Efeu - Die Kulturrundschau

Imaginierter Sehnsuchtsort

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02.03.2024. Die SZ arbeitet weiter den Berlinale-Eklat auf: selbst moderate Wortmeldungen, die "Frieden für Palästina und Israel" forderten, wurden aufs Übelste beschimpft. Die taz fragt sich, in wessen Herzen Gerhard Richters Birkenau-Zyklus, der nun in Auschwitz ausgestellt wird, wirken soll. Die FAZ sieht auf der "Kyiv Perenniale" die von Krieg gebeutelte Vergangenheit und Gegenwart der Ukraine. Die FAS steigt zu Roberto Saviano in den von Carabinieri geschützten Wagen, um über seinen neuen Roman zu sprechen. Die Feuilletons trauern um den Regisseur Paolo Taviani.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 02.03.2024 finden Sie hier

Film

Marlene Knobloch, Renate Meinhof, Ronen Steinke und Susan Vahabzadeh arbeiten für die "Seite Drei" der SZ den Berlinale-Eklat auf - und berichten auch von der unter "Free Palestine"-Rufen aufgeheizten Stimmung nach den öffentlichen Vorführungen des am Ende des Festivals ausgezeichneten Dokumentarfilms "No Other Land", nach denen selbst moderate Wortmeldungen, die "Frieden für Palästina und Israel" forderten, mit "Fuck You"-Rufen beschimpft wurden. Alice Brauner, Tochter des jüdischen Filmproduzenten Artur Brauner, "habe noch nie so eine aufgeheizte Stimmung nach einem Screening erlebt" und verließ das Kino schwer irritiert. Und auch von David Cunio sprach auf diesem Festival niemand. Der Schauspieler ist immer noch eine Geisel der Hamas, 2013 zeigte das Berlinale-Panorama Tom Shovals Film "Youth", in dem Cunio mitspielte. "Schon im Dezember verfasste die in Berlin lebende Künstlerin und Filmemacherin Sharon On, eine Freundin des Regisseurs Tom Shoval, eine E-Mail. Sie wunderte sich, warum die Berlinale bis dahin keine Stellungnahme abgegeben hatte, sagt sie am Telefon. Sie bat um ein Zeichen, 'andernfalls verstehe ich die Welt nicht mehr'. Sie schickte die Mail an zwölf Berlinale-Adressen. Nichts kam zurück. ... Kritik an Israel wollte man haben auf diesem Filmfest. Kritik an der Hamas und deren Verbrechen eher nicht."

Der Regisseur Paolo Taviani ist im Alter von 92 Jahren gestorben. "Mit seinem Tod fällt endgültig der Vorhang über dem italienischen Nachkriegsfilm", muss Andreas Kilb in der FAZ bekümmert feststellen. In den Filmen, die Paolo mit seinem bereits 2018 verstorbenen Bruder Vittorio Taviani gedreht hat, geht es um "Kindheit, Erinnerung, Sehnsucht nach einer Unschuld, die in der Vergangenheit oder in ferner Zukunft liegt. Und um den tragischen Konflikt zwischen den Wünschen des einzelnen und den geschichtlichen Umständen, in denen er lebt." Die Taviani-Brüder wählten "die Armut der Landbevölkerung zum Hintergrund gleichermaßen realitätsnaher wie poetischer Spielfilme", schreibt Daniel Kothenschulte in der FR. "Niemand konnte das Harte und Rohe so unprätentiös ästhetisieren wie Paolo und Vittorio Taviani. Im Alter bewiesen sie mit minimalistischen Filmen, dass Kunst keine Geldfrage ist. Und dass es Unfug wäre, zu denken, die Zeit des italienischen Autorenfilms sei längst vorbei oder das Erbe des Neorealismus aufgebraucht."

Als die Tavianis in den Siebzigern und Achtzigern von sich reden machten, blickt ganz Europa nach Italien, erinnert sich Luzi Bernet in der NZZ: "Der Bombenhagel der Roten Brigaden und die Mafia-Attentate verlangen nach Erklärungen. Man liest italienische Literatur, die Cantautori überschwemmen Europas Hitparaden, und wer etwas auf sich hält, schaut sich italienische Filme an: Fellinis Spätwerk, Ettore Scolas Komödien, die Anfänge von Giuseppe Tornatore. Die Filme der Tavianis tragen dazu bei, das zuweilen einseitige Bild, das man sich im Ausland von Italien macht, zu differenzieren. Es sind zumeist ruhige Werke, große und langsam sich entwickelnde Erzählungen, die in der Geschichte des Landes und seiner Regionen wurzeln oder mit literarischen Vorlagen arbeiten. Und immer münden sie in Szenen, die so aberwitzig sind, dass sie sich dauerhaft ins Gedächtnis einbrennen."

