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'Wenn Schöfer das Niveau dieses Romans vier Bücher lang durchhält, könnte seine Tetralogie als Maßstab in die Literaturgeschichte eingehen ', schrieb Michael Sailer 2001 in München. Der vorliegende Roman 'Winterdämmerung', der vierte Band der Tetralogie, zeigt sieben Jahre später, dass die Erwartung des Rezensenten von 'Ein Frühling irrer Hoffnung' Wirklichkeit geworden ist: Schöfers die 'Die Kinder des Sisyfos' ist ein eigenwilliges und einmaliges Werk der modernen deutschsprachigen Literatur.Die Geschichte der Achtundsechziger, der Kinder des Sisyfos, setzt sich fort in den achtziger Jahren:…mehr

Produktbeschreibung
'Wenn Schöfer das Niveau dieses Romans vier Bücher lang durchhält, könnte seine Tetralogie als Maßstab in die Literaturgeschichte eingehen ', schrieb Michael Sailer 2001 in München. Der vorliegende Roman 'Winterdämmerung', der vierte Band der Tetralogie, zeigt sieben Jahre später, dass die Erwartung des Rezensenten von 'Ein Frühling irrer Hoffnung' Wirklichkeit geworden ist: Schöfers die 'Die Kinder des Sisyfos' ist ein eigenwilliges und einmaliges Werk der modernen deutschsprachigen Literatur.Die Geschichte der Achtundsechziger, der Kinder des Sisyfos, setzt sich fort in den achtziger Jahren: Der Betriebsrat Manfred Anklam wechselt auf die Seite der Unternehmensleitung und besetzt dann trotzdem mit seinen Kollegen die Villa Hügel der Krupp-Familie. Der berufslose Viktor Bliss kämpft gegen seine Feuerverletzungen und gegen seine Partei, der Journalist Armin Kolenda erlebt das schreckliche Verbrechen eines Freundes. Seine Liebe zu dessen Freundin Lisa rettet die beiden völlig verstörten Menschen. Lena Bliss und Malina Stotz machen ernst mit ihrer Befreiung, verlassen ihre Männer und spielen ihr eigenes Leben.Der Autor erzählt, wie die persönlichen Schicksale seiner Hauptpersonen verfl ochten sind in die sozialen Großereignisse des Jahrzehnts - in den Widerstand gegen die Startbahn-West in Frankfurt, die Raketenstationierung, gegen die Schließung des Stahlwerkes in Rheinhausen.Die überraschend aus den USA auftauchende Ann zeigt mit ihrem Elan und ihrem frischen Blick auf die gesellschaftlichen Vorgänge in Deutschland ihrem Großvater Bliss, dass die Kämpfe für eine humanere Gesellschaft sich auch in anderer Form fortsetzen können.In seinem witzig-rührenden Schlusskapitel führt Schöfer seine Hauptpersonen in der Silvesternacht 1989 zu einer privaten Party zusammen, während am Brandenburger Tor die große gesamtdeutsche Party gefeiert wird.Kritiker haben Schöfers Werk mit Uwe Johnsons 'Jahrestage' und Peter Weiss' 'Ästhetik des Widerstands' verglichen. Schöfer ist ein fulminanter Abschluss seiner Tetralogie gelungen. 'Winterdämmerung' ist ein bewegender Roman, der, ebenso wie die anderen Bände, auch sehr gut als einzelnes Buch gelesen werden kann.
Autorenporträt
Erasmus Schöfer, 1931 bei Berlin geboren und dort aufgewachsen, hat später in Köln, Freiburg, München, Neuss, in Paris und auf den Inseln Patmos und Ithaka als freier Schriftsteller gelebt. Er arbeitete mehrere Jahre in Berliner und Kölner Fabriken, promovierte in Bonn in Sprachwissenschaft und Philosophie, war einer der Gründer und Vorsitzender des 'Werkkreis Literatur der Arbeitswelt', Mitinitiator und Autor des 'Industrietheater Der Wahre Anton' und Mitarbeiter im Bundesvorstand des Deutschen Schriftstellerverbandes (VS).Er ist seit 1980 Mitglied des Deutschen P.E.N.-Zentrums. Seine zahlreichen literarischen und publizistischen Arbeiten sind in Theatern, Rundfunkanstalten, Verlagen, Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht worden. Erasmus Schöfer lebt seit dreißig Jahren vorwiegend in Köln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2008

Der Schweiß im Bergwerk der Geschichte
Erasmus Schöfer hat seine Tetralogie "Die Kinder des Sisyfos" beendet. Zweitausend Seiten über den linken Kampf zwischen 1968 und 1989

