Außer Atem: Das Berlinale Blog

Berlinale 7. Tag

Von Sascha Josuweit, Ekkehard Knörer, Anja Seeliger
12.02.2002. Subtil: "July Rhapsody" von Ann Hui. Ein kleines Wunder: "Halbe Treppe" von Andreas Dresen. Das Ende: "Tiexi District" von Wang Bing. Der Anfang: "Railroad of Hope" von Ning Ying. Hüte dich vor Damenbärten: "Versuchungen" von Zoltan Kamondi.
Dienstag 15.35 Uhr

Subtil: "July Rhapsody" von Ann Hui (Panorama Spezial)

Lam Yiu-kwok unterrichtet an einer Highschool in Hong Kong chinesische Literatur. Nicht gerade das angesagteste Fach in einer Zeit, in der seine einstigen Mitschüler an der Börse das große Geld machen, und seine Schüler im Unterricht die Comics offen auf den Tischen liegen haben. Lam ist beliebt, aber dass er seine Klasse im Griff hat, wird man kaum sagen können. Er ist schüchtern und sympathisch, aber stets von einer Aura der Melancholie umgeben. Die hat ihre Gründe in einer Vorgeschichte, die "July Rhapsody" nach und nach aufdeckt, während sich die vergangene Geschichte in der Gegenwart zu wiederholen beginnt.

Eine Schülerin hat sich in ihn verliebt, ganz wie sich einst seine jetzige Frau Man-ching in ihren gemeinsamen - und gemeinsam bewunderten - Lehrer verliebte. Sie wurde damals schwanger, der Lehrer zog mit seiner Frau davon, und Yiu-kwok, der Man-ching heimlich anhimmelte, heiratete sie, zog das Kind mit ihr groß. Plötzlich sind die Gespenster der Vergangenheit wieder präsent: Seng, der einstige Lehrer, kehrt unheilbar erkrankt in die Stadt zurück, Man-ching entscheidet sich, ihm in seinen letzten Wochen beizustehen. Yiu-kowk fühlt sich unterdessen immer stärker zu seiner Schülerin hingezogen, die ihn mit ihrem auftrumpfenden Selbstbewusstsein beeindruckt.

Die Geschichte von "July Rhapsody" ist nicht unbedingt originell, aber Ann Hui erzählt sie ganz souverän, verschränkt raffiniert die Gegenwart mit der Vergangenheit, unterfüttert nach und nach die komplizierten Beziehungen der Personen mit der Vorgeschichte. Beeindruckend ist das Debüt der jungen Schauspielerin Anita Mui in ihrer Rolle als verwöhnte Schülerin, die Aufsätze schreibt, worüber sie Lust hat, die dem Schulleiter üble Flüche an den Kopf wirft und offensichtlich gewohnt ist, auch zu bekommen, was sie haben will. Völlig überzeugend auch Jackie Cheung als Mann mit einer ausgewachsenen Midlife-Crisis, als reichlich ratloser Lehrer. Über die Subtilität seiner Erzählung hinaus gewährt "July Rhapsody" die erstaunlichsten Einblicke in das Hong Kong der Gegenwart, etwa in der Konfrontation der den Jüngeren längst unverständlichen chinesischen Hochkultur mit dem allgegenwärtigen Shopping-Mall- und Handy-Turbokapitalismus.
Warum, bitte schön, bekommt man einen solchen Film nicht im Wettbewerb zu sehen?
Ekkehard Knoerer
" Nan Ren Si Shi - July Rhapsody", von Ann Hui, Hong Kong 2002, mit Jacky Cheung, Anita Mui u.a., 103 Min.
Infos zum Film.