Außerdem: Für die taz spricht Klaudia Lagozinski mit dem für Deutschland oscarnominierten Filmemacher İlker Çatak. Katharina Bracher porträtiert die Schauspielerin Lily Gladstone, die für ihre Rolle in Martin Scorseses "Killers of the Flower Moon" (unsere Kritik) als erste indigene Amerikanerin einen Oscar bekommen könnte. Der Filmdienst erinnert ohne Autorenzeile an den tschechischen Regisseur František Vláčil, der vor 100 Jahren geboren wurde. Tim Caspar Boehme fasst in der taz die Wortmeldungen zum Berlinale-Eklat der letzten Tage zusammen. In der FAZ gratuliert Claudius Seidl Uschi Glas zum 80. Geburtstag.

Besprochen werden Marija Kavtaradzes Sundance-Gewinner "Slow" (Standard), Shujun Weis chinesischer Noir-Thriller "Only the River Flows" (Tsp), der Netflix-Science-Fiction-Film "Spaceman" mit Adam Sandler (FAZ) und die Serie "Dick Turpin" (Welt).
Archiv: Film

Literatur

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Für die FAS spricht Thomas David mit Teju Cole, der mit "Tremor" seinen ersten Roman seit "Open City" von 2011 vorgelegt hat. Der Roman spielt unmittelbar vor der Corona-Pandemie, verrät er, einer Zeit, die dem Vergessen anheim zu fallen droht: "So wie 'Open City' 2006 im Schatten der Anschläge vom 11. September spielte, spielt 'Tremor' im Schatten der Ereignisse, von denen wir noch nichts wissen." Hinter dem Titel "verbirgt sich der philosophische Gedanke, dass wir nicht nur in den Nachwehen, sondern immer auch im Vorfeld bedeutender Ereignisse leben. Dass wir also ständig auf dem Vulkan tanzen, ohne es zu merken. Der Roman spielt von September 2019 bis Januar 2020 und endet mit der Ermordung des iranischen Generals Qassem Soleimani. Die Stimmung damals war: 'Oh, wird es jetzt Krieg geben? Ist dies der Beginn des Dritten Weltkriegs?' Es stellte sich heraus, dass dem nicht so war, aber wenn man heute Leute fragt, was Anfang 2020 geschah, kratzen sie sich am Kopf und haben die Ermordung Soleimanis vergessen, weil die Geschichte seitdem so schnell vorangeschritten ist. Aber ich denke nicht nur an dieses globale Gefühl, sondern auch an das Innere unseres eigenen Lebens, das 'aus einem Büschel Zeit hier und einem Büschel Zeit dort' besteht, wie eine meiner Figuren sagt."

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Für ihren neuen Roman "Bannmeilen" ist Anne Weber auf Spaziergängen mit einem Freund knapp 600 Kilometer durch das wegen seiner Armut und hohen Kriminalitätsrate berüchtigte Département Seine-Saint-Denis vor den Toren von Paris gegangen, erzählt Lena Bopp, die die Schriftstellerin für das "Literarische Leben" der FAZ in der französischen Hauptstadt besucht hat. Webers Spaziergang-Partner heißt im Buch "Thierry und dreht einen Dokumentarfilm über die Olympia-Baustellen. Seine familiären Wurzeln reichen nach Algerien, er selbst ist im neuf-trois geboren, lebt noch immer dort und nimmt die Insider-Perspektive ein. Er sieht, was sie nicht sehen kann. ... Auf manche ihrer Entdeckungen reagiert er amüsiert, auf andere mit Sarkasmus. Einmal geraten die beiden in einen Streit, bei dem es nicht zufällig um die Frage geht, wie man Kolonialgeschichte schreibt und liest. ... Thierry ärgert sich über Webers vermeintliche Naivität und empfindet sie offenbar stellvertretend für ein allgemeines Desinteresse 'weißer' Franzosen als demütigend. Dabei zeichnet Anne Weber auch ihn selbst als eine Figur voll innerer Widersprüche."

