Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
30.09.2002. In dieser Woche lesen Sie: Wer sich in diesem Jahr Chancen auf den "Butt im Griff" ausrechnen kann. Warum die Taschenbuchverlage in einer Zwickmühle stecken. Wie der neue "Harry Potter" geworden ist. Und warum die Berliner Traditionsbuchhandlung Kiepert schließen musste. Von Hubertus Volmer.

Börsenblatt

Die Nominierungsliste für den Deutschen Bücherpreis ist fertig: In der deutschsprachigen Belletristik wurden "Das blaue Kleid" von Doris Dörrie, "Das letzte Opfer" von Petra Hammesfahr und "Der irdische Amor" von Hans-Ulrich Treichel benannt, in der internationalen Belletristik sind es "Die Korrekturen" von Jonathan Franzen, "Reise nach Trulala" von Wladimir Kaminer (da liegt wohl ein Versehen vor - seit wann liegt Berlin im Ausland?) und "Abbitte" von Ian McEwan. Die Buchhändlerinnen und Buchhändler konnten jeweils drei Titel in insgesamt sieben Kategorien vorschlagen. Wer die von Günter Grass entworfene Skulptur "Butt im Griff" erhält, legt eine Jury aus Buchhändlern und Fachjournalisten fest. Verliehen wird der Preis am 20. März in Leipzig (mehr hier).

Die Geschäftsführung der S. Fischer Verlage ist neu geordnet worden. Verlegerin Monika Schoeller hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und steht der Geschäftsführung nun ressortfrei vor. Die Programmgeschäftsführung liegt jetzt bei Jörg Bong und Peter Lohmann. Bong ist für den S. Fischer Verlag und den S. Fischer Theaterverlag zuständig, Lohmann für die Verlage Fischer Taschenbuch, Wolfgang Krüger, Scherz, Argon und Nicolai.

Konzentration auf die Kernkompetenzen heißt es bei Droemer Weltbild, der gemeinsamen Verlagsgruppe von Holtzbrinck und Weltbild. "Geschaffen werden die beiden Verlagsbereiche Belletristik / Sachbuch und Geschenkbuch / Ratgeber, die jeweils von einer Doppelspitze geführt werden." Ab Januar heißt der Verlag wieder Droemer Knaur; der - im Sortiment nicht unbedingt durchweg positiv konnotierte - Name Weltbild entfällt. "Das laufende Jahr wird wohl unterm Strich nicht mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen werden", haben die Geschäftsführer Hans-Peter Übleis und Ralf Müller laut Börsenblatt durchblicken lassen. Über die natürliche Fluktuation sollen Stellen abgebaut werden.

Am späten Nachmittag des 20. September wurden die Kunden im Berliner Kiepert-Haupthaus gebeten, die Einkäufe einzustellen und das Haus zu verlassen. Dann war Schluss. "Zuvor waren Verhandlungen mit der Fachbuchhandlung Struppe & Winckler gescheitert. Das Insolvenzverfahren wird am 1. Oktober eröffnet." Die Kiepert-Filiale in Berlin-Hellersdorf wird am 7. Oktober von einer Mitarbeiter GmbH übernommen, das Geschäft an der Freien Universität wird von Struppe & Winckler fortgeführt. Von ursprünglich acht Berliner Filialen (ohne Haupthaus) bleiben die Buchhandlung hinter der Humboldt-Uni und die Filiale am U-Bahnhof Stadtmitte. Beide stehen zum Verkauf. Laut buchreport wird über die Humboldt-Filiale mit Struppe & Winckler verhandelt, der Filiale Stadtmitte droht die Schließung.

Der Hamburger Heftchenverlag Cora startet nach Mira zwei weitere Taschenbuchlabel: Red Dress Ink für "witzige und freche Literatur junger Autorinnen" und Silhouette für "anlassbezogene Schnelldreher". Silhouette startet zu Halloween mit vier Vampirgeschichten. In Buchhandlungen werden die Titel kaum zu finden sein: Beim Vertrieb konzentriert sich Cora wieder auf die Nebenmärkte, schreibt das Börsenblatt.

Außerdem meldet das Magazin, dass drei Angebote für die Vivendi-Verlage vorliegen: zwei von französischen Bankenkonsortien, eines von Lagardere Media, zu dem auch Hachette gehört. Bei Bertelsmann will Gunter Thielen das Clubgeschäft stärken. Die Fachbuchhandlung Lehmanns will ihr Verlagsgeschäft ausbauen - das Label heißt Lehmanns Media - LOB.de. Nils Kahlefendt blickt zurück auf 50 Jahre Wettbewerb um die schönsten Bücher in Deutschland - seit 1990 heißt der Wettbewerb gesamtdeutsch Die schönsten deutschen Bücher. Und das Börsenblatt diskutiert kürzere Öffnungszeiten (hier und hier).