Ein gewaltiges literarisches Unternehmen ist in diesem Herbst zu einem Abschluss gekommen: Der westdeutsche Schriftsteller Erasmus Schöfer hat seine mehr als zweitausend Seiten umfassende Tetralogie "Die Kinder des Sisyfos" beendet. Das Werk erhebt den Anspruch, die Geschichte der westdeutschen Linken von den Zeiten des Aufbruchs 1968 bis zum Niedergang 1989 zu schreiben. Ein parteiisches Buch, auf der Seite der organisierten Arbeiter, der Kommunisten, der Gewerkschafter, der kämpfenden Gewerkschafter, nicht der Funktionäre. Ein kämpferisches Werk, mit einem kraftvollen Glauben daran, dass Literatur die Lebensverhältnisse der Menschen verändern kann. Und nicht die eigenen Lebensverhältnisse vor allem, sondern die einer solidarischen Gesellschaft. Ein Buch - aus einer anderen Zeit.

Am Donnerstagabend stellte Erasmus Schöfer den letzten Band des Gewaltwerks im "Buchhändlerkeller" im tiefen Berliner Westen vor. "Kennen Sie sich hier aus?", fragt ein gebeugter Herr um die achtzig kurz vor Beginn der Lesung am Ende der Carmerstraße. Wo denn wohl dieser "Buchhändlerkeller" sei, fragt er und nimmt die Auskunft, dass er schon direkt davor stehe, erfreut zur Kenntnis. Gut dreißig Zuhörer haben sich eingefunden, darunter der letzte Leiter der Kulturkommission des ZK der SED, Klaus Höpcke. Die Journalistin Cornelia Staudacher erklärt in ihren den Abend einleitenden Worten, "wir sind hier ja alle in einem Alter", was gar nicht stimmt, es sind auch einige Jüngere unter den Zuhörern, aber es klingt ein bisschen nach: "wir sind ja hier unter uns", und sie sagt noch, dass es an diesem Abend "um eine Zeit geht, die jetzt diskreditiert wird".

Dann kommt Schöfer. An den Wänden des Raums hängen schwarzweiße Porträts von DDR-Autoren von dem Fotografen Roger Melis. Hinter dem Lesepult in der Mitte hängt eine nachdenkliche Anna Seghers. Erasmus Schöfer ist 77 Jahre alt, die besten Jahre seines Lebens, hat er einmal gesagt, die zwölf Jahre in der Mitte, die hat er in den siebziger Jahren dem sogenannten "Werkkreis Literatur" gewidmet. Das war die Ermutigung von Arbeitern zum Schreiben, zum Berichten aus ihrer Arbeitswelt. Es ging darum, den Begriff von Literatur zu erweitern, den Begriff und die Inhalte. Handke war am Anfang mit dabei, Walser, Simmel. Viele Jahre lang hat Peter Handke jeden Monat Beiträge gezahlt, um das Projekt zu unterstützen. Aber so richtig an der Basis mitgearbeitet, später auch die gleichnamige, erfolgreiche Reihe im S.-Fischer-Verlag herausgegeben, das hat alles Schöfer gemacht. "Ein Hölderlin, der unter die Arbeiter gefallen war", hat ihn Günter Wallraff einmal genannt. Oder auch: der Arbeiter unter all den deutschen Hölderlins.

Jetzt also: Auftritt Schöfer unter Seghers-Bild, etwas graugesichtig, tiefe Stimme, weißes, sich langsam lichtendes Haar. Er sagt, er lese heute "einen sehr bewegten Text", und fügt an, wie um dem Einwand zu entgegnen, was Schöfer schreibe, sei doch immer sehr bewegt: "es gibt auch kontemplative". Er tauscht Fernbrille gegen Nahbrille und liest - von den Kämpfen an der Startbahn West, Anfang der achtziger Jahre. Und wie er so anfängt, ist man sofort in einer anderen Zeit. Nicht weil diese Kämpfe so lange zurückliegen, sondern weil das Buch keinen Abstand legt zwischen damals und heute. Es hört sich an und liest sich, als sei es damals geschrieben worden. Von einem, der immer auf der Seite der Protestierer stand. Wir sind mitten im Kampfgeschehen. Ein Bild in Schwarz und Weiß. Auf der einen Seite friedliche Weltverbesserer, Naturschützer, Baumfreunde mit Zitronentüchern. Auf der anderen Seite "grüne Kopfschläger", "uniformierte Prügelgarde", die mit "nie erlebter Brutalität" zuschlagen. Kurz: es geht um Maßnahmen einer "Wehrmacht der Bereitschaftspolizei", die zu "Säuberungen" des Waldstücks schreitet, Säuberungen zunächst von Besetzern, dann von Bäumen.