Dienstag, 14 Uhr

Ein kleines Wunder: "Halbe Treppe" von Andreas Dresen (Wettbewerb)


Wer hätte geahnt, wozu Silberne Bären manchmal gut sind: Regisseur Andreas Dresen und sein Produzent Peter Rommel haben das Preisgeld für Dresens "Nachtgestalten" (Berlinale 1999) in ein waghalsiges Projekt gesteckt - das schon deswegen im voraus keine Fördergelder erhielt, weil es schlicht und einfach kein Drehbuch gab. Für drei Monate zogen Dresen, seine vier Hauptdarsteller, die siebzehn Musiker der Band 17 Hippies - die nicht nur die großartige Musik einspielten, sondern im Film selbst eine wichtige Rolle bekamen - und das Team von sieben Leuten nach Frankfurt (Oder), die vage Konstellation einer Geschichte um zwei befreundete Ehepaare und einen Ehebruch im Hinterkopf. Vor Ort, immer begleitet von der digitalen Videokamera, improvisierten sie, selbst noch ganz ungewiss, wohin es sie führen, wie die Geschichte enden, ob je ein richtiger Film entstehen würde.

Die Darsteller, allesamt erfahrene Theaterschauspieler, lebten während der Drehzeit nicht nur in Frankfurt (Oder): Sie arbeiteten tatsächlich in den Berufen, die die Figuren des Films ausüben. Uwe/Axel Prahl, der Mann, der von seiner Frau Ellen/Steffi Kühnert betrogen wird, übernahm die - im realen Frankfurt (Oder) vor einiger Zeit dicht gemachte - Imbissbude Halbe Treppe, Ellen stand in der Parfümerie hinter dem Tresen, Chris/Thorsten Merten saß als Radiomoderator im Studio von rs.2 im die Innenstadt Frankfurts dominierenden Oderturm und Katrin/Gabriela Maria Schmeide verbrachte ihre Zeit in einem Häuschen der LKW-Abfertigung vor der Stadt.

Die Geschichte selbst als Grundstruktur des Films ist weder sonderlich originell noch spektakulär: In den Ehen von Uwe und Ellen, von Katrin und Chris, alle so um die vierzig, gibt es fast nur noch Routine, tagein tagaus dasselbe. Auch untereinander kennt man sich ewig - und doch verlieben sich, urplötzlich, Chris und Ellen ineinander, schlafen miteinander erst im Auto unter der Autobahnbrücke, über die die Laster hinwegdonnern, landen dann in einem billigen Hotel gleich hinter der polnischen Grenze. Es kommt, wie es kommen muss: Katrin ertappt ihren Mann und ihre beste Freundin in der Badewanne, nach dem ersten Entsetzen sind all erst einmal hin- und hergerissen zwischen Eifersucht, Freundschaft, Lust und schlechtem Gewissen und wissen nicht recht weiter.

Das klingt, wenn man es erzählt, nach einer nicht gerade weltbewegenden Tragödie, wenn nicht nach gut gemeintem, aber langweiligem Sozialrealismus. Das Wunder ist, dass "Halbe Treppe" eine Präzision im emotionalen Detail und in der Beschreibung des Alltags besitzt wie kein anderer der bisher gezeigten Filme, eine Lust an der Zurückhaltung, in den Wendungen der Geschichte, aber auch in seinem oft umwerfenden Humor. Kaum zu glauben, wie punktgenau der Film die Verbindung von improvisierter Spontaneität und erzählerischer Konzentration hinbekommt, wie sicher er die Balance hält zwischen Drama und Komödie, wie lebensecht den Darstellern jede Geste, jedes Wort gerät.

"Halbe Treppe" ist der zweite deutsche "Dogma"-Film des Wettbewerbs - und doch ist er der genaue Gegenentwurf zu Dominik Grafs auf ganz andere Weise bestechendem Experiment "Der Felsen" (mehr hier). Während Graf inhaltlich wie formal auf Zuspitzung, auf Forcierung setzt, der Gefühle wie der Bilder, reduziert Andreas Dresen seine Geschichte auf die einfachsten Elemente: Die Darsteller, eine simple Story, einen Schauplatz, dem jeder Glamour fehlt. Beide Filme sind auf ihre Weise wunderbar. "Halbe Treppe", nach der Pressevorführung ebenso wie in der Pressekonferenz lautstark bejubelt, gehört in ein Genre, das man auf der Berlinale in den letzten Jahren gerne mit einem Silbernen Bären abgespeist hat (siehe "Mifune", den besten Film von 1999, siehe "Italienisch für Anfänger" im letzten Jahr). Man sollte sollte diesmal ernsthaft über ein edleres Metall nachdenken.
Ekkehard Knörer (von Jump-cut)
Homepage der 17 Hippies.
Termine.


