichwohl läßt Gall keinen Zweifel daran, daß Abs im "Dritten Reich" seine vielversprechende Karriere fortsetzen konnte und wollte, während seine jüdischen Berufskollegen gehen mußten und verfolgt wurden. Abs war als sehr gut bezahlter Gesellschafter einer Privatbank 1937 zu einem niedrigeren Salär in den Vorstand der Deutschen Bank berufen worden. Doch ihm ging es nicht um Geld, sondern um Einfluß. Er wollte auf der größeren Klaviatur spielen oder, wie er es einmal beschrieb, Domorganist "an dieser wundervollen Orgel", sprich der Deutschen Bank, sein, wohl wissend, daß er dort weit mehr im Licht der Öffentlichkeit stehen würde. Abs wurde zwar nie Parteimitglied und stand als gläubiger Katholik auch in deutlicher Distanz zum Hitler-Regime, doch er wurde durch seine Tätigkeit in der Großbank zwangsläufig eingebunden in die Expansionspolitik des Regimes. Die innerliche Distanz trug nach Galls Meinung bei Abs wie bei vielen anderen nur zur Selbsttäuschung darüber bei, in welchem Maße sie in Wirklichkeit dem Nazi-Regime und seinen Zielen zuarbeiteten. Abs ist nicht direkt schuldig geworden, doch er wurde zum Rad im Getriebe der NS-Eroberungs- und dann Vernichtungspolitik. Als Vorstand folgte er der Devise, daß die Deutsche Bank in der ganzen Welt vertreten sein solle, und sah daher in den deutschen Eroberungsfeldzügen in Südosteuropa und später im Westen die Gelegenheit für die Bank, in diesem Raum Fuß zu fassen und möglichst beherrschenden Einfluß zu gewinnen. An diesen strategischen Überlegungen hielt er erstaunlicherweise selbst nach 1945 fest. Daß Abs ganz persönlich an privaten Vermittlungsgeschäften im Auftrag des Reichs Geld verdiente, kommt hinzu. Auch Familieninteressen wurden wie im Fall der "arisierten" Hubertus AG kühl wahrgenommen.

Auf der anderen Seite hielt Abs, zum Teil durch alte Freundschaften, enge Verbindungen zu Widerstandskreisen und hatte sich in dieser Beziehung weit vorgewagt. Zum Helden fühlte er sich nach eigenem Bekunden freilich nie berufen. Ebenso hegte er große Zweifel am Gelingen eines Staatsstreichs. Als aktiver Katholik blieb Abs überdies der Partei verdächtig, die 1942 Versuche unternahm, ihn und andere aus dem Vorstand zu entfernen. Daß er von der Judenvernichtung wußte, hat er nie geleugnet, doch überwog bei ihm wie bei anderen ein mehr oder minder bewußtes "Nicht-so-genau-wissen-Wollen", wie Gall anmerkt. Persönliche Konsequenzen hat Abs, wie hinzuzufügen wäre, daraus freilich nicht gezogen. Daß ihn später Skrupel überkamen, ist sicher. Uns sagte er einmal, auf seine Gefühle in jener Zeit angesprochen: "Ängstlich." Nach dem Krieg wurde Abs vorübergehend inhaftiert, aber 1948 als "Unbelasteter" entnazifiziert. Dabei kamen ihm seine Vorsicht, seine Verbindungen und seine Hilfe in einigen Fällen zugute. So trug er bis in die letzten Jahre eine Armbanduhr mit einer Widmung bei sich, die ihm ein Mitglied der von den Nationalsozialisten verfolgten tschechischen Industriellenfamilie Petschek aus Dankbarkeit für seine Unterstützung geschenkt hatte.

Die Zeit des Nationalsozialismus ist das eine. Doch wer der Persönlichkeit von Abs, vor allem seiner Bedeutung als international anerkannter Finanzfachmann, gerecht werden will, muß den Blick auf seine historischen Leistungen in den Anfängen der Bundesrepublik und auf seine für die ganze Wirtschaft prägende Rolle als Vorstandssprecher und später Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank richten. Gall tut das durchaus kritisch, wenn er schreibt, die Zeiten hätten sich geändert, nicht aber der Mann. Abs' Erfolgsrezepte seien auch nach 1945 die gleichen geblieben: der Sinn für das Mögliche, die Abwägung von Risiken und Chancen, die Kunst der Menschenbehandlung, verbunden mit persönlichem Charme, rheinisch grundierter Ironie und der Fähigkeit, sich bei allem Durchsetzungsvermögen geschmeidig anzupassen. Er sei ein "Mann für alle Jahreszeiten" gewesen und habe wie kaum ein zweiter die Kontinuität des Führungspersonals über die Zäsur von 1945 hinweg verkörpert.

