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Der mit vielen Fotos ausgestattete Band gibt faszinierend Auskunft über Sigrid Damm, eine der bekanntesten deutschen Schriftstellerinnen. Interviews, Laudationes und Dankreden, Texte von und über Sigrid Damm zeigen ihren Werdegang und die Entstehung und Rezeption ihrer Werke. Zugleich wird ihre Wanderung zwischen den geographisch-politischen Räumen und zwischen den Zeiten dokumentiert, einfühlsam und kritisch unternommen, meisterhaft gestaltet in ihren Gegenwartsromanen und in ihren historischen Büchern, die zu den erfolgreichsten der letzten Jahrzehnte zählen. Aufzeichnungen über Begegnungen…mehr

Produktbeschreibung
Der mit vielen Fotos ausgestattete Band gibt faszinierend Auskunft über Sigrid Damm, eine der bekanntesten deutschen Schriftstellerinnen. Interviews, Laudationes und Dankreden, Texte von und über Sigrid Damm zeigen ihren Werdegang und die Entstehung und Rezeption ihrer Werke. Zugleich wird ihre Wanderung zwischen den geographisch-politischen Räumen und zwischen den Zeiten dokumentiert, einfühlsam und kritisch unternommen, meisterhaft gestaltet in ihren Gegenwartsromanen und in ihren historischen Büchern, die zu den erfolgreichsten der letzten Jahrzehnte zählen. Aufzeichnungen über Begegnungen mit ihrem Verleger Siegfried Unseld, ihrem Mentor Franz Fühmann, mit Christa Wolf und Eva Strittmatter vermitteln darüber hinaus nicht nur ein Stück deutsch-deutsche Zeitgeschichte, sondern gewähren auch sehr persönliche Einblicke in Sigrid Damms Leben.
Autorenporträt
Sigrid Damm, in Gotha/Thüringen geboren, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin und Mecklenburg. Die Autorin ist Mitglied des P.E.N. und der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur. Sie erhielt für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Feuchtwanger-, den Mörike- und den Fontane-Preis. Hans-Joachim Simm, Dr. phil., geboren 1946 in Braunschweig, war bis 2009 Verlagsleiter des Insel Verlags und des Verlags der Weltreligionen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2010

Bin nicht Ottilie, nicht Christiane, nicht Lenz

Objektivitätsverlangen und subjektive Anteilnahme: Ein Band lädt zur Reise durch das Werk der Schriftstellerin, Biographin und Essayistin Sigrid Damm.

Ruminationen" hat Wilhelm Raabe seine eigene Schreibweise einmal genannt und damit, in einer humoristisch-selbstironischen Umschreibung, den schöpferischen Akt als drastisch körperlichen Vorgang vorgestellt: als ein Wiederkäuen, das keinen Satz, keine Gewissheit, kein Wort einfach hinunterschlucken will. Das vermeintlich Erledigte immer wieder aufzunehmen und es erst loszulassen, wenn es alle Nuancen hergegeben hat, ihm nachzuschmecken, sich ihm zu öffnen, indem man es beißt und kaut: das beschreibt, in drastischer Körpermetaphorik, eine hermeneutische Tätigkeit.

Der Schriftstellerin Sigrid Damm, die fast auf den Tag genau ein Menschenalter nach Raabes Tod zur Welt gekommen ist, dürfte diese Metapher gefallen - nicht nur als promovierter Germanistin, sondern vor allem als derjenigen deutschen Schriftstellerin, die mit den Erträgen der germanistischen Forschung auch die Verfahren eines hermeneutischen Lesens zu großer Popularität gebracht hat.

Nicht einfach Biographien historischer Gestalten erzählen ihre ungemein erfolgreichen Bücher, sondern - man möchte sagen: fast im Gegenteil - komplizierte und anspruchsvolle Geschichten von der Suche nach den Bedingungen der Möglichkeit solcher Biographien. Der Gestus der Behutsamkeit, der tastenden, fragenden, sich ihrer Voraussetzungen vergewissernden Annäherung, die nach jedem Vorstoß der einfühlenden Phantasie wieder innehält und dann, im Bewusstsein des Vorläufigen aller historischen Deutungen, doch wieder weitergeht: Dieser Gestus bestimmt Sigrid Damms Schreiben bis in die stilistischen Nuancen.