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Mit "Falcone" hat der nach wie vor unter Polizeischutz lebende Roberto Saviano einen Roman über den berühmtesten italienischen Mafiajäger geschrieben. Karen Krüger ist für die FAS zu ihm unter dem schützenden Blick der Carabinieri in den Wagen gestiegen und ihn unter anderem gefragt, warum er von der Mafia, das sein Privatleben de facto zerstört hat, nicht mehr loskommt. "Es ist eine Obsession, und ja, mein Verhältnis zur Mafia hat etwas Manisches. Es gibt drei Dinge, die mich immer wieder hineinziehen. Erstens, die Eskorte erinnert täglich daran, dass man mir nach dem Leben trachtet. Das ruft, zweitens, Kampfgeist wach, man will gewinnen, was aber ein Fehler ist, weil man die Situation dadurch nur alimentiert. Drittens, ich kenne mich mittlerweile so gut aus, dass ich Dynamiken, Machtspiele und Allianzen erkenne. Es ist sehr schwer, sich unter solchen Umständen etwas anderem zuzuwenden."

Außerdem: In der FAS findet Mark Siemons die ersten Gehversuche der neuen Online-Literaturzeitschrift Berlin Review "vielversprechend in ihrer Themenauswahl". Judith von Sternburg gratuliert in der FR der Literaturzeitschrift Sinn und Form zum 75-jährigen Bestehen. Die "Bilder und Zeiten"-Beilage der FAZ dokumentiert Alexander Estis' Dankesrede zur Auszeichnung mit dem Kurt-Tucholsky-Preis. Außerdem kürt die Welt die besten Sachbücher des Monats. Auf Platz Eins: Uwe Wittstocks (heute auch groß in der Literarischen Welt besprochene) Studie "Marseille 1940. Die große Flucht der Literatur".

Besprochen werden unter anderem eine Kafka-Fotoaustellung im Stabi Kulturwerk in Berlin (Tsp, FAZ), Christoph Ransmayrs "Als ich noch unsterblich war" (Presse), Ralph Dutlis Lyrikband "Alba" (FR), Jamaica Kincaids "Talk Stories" mit ihren Kolumnen aus dem New Yorker (SZ), Markus Berges' "Irre Wolken" (taz) sowie Joseph Conrads und Ford Madox Fords gemeinsamer Kurzroman "Die Natur eines Verbrechens" (FAZ).
Archiv: Literatur

Kunst

In der taz teilt der polnische Kunstkritiker Aleksander Hudzik seine Gedanken zur Ausstellung des Birkenau-Zyklus von Gerhard Richter im ehemaligen NS-Vernichtungslager Auschwitz. Hudzik, der im Ort Oświęcim, wie der polnische Name lautet, aufgewachsen ist, wie paradox dieser Alltag sein kann: "Das Vorhandensein eines ehemaligen NS-Vernichtungslagers in der unmittelbaren Nachbarschaft führt dazu, dass das Lager im Bewusstsein der Einwohner ständig da und auch nicht da ist. Auf der einen Seite weiß jeder, dass hier ein Ort war, an dem über eine Million Menschen ermordet wurde, auf der anderen Seite ist es unmöglich, sich dessen ununterbrochen bewusst zu sein." Richters Arbeiten wirken für ihn in ihrer Abstraktion und Unklarheit "wie aus einer anderen Ordnung. Der Birkenau-Zyklus stammt aus einer Zeit, in der nur Stille und Leere die angemessene Sprache für die Shoah war. Vielleicht ähnelt auch deshalb der Ausstellungspavillon auf dem Gelände des Internationalen Zentrums für Jugendbegegnungen einer Kapelle. In diesem Ort soll Platz sein für die Besinnung über die existenzielle Dimension nicht nur der Shoah, sondern auch dessen, was nach dem Großverbrechen blieb: Schuld, Scham und wütendes Leiden. Den vier 'Birkenau'-Bildern hängen vier dunkle Glasscheiben gegenüber, in denen sich nicht nur die Gemälde Richters spiegeln, sondern auch die Ausstellungsbesucher mit ihrem ganzen Gepäck an durchlebten Gefühlen. Dabei ist die Frage, wer sich eigentlich in diesen Spiegeln betrachtet. (...) "Die Kapelle mit dem 'Birkenau'-Zyklus bringt eine metaphysische Unruhe mit sich. Aber ich weiß nicht, in wessen Herzen sie wirken soll."

