Bücher der Saison

Krimis und Comics

Eine Auswahl der interessantesten, umstrittensten und meist besprochenen Bücher der Saison.
09.11.2020. Garry Disher klärt ein Pferdemassaker im australischen Outback. Melissa Scrivner Love stellt uns die alleinerziehende Drogenkartellchefin Lola Vasquez vor. Nikolaus Heidelbach liefert das ausgerastet andere Corona-Tagebuch. Und Lucky Luke befreit seine Sklaven.
Krimis

Cover: Hope Hill DriveCoverGarry Dishers Kriminalromane aus dem Outback gehören zum Besten, was das Genre gerade zu bieten hat. Auch der neue Roman "Hope Hill Drive" (Bestellen), in dem Constable Paul Hirschhausen den Mord an einer Familie und ein Pferdemassaker aufklären muss, hat die KritikerInnen überzeugt. Von Dishers Lakonie kann SZ-Kritiker Harald Eggebrecht gar nicht genug bekommen. Sylvia Staude schätzt in der FR, wie Disher erzählerisches Können mit einem realistischen Blick auf australische Verhältnisse verbindet. Im DlfKultur lobt Tobias Gohlis Dishers Blick auf allgemein menschlichen Unzulänglichkeiten. In der selben Liga spielen auch die Bücher von Denise Mina, ihr hochpolitischer Glasgow-Roman um Detective Sergeant Alex Morrow "Götter und Tiere" (Bestellen) wurde ebenfalls sehr gefeiert.

Cover: CapitanaCover: BrandsätzeJede Menge Action, Gesellschaftskritik und Gendersensibilität liefert Melissa Scrivner Loves Los-Angeles-Thriller "Capitana" (Bestellen), in dessen Mittelpunkt die alleinerziehende Drogenkartellchefin Lola Vasquez steht: "Sie wäscht, kocht und tötet", frohlockt Marlene Knobloch in der taz, in der FAZ versichert Hannes Hintermeier, dass Lola ihre Muttergefühle mit kaltschnäuziger Abgebrühtheit und einem hohen Bodycount verbinden kann. Auch Steph Chas Roman "Brandsätze" (Bestellen) spielt im heißen L.A. Cha greift den realen Fall eines Schwarzen auf, der von einer koreanischen Ladenbesetzerin erschossen wurde. SZ, Zeit und DlfKultur betonen die Dringlichkeit des Romans, der Rassismus und Diskriminierung, Schuld und Verantwortung verhandele. Ein starker Roman, meint auch FR-Kritikerin Sylvia Staude.

Cover: OlympiaCover: Paradise CityVolker Kutscher hat seinen mittlerweile achten Gereon-Rath-Roman vorgelegt. Mit "Olympia" (Bestellen) springt die Reihe aus dem vor-nationalsozialistsichen Babylon Berlin ins Jahr 1936, und Kommissar Rath kämpft mit sinkenden Chancen um das Richtige im Falschen. Der DlfKultur liest den Roman mit unvermindertem Interesse, vor allem wegen Kutscher präziser und einfühlsamer Erzählweise. hingewiesen sei auch noch mal auf Zoe Becks vielbesprochenen feministischen Klima-Thriller "Paradise City", der auch die Gesundheitsüberwachung nach einer Pandemie vorwegzunehmen scheint (Bestellen).

Cover: Heißes BlutCover: 50Die drastischen Romane aus Südkorea stehen gerade hoch im Kurs, auch Un-su Kims Thriller "Heißes Blut" (Bestellen) wurde sehr gefeiert. SZ und DlfKultur loben die Kombination aus grellem Genre, Psychologie und Abgebrühtheit dieser Geschichte um einen Berufskiller. "Unbedingt zeitgemäß", findet Bernd Graff in der SZ. Die Krimis des Japaners Hideo Yokoyama sind - wie der Roman "50" (Bestellen) - dageen ausgesprochen ruhig erzählt, wie der DlfKultur betont, sie beziehen ihre Spannung aus der Starre der Institutionen und Moral, gegen die Yokoyamas Polizisten ankämpfen versuchen.

Weitere Krimiempfehlungen zu Max Annas, Parker Bilal oder Marcie Rendon finden Sie in unserer Krimikolumne "Mord und Ratschlag".


Comics

Hier liegt das "komplett und ausgerastet andere Corona-Tagebuch" vor, ruft in der Zeit ein begeisterter Michael Maar. Der Künstler Nikolaus Heidelbach hat sich für "Alles gut?" (bestellen) in Quarantäne begeben und steigert sich langsam aber sicher in eine Paranoia, dass dem Kritiker die Spucke wegbleibt. Wie da einer in sich selbst überkocht, misstrauisch und hilflos seinen Halluzinationen ausgesetzt, hat Maar ungemein beeindruckt. "Seltsame Wesen beginnen seine Wohnung zu bevölkern. Wesen, die nicht gut aussehen. Und auch Möbel wandern durchs Haus. Alles verschiebt sich", staunt Wolfgang Tischer im literaturcafé. Das perfekte Buch für den Lockdown, findet er.

Viel Applaus gabs auch für Lukas Jüligers Klima-Comic "Unfollow" (bestellen). Für den SZ-Rezensenten Thomas von Steinaecker ist es die Graphic Novel des Jahres. Die Geschichte eines Christus der Öko-Aktivisten, einer "männlichen Greta", die aus dem Wald digitale Botschaften an ihre Follower schickt, erzählt Jüliger spannend und stilistisch passend, lobt der Kritiker. Jüliger erzählt die Story ohne Sprechblasen, Panelrahmen und Lautmalerei, erklärt Andreas Platthaus angetan in der FAZ. Dass die Weltenretter mit besten Absichten im Sektenwahn landen, hat Zeit-Kritiker Klaus Humann richtig mitgenommen.

Zwei Klassiker sind auch anzuzeigen: taz-Rezensent Andreas Hartmann hat sich bestens amüsiert mit dem Sonderband "Donald Duck in Berlin" (bestellen), der zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit mit den Berlin-Abenteuern Donald Ducks zusammengestellt wurde - schließlich war Donald ja sogar beim Mauerfall dabei, lesen wir! Auch Lucky Luke reitet wieder. In "Fackeln im Baumwollfeld" (bestellen) erbt unser Cowboy eine Baumwollplantage und muss entsetzt feststellen, dass er Sklavenbesitzer geworden ist. Bevor er seinen Besitz aufteilen kann, muss er es erst noch mit dem Ku Klux Klan aufnehmen. Das ist ganz ohne Klischees gezeichnet und erzählt, begeistert sich Martin Zips in der SZ. Und spannend ist es auch, versichert Michael Schleicher in der FR.

Hervorgehoben seien auch noch zwei Sachbuch-Comics, darunter. Alexander Pavlenkos und Camille de Toledos Herzl-Biografie (bestellen), die historisch genau, aber um die fiktive Figur des russischen Flüchtlings Ilya Brodsky ergänzt, die Geschichte von Herzls Utopie eines Staats für die Juden erzählt, so ein beeindruckter Fritz Göttler in der SZ. "Sapiens. Der Aufstieg" (bestellen) ist der erste Band einer Tetralogie, die Yuval Noah Hararis Bestseller "Eine kurze Geschichte der Menschheit" als Graphic Novel erzählt. Der Zeichner Daniel Casanave und der Szenarist David Vandermeulen picken sich die "Perlen" aus Hararis Text heraus und schaffen es dabei, den Sachbuch-Inhalt dramaturgisch spannend zu gestalten, lobt in der SZ Thomas von Steinaecker.