Magazinrundschau

Kommunisten, Gangster und Waffenhändler

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
20.01.2009. Wie avantgardistisch kann Kunst sein, die von der Deutschen Bank bezahlt wird, fragt Elet es Irodalom. Schuld am Krieg in Gaza sind die Israelis, meint John Mearsheimer im American Conservative. In Le Point hat Bernard Henri Levy die Nase voll von imaginären Palästinensern. Al Ahram fürchtet einen palästinensischen Takeover des Sinai. In Atlantic rettet der Senator Chuck Schumer die amerikanische Mittelklasse. Das TLS untersucht den Rassismus der Linken. Polityka untersucht die Werkverträge der "Gesponserten". Der New Statesman isst Schokolade in Sao Tome. Im Espresso guckt Andrzej Stasiuk Fußball in Transnistrien.

Elet es Irodalom (Ungarn), 09.01.2009

Der Medienwissenschaftler Peter György ist schockiert über die "Skandal-Verleihung" des von der Deutschen Bank gesponserten Kandinsky-Preises an den nationalistischen Künstler Alexej Beljaew-Gintowt (ob er nun links- oder rechtsnationalistisch ist, da scheiden sich die Geister). György findet, dass - wenngleich sich hier zunächst so mancher Kurator im Irrgarten jener Kunst verlaufen haben mag, die ihr postmodernistisches Spiel mit der sozialistischen Vergangenheit treibt - an solchen Preisen grundsätzlich etwas faul ist: "Wenn die heutige Avantgarde nunmehr nicht im Gegenwind, sondern mit den Geldern der Deutschen Bank und im Milieu der Oligarchen und der Milliardäre agiert, müssen Begriff, Taktiken und Bedeutung des Freiheitskampfes neu formuliert werden... Es ist peinlich, aber es hat sich herausgestellt, dass der Kandinsky-Preis lediglich ein Spielzeug der neuen Elite und damit nur ein Teil des Systems ist".

Eine lebhafte Schilderung (auf Englisch) der Proteste gegen die Preisverleihung an Beljaew-Gintowt findet man bei den Links-Internationalisten von Chto Delat (Was tun), ebenso einen Offenen Brief der Gruppe Vpered (Forward!) Socialist Movement, die die Indifferenz der Sponsoren, der Jury (Kunsthistorikerin Ekaterina Bobrinskaja, Valerie Hillings vom Guggenheim Museum, Andrej Jerofejew, damals noch Leiter der Tretjakow-Galerie, Friedhelm Hütte von der Deutsche Bank Kunst, Jean-Hubert Martin von den Französischen Nationalmuseen und Alexander Borovsky vom Russischen Museum in St. Petersburg) und den Autoritarismus des russischen Magazins ArtKronika aufs Korn nimmt. Das englische Kunstmagazin Frieze fand die Auszeichnung Beljaew-Gintowts in Ordnung: Der Mann sei zwar kein besonderer Künstler und Faschist sei er auch, aber als Botschafter der Putinära sei er perfekt. Neben Beljaew-Gintowt wurde auch die PG Group mit einem Preis ausgezeichnet. Sie hatte laut Bloomberg einen besonders aparten Auftritt bei der Galaveranstaltung: "To receive the award, the three young men that comprise the group came on stage wearing ski masks, announcing themselves to be the Moscow representatives of Somali pirates. 'The future belongs to people in masks,' one member of the group said, to a stunned audience. 'Your fat-cat lifestyle will soon end and then you'll all be hung up high.' 'We're not joking,' he added. Silence descended on the room, followed by meek applause."

In ihrem Internetmagazin lehnt die Deutsche Bank Kunst jedoch alle revolutionären Gesten ab: der Bericht über die Veranstaltung erwähnt weder die Proteste noch den politischen Hintergrund der ausgezeichneten Künstler. Friedhelm Hütte hat inzwischen erklärt, er bedauere, dass er für Beljaew-Gintowt gestimmt habe.