Schließlich stellt das Börsenblatt die drei deutschen Autorenbuchhandlungen vor - in München, Berlin und Frankfurt. Alle drei wurden in den siebziger Jahren gegründet, bei allen sind rund 400 Autoren mit einer Einlage von jeweils 500 Euro an den Unternehmen beteiligt. "Zu den Gesellschaftern in Berlin zählen etwa Hans Christoph Buch, Günter Grass und Ingo Schulze, in München Paul Wühr und Michael Krüger, in Frankfurt Robert Gernhardt und Ulrike Kolb." - "Die Idee, sich als Gesellschafter an einem Laden zu beteiligen und auch auf diese Weise in das Geschehen auf dem Literaturmarkt einzugreifen, scheint nicht mehr en vogue zu sein - und aus Autorensicht vielleicht auch nicht notwendig. Das mag daran liegen, dass sich das Selbstverständnis der Autoren gewandelt hat. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die Anzahl der literarischen Buchhandlungen gestiegen ist und Großbuchhandlungen ihr Sortiment nicht nur auf den Mainstream ausrichten. Trotz allem: Das von den Buchhändlern und Autoren in München, Berlin und Frankfurt geschlossene Bündnis für Literatur hat immerhin mehr als ein Vierteljahrhundert überdauert - ein Ende ist nicht in Sicht."


Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

In Zeiten knapper Kassen ist sinnvolles Wirtschaften schwer. Das gilt auch für Verlage: Der buchreport weist darauf hin, dass die steigenden Preise für Taschenbücher dazu beigetragen haben dürften, "dass die Warengruppe Taschenbuch im buchreport-Umsatztrend ein erhebliches Minus verzeichnet". Allein im August seien die Taschenbuchumsätze um 5,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgeblieben. Der Rückgang sei "zum ersten Mal nachhaltig". Die Taschenbuchverlage, so das Blatt, stecken in einer Zwickmühle: "Auf der einen Seite müssen sie auf steigende Produktions- und Lizenzkosten mit höheren Preisen für ihre Bücher reagieren, auf der anderen Seite bekommen sie die Kaufverweigerung der Buchhandelskunden zu spüren". Spätestens nach der Euro-Einführung hätten die Kunden eine Sensibilität für Preise entwickelt: Grund für die "gefühlte Teuerung" beim Taschenbuch sei neben den objektiven Preiserhöhungen (im Schnitt zwei Prozent jährlich seit 1998) "auch der Umstand, dass der Abstand zwischen Hard- und Softcover in den vergangenen Jahren zusammengeschmolzen ist".

Auch die FAZ-Verlagsgruppe konzentriert sich auf ihr Kerngeschäft: Ein Verkauf der 50-prozentigen Beteiligung am Filialisten Buch Habel sei "beschlossene Sache". Für die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), die der FAZ zu 100 Prozent gehört, werde ebenfalls ein Verkauf angestrebt: "Gesucht wird zumindest ein 'strategischer Partner', möglichst jedoch ein Käufer. Zur Disposition steht die Deutsche Verlags-Anstalt mit all ihren Imprints ebenso wie der Zeitschriften-Zweig mit den beiden Renommierblättern Bild der Wissenschaft und Naturkosmos. Verkauft werden soll möglichst nur komplett." Vor fünf Jahren sei der damals neue DVA-Geschäftsführer Jürgen Horbach noch mit der Expansion beauftragt worden. Der Anlass zum Strategiewechsel liege im Stammgeschäft der Mutter - Medienkrise, Bilanz-Minus von 27 Millionen Euro im vergangenen Jahr, noch schlimmere Befürchtungen für das laufende Jahr. Konkrete Investoren oder Kaufinteressenten gebe es noch nicht. Auch seien die Verkaufschancen "nicht günstig, denn andere große Buchverlage oder Medienkonzerne, die in der Vergangenheit als Käufer in Frage gekommen wären, befinden sich derzeit selbst in schwierigen Positionen". (Hier die entsprechende Börsenblatt-Meldung.)

Weltweit warten Verlage und Buchhändler auf den neuen "Harry Potter". In einem Interview mit der Times hat Joanne K. Rowling angekündigt, das Manuskript für "Harry Potter and the Order of the Phoenix" sei bereits fertig. Es sei nice, neat und ziemlich big, zitiert der buchreport. Ob das Buch zum Weihnachtsfest erscheine? Rowling wollte sich nicht festlegen: "Vielleicht". "An ihrem geistigen Kind müsse sie noch ein wenig zupfen und polieren. Letztendlich liege die Entscheidung zur Veröffentlichung aber bei Bloomsbury, gab sich die Autorin diplomatisch." Das deutsche Weihnachtsgeschäft wird ohne "Harry Potter" auskommen müssen.

Bei Random House ist die Trennung von Falken und Mosaik "ein Abschied in Raten". Viel versprechende Titel sollen weitergeführt werden, etwa die Brigitte-Bücher, die in das Label "Mosaik bei Goldmann" wandern. Alle anderen Mosaik- und Falken Titel werden im Katalog von Bassermann geführt, einem Imprint für Modernes Antiquariat. Klaus Eck, President und Publisher in der Random-House-Geschäftsführung betont: "Es wird keine Ramschverkäufe geben, damit würden wir uns selbst keinen Gefallen tun."