Gerade in diesem Gestus aber zeigt sich auch die spezifische Energie, ja der ruminierende Biss von Damms Büchern. Indem sie Distanz gegenüber den Gegenständen der biographischen Neugier herstellen, öffnen sie gegenwärtigen Lesern Zugänge, die den naiv begeisterten Willen zur Einfühlung, ja zur Identifikation aufnehmen und mit sanftem Nachdruck umformen in einen Respekt, der das Andere und Fremde der Vergangenheit gelten lässt. "Ich bin nicht Ottilie" lautet der programmatische Titel ihres 1992 erschienen Romans.

Was die Literaturwissenschaftlerin und Editorin Sigrid Damm von früh an in der hermeneutischen Arbeit handfest erfahren hat (zum Beispiel in der dreibändigen Lenz-Ausgabe, die 1987 in beiden deutschen Staaten erschien), das bestimmt auch den Ausgangspunkt ihrer literarischen Recherchen. Dank dieser Doppelbewegung von Objektivitätsverlangen und subjektiver Anteilnahme sind Sigrid Damms Bücher über Cornelia Goethe, über Ottilie von Goethe, über "Christiane und Goethe" (schon der Titel signalisiert unterschiedliche Intimitätsgrade), über Lenz und Schiller unverhofft zu Bestsellern geworden. Neben- und gegeneinander stehen da die Klassiker und die von ihren gewaltigen Schatten verdunkelten Gestalten - und das hieß von Beginn an: die Frauengestalten neben den übergroßen Männern - und mit Lenz und Caroline zwei Antiklassiker par excellence. Es ist kein Zufall, dass dieses Schreiben sich ausgerechnet in der Spätzeit der DDR entwickelte, in jenem historischen Augenblick, in dem das Programm einer sozialistischen "Erbepflege" sich von der erwünschten staatlichen Selbstbestätigung in das genaue Gegenteil zu verwandeln begann.

Weil sich im Dialog mit den kanonischen Dichtern und Texten Abstand zur Gegenwart und aus diesem Abstand ein neuer Blick auf sie gewinnen ließ, weil im Durchgang durch die fremden Texte eine eigene Stimme zu gewinnen war, deshalb erwachte gerade aus diesen literarischen Totengesprächen eine neue literarische Lebendigkeit - die dann auch das Vergangene sehr anders sehen lehrte, als es die Parteidoktrin befahl. An Christa Wolfs Erzählung über Kleist und die Günderode kann man da denken oder an Günter de Bruyns historische Porträts. Für Sigrid Damm begann dieses dialogische Schreiben mit einem Buch, das den Übergang von der schulmäßigen Germanistik in die literarische Spurensuche markiert, ihrem aus Briefen, Lebenszeugnissen und einem großen eigenen Essay komponierten Buch über Caroline Schlegel-Schelling.

Bezeichnenderweise stehen in Sigrid Damms Werk neben diesen biographischen Arbeiten literarische Reiseberichte: beide Genres zeigen zwei Seiten desselben Interesses. Wie sie die Aufforderung zur biographischen Recherche so buchstäblich nimmt, dass sie die Schauplätze ihrer historischen Heldinnen und Helden erwandert, um deren "Biogeographie" zu erkunden, so bereist sie die abgelegenen Landschaften Schottlands und Lapplands, um sich selbst zu begegnen, um zu sich zu kommen. Die so entstandenen Reiseessays "Diese Einsamkeit ohne Überfluss" und "Tage- und Nächtebücher aus Lappland" sind weniger populär geworden als die biographischen Romane und Essays, und doch tritt in ihnen ein Grundzug dieses Schreibens am deutlichsten hervor, die Tradition der sentimental journey.