Dienstag, 13.05 Uhr

"Tiexi District" und "Railroad of Hope". Beide im Forum

Das Ende: "Tiexi District" von Wang Bing


In den Umkleideräumen ist es so dunkel, dass man die Arbeiter nur als Schemen erkennt. Ein Nackter, der gerade aus der Dusche kommt, steht wie ein Geist im Hintergrund, während sich am Tisch einige Arbeiter streiten. Man ahnt Rost, Pfützen, fleckige Wände. Später, wenn die Kamera den Arbeitern durch die Gänge folgt, sind einige Räume halb in rotes Licht getaucht, überall eisige Nebelschwaden, eine Gestalt scheint in der Luft hinaufzuklettern - ist dort eine Leiter? Riesige Eisenkräne bewegen sich, ein irres Getöse wie von einem Wasserfall erfüllt die Räume. Später begreift man, dass es der Ofen ist, in dem der Stahl gekocht wird.

Dantes Inferno liegt in Tiexi, einem Bezirk der chinesischen Stadt Shengyang. Dort gibt es ein Zentrum für Schwerindustrie, das so groß ist, dass vier Züge die Waren von einem Ort zum andern schaffen. Die ersten Produktionsstätten wurden 1934 von den Japanern gegründet. In den 50er Jahren hat man ständig dazugebaut - unter anderem landete hier ein Teil der Industrieanlagen, die die Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland demontiert hatte. Ende der 90er Jahre gingen die Werke pleite. Der Regisseur Wang Bing hat vom Winter 99 bis Ende 2001 das Ende der Fabriken gefilmt. Fünf Stunden lang sehen wir den letzten Arbeitern beim Stahlkochen zu, gehen mit ihnen in die Dusche, frühstücken, laden Zinksäcke aus, fahren mit dem Zug die zum Teil schon stillgelegten Werke ab, frieren mit den Arbeitslosen, die versuchen, Kohlen zu stehlen und weinen mit dem Jungen, dessen Vater im Gefängnis landet. Kaum jemand beachtet uns dabei. Gelegentlich streift den Zuschauer ein neugieriger Blick oder ein schüchternes Lächeln. Das haben wir Wang Bing zu verdanken, der sich mit seiner Digitalkamera so lange durch das Gelände und zwischen den Menschen bewegt hat, dass sie die Kamera und damit auch uns, die Zuschauer, gar nicht mehr beachten.

Es gibt einen Moment in dem Film, wo man sich wünscht, dass Wang Bing Fragen stellt: Warum geht das Werk pleite, wer hat das zu verantworten, wer profitiert von dem Lohn, der den Arbeitern nicht ausgezahlt wird? Doch nach einer Weile ist das nicht mehr wichtig. Wer gesehen hat, wie Menschen ohne jeden Schutz an einem Stahlofen arbeiten. Wer gesehen hat, wie sie den Zinkstaub von ihrer Haut abklopfen und in diesen unvorstellbar heruntergekommenen finsteren Räumen essen, der kann, als das Werk endlich ganz still gelegt ist, nur denken: Gott sei Dank. Wenn so das sozialistische Arbeiterparadies aussieht, dann kann es gar nicht schnell genug verschwinden. Niemand sollte so leben müssen.

Die Arbeiter sehen das nicht so. Ihre Verzweiflung über die drohende Arbeitslosigkeit ist jenseits aller Beschreibung. Einige von ihnen sind noch nicht mal vierzig, und ihr Leben ist schon zu Ende. Was nun folgt, das kann nur Hunger und Tod sein. Später sind wir in einem der werkseigenen Sanatorien und sehen, wie ein Toter aus einem Teich geborgen wird. Er hat sich ertränkt. Die Arbeiter vermuten, dass die Verwaltung ihm gesagt hat: Wenn wir das Sanatorium nicht bezahlen müssen, können wir deiner Familie eine Rente zahlen.