Unterschiedliche Perspektiven auf den Krieg in der Ukraine eröffnen sich für FAZ-Kritikerin Yelizaveta Landenberger bei der "Kyiv Perenniale", deren letzte Ausstellung als Fortführung der Kyiv-Biennale, unter anderem im nGbK am Alexanderplatz in Berlin stattfindet. Oft überschneiden sich in den Werken der Künstler die von Gewalt geprägte Vergangenheit der Ukraine mit der Gegenwart, etwa in der Installation 'Everybody Wants to Live by the Sea' aus dem Jahr 2014 von Nikita Kadan, die auf eine "Zeitreise durch die historischen Schichten der Krim" führt: "Eine gebogene Neonröhre in der charakteristischen Form der Halbinsel hängt in der Mitte des kleinen Raumes über den Köpfen der Besucher und hüllt sie in kaltes Licht, eine Palme erzeugt zugleich eine Art Urlaubsatmosphäre. In Vitrinen und an den Wänden sind verschiedene Fotografien und Dokumente ausgestellt, die teils futuristisch verwandelt sind: Typische Formen sowjetischer Architektur sind darauf von hüttenartigen Behausungen der Krimtataren ergänzt; historische Ebenen, aber auch Dokument und Fiktion überlagern sich. Auf Stalins Befehl hin wurden die Krimtataren 1944 deportiert, erst nach dem Zerfall der Sowjetunion konnten sie in ihre Heimat zurückkehren und leben nun unter russischer Besatzung. Die Krim ist ein imaginierter Sehnsuchtsort mit dunkler Geschichte und Gegenwart - und einer ungewissen Zukunft."

"Was soll das eigentlich?", fragt Ronya Othmann in der FAS angesichts des neuen offenen Briefs gegen eine Teilnahme Israels an der Biennale in Venedig (unsere Resümees). Angesichts so viel Ignoranz kann Othmann eigentlich nur den Kopf schütteln, fragt sich aber trotzdem, woher das alles kommt: "Will man sich Bedeutsamkeit verschaffen, angesichts drohenden Bedeutungsverlusts, sich den Anstrich des Politischen geben, ohne dabei selbst politisch zu werden? Schließlich ist das Politische doch etwas anderes, als Ästhetik durch Aktivismus zu ersetzen, Analyse durch Agitation. Oder handelt man im Glauben, auf der richtigen Seite zu stehen, auf der Seite des Guten, Wahren, Schönen, dort, wo doch die Künste immer stehen wollen? Und weil man sich nicht sicher ist, wo das sein soll, weil die Welt doch nicht nur schrecklich, sondern auch schrecklich unübersichtlich geworden ist (und es eigentlich auch immer war), greift man auf die einfachste aller Erzählungen zurück."

Besprochen wird die Ausstellung "You Me" im Schinkelpavillon in Berlin mit Werken von Jill Mulleady und Henry Taylor (tsp).
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Design

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Dank der ihrerseits auch schon 74-jährigen Produktdesignerin Elke Jensen blickt Gerhard Matzig von der SZ etwas weniger sorgenvoll dem hohen Alter entgegen, dem in der Regel von den meisten Produktdesignerin ja doch nur ein Leben in ausgsprochener Geschmacklosigkeit offeriert wird. Nicht so im Fall des CityCaddys von Jensen, "eine funktional durchdachte und zugleich ästhetisch ansprechende Mischung aus Rollator, Gehhilfe, Stützgerät, Shopper und Trolley. ...  Ihr Produkt ist Reisebegleiter, Einkaufstrolley und moderne Gehhilfe in einem. Das Ding kann man schieben, aber auch ziehen. Es ist auf Stufen und Rolltreppen im Einsatz, zusammenlegbar, höhenverstellbar, recycelbar - und vor allem 'in exklusivem Design' erhältlich. ... Der Rollator ist für Bus und Bahn, auf der Rolltreppe und in der Supermarktgasse bisweilen zu schwerfällig, die schlankere Gehhilfe ist nicht wirklich für das Transportieren der Einkäufe gemacht - und der Trolley bietet keine Stütze. Vor allem aber hat sich Elke Jensen als ehemalige Professorin für Design die Frage gestellt: Gibt's das eigentlich alles auch in schön? Weil es das nicht gab - 'musste ich es eben erfinden'."
Archiv: Design
Stichwörter: Jensen, Elke, Senioren