Eine entdeckungs- und überraschungsreiche Reise durch Sigrid Damms Werk unternimmt nun eine opulente Dokumentation, die ihr langjähriger Lektor Hans-Joachim Simm zusammengestellt hat. Einige der Laudationes, die seit 1987 auf die vielfach Preisgekrönte gehalten worden sind, und ihre Dankreden bilden den Mittelteil dieses Geburtstags-Triptychons. Dass es der kürzeste Teil des Bandes geworden ist, entspricht dem Temperament der Autorin: Um sie selbst ist es ihr eigentlich nur so weit zu tun, wie sie als Gesprächspartnerin anderer in Erscheinung tritt, sehr unterschiedlicher Menschen, denen sie sich fragend, neu- und wissbegierig zuwendet. Wer die fremden und fernen Texte zum Sprechen bringen will, muss sich dazu seiner selbst bewusst werden, so lehrt es die hermeneutische Tradition. So präsentiert der erste Teil des Buches eine Reihe von Gesprächen mit Sigrid Damm, geführt zwischen 1985 und 2009, und der dritte eine Auswahl ihrer Reden auf Freunde und Weggefährten: auf Franz Fühmann etwa, auf Eva Strittmatter und Christa Wolf, auf Angela Krauß und Siegfried Unseld und, ein hübsches Genre-Spiel, eine Festrede zum zweihundertsten Hochzeitstag der Eheleute Goethe. So wird Sigrid Damm, von der ersten bis zur vierhundertfünfzigsten Seite, als eine Zugewandte sichtbar. Noch wo sie nach den eigenen Ansichten, Arbeitsweisen, Rechercheverfahren gefragt wird, geht es in ihren Antworten immer wieder von ihr selbst aus zu Cornelia, Christiane und Ottilie, zu Caroline und Schiller und Lenz - und zu Dichtern, über die man von Sigrid Damm bisher noch nichts gelesen hat: Eduard Mörike zum Beispiel oder Hermann Hesse.

Eine unabhängige Schriftstellerin war diese Autorin schon längst vor dem Ende der DDR, gelesen in beiden Deutschlands und keineswegs bange, wenn es galt, etwa in der Berliner Akademie der Künste vom rebellischen Leben und traurigen Sterben des Jakob Michael Reinhold Lenz so zu sprechen, dass jeder, der wollte, darin den Kommentar zur politischen und kulturellen Erstarrung der DDR hören konnte, zwei Jahre vor ihrem Zusammenbruch. Solche Texte im Zusammenhang nachlesen zu können und dabei mit den Grundzügen dieses Werks auch dessen Gegenstände in immer neuen Beleuchtungen wahrnehmen zu können macht den Band zu einer Fundgrube. (Eines nur vermisst man in der Fülle der Auskünfte, nämlich eine vollständige Bibliographie.)

Die beharrliche und unnachgiebige Subjektivität von Sigrid Damms Büchern, die ihre Spannung aus der ausgehaltenen Balance zwischen Biographie und Roman beziehen und die dabei, wenn es sein muss, weder Pathos noch Enthusiasmus scheuen, hat der Autorin nicht nur Freunde gemacht. Aber gerade der oft wiederholte Vorwurf, dass sie sich für keine der beiden Seiten entscheiden wolle, beschreibt ex negativo ein Programm, das gleichermaßen literarisch und moralisch begründet ist. Ein Schriftsteller, so lässt Thomas Mann seinen Tonio Kröger die Bibel zitieren, könne mit Menschen- und Engelszungen reden, ohne die Liebe bleibe er doch ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Die Schriftstellerin, die Literarhistorikerin und Geschichtenerzählerin Sigrid Damm, das zeigt dieses Buch, ist eine Liebende. Heute wird sie siebzig Jahre alt.

HEINRICH DETERING

Sigrid Damm: "Einmal nur blick ich zurück". Auskünfte.

Herausgegeben von Hans-Joachim Simm. Insel Verlag, Berlin 2010. 466 S., geb., 14,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zum siebzigsten Geburtstag von Sigrid Damm erscheint dieser Dokumentationsband mit Reden, Dankesreden und Interviews, und Heinrich Detering nutzt die Kritik des Bandes zu einer umfassenden Würdigung der Schriftstellerin. Das hermeneutische Verfahren, Literatur durch "Objektivitätsverlangen und subjektive Anteilnahme" zu deuten, habe sich als äußerst gewinnbringend herausgestellt und präge Damms Romane, Biografien und Reiseerzählungen, findet der Rezensent. Für ihn ist die Lektüre eine "überraschungsreiche Reise" durch Damms Werk, dem er in Anlehnung an eine Selbstbeschreibung von Wilhelm Raabe, einen "wiederkäuenden" Zug zuschreibt. Und hier meint der Rezensent eine durchweg positiv zu deutende "spezifische Energie", die den Texten und historischen Figuren, denen sich die Autorin zuwendet, zugleich mit Abstand und Anverwandlung begegnet und ihnen so eine neue Sichtweise abgewinnt. Nur in einer Nebenbemerkung gibt der Rezensenten zu, dass er sich eine vollständige Bibliografie gewünscht hätte, aber das kann seine Zufriedenheit mit diesem Band nicht trüben.

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