Der buchreport weist darauf hin, dass Kiepert die älteste Berliner Buchhandlung war. Das Sanierungskonzept sei, zitiert das Blatt die Insolvenzverwalterin Petra Hilgers, nach Absage potenzieller Partner und überraschend hohen Mietpreisforderungen der Vermietergemeinschaft gescheitert. (Andreas Kiepert könne diese Aussage nicht nachvollziehen, heißt es dazu. Warum wird nicht erklärt.) "Eine eindeutige Erklärung, welche Faktoren zur Insolvenz von Kiepert geführt haben, gibt es nicht. Andreas Kiepert hat Fehler eingeräumt. Nach einer Liquiditätskrise im Sommer 1999 hatte er den Rat von Betriebsberatern, zu verkleinern und Personal abzubauen, ausgeschlagen und nochmals zwei Millionen Euro investiert und das Haupthaus umgebaut. Mit Blick auf die Flächenexplosion in Berlin - seit 1997 sind Hugendubel, Dussmann und Thalia hinzugekommen, die Wohlthatsche ist weiter vorgedrungen - vermag niemand zu sagen, ob die Entscheidung richtig oder falsch war. Kiepert wollte dem Wandel Berlins vom kleinen Kietzidyll zur Metropole gerecht werden und Marktführer bleiben."

Schließlich weist der buchreport auf "Stranger in the Woods" hin, ein Buch mit Fotos von Schneemännern, die im Wald das Erstaunen der Tiere erregen. Der Band ist 1999 in den USA im Eigenverlag der Fotografen erschienen und wurde seitdem 200.000 Mal verkauft.

Und hier geht es zu den Bestsellerlisten.


Börsenblatt

Bereits vor der Frankfurter Buchmesse listet die Arbeitsgemeinschaft Bücher der 6 die Titel auf, die zur Messe in den Literaturbeilagen rezensiert werden. An der Aktion sind Brigitte, FAZ, Spiegel und Zeit beteiligt; diese Blätter teilen acht bis 14 Tage vor Erscheinen ihrer Messe-Literaturbeilagen mit, welche Bücher sie rezensieren. Die Meldungen werden vom Zwischenbuchhändler KNO "gesichtet und nach Häufigkeit der Besprechungen, Sachgruppen und Autoren geordnet". Die Bücher der 6 - Aufbau, C.H. Beck, dtv, DVA, Eichborn, Hanser, und Suhrkamp - wollen damit Buchhändlern die Bestückung ihres Sortiments erleichtern. "Wenn das Angebot auf große Resonanz treffen sollte, ist eine Wiederholung zum Weihnachtsfest möglich." Die Liste kann ab dem 4. Oktober hier abgerufen werden.

Amazon wird weiter wachsen, erklärt Stephan Roppel, Senior General Books, Marketplace und Export, im Interview mit Sybille Fuhrmann. Der Marketplace ist die - recht erfolgreiche - Second-Hand-Börse von Amazon. Zu Befürchtungen von Autoren und Verlegen, dass weniger neue Bücher gekauft werden könnten, sagt Roppel: "Zahlen aus Amerika, wo es den Marketplace schon länger gibt, belegen, dass nicht weniger neuer Bücher gekauft werden, sondern mehr. Die diffusen Befürchtungen werden also in der Realität widerlegt." Für Amazon sei im Gebrauchtwarenmarkt jedenfalls "Musik drin". Keine Antwort gibt es auf die Frage, ob Amazon BOL kaufen will. "Weder verneinen noch bejahren" will Roppel die Frage, ob Amazon.de sich eine Kooperation mit Hugendubel vorstellen könnte (analog zur Kooperation von Amazon.com mit Borders in den USA).

In einem Debattenbeitrag zum Konditionenstreit versucht Matthias Ulmer vom Eugen Ulmer Verlag sich in einer vermittelnden Position. "Die Wahrheit ist doch, dass alle Marktpartner keine ausreichende Handelsspanne haben." Einfache Lösungen seien nicht in Sicht. "Ich warne aber davor, dass wir im Kampf gegeneinander unser Heil suchen. (...) Wir müssen innerhalb der Sparten und zwischen diesen in Abrüstungsverhandlungen treten, um unsere eigentliche Aufgabe als Buchhändler wieder erfüllen zu können."

Auch nach der Übernahme durch Thalia sind einzelne Filialen der österreichischen Buchhandelskette Amadeus bedroht. "Zur Disposition stehen vier kleinere Standorte, so Amadeus-Geschäftsführer Wolfgang Heger auf Anfrage."

Weitere Meldungen: Der Marebuchverlag und Piper starten eine Kooperation: Unter dem Label Marebuch bei Piper sollen ab 2004 zwölf Mare-Titel im Piper Verlag erscheinen. Matthias Kierzek hat die Mehrheit seiner Anteile an der Fuldaer Verlagsagentur (FVA) an eine Investorengruppe um den Unternehmer Ludwig Fresenius abgegeben. Die FVA ist mit 31,4 Prozent an der Eichborn AG beteiligt, auf seine dortigen Aufgaben will Eichborn-Ko-Gründer Kierzek sich künftig konzentrieren.
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