Wang Bing hat mit seiner kleinen Digitalkamera die Brutalität des Niedergangs dieser Region mit schier unerträglicher Genauigkeit festgehalten. Hoffnung, dass es irgendwo anders besser sein könnte, hat hier niemand. Ein Mann erzählt, er sei während der Kulturrevolution aufgewachsen. Die Schule hat er verachtet. Jetzt ist er vielleicht Ende 30. Er hat keine Ausbildung, Beziehungen sowieso nicht. "Dass es so schnell zu Ende ist", sagt er. Niemand muss chinesisch verstehen, um zu hören, dass dieser Mann sich aufgegeben hat.
Anja Seeliger
"Tiexi District" von Wang Bing, Dokumentarfilm, China 2001, 300 Min.
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Der Anfang: "Railroad of Hope" von Ning Ying

"Tiexi District" erzählt vom Ende, "Railroad of Hope" von einem Anfang. "Es ist das erste Mal, dass ich mit einem Zug fahre", sagt eine junge Frau und lacht vor Freude. Sie steht eingeklemmt mit Hunderten anderen auf einem Bahnhof, um 50 Stunden in eine andere Provinz zu fahren, wo sie als Baumwollpflückerin gutes Geld verdienen kann. Jedenfalls hofft sie das. "Es muss dort gut sein", sagt sie noch. "Schauen Sie doch, wie viele dorthin wollen." Ein Polizist schreit die Menge an, um das wüste Geschiebe und Gedrängel zu stoppen. Vergeblich. Eine Vierzehnjährige weint, weil sie es vielleicht nicht in den Zug schafft und sie dann nicht zur Schule gehen kann.

Die Regisseurin Ning Ying zeigt in ihrem 56-minütigen Film über diese Zugfahrt ein neues Phänomen in China: die innere Migration. Die meisten dieser Reisenden sind Bauern, die hoffen, in einem anderen Teil des Landes zusätzlich ein bisschen Geld zu verdienen. Ning Ying klettert mit ihrer Kamera (wieder Digital) in dem hoffnungslos überfüllten Zug durch die Gänge und fragt, warum sie das tun. Immer wieder erzählt man ihr: Das Leben auf dem Land ist hart und man verdient nur das Nötigste. Die Kinder sollen es einmal leichter haben. Darum sollen sie auf die Schule gehen und eine Ausbildung erhalten. Dafür arbeiten sie - wenn es nötig ist, auch weit fort von zuhause.

Um zu wissen, wie ernst es ihnen ist, muss man gesehen haben, welche Szenen sich auf dem Bahngleis abgespielt haben, als der Zug einfuhr! Die Menschen, die schon zwei Tage auf den Zug gewartet haben, stoßen, fallen, klettern durch die Fenster und streiten sich mit den Schaffnern. Das wunderbare an diesem Film ist, dass sich neben der Hoffnung auf ein besseres Leben immer auch die Freude an dem Unbekannten, am Abenteuer in den Gesichtern spiegelt. Es wird viel gelacht in diesem überfüllten Zug, der höchst unbequem ist. Als Zuschauer denkt man: In fünfzig Jahren machen die uns ein. Gut, dass China in der WTO ist. Ob sie uns ein bisschen was zahlen, wenn Deutschland ein Entwicklungsland ist?
Anja Seeliger
"Railroad of Hope" von Ning Ying, Dokumentarfilm, China 2001, 56 Min.
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Dienstag, 11 Uhr

Die Presse

Zur Halbzeit hat das Festival einen kleinen Durchhänger. Die Feuilletons wenden sich dem Panorama zu, mäkeln über langweilige Parties oder verbeugen sich vor Robert Altman, der in diesem Jahr den Ehrenbären bekommt.

Gar nicht gut und ziemlich lustlos wird Lasse Hallströms "Shipping News" (Schiffsmeldungen) besprochen. Allein im Tagesspiegel sagt Jan Schulz-Ojala dem Film eine große Karriere in den Kinos und auf dem Festival voraus, da Jury-Präsidentin Mira Nair Halsströms tief freundlichen Blick auf die Welt teile (mehr Berlinale hier). Fritz Göttler staunt in der SZ, dass Cate Blanchett hier "in zehn Minuten zehnmal so viel Energie" entfaltet wie in Tykwers "Heaven". In der taz kalauert Detlef Kuhlbrodt, dass der Film gut anfange, dann aber "voll" abschiffe (mehr Berlinale hier). Jens Balzer findet diesen "Männerselbstfindungskitsch" unerträglich.

Die Frankfurter Blätter liefern ihre Kommentare zu Dominik Grafs "Felsen" nach, den die anderen Zeitungen schon gestern besprochen haben. Auch sie sind nicht sonderlich begeistert. Michael Allmaier hält den Film in der FAZ für ein "spannendes Experiment", das aber nicht in dem Stadium hätte abgebrochen werden dürfen, in dem es jetzt zu sehen war. Daniela Sannwald von der FR möchte sich lieber nicht an die flachen, grobkörnigen Bilder der digitalen Kamera gewöhnen, und schon gar nicht an den "zweistimmig brabbelnden Off-Kommentar".


Dienstag, 8.58 Uhr

Hüte dich vor Damenbärten: "Versuchungen" (Wettbewerb)


Eingangs, kurz, weiß man plötzlich wieder, was den neuen Festivalchef so sympathisch macht: Bei den Schultern zieht Kosslick Zoltan Kamondi ins Scheinwerferlicht im Parkett: "This' the director of the film", ruft er. Kamondi ist in Ungarn ein Star. Und beim Berliner Kurzfilmfestival erhielt er bereits 1985 den Preis für die beste Regie, damals noch als Student.

Kamondis Wettbewerbsbeitrag erzählt von der eigenartigen Schicksalsgemeinschaft des 19-jährigen Hackers Marci mit dem geheimnisvollen Sinti-Mädchen Juli. Die beiden lernen sich auf einem Acker kennen, wo Marci beim Zwiebelschälen neue Herausforderungen erkundet, weil ihm sein Informatikstudium, die erdrückende Zuneigung seiner Mutter, deren aalglatter Liebhaber und Marcis Freundin zuhause an die Substanz gehen. Halb im Spaß tauscht er ein paar Kisten Zwiebeln gegen das Mädchen ein, ohne zu ahnen, dass er damit einen archaischen Bund mit der 10-Jährigen schließt. Marcis Leben indes wird an Problemen nicht ärmer. Mit Hilfe von Julis magischen Kräften knackt er, mehr aus Langeweile als aus Not, die Bankcodes fremder Konten und wird schließlich erwischt. Als er seine Strafe abgebüßt hat, ist Juli noch immer da und fordert unbeirrt den Platz an seiner Seite. Um Marcis Freundin, ihre sinnliche Widersacherin, endlich loszuwerden, greift sie zum Äußersten.

Anders als in dem symbolischen Werk "Az alkimista es a szüz" (The Alchimist And The Virgin) bleibt Kamondi mit seinen Bildern diesmal derart hart an der Realität, dass sogar die zauberischen Fähigkeiten Julis darin aufgehen. Aber er überrascht auch mit unvorhergesehenen Wendungen, die der ungefestigten Lebensweise seines Protagonisten genau entsprechen. So sehen wir Marci im raschen Wechsel mal beim Gespräch mit seinem Professor über das Cambridge-Stipendium, ein andermal mit dem endlich ausfindig gemachten, desillusionierten Vater, dem er bei der schweißtreibenden Heuernte hilft, und wieder ein anderes Mal beim gut organisierten Bankbetrug. Weniger einsichtig ist der ständige Wechsel von Schwarzweiß zu Farbe. Es scheint als habe der Regisseur hier selbst einer Versuchung nicht widerstehen können: dem Film, zusätzlich zu einem temporeichen Soundtrack, eine Dynamik zu geben, die er gar nicht nötig hat. Sascha Josuweit

"Kisertesek - Versuchungen", von Zoltan Kamondi, mit Julianna Kovacs, Marcell Miklos, Juli Basti u.a., Ungarn, 88 Min.
Termine
Mehr zu Zoltan Kamondi.