Helene Bukowski

Milchzähne

Roman
Cover: Milchzähne
Blumenbar Verlag, Berlin 2019
ISBN 9783351050689
Kartoniert, 256 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Eines Tages steht das Kind plötzlich da, die Haare feuerrot leuchtend inmitten des Kiefernwaldes, und gehört niemandem. Skalde nimmt es mit zu sich, obwohl sie weiß, dass die anderen, die in der abgelegenen Gegend leben, das nicht dulden werden. Skalde und ihre Mutter Edith gehörten selbst nie richtig zur Gemeinschaft, seit Edith vor mehr als zwei Jahrzehnten plötzlich triefend am Ufer des Flusses stand, von dem die Anderen sich erhofft hatten, er würde sie vor der im Chaos versinkenden Welt beschützen. Mutter und Tochter lieben einander auch, weil ihnen nichts übrig bleibt: Gegen die Bedrohung müssen sie zusammenhalten. Vor allem jetzt, da immer klarer wird, dass das Leben des Kindes - und ihr eigenes - in Gefahr ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.08.2019

Rezensent Oliver Jungen hat nur wenig auszusetzen an diesem Debütroman der am Literaturinstitut in Hildesheim studierenden Autorin Helene Bukowski. Die dystopische Geschichte um eine junge Frau, die sich an ihre Kindheit als Fremde in einem archaischen Dorf nach der Apokalypse erinnert, erscheint ihm "düster-zart", bis ins Detail ausgearbeitet und sprachlich versiert. Einfallsreichtum, Mut zu Brüchen und die Gabe, aus dem inzwischen eigentlich ausgelutschten Thema noch neue "Funken" zu schlagen, attestiert Jungen der Autorin ebenfalls. Dass Bukowski das Motiv der Fremdenfeindlichkeit im Roman allerdings etwas "gegenwartsbezugsbeflissen" überreizt, um den moralischen Anspruch ihres Romans zu unterstreichen, findet der Rezensent schade: An die "stille Wucht" von Marlen Haushofers "Die Wand" kommt dieses ansonsten beeindruckende Debüt noch nicht heran, schließt er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 26.06.2019

Rezensent Jörg Magenau begibt sich mit Helene Bukowskis Debütroman in eine postapokalytische Welt, in der sich die norddeutsche Tiefebene zu einer ausgedörrten Steppe und der Mensch zum Feind des Menschen verwandelt haben. Fernab jeder Zivilisation lebt das Mädchen Skalde mit seiner Mutter, die sich in Furcht und Misstrauen gegen die Welt draußen verbarrikadiert. Doch das Mädchen macht nicht mit: Sie lernt Lesen und Schreiben und nimmt dann auch noch ein Findlingskind mit nach Hause. Magenau ist völlig in Bann geschlagen von dieser Erzählung, die Dystopie und Robinsonade zugleich sei. Vor allem die Schlichtheit von Bukowskis Sprache, mit Sätzen, die oft nur aus Subjekt, Prädikat, Objekt bestehen, fasziniert ihn, er attestiert ihr eine geradezu "magische Schönheit".

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 06.06.2019

Rezensentin Anne Kohlick liest mit "Milchzähne" einen Debütroman, der sie an Dystopien wie "Die Wand" von Marlen Haushofer und "Die Straße" von Cormac McCarthy denken lässt, sich jedoch auszeichnet durch seine besonderen, fein gezeichneten Figuren, wie sie erklärt. Skalde und ihre Mutter leben als Selbstversorger gemeinsam auf einem Grundstück, das Skalde lange nicht verlassen durfte. Ihr Leben ist vom ständigen Mangel geprägt, lesen wir. Eines Tages findet Skalde im Wald jedoch ein fremdes Mädchen. Sie ist hin und her gerissen, entscheidet sich schließlich aber dafür, das Kind bei sich aufzunehmen. Die Spannung steigt nun mit dem zunehmenden Druck, den die kleine isolierte Gesellschaft in diesem Landstrich auf sie ausübt: Sie soll die Fremde ausliefern, erklärt Kohlick. In einer konzisen, zurückhaltenden Sprache erzählt Bukowski in dieser Geschichte von den Bedrohungen der Gegenwart wie dem Klimawandel und der Angst vor dem Fremden. Dabei erschafft sie Bilder, die sich in das Gedächtnis einbrennen, so die beeindruckte Rezensentin, die in dieser düsteren Zukunftsvision auch Hoffnung findet.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 25.05.2019