American Conservative (USA), 26.01.2009

Für John Mearsheimer, Coautor der "Israel Lobby", ist total klar, wer die Schuld am Krieg in Gaza trägt: Die Israelis, deren Plan es von Anfang an gewesen sei, den Palästinensern klarzumachen, dass ihre Zukunft ausschließlich von Israel abhängt. Während des Waffenstillstandes habe Israel "weiter Palästinenser auf der Westbank inhaftiert und ermordet, und es hat die tödliche Blockade weitergeführt, die Gaza langsam erdrosselt. Am 4. November, als die Amerikaner einen neuen Präsidenten wählten, griff Israel einen Tunnel im Gazastreifen an und tötete sechs Palästinenser. Es war die erste Verletzung des Waffenstillstands und die Palästinenser - die laut Israels Intelligence and Terrorism Information Center 'vorsichtig darauf geachtet hatten, den Waffenstillstand einzuhalten - antworteten mit Raketenangriffen. Die Ruhe, die seit Juni bewahrt worden war, war vorbei, als Israel die Blockade und seine Angriffe verstärkte und die Palästinenser mehr Raketen auf Israel abfeuerten. Es muss gesagt werden, dass zwischen dem 4. November und dem Beginn des Krieges am 27. Dezember nicht ein einziger Israelis durch Raketenangriffe getötet worden war."

Point (Frankreich), 15.01.2009

"Zweifelhaft" und "ekelerregend" findet Bernard-Henri Levy die neuen "Freunde" des palästinensischen Volkes, die in Europa aus ganz unterschiedlichen Gründen Partei gegen Israel ergriffen. Besonders unheilig war dabei eine Allianz aus dem linksradikalen Spektrum angehörigen Politikern wie Olivier Besancenot und Vertretern des rechten Spektrums wie dem antisemitischen Komiker Dieudonne und Jean-Marie Le Pen, die den Gaza-Streifen mit einem "Konzentrationslager" verglichen haben. Levy, der sich derzeit in Ramallah und Sderot aufhält, schreibt: "Was für eine Erleichterung, echte statt diese imaginären Palästinenser zu erleben, die den Angriff auf Synagogen in Frankreich für einen Akt des Widerstands halten! Erstere zwingen sich zu Mäßigung und versuchen mit bewundernswert kühlem Kopf die Chancen für ein zukünftiges Zusammenleben zu erhalten; letztere sind besessen, viel radikaler als die Radikalsten und bereit, auf dem Pflaster europäischer Städte bis zum letzten Blutstropfen des letzten Palästinensers zu kämpfen. (...) Aus Ramallah und Sderot diese Mobilisierung gegen einen 'Holocaust' verfolgend, der bis zum Zeitpunkt, in dem ich dies schreibe, 888 Tote gekostet hat, stelle ich eine einfache Frage: Wo waren sie denn, diese Demonstranten, als es darum ging nicht 888, sondern 300.000 Todesopfer der Massaker in Darfur zu retten?"
Archiv: Point

Al Ahram Weekly (Ägypten), 15.01.2009

Ägypten ist von einigen muslimischen Brüdern heftig dafür gescholten worden, dass es den Übergang von Gaza nach Ägypten in Rafah nicht geöffnet hat. Abdel-Moneim Said vom Al-Ahram Centre for Political and Strategic Studies verteidigt die ägpytische Politik. Er führt Sicherheitsrisiken an: Da sind zunächst die Tunnel in Rafah, durch die die Hamas Waffen nach Gaza schmuggelt. Drei weitere sind in den letzten Jahren dazugekommen: "Das erste Sicherheitsrisiko ist der Schmuggel von Waffen nach Sinai und die Unterstützung der Ausbildung von Terroristen, die tödliche Operationen in Taba, Sharm El-Sheikh und Dahab an der Küste des Golfs von Akaba. Das zweite ist die demografische Invasion des Sinai durch eine dreiviertel Million Palästinenser im Januar 2008. Dies alarmierte die Ägypter, die einen palästinensischen Takeover des Sinai befürchteten - unter israelischem Druck oder dem der Hamas, die strategische Tiefe für ihr sehr kleines Territorium anstreben. Das dritte ist vor allem ein strategisches Sicherheitsrisiko: Die Hamas könnte ein Teil einer viel größeren Koalition von Radikalen werden, die auf Ägyptens friedliche und moderierende Position zielen."

