Harald Eggebrecht

Große Geiger

Kreisler, Heifetz, Oistrach, Mutter, Hahn und Co
Cover: Große Geiger
Piper Verlag, München 2000
ISBN 9783492042642
Gebunden, 472 Seiten, 24,54 EUR

Klappentext

Mit 79 Abbildungen und einem Vorwort von Joachim Kaiser. Große Geigerinnen und Geiger - das sind seit Paganinis skandalumwitterten Auftritten Engel und Teufel, Artisten und Hohepriester, urwüchsige Zigeuner und mondäne Stars, publikumswirksame Rattenfänger und sensible Einzelgänger. Ihr Spiel, ihre Musik, ihr Leben und Schicksal - davon erzählt Harald Eggebrecht. Viele von ihnen hat er selbst erlebt und kritische gehört. Von Joseph Joachim, Pablo de Sarasate und Eugene Ysaye als den "Ahnen" über Fritz Kreisler, Bronislaw Huberman, Jascha Heifetz, Nathan Milstein, Yehudi Menuhin, David Ostrach, Isaac Stern bis zu Gidon Kremer, Viktoria Mullova, Anne-Sophie Mutter, Frank Peter Zimmermann, Maxim Vengerov und Hilary Hahn spannt sich der Bogen. Ein Kompendium über Geiger und das Geigenspiel der letzten hundert Jahre.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.12.2000

Thomas Schacher bespricht zwei Neuerscheinungen, die sich auf ganz verschiedene Weise dem Spiel berühmter Violinvirtuosen widmen und dabei den Wandel im Musikgeschäft angemessen berücksichtigen.
Harald Eggebrecht: "Grosse Geiger"
Dieses Buch des Münchener Musikjournalisten Eggebrecht ist geeignet, die Nachfolge des bisherigen Standardwerkes zum Thema Geiger von Albrecht Roeseler anzutreten, meint Thomas Schacher. Anders als bei Roeseler seien die Kapitel allerdings nicht chronologisch, sondern assoziativ geordnet. Schacher lobt die sachliche und auch kritische Darstellungsweise des Autors, dem seine "Helden nicht zu Göttern werden", der der Musik immer den Vorrang einräume, auf dem Zusammenhang zwischen Werk und Interpretation bestehe und die künstlerische Entwicklung der Interpreten statt Klatschgeschichten zur Person schildere. Auch den jüngeren Talenten lieh Eggebrecht sein Ohr, so wie nach Schacher überhaupt Eggebrechts Urteil sich aus dem direkten Hörerlebnis im Konzert (und wenn es nicht anders ging durch einen Live-Mitschnitt statt Einspielungen) bildete; was die jüngeren Interpreten angeht, so hat Eggebrecht einen geschärften Blick für die Zwänge des heutigen Musikgeschäfts, schreibt Schacher. Bei Itzhak Perlman sehe Eggebrecht bei allem Respekt beispielsweise die Gefahr, dass sich der Virtuose zu einem "Violin-Pavarotti" entwickelt.
Urs Frauchinger: "Der eigene Ton"
Frei von jeder Selbstverpflichtung zur Chronologie oder repräsentativen Auswahl verfährt nach Schacher der Autor dieses Buchs, von Haus aus selbst Cellist und früher einmal Direktor der Kulturstiftung Pro Helvetia. Frauchinger hat mit zwölf Virtuosen Gespräche geführt, die er im Lauf seiner Karriere kennen gelernt hat: Geiger sind darunter, aber auch Cellisten und Bratscher. Frauchinger stelle ausschließlich Künstler vor, so der Rezensent, die er bewundere, die sich für ihn gegen den Mainstream behauptet hätten. Die zentrale Frage nach dem "eigenen Ton" führe über die Ebene der technischen Perfektion hinaus. Gidon Kremer zitiert Schacher mit der Bemerkung, dass Authentizität des Spiels nur dann entstehen kann, wenn der Künstler den Ton in sich selber höre. Wie jemand seinen eigenen Ton oder seinen eigenen Stil findet, sieht je nach Persönlichkeit anders aus: die Gespräche sind anregend, meint Schacher, und betreffen außer dem bereits angeklungenen Leitmotiv auch Fragen zur Biografie der Künstler und ihrer Beziehung zur Neuen Musik.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.11.2000

Der Autor sei Kritiker der Süddeutschen, wird uns mitgeteilt, und kenne sich in Münchener Konzertsälen beneidenswert gut aus. Offensichtlich kommt aber nicht jeder Geiger nach München, denn Volker Hagedorn bemängelt zugleich, dass der Autor die Interpreten der historischen Spielweisen völlig unberücksichtigt lässt. Ansonsten bekundet er Sympathie für dessen Buch, das sich der ganz großen Virtuosen annimmt, von denen viele den tatsächlichen Punkt eines Absturzes, eines endgültigen Zusammenbruchs erreichen. Hagedorn sieht bei Eggebrecht besonderes Interesse "an den Risiken und Abstürzen der Hochgeigerei" gegeben, ohne dass er dem Autor eine "Opfergeschichte" unterstellt. Allerdings bleibe dieser der traditionellen "Heldengalerie" verpflichtet, ein Musiker werde brav nach dem anderen abgehandelt, wobei sich der Musikkritiker mit seinem persönlichen Urteil stark zurückhalte. Stattdessen schwimme er manchmal in Metaphern, und den Stil der einzelnen Virtuosen zu charakterisieren. Besser und abwechslungsreicher wäre es vielleicht gewesen, fragt sich der Rezensent, wenn der Autor vergleichende Interpretationsanalysen betrieben hätte, statt nur die Personen in den Vordergrund zu stellen: die allerdings seien verlässlich beschrieben.