Richard Kämmerlings überzeugt vor allem die psychologisch genaue Figurenzeichnung in Helene Bukowskis Romandebüt. Die in einem postapokalyptischen Setting ablaufende Handlung um soziale Ausgrenzung scheint ihm in ihrer Melodramatik dagegen vorhersehbar, auch wenn er die Zuspitzung gegenwärtiger Abschottungsfantasien durchaus interessant findet. Das Parabelhafte der Handlung erinnert Kämmerlings zwar an Klassiker von Frisch, bei einem Debüt möchte der Rezensent allerdings großzügig urteilen: für die spezifisch weibliche Version einer Endzeitgeschichte, in der männliche Gewalt zwar wiederum die Herrschaft übernommen hat, die Frauen aber mit Sprache und Kultur für die humane Überlieferung sorgen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.04.2019

Sehr beeindruckt zeigt sich Jutta Person von Helene Bukowskis Debütroman "Milchzähne". Angesiedelt in einer nicht näher spezifizierten dünn besiedelten Landschaft, unweit vom Meer und unter großer Hitze leidend, geht es um eine weitgehend abgeschottete Dorfgemeinschaft und darin um eine wiederum von den anderen weitgehend isolierte Mutter-Tochter-Gemeinschaft, fasst die Rezensentin zusammen. Eigentlich eine Art Robinsonade also, meint Person, wobei die Abgeschnittenheit von der Außenwelt absichtsvoll und dem Misstrauen gegen alles Fremde geschuldet ist. Bewegung kommt in dieses karge Anti-Idyll, als ein rothaariges Mädchen auftaucht und von der Tochter ins Haus aufgenommen wird, worauf die Dorfgemeinschaft mit Hass und Ablehnung reagiert, referiert die Rezensentin, der angesichts der sich entfaltenden "brutalen Mechanismen der Klaustro-Gemeinschaft" Referenzen wie Marlen Haushofers "Die Wand" oder amerikanische Apokalyptiker von Cormac McCarthys "Die Straße" bis zu Denis Johnsons "Fiskadoro" in den Sinn kommen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.04.2019

Skalde und ihre Mutter Edith leben gemeinsam in einem verrotteten Haus, dessen Grundstück die Tochter um keinen Preis verlassen darf, erklärt Rezensentin Antonia Baum. Zuerst ist es dunkel und kalt, vom Himmel fallen Vögel mit verbrannten Federn, später wird es so heiß, dass das Fell der Tiere weiß wird. Es ist eine bedrückende albtraumhafte Welt, in der sich die Protagonisten aus Helene Bukowskis Debütroman bewegen, lesen wir. Spannung wird vor allem durch die vielen ungeklärten Fragen erzeugt, die das Umfeld und das Verhältnis der beiden Frauen zueinander betreffen. Die "poetische Präzision", mit der Bukowski die Konflikte zwischen Mutter und Tochter beschreibt, hält die Rezensentin für die größte Stärke dieses Romans. Das dystopische Szenario im Hintergrund ist Baum zufolge eher nebensächlich, dient der Autorin jedoch zum Ausdruck eines Bedürfnisses nach Konkretisierung einer unbekannten Gefahr.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.04.2019

Ein bemerkenswertes Debüt annonciert Rezensentin Carola Ebeling mit diesem Roman der 25jährigen Autorin Helene Bukowski. Erzählt wird die Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung, die von den anderen Bewohnern isoliert in einem dystopischen Dorf leben und auf jeweils eigene Weise mit der Außenseiterstellung umzugehen versuchen. Viel mehr passiert nicht, erklärt die Kritikerin, die aber bewundert, wie Bukowski Fragen nach Zugehörigkeit und Isolation bewegend und sogkräftig umkreist und dabei eine Atmosphäre von Vertrautheit und "verstörender Irritation" schafft. Nicht zuletzt attestiert sie dem Roman, der vom Umgang mit dem Fremden erzählt, eine "unangestrengte gesellschaftspolitische Aktualität".