Amira Nowaira hat Jonathan Swifts bescheidenen Vorschlag zur Lösung des irischen Problems 1729 studiert und macht in Anlehnung einige Vorschläge zur Lösung des palästinensischen Problems: "Erstens bauen wir für die Palästinenser, die die selbstverschuldete Gewalt gegen sich überlebt haben, ein großes Reservat und halten sie darin - zu ihrer eigenen Sicherheit. Natürlich werden wir Soldaten mit Maschinengewehren rund um das Reservat aufstellen, um die Palästinenser vor sich selbst zu schützen. Wir werden ihnen drohen, sie zu erschießen, falls ihre selbstmörderischen Tendenzen wieder erscheinen. Die Palästinenser könnten gekleidet und gefüttert werden; Leute können sogar kommen, um sie aus der Sicherheit ihrer Jeeps heraus anzugucken."
Archiv: Al Ahram Weekly
Stichwörter: Hamas, Große Koalition, Rafah

The Atlantic (USA), 01.01.2009

Joshua Green porträtiert den demokratischen Senator Chuck Schumer, der aggressiv die provozierende Ansicht vertritt, die Demokraten hätten die Mittelklasse zu lange vernachlässigt und sich zu sehr auf die untere Einkommensschicht konzentriert. Viele Journalisten rümpfen die Nase und halten ihn für ein politisches Leichtgewicht. "'Lemme tell you,' sagte er mit mehr als seinem üblichen Gusto, als ich ihn darauf hinwies. 'Ich hatte eine große Auseinandersetzung mit Redakteuren der New York Times, als ich darauf drängte, dass Collegegebühren steuerlich absetzbar werden. Sie schrieben ein Editorial, das verkündete, die Mittelklasse brauche das nicht. Gebt alles den Armen. Ich rief sie an und sagte: >Erstens, ihr kapiert nicht, dass jemand, der 68.000 Dollar im Jahr verdient und 20.000 Dollar Collegegebühren bezahlt, sich aufs Haar so arm fühlt wie jemand, der 22.000 Dollar verdient und keine Gebühren zahlen muss. Zweitens, wenn die Demokraten auf euch hören würden, hätten wir gerade mal 35 Sitze im Senat und ihr würdet uns dafür kritisieren, dass wir ineffektiv sind.< Diese Leute aus der - Anführungszeichen - linksliberalen Elite halten es für geradezu schlecht, der Mittelklasse helfen zu wollen.'"

Außerdem: Christopher Hitchens hat leichte Probleme mit Barack Obamas Image als "cool cat". Hua Hsu sieht das weiße Amerika in einer Identitätskrise und überlegt, wo es künftig lang gehen könnte mit der post-rassischen Gesellschaft. Andrew Curry beobachtet, wie in Erfurt zehn Teams aus Militärköchen auf einer Kaercher Futuretech Feldküche um die Meisterschaft bei der IKA/Olympiade der Köche kämpfen. Lisa Abend nimmt Baskischunterricht.
Archiv: The Atlantic

Weltwoche (Schweiz), 15.01.2009

Der wirtschaftliche Erfolg von Facebook ist viel kleiner als der Publikumserfolg. Trotzdem wird es nicht untergehen, glaubt Michael Maier, wenn nur die Werbewirtschaft endlich mal auf Zack käme: "Ob die vielen Experimente, die die Markenindustrie gestartet hat, um die Facebook-Nutzer zu erreichen, von Erfolg gekrönt sein werden, wird in erster Linie davon abhängen, ob sich die Werbetreibenden den neuen Spielregeln - Offenheit, Direktheit, Kritikfähigkeit, Dezentralisierung und PR-Aversion - unterwerfen können und wollen."