Die Wehrmacht und ihre Säuberungen - Schöfer wägt nicht ab, Schöfer steckt noch mittendrin. Auf der einen Seite ist das die Stärke des Buches, dieses Unmittelbare, das Heraufrufen einer Geschichte, die lange Zeit vorbei ist. Dass da nichts kommentierend hineingeschlaumeiert wird, was damals eben anders war. Hier die Nazis - dort die Juden. Hier die Wehrmacht - da die Menschen, von denen die Welt gesäubert werden muss. Auf der anderen Seite fragt man sich beim Zuhören und beim Lesen: ja ist denn nichts passiert in der Zwischenzeit? Woran erkenne ich, dass dieses Buch heute geschrieben wurde, wo ist ein erzählerischer Abstand, der dem zeitlichen Abstand entspricht? Ist es eine Kunst, den zu überwinden? Oder ist das Buch dadurch nicht nur ein Museum? Ein wunderliches Fossil?

Beim Lesen schwankt man immer wieder zwischen diesen beiden Eindrücken. Schöfer ist unglaublich nah am Geschehen, an Streiks, Besetzungen, in den Lesekreisen der Arbeiter, dem Ringen um ein besseres Leben überall. Er ringt mit seinen Protagonisten, dem Betriebsrat Manfred Anklam, der auf die andere Seite wechselt, sein altes Leben verrät, und dem aufrechten, dem tragischen Kommunisten Viktor Bliss. Die Diskussionen der beiden klingen oft wahnsinnig authentisch und oft schrecklich hohl. Ermüdend mit der Zeit. Schöfer lässt seine Romanfigur Anklam über die Bücher von Peter Weiss denken: "Sie schienen Anklam von einem Arbeiter verfasst, nein: erschuftet, erschwitzt, erlitten, der sich vorgenommen hatte, mit Spitzhacke in einen Berg einzudringen, um dort nach Goldadern zu forschen, in den Berg der Geschichte, der vergangenen Menschenleben mit ihren Anstrengungen, sich auf der Erde, in ihren Landschaften und Wohnstätten sinnvoll einzurichten, zu behausen."

Auch Schöfers Bücher scheinen erschuftet und erschwitzt. (Oha - die zahlreichen Sexszenen der Bücher sind wirklich dunkle, schweißreiche Männerarbeiter-Phantasie-Szenen: "Sie befreite den steifen Burschen. ,Ja', sagte sie, ,sowas brauchich.' - ,Ich bin auch allein mit dem Renate.' - ,Weiß ich doch. Komm.'" und so weiter.) Aber viele der Goldadern, die er in dem Berg vermutet, laufen ins Leere. Auch wenn die Nichte von Viktor Bliss am Ende eine Art Hoffnung für den alten Kommunisten auf eine Fortsetzung des Kampfes mit anderen Mitteln verbreiten soll. Mit dem Ende des Jahres 1989 gehen die linken Hoffnungen zu Ende. Anklam wechselt, zum Entsetzen von Bliss, in die SPD. Bliss, wie auch der Autor Schöfer, bleiben Parteikommunisten bis zum Schluss. Was das System dort drüben im Osten, jenseits der Sehnsucht der Menschen nach Bananen, zum Einsturz gebracht haben könnte, bleibt im Vagen.

VOLKER WEIDERMANN

Erasmus Schöfer: "Winterdämmerung". Dittrich-Verlag, 620 Seiten, 24,80 Euro. Auch die ersten Bände der Tetralogie "Die Kinder des Sisyfos" sind bei Dittrich erschienen.

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Mit hohem Lob bedenkt Karlheinz Braun die Tetralogie "Die Kinder des Sisyfos"von Erasmus Schöfers. Er würdigt das vierbändigen Roman über die linke Geschichte der BRD Bundesrepublik von 1969 bis 1989 als das "Lebenswerk" des Autors, als sein "opus magnum". Er zeigt sich überaus beeindruckt vom Facettenreichtum des Romans. Er schätzt die überzeugende Verknüpfung der Biografien eines Lehrers, eines Arbeiters und eines Journalisten sowie die Darstellung linker Strömungen im Kontext der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung der BRD. Vom Aufbruch der 68er, Berufsverboten, Demonstrationen und Streiks und der Veränderung der Rolle der Frau wird zur Freude Brauns ebenso lebendig und "lustvoll" erzählt wie vom privaten Scheitern seiner Protagonisten. Besonders hebt er Schöfers Blick auf eine inzwischen historische Arbeitswelt hervor. Kritisch sieht er allerdings die Beschränkung des Romans auf das linke Spektrum, durch den der Blick auf diejenigen, "die die Macht vertreten", verengt werde. Insgesamt aber bescheinigt er dem Autor, ein "realistisches und authentisches Bild dieser deutschen Jahrzehnte" gemalt zu haben.

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