Anders als Ludwig Erhard mit seiner Vision der freien Wettbewerbswirtschaft und des Wohlstands für alle sah Abs daher auch in den über Jahrzehnte eingespielten Kräfteverhältnissen und ihrer inneren Ordnung sowie in der Verankerung des privatkapitalistischen Grundpfeilers in der Gesellschaft die Basis für die Neuausrichtung. Dinge ordnen, die der Ordnung bedürfen, hat Abs gesagt. Insofern stand er dem Industriepaternalismus Konrad Adenauers näher als Erhards Wettbewerbsvision. Adenauer schätzte und nutzte daher auch den Rat von Abs, obwohl sein eigentlicher Berater der Kölner Privatbankier und CDU-Parteifreund Robert Pferdmenges blieb. Diese Passagen über das Verhältnis der beiden Machtmenschen Adenauer und Abs gehören zu den spannendsten des Buches.

Zum Wiederaufbau Deutschlands trug Abs zum einen mit der Verwirklichung der Kreditanstalt für Wiederaufbau bei, der heute noch einflußreichen deutschen Staatsbank. Sie war nicht allein seine Idee, wie er gelegentlich behauptete, doch er setzte sie um. Seine große historische Leistung besteht jedoch in der Wiederherstellung der deutschen Kreditwürdigkeit durch das im Auftrag der Regierung ausgehandelte Londoner Schuldenabkommen von 1953, das zugleich die Frage deutscher Reparationen - anders als nach dem Ersten Weltkrieg - unbefristet aufschob. Das Abkommen war ein Meisterstück, das zu Recht Abs' Ruf als Weltbankier begründete. Er wurde damit, wie Gall schreibt, zu einem "in dezidierter Weise politischen Bankier".

Abs sah sich nie allein als Chef einer deutschen Großbank, die nach dem Krieg letztlich "seine" Bank geworden war, sondern zugleich als eine Art Sprecher der "Deutschland AG". Bereits Mitte der fünfziger Jahre saß der Bankier in annähernd 30 Aufsichts- und Verwaltungsräten. Abs verstand Wirtschaft immer mit dem Staat als ordnungsbestimmendem Faktor. Von hier aus spannt Gall den Bogen zu einer Grundtendenz deutscher Nachkriegsgeschichte: zu dem korporativen, auf Ausgleich gerichteten Zusammenwirken von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, zur deutschen Konsensgesellschaft, die Abs wie kein anderer repräsentierte. Nur so ist sein umstrittenes Eintreten für den Mitbestimmungskompromiß zu verstehen. Nur so ist erklärbar, daß Abs Verbände als selbständige Ordnungskräfte betrachtete, deren Votum man angemessen berücksichtigen müsse.

Abs hat sich nach seinen Anfängen als Partner des Bankhauses Delbrück, Schickler & Co. zeitlebens als Bankier verstanden, obwohl er bei der Deutschen Bank formal Angestellter war, im heutigen Jargon "Banker". "Ich behalte mir aus einer gewissen Eitelkeit den Titel Bankier", sagte er dazu. Wer Abs begegnet ist, weiß, daß er dieses Bankier-Sein auch lebte, wie nach ihm kaum noch jemand, mit elfstündigen Arbeitstagen selbst samstags und sonntags und ohne Urlaub. Er verkörperte Ordnungsvorstellungen und Werte, deren Wurzeln im 19. und frühen 20. Jahrhundert lagen. Fortschritt um jeden Preis war seine Sache nicht. Zugleich war er ein Bildungsbürger im besten Sinn, ein Kunstkenner von hohen Graden und Mäzen. Sein Leben wurde geprägt von einem ganzheitlichen Persönlichkeitsideal, das nicht zuletzt auf Religiosität fußte. Und er war ein Famlienmensch. Nach außen hielt er allerdings auf Distanz, auch wenn sich niemand seiner Ausstrahlung entziehen konnte. Eine Autobiographie hat Abs nie schreiben wollen. Selbst in seinem späten Buch über das Schuldenabkommen tritt er als Person ganz zurück. Er wollte als Bankier diskret bleiben, vor allem aber von sich selbst wenig preisgeben oder nur so viel, wie seinem Bild in der Nachwelt zuträglich war. Er war ein Meister der Selbstinszenierung, was die Arbeit seines Biographen nicht leichter gemacht hat.

Abs repräsentierte das deutsche, das nationale Universalbankensystem, das in seiner Zeit den Zenit überschritt. Er verstand sich, wie Gall richtig hervorhebt, nicht als "global player" auf einem weltweiten Finanzmarkt. Diese Deutungen des Historikers zeigen, in welchem Maße Abs und "seine" Bank heute Geschichte geworden sind und welche Kluft sich zur neuen globalisierten Welt der Deutschen Bank und überhaupt der deutschen Banken und Banker auftut. Insofern war Abs noch zu Lebzeiten ein Denkmal seiner selbst geworden. Er wußte in den letzten Jahren, daß seiner Ära Zeiten folgen würden, die nicht mehr die seinen waren.

Lothar Gall: "Der Bankier - Hermann Josef Abs". Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2004. 526 S., 29,90 [Euro].

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