Weiteres: Felix Hutt verwandelt sich innerhalb kürzester Zeit in einen Facebookabhängigen. Warum gibt es eigentlich keinen Tatort aus der Schweiz? Angela Montanile, Chefin der Sittenpolizei von Zürich, wäre ein perfektes Vorbild. Im Interview spricht sie, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, über ihre Arbeit und den Drogenhandel im Langstraßenquartier: "Dort gibt es zu den Happy Hours alles zu kaufen, von Sex bis Freebase. Da denke ich manchmal: Gopfriedstutz, wann sehen wir eine positive Entwicklung über einen längeren Zeitraum?"
Archiv: Weltwoche

Times Literary Supplement (UK), 16.01.2009

Mit großen Interesse hat George Bornstein Eric J. Sundquists Buch über Martin Luther Kings Traum gelesen. Es geht auch darum, wie dieser Traum von der Linken in sein Gegenteil uminterpretiert wurde. "Die aufschlussreiche letzte Illustration in 'King's Dream', ein Titelbild des linksliberalen Magazins Nation zur Zeit von George W. Bushs erster Inauguration im Januar 2001, ist eine Zeichnung des einflussreichen Cartoonisten Art Spiegelman, die sich Kings Vision auf eine fragwürdige Art aneignet. Sie zeigt Kings Traum, der sich in einen Albtraum verwandelt, als Bush Colin Powell und Condoleezza Rice als erste schwarzen Außenminister und Nationale Sicherheitsberater umarmt. 'Die Implikation ist natürlich, dass King entsetzt gewesen wäre, nicht nur über Bushs Wahl, sondern auch und ganz besonders über seine Ernennung konservativer Schwarzer in sein Kabinett', schreibt Sundquist treffend. 'Allein die Existenz von Schwarzen wie Powell und Rice schien hier der Erwartung zu widersprechen, dass Rasse - zumindest bei Afroamerikanern - den Glauben und die politischen Ansichten vorbestimmt.' Diese Version von Kings Traum verbannt ideologische Unterschiede in die Rasse und ordnet den Charakter der Hautfarbe unter. Damit verkehrt sie Kings berühmten Aphorismus, dass Kinder nicht nach 'ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter' beurteilt werden sollen, in sein Gegenteil."

Besprochen werden außerdem Robert Crawfords Biografie des schottischen Dichters Robert Burns und ein Gesprächsband des schottischen Malers Alexander Moffat und des Dichters Alan Riach, "Arts of Resistance".

Polityka (Polen), 16.01.2009

Von 900.000 Studentinnen in Polen soll sich jede Neunte mit ihrem Körper nebenbei etwas hinzuverdienen, berichtet Barbara Pietkiewicz (hier auf Deutsch). Früher nannte man diese Frauen Konkubinen, heute heißen sie "Gesponserte" und regeln ihre Pflichten vertraglich: "Wenn eine Studentin einen Sponsor haben möchte, ist sie natürlich aufgrund derselben Qualitäten, die für eine Agentur zählen, hervorragend dafür geeignet. Allein schon ihr Status muss für einen Sponsoren anziehend sein. Da ist jemand, der studiert, sich entwickelt, und er hilft ihr dabei, indem er die Rolle eines Mäzens übernimmt - spricht das nicht geradezu von jeder Sünde frei? Die von den Agenturen, sagt Joanna Sztobryn-Giercuszkiewicz, betrachten das als ihr Metier, auf Dauer oder nur vorübergehend, aber es ist, wie es ist. Anders dagegen die Gesponserten. Zu Marika sagten sie, eine Prostituierte wähle sich ihren Kunden nicht aus. Zu der komme, wer will und wie er will. Eine Gesponserte dagegen, zumal eine hübsche, könne nicht nur wählen, sondern im Werkvertrag auch festlegen, was beim Sex für sie in Betracht kommt und was nicht."
Archiv: Polityka
Stichwörter: Mäzene