Bühne

Nach dem unerwarteten Tod von René Pollesch (unser Resümee) gibt es weitere Nachrufe: In der SZ gedenkt der Autor und Theatermacher Carl Hegemann seinem Freund auf persönliche Weise und macht auch dessen besondere Bedeutung für das Theater nochmal deutlich: "Für uns (Menschen, Anm.d.R.) ist die Sterblichkeit das Problem. Darüber habe ich mit René häufig gesprochen, wir waren uns selten einig, aber in diesem Fall war uns beiden klar, dass Gott mit seiner Unsterblichkeit das größere Problem hat. Dass die großen dramatischen und tragischen Konflikte auf der Bühne nicht erst hergestellt werden müssen, etwa durch die Entwicklung einer besonderen Personenkonstellation wie zwischen Antigone und Kreon oder Puntila und Matti, hat Pollesch immer wieder demonstriert in seinen Inszenierungen. Er hat nachgewiesen, dass diese Konflikte sich allesamt und wie verrückt in uns selbst abspielen. Dass also jeder sterbliche Mensch und sogar der unsterbliche Gott sich in einem tragischen Selbstwiderspruch befinden, der gleichzeitig die Bedingung dafür ist, dass man überhaupt Erfahrungen machen und ein bewusstes Leben führen kann." Weitere Nachrufe schreiben der Schauspieler Fabian Hinrichs in der FAS und Matthias Heine in der Welt.

Marion Löhndorf berichtet in der NZZ vom Vorhaben des Noël Coward Theatres in London: man plante einige Vorführungen ausschließlich für People of Colour zugänglich zu machen, um einen sicheren Raum zu schaffen: "Die Ankündigung provozierte Widerspruch bis in die obersten Ränge der Politik. Premierminister Rishi Sunak verurteilte die Aktion als besorgniserregend. 'Der Premierminister ist ein großer Fan der Künste, und er glaubt, dass sie jedem offenstehen sollten', so hieß es aus Downing Street."

Weiteres: Unter dem Motto "Vorwärts zu den Anfängen - Zurück in die Zukunft", will Milo Rau bei den Wiener Festwochen "Volksprozesse" abhalten, bei denen österreichische Politiker, aber auch er selbst "angeklagt" und zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen angehört werden sollen, berichtet Sonja Zessnik in der taz. Mit diesen fiktiven Gerichtsverhandlungen bringt Rau "sein Konzept der inszenierten Schauprozesse in 'die Hauptstadt der Moderne', wie er Wien nennt." Rüdiger Schaper überlegt im Tagesspiegel, wie es nach dem Tod von René Pollesch an der Volksbühne weiter gehen könnte.
 
Besprochen werden Olivier Kellers Inszenierung von Kim de L'Horizons Stück "DANN MACH DOCH LIMONADE, BITCH. Wo ist die goldene Leiter?" im Schlachthaus Bern (nachtkritik), Jessica Sonja Cremers Inszenierung von Goethes "Iphigenie auf Tauris" am Theater Ulm (nachtkritik), Barbora Horáková Jolys Inszenierung von Hans Thomallas Oper "Dark Fall" am Nationaltheater Mannheim (FR), Jefta van Dinthers Choreografie "Remachine" im HAU in Berlin (tsp), Yana Ross' Adaption von "Sterben Lieben Kämpfen" von Karl Ove Knausgård am Berliner Ensemble (tsp).
Archiv: Bühne

Musik

Standard-Kritiker Christian Schachinger winkt nach dem österreichischen ESC-Beitrag "We Will Rave" von Kaleen nur noch genervt ab: Zu hören gibt es "Stangenware mit mächtigen Böllerbeats, im Hintergrund orgelt es derart heftig nach Autodrom-Disco, dass man jederzeit befürchtet, H. P. Baxxter von Scooter könnte über Megafon danach fragen, wie viel der Fisch kostet". Arno Lücker spricht fürs VAN-Magazin mit Renske Steen über ein Berufsleben nach dem Klassikbetrieb. Jan Brachmann gratuliert in der FAZ dem Dirigenten Leif Segerstam zum 80. Geburtstag. In der SZ schreibt Willi Winkler zum Tod von Kiev Stingl.

Besprochen werden ein Schostakowitsch-Konzert des HR-Sinfonieorchesters (FR) und Paul Pluts Album "Herbarium" (Standard-Kritiker Karl Fluch hört "expressive Stücke von mehr oder weniger großem Schrecken, dem Plut die eigene Verletzlichkeit entgegenhält").

Archiv: Musik