Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
07.10.2002. In dieser Woche lesen Sie: Warum auf der Buchmesse getanzt werden muss und warum die Buchmesse eine Hölle für jeden Autor ist. Wer für eine Corine nominiert ist. Wie Coca-Cola, Hamburg und Köln die Leselust befördern wollen. Warum das Internet für den Buchhandel interessant und unerlässlich ist. Und welche drei litauischen Romane man vielleicht gelesen haben sollte. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ist die Buchmesse ein Anlass, wieder etwas ausführlicher über Bücher zu berichten, meldet das Branchenblatt. Leider nur morgens und am späten Abend. Da die Branche "von einer echten Prime-Time" selbst während dieses Großereignisses nur träumen könne, haben sich drei Sender entschieden, ihre Produktionen auch im Internet zu übertragen. Die ZDF-Sendung aspekte erwartet 55 Gäste zum Talk. Alle Gespräche können live im Internet verfolgt werden und sind auch nach der Messe noch abrufbar. Die Kulturzeit überträgt ebenfalls live im Netz. Und der Hessische Rundfunk richtet für seine Sendung buchmessen-tv.de eine gleichnamige Homepage ein. "Zurückhaltung zeigen die großen Privatsender. Das Sat1 Frühstücksfernsehen bietet voraussichtlich bunte Messeberichte" (immerhin), "RTL verzichtet ganz auf eine gesonderte Berichterstattung über die Buchmesse".

Das Branchenportal des Börsenvereins, buchhandel.de, "geht zu Beginn des nächsten Jahres mit einem neuen Auftritt in die Offensive", meldet das Börsenblatt. Der Börsenverein hat der Aschaffenburger Medien-Service Untermain GmbH eine Lizenz zur Nutzung der Internetadresse gegeben. Das Portal hätte andernfalls eingestellt werden müssen, da die Kosten zu hoch und die Einnahmen zu gering sind: Nur 650 Buchhandlungen wickeln ihre Geschäft über die Domain ab. MSU will die Zahl der beteiligten Buchhandlungen erhöhen, den Service verbessern und die Preise stabil halten.

Die Namen der Autorinnen und Autoren, die am 6. November eine Corine erhalten, stehen fest: In der Kategorie Belletristik ist es Paulo Coelho (für "Der Alchimist"), im Sachbuch Waris Dirie ("Nomadentochter"). Das beste illustrierte Sachbuch ist von Jacques Perrin und heißt "Nomaden der Lüfte". Astrid Lindgren erhält postum die Corine Kinder- und Jugendbuch für ihr Lebenswerk. Die Sponsorenpreise gehen an Meinhard Miegel ("Die deformierte Gesellschaft", HypoVereinsbank), Barbara Wood ("Himmelsfeuer", Weltbild) und Sven Regener ("Herr Lehmann", Rolf Heyne Ehrenpreis). Den Ehrenpreis des bayerischen Ministerpräsidenten erhält Siegfried Lenz für sein Lebenswerk.

Der Boom der Computerbücher ist vorbei, berichtet Eckart Baier. Das liegt natürlich an der Konjunkturkrise, von der die IT-Branche betroffen sei "wie keine andere". Am stärksten eingebrochen seien Themen wie Web-Design und -Grafik mit einem Minus von bis zu 20 Prozent, sagt Hartmut Gante vom Verlag moderne industrie. Vor allem private User hielten sich beim Kauf zurück. Weniger betroffen seien Spezialtitel für EDV-Profis.

"Bertelsmann hat die Funktion gerade abgeschafft, der Süddeutsche Verlag führt sie nun ein: Klaus Josef Lutz (44) wurde als Chief Operating Officer (COO) an Bord geholt", übt sich nun auch das Börsenblatt in maritimer Metaphorik. Zu den Aufgaben von Lutz gehöre es, den Bereich Fachinformation neu aufzustellen. Von 1.700 Mitarbeitern der Fachinformationssparte SVHFI sollen laut Börsenblatt mehr als 100 Stellen abgebaut werden.

Außerdem berichtet Andreas Trojan über die Umstrukturierung beim Carl Hanser Fachