Lajos Parti Nagy

Meines Helden Platz

Roman
Cover: Meines Helden Platz
Luchterhand Literaturverlag, München 2005
ISBN 9783630871585
Gebunden, 304 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Ungarischen von Terezia Mora. Natürlich ist es lästig, wenn plötzlich eine von den Täubinnen, die kürzlich in dein Haus eingezogen sind, vor deiner Tür steht und sich deine Mikrowelle zum Brüten ausleihen will, aber man will ja die gute Nachbarschaft nicht gefährden. Natürlich ist es ein bißchen unheimlich, wenn plötzlich marodierende Taubenschlägertrupps die Straßen unsicher machen. Aber muß man sich denn in alles einmischen? Doch was, wenn plötzlich der Obertäuberich in deiner Wohnung steht, und dir zu deinem künftigen Beitrag zur Taubenweltherrschaft gratuliert? Was, wenn du eines Morgens aufwachst und bemerken mußt, daß übelriechende Hilfstauben an dir herumdoktern: Man hat dir Flügel eingepflanzt, weil du der Prototyp auf dem Weg zur Menschentaube oder zum Taubenmenschen werden sollst. Die Schmerzen sind schlimm, aber noch viel grausamer sind der Obertäuberich und seine Gattin in ihrer Dummdreistigkeit, in ihrem ideologischen Wahn, in ihrer ständigen sexuellen Aufgekratzheit, kurz: in ihrem politischen Knallchargentum. Doch mit der Zeit findest du immer mehr Geschmack daran, im Inneren der Macht zu residieren und an den Formationsübungsflügen teilzunehmen: war Fliegenzukönnen nicht immer schon ein Menschheitstraum? Und ist der Geschmack der Macht am Ende nicht doch ein süßer? Lajos Parti Nagy erfindet in seiner satirischen Parabel dem politischen Irrsinn eine eigene Sprache: mit dem unerhörten, abgrundtief komischen Gelaber der Welteroberungsfanatiker, das Terezia Mora kongenial ins Deutsche übertragen hat, gibt der Roman ein bestechendes Psychogramm terroristischer Politik.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.08.2005

Rundweg begeistert zeigt sich Rezensent Jörg Plath von diesem Roman des ungarischen Schriftstellers Lajos Parti Nagy, den er als "Stück aus dem Tollhaus des politischen Fanatismus" und "glänzende Parabel auf totalitäre Systeme" würdigt. Plath verspricht eine "atemlose Lektüre, bei der einem das Lachen regelmäßig im Hals stecken bleibt" und versichert: "Spannender und beängstigender ist noch nie vom Siegeszug einer faschistischen Bewegung erzählt worden." Die Handlung mutet skurril an: "Meines Helden Platz" erzählt von der Bewegung "Erwachende Tauben", einer Gruppe militanter Vögel unter der Führung von Täuberich Tubitza. Brechts Arturo Ui gleich probt Tubitza, ein skrupelloser Naturwissenschaftler und Schwadroneur, seine fanatischen Reden vor dem Spiegel. Rücksichtslos transplantiert er Taubenflügel auf "Säugeaffen" aller Art, darunter auch Menschen, um eine Rasse überdimensionaler Tauben heranzüchten. Dabei hat er es vor allem auf einen Schriftsteller abgesehen, dessen taubenbeflügelter Doppelgänger zunehmend Gefallen an der Macht findet, die ihm Tubitza verschafft. In seinem 1999 spielenden Roman ziehe Nagy die Summe der Diktaturen des zu Ende gehenden Jahrhunderts. Bei der Deutung des Romans bleibt für Plath offen, ob es sich um den Bericht des möglicherweise in einem geschlossenen Wahnuniversum schreibenden Schriftstellers ist oder nicht. "Die Parabel ist zu Ende, die Beunruhigung bleibt", resümiert Plath. "Kann man sich Schöneres wünschen?"

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 02.06.2005

Verena Auffermann ist von dieser Parabel des ungarischen Autors Lajos Parti Nagy schlechterdings begeistert und hat sich beim Lesen dieses klugen und witzigen Buches glänzend amüsiert. Bei Nagy sind die Rollen von Mensch und Tier vertauscht, in der Gestalt des Täuberichs Caesar Tubizas steckt ein Diktator, der sich mit Hilfe seiner "Adlerboys" Macht über die Menschen verschaffen will und bei einem armen Dichter ansetzt, den er in eine Riesentaube verwandelt, fasst die Rezensentin zusammen. Dieser Fabel, die Auffermann als "Abrechnung" mit der Zeit des Sozialismus aber auch mit der Zeit danach gelesen hat, "gelingt alles, was einer Fabel gelingen soll", schwärmt die Rezensentin, der es Bewunderung abringt, wie leichthändig und auf welch "hohem Niveau" der Autor seine Farce um den despotischen Täuberich am Laufen hält. Während Caesar Tubiza den alten Diktator darstellt, steht seine Frau für die "neue Sprachverhunzung" seit der Öffnung der Grenzen, so Auffermann, die amüsiert das "liebliche Kauderwelsch" der Taubengattin registriert. Der Roman von Parti ist ein "kompaktes und gescheites Vergnügen", preist die Rezensentin, der zudem das "Glück" hat, von Terezia Mora ins Deutsche übersetzt worden zu sein, die einen "großartigen melodischen" Ton und den passenden "süffisanten" Jargon dazu gefunden hat, so Auffermann hingerissen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.02.2005

Für gewöhnlich stehen die Dinge so: Falken stehen für das Böse und Tauben für das Gute. Was aber geschieht, fragt Rezensent Paul Jandl, wenn die Tauben an die Macht kommen? Glaubt man Lajos Parti Nagys "glänzender Satire", so Jandl, bringen sie keineswegs den Frieden. In der Tat bauen sich in "Meines Helden Platz" die Tauben - geschart um ihren charismatischen Führer Cäsar Tubitza - schrittweise ein Taubenimperium, ideologisch begründet durch den Palomismus und mit einer idealgenetischen Zukunftsvision. Dabei bediene sich Parti Nagy einer "trickreichen" Erzählkonstruktion: Als Erzähler diene ihm ein Schriftsteller, der zufälligerweise Tubitzas Nachbar ist, und der von ihm für die Bewegung angeworben wird. Daraufhin werde ein fiktives Ich des Schriftstellers in eine Taube umoperiert, woraufhin es mühelos in der Tauben-Hierarchie aufsteige. Erzähler und fiktives Ich, erklärt der Rezensent, bleiben jedoch weitherhin in Kontakt, bis zur Verhaftung des Erzählers, der de ganze Entwicklung schriftlich festfehalten hat. Gerade in dieser Spaltung zwischen Schriftsteller und fiktivem Ich meint der Rezensent die "tragende Ironie" des Romans zu erkennen, die Tatsache nämlich, dass der aufstrebende und "zweifelhafte" Held ausgerechnet aus der Phantasie eines Literaten entspringt, dass er aus einer Idee geboren, und dadurch zur "Ausgeburt" wird. Bei aller glanzvollen Satire, so der Rezensent, droht dem Roman allerdings dort Gefahr, "wo der satirische Überschwang den ernsten Boden unter den Füssen verliert". Schließlich regnet es Lob für die Übersetzungsleistung von Terezia Mora. Ihre Tauben berlinern oder wienern, und "ihre polyglotten Kenntnisse sämtlicher Hinterhofidiome zwischen Sopron und Charlottenburg" machen die "geschwätzige Blödigkeit" der Tauben "richtig wahr".

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