14.06.2001. 14 Monate hat die Ärztin Ursula Stüwe auf der Neumayer-Station in der Antarktis verbracht. Entdeckt hat sie Luftspiegelungen, Sastrugis, Wedellrobben und - den Perlentaucher.
Stellen Sie sich diese Situation vor:
Sie befinden sich bei 70 ° 39' südlicher Breite und 8 ° 15' westlicher Länge. Dort heult der
Sturm, Sie können sich kaum auf den Beinen halten. Wegen des
dichten Schneetreibens beträgt die Sichtweite wenige Meter - die Landschaft um sie herum ist
weiß, weiß, weiß - egal, in welche Richtung das Licht ihrer Taschenlampe leuchtet! Die Temperatur liegt bei
minus 25 Grad oder darunter - auf die Sonne werden sie noch einige Wochen warten......
Sie sind in der
Antarktis!
So etwa war die Situation, als ich mich ganz gemütlich unter die
Oberfläche des Eises zurückzog!
Also gehe ich 4 Etagen im sturmumtosten Treppenturm herab, in eine im Eis liegende
Wellblechröhre. In dieser, sowie einer parallel liegenden Röhre befinden sich zahlreiche Wohncontainer, die Leben und Arbeiten an der deutschen Antarktis - Forschungsstation
"Neumayer" überhaupt möglich machen!
Während die Wissenschaftler der Station sich bemühen, Daten über
Erdbewegungen und Magnetismus, über Wetter, Strahlung, Klima, über Luft- und Schneeverschmutzungen zu sammeln, sorge ich für organisatorische Abläufe der Station und bin für
Gesundheit / Krankheit der neun Menschen des Überwinterungsteams zuständig.
Viele und ganz intensive
Eindrücke aus der Natur bestimmen das Leben an "Neumayer":
Das eindrucksvolle
"Licht der Polarnacht"! Es entsteht aus einem unvollständigen Sonnenaufgang, der direkt in einen Sonnenuntergang übergeht, ohne daß die Sonne über den Horizont gekommen wäre!
Luftspiegelungen an kalten, klaren Wintertagen - dann scheinen die Eisberge geradezu über sich hinaus zu wachsen oder gar vom Himmel herab zu hängen!
Neue und sich ständig verändernde Formen der
Schneeverwehungen, hier
Sastrugis genannt
Gerade geborene
Wedellrobben liegen neben ihren Müttern auf dem Eis, am Bauch noch die Nabelschnur!
Skuas -
Raubmöwen - zanken sich um die Nachgeburt!
Das Leben der
Kaiserpinguine im Jahreszyklus zu begleiten, ....
Die Abgeschiedenheit der vergangenen Jahre an dieser Station wurde mit einer
Satellitenstandleitung aufgehoben, so daß wir die Möglichkeit hatten, im Internet zu surfen. Die Adresse
perlentaucher.de - woher auch immer sie kam - machte neugierig. Es stand ja die Urlaubsplanung für die Zeit nach der Antarktis an, und die Gedanken schweiften ab zu
Tauchurlauben in tropischen Gewässern, zu Schmuckhändlern in Thailand, zu bunten Fischen unter Wasser, Sonne, Früchte, Palmen, Korallen.... Der Kopf füllte sich mit bunten Bildern!
Anklicken!
Diese "Perlen" hatte ich nicht erwartet!
Keine Korallen, kein klares Wasser mit bunten Fischen - nein, ich kam zurück zur "Kultur"! Hier gab es ernsthafte, süffisante, kritische, zynische Berichterstattungen zu Artikeln, Ereignissen (heutzutage neuhochdeutsch "events"!), zu Büchern - und am schönsten: Leseproben! Niemand wird glauben, daß "Lesen im Internet" das Buch ersetzen kann - doch hier war die Chance, in Neuerscheinungen zu blättern, zu schmökern - und dann
Pläne zu machen, mit welchen Büchern ich mich wieder in Deutschland genußvoll in einen gemütlichen Sessel zurückziehen werde, um zu lesen! Die bunten, tropischen Bilder waren vergessen!
Blättern in den großen deutschen Zeitungen - ohne
Papieraufwand, und doch alles vorhanden!
Bücherschau nach der
Buchmesse - wer kann das Sortiment überblicken? Hier eine Zusammenstellung zum Anklicken und Auswählen, Besprechungen dazu, Bewertungen......
Und die
Cartoons druckten wir aus und hefteten sie an die Speisekarten unserer festlichen
Wochenendmenus am unteren Ende der Welt!
14 Monate Antarktis sind wie im Fluge vergangen - ich habe mich teilweise an das Leben in der Zivilisation mit den guten und schlechten Seiten rückgewöhnt, und bin sicher, ich wäre ohne die Antarktis nie bei den
Perlentauchern gelandet!
Meine Quintessenz: Reisen bildet!
Ursula Stüwe
Weitere Informationen zur
Forschungsstation Neumayer finden Sie
hier.