New Statesman (UK), 19.01.2009

Lieben Sie Schokolade? Dunkle Schokolade, die mit der Geduld und Finesse eines Wein- oder Olivenbauern produziert wird? Dann ist das Ihr Artikel. Xan Rice stellt den italienischen Honorarkonsul Claudio Corallo vor, der auf Sao Tome seine eigene Schokolade produziert, die zu den besten der Welt gehört. Corallo ist 57, schlank, Anarchist (oder einfach Querkopf) und spricht fünf Sprachen fließend. "Seine Riegel, mit einem Kakaogehalt von 60 bis 100 Prozent, können Ingwer enthalten, arabische Kaffeebohnen, Orangenschalen oder Rosinen, die monatelang in seiner hausgemachten alkoholisierten Kakaomasse eingeweicht wurden. Sie verkaufen sich für sieben bis neun Euro pro 100 Gramm in Europa, der Vereinigten Staaten und Japan. Das setzt Corallo in den selben Markt wie die führenden Chocolatiers der Welt, Valrhona und Pralus in Frankreich, Amedei und Domori in Frankreich. Doch hat er wenig mit ihnen gemeinsam. Erstens macht Corolla seine Schokolade an - oder zumindest fast an - der Quelle, nämlich auf Sao Tome, vor der Westküste Afrikas. Die Insel hat 160.000 Einwohner, lückenhafte Stromversorgung und Flüge nach Europa gehen einmal die Woche ab. Genauso ungewöhnlich ist, dass er den ganzen Prozess kontrolliert, vom Baum bis zum Riegel."
Archiv: New Statesman
Stichwörter: New Statesman

Espresso (Italien), 16.01.2009

Vor drei Jahren hat Andrzej Stasiuk (mehr) auf dem Marktplatz des alten Seebades Budva in Montenegro einen Kaffee getrunken und ein Fußballspiel angeguckt, zwischen Montenegro und Transnistrien. Und da kam ihm dieser Gedanke: Früher sind Staaten entstanden, weil Völker unabhängig sein wollten, heute werden Nationen konstruiert, weil es zum Geschäftsmodell passt. "Transnistrien wird nur von Transnistrien anerkannt und stillschweigend von Moskau geduldet. Der größte Reichtum des Landes sind die riesigen Waffenlager, die von den Sowjets zurückgelassen wurden. Es gibt Grenzbefestigungen, eine Landeswährung, und alles wird regiert von der Familie Smirnov, die einer Mafiafamilie doch sehr ähnelt. Während des lauen adriatischen Sonnenuntergangs hatte ich das Gefühl, eine alternative Realität zu beobachten. Die Welt, Europa, all das existierte noch, aber parallel dazu entstand eine völlig neue Ordnung. Zwei nicht existierende Länder treten durch ein internationales Fußballspiel in Verbindung und übertragen es im Fernsehen. Die Männer am Nebentisch waren in Stimmung. Sie begeisterten sich für ihr inexistentes Land. Aber auch die Mannschaft von Transnistrien hatte etwas vorzuweisen: sie spielte in ihrem eigenen Nationalstadion, das in Tiraspol mit dem Geld Smirnovs gebaut worden war, des Kommunisten, Gangsters und Waffenhändlers."
Archiv: Espresso

Spectator (UK), 17.01.2009

Wer der beste Freund des Künstlers ist, entscheidet Raymond Carr anhand von Büchern zur Rolle von Pferd und Hund in der Kunst. Während ersteres noch bis ins 18. Jahrhundert überall mit dabei war, hat der Hund in den vergangenen 300 Jahren enorm aufgeholt, meint Carr. "Ob bei einem griechischen Vasenbildnis aus dem Jahr 200 vor Christus, auf dem ein Hund sich am Ohr kratzt oder ob bei Lucian Freud (z.B. 'Eli und David', gesehen auf einer Website über Hunde in der Kunst) und Elizabeth Frink (Beispiel): Hunde werden mit Sympathie geschildert. Sie haben gegenüber Pferden auch einige Vorteile. Auch wenn letztere edle Tiere sind, sie sind einfach zu sperrig fürs Boudoir."
Archiv: Spectator
Stichwörter: Freud, Lucian

Economist (UK), 16.01.2009

Der Economist kommentiert eine Studie, die festellt, dass in den USA das erste Mal seit langer Zeit wieder mehr gelesen wird, auch und gerade in der problematischsten Gruppe, der der 18-24jährigen Männer. Zitiert wird unter anderem Dana Gioia, der scheidende Vorsitzende der nationalen Kulturstiftung National Endwoment for the Arts, die für die Studie verantwortlich ist: "'Die Gesellschaft hat ihre Haltung zur Lesefähigkeit messbar verändert', sagt er. 'Lesen hat wieder eine höhere Priorität'. Vielleicht spielt aber auch die wachsende Beliebtheit seriöser Freizeitvergnügen unterschiedlicher Art eine Rolle. Museen, Literaturfestivals und Live-Übertragungen von Opern in Kinosälen melden steigende Besucherzahlen. Die Studienleiterin Susan Iyengar glaubt, dass die scharfe Trennung zwischen den Viel-Lesern und den Nicht-Lesern verschwindet. Was sich jedoch nicht ändert, ist der Anteil der funktionalen Analphabeten. 21 Prozent der erwachsenen US-Bürger haben im letzten Jahr kein Buch gelesen - weil sie es nicht konnten. Die ist eine der höchsten Raten außerhalb der Entwicklungsländer."
Archiv: Economist
Stichwörter: Entwicklungsländer

Przekroj (Polen), 15.01.2009

Andrzej Wajdas "Katyn" kommt im ausländischen Verleih jetzt erst richtig in Fahrt, doch der Altmeister hat schon eine neue Filmidee: "Oh, über Lech Walesa würde ich gerne einen Film machen! Aber Lech ist eine schwierige Figur. Außerdem gehört schon Mut dazu, einen Lebenden über einen Film zu machen...", sagt er im Gespräch mit Piotr Najsztub. Außerdem gibt sich Wajda sehr skeptisch, was die Chancen historischer Stoffe im Kino angeht: "Das heutige Publikum ... will unterhalten werden. Es ist nicht so, dass es auf aufwühlende Filme wartet, und wir nicht im Stande wären, sie zu liefern. Es gibt einfach kein Publikum mehr für diese Filme."

Leider nur im Print: Igor Ryciak graust es schon vor den Feierlichkeiten verschiedener Jahrestage 2009: Siebzig Jahre Zweiter Weltkrieg, zehn Jahre Nato- und fünf Jahre EU-Mitgliedschaft, und natürlich zwanzig Jahre - nein, nicht Mauerfall, denn in Polen legt man Wert darauf zu betonen, dass der Fall des Kommunismus mit dem Runden Tisch begann. Deshalb startet das Außenministerium die Kampagne "Freedom '89. Made in Poland", um "aus der Mauer einen Tisch zu machen", wie Ryciak schreibt. Parallel plane das staatliche Institut für Nationales Gedächtnis die Aktion "Polska 1989", mit multimedialen Webseiten für eine internationale Öffentlichkeit. Spottet Ryciak: "Erst soll Europa davon überzeugt werden, dass die Befreiung vom Kommunismus in Polen, nicht in Deutschland erkämpft wurde, dann sollen wir daran erinnert werden, dass Deutschland Polen 1939 überfallen hat, und am Ende soll eine Kampagne starten, die beteuert, dass wir heute nichts mehr gegen die Deutschen haben? Schauen wir mal."
Archiv: Przekroj

New York Times (USA), 18.01.2009

Matt Bai hat wenig Geduld mit den Linken, die Obama bereits vorwerfen, er sei nicht radikal genug und sein Kabinett habe zuwenig Outsider, Schwule oder Vertreter ethnischer Minderheiten. "Dieser Sound ist das letzte Röcheln der Boomergeneration und ihrer Politik: die Katalogisierung von Individuen anhand ihrer Unterdrückung, dieser endlose Prozess, kulturelle Differenzen aufzuzählen statt allgemeine Ziele anzusteuern. Es ist eine politische Philosophie, die vor dreißig Jahren vielleicht sinnvoll war, die aber heute, in der Morgendämmerung der Obama Ära, irgendwie rätselhaft wirkt, da diese Interessengruppe zu den mächtigsten des Washingtoner Establishments gehören - und der Mann selbst schwarz ist."

Der Rest des Magazins ist mit Fotos von Nadav Kander gefüllt, der "Obamas Leute" fotografiert hat (mehr dazu hier).
Archiv: New York Times
Stichwörter: Bait