Post aus New York

Das Ende von Talk und Tina

Von Ute Thon
30.01.2002. Talk, das Monatsmagazin von Tina Brown, stellte vergangenen Freitag, nach gerade mal 27 Monaten Existenz, überraschend sein Erscheinen ein. In die Nachrufe mischt sich unverhohlene Häme über den Absturz der flamboyanten Medien-Queen Brown.
Das jüngste Opfer der 11. September-Tragödie wurde letzte Woche zu Grabe getragen. Talk, das Monatsmagazin der Glamourjournalistin Tina Brown (kurze Biografie) stellte vergangenen Freitag überraschend sein Erscheinen ein. Das vielbeachtete Experiment, eine neue General-Interest-Illustrierte im Stil von Paris Match in Amerikas hartumkämpften Pressemarkt zu etablieren, währte nur 27 Monate. Die Entscheidung zum Aus des New Yorker Magazins kam so plötzlich, dass Brown die Nachricht in Los Angeles ereilte, wo sie gerade eine Talk-Party zu Ehren der Golden Globe-Preisverleihung gab. Seitdem überschlagen sich die Schlagzeilen über die Gründe des abrupten Magazin-Tods und die Konsequenzen für die berühmte Chefredakteurin.

In die Nachrufe mischt sich unverhohlene Häme über den Absturz der flamboyanten Medien-Queen. "Sie ist ein bisschen Enronisch", schreibt Michael Wolff, Medienkolumnist beim New York Magazine, in Anspielung an die aktuelle amerikanische Firmenpleite. "Es war sehr viel Illusion im Spiel." Tatsächlich galt Brown lange als Motor eines neuen, sensationsorientierten Journalismus', der Starkult, Klatsch und harte Enthüllungsreportagen zu einem unschlagbaren Auflagenrenner kombinierte. Mit diesem Rezept hatte die 48jährige Britin zuerst Vanity Fair aufpoliert und später das Traditionsmagazin The New Yorker umgekrempelt. Talk sollte die Krönung ihrer Schöpfung werden. Zur Premierenfeier vor zwei Jahren zu Füßen der Freiheitsstatue kamen geladene 1.400 Gäste aus aller Welt, von Madonna, Salman Rushdie bis zu Henry Kissinger. Alle Fernsehsender übertrugen das Defilee der Stars. Doch nach dem sensationellen Start erzeugte das Magazin nur noch selten Schlagzeilen. Brown heuerte und feuerte so viele Redakteure und Art Direktoren, dass das Magazin keinen eigenen Stil fand. Alle paar Monate änderte sie das Format, die Struktur, das Layout oder die Papierqualität. Inhaltlich gelang ihr dagegen nur selten ein Coup wie das freimütige Hillary-Clinton-Interview in der ersten Ausgabe. Das Gros der Texte, reißerisch angekündigte Geschichten wie "Sex, Shopping und Elektroschocks" über die Selbstbeobachtung eines manisch-depressiven Autors, hinterließ keinerlei Wirbel im Medienstrom. Nach dem Terroranschlag im vergangenen September verging den Amerikanern entgültig die Lust auf Hollywoods eitle Selbstbespiegelung.

Die Verleger, Hearst Publications und Miramax Films, begründen die Einstellung von Talk denn auch mit drastisch gesunkenen Anzeigenverkäufen nach dem 11. September und der zunehmenden Schwierigkeit, das Magazin in Zeiten wirtschaftlicher Rezession profitabel zu machen. Besonders Hearst, ein für seinen radikalen Sparkurs bekanntes Verlagsimperium, kämpft seit längerem mit Umsatzeinbußen und suchte Branchenkennern zufolge schon seit geraumer Zeit nach einem Ausweg aus dem unprofitablem Talk-Business. Aber auch Harvey Weinstein, Chef des Disney-Tochterunternehmens Miramax, verlor offenbar das Interesse am Zeitschriftenmachen. Dabei war das Magazin ursprünglich seine Idee gewesen. Der erfolgreiche New Yorker Filmproduzent ("Shakespeare in Love", "The English Patient") überredete vor vier Jahren Tina Brown, ihren prestigeträchtigen Posten als Chefin des New Yorker aufzugeben und eine Illustrierte zu entwickeln, deren Themen Filmstoffe werden könnten und umgekehrt. Der erhoffte Synergie-Effekt zwischen Kino- und Magazinwelt erwies sich in der Realität jedoch als ziemlich eingleisig. Miramax-Stars wie Gwyneth Paltrow schafften es zwar immer wieder auf den Titel, doch kein einziger Talk-Text wurde jemals in ein Drehbuch verwandelt.

Wenn überhaupt, dann beweist das gescheiterte Joint-Venture, dass in der Film- und Printindustrie unterschiedliche Temperamente gefragt sind. Weinstein gilt als aufbrausender, impulsiver Unternehmer. Wenn ein Film trotz großer Werbung nicht läuft, wird er ins Videothekenregal verbannt und schnell das nächste erfolgversprechendere Projekt angegangen. Bis sich ein neues Magazin jedoch auf dem Mark behauptet und Profite schreibt, vergehen oft Jahre. Talk hatte am Ende immerhin eine Auflage von 670.000 Exemplaren erreicht, aber auch rote Zahlen in 50 Millionen Dollar-Höhe geschrieben. In der Verlagsbranche sieht man das Scheitern von Talk deshalb auch als Ohmen für das Ende der General-Interest-Kategorie. In der Zeitschriftenentwicklung geht der Trend seit Jahren weg von der Befriedigung eines breiten Massengeschmacks hin zum Nischengeschäft: 'Snowboarding News', 'Teen-People', 'InStyle'-Mode. Internet und die Unzahl von Fernsehmagazinen rauben zudem mehr und mehr den Neuigkeitswert von heißen Nachrichten. Talk war der letzte große Versuch, Amerikas Massen hinter einem Printmedium zu vereinen. Mit dem Aus des Magazins wird jetzt die ganze Idee zu Grabe getragen.

Tina Brown leckt derweil ihre Wunden. "Ich schwimme seit drei Jahren in einem Meer von Schadenfreude", sagt sie über die hämischen Kommentare der Kollegen. "Ich bin's also gewohnt." Und sie strickt bereits an ihrer Legende. "Niemand ist langweiliger als die Unschlagbaren", sagte sie. "Jede große Karriere braucht mindestens eine Niederlage. Ich bin sehr stolz, dass ich das Risiko auf mich genommen habe." In ihrer Talk-Kolumne, in der sie über die Probleme der rezessionsgebeutelten Schönen und Reichen schrieb, fasste sie das neue Motto lakonischer zusammen. "Auf zur Bescheidenheit!" lautete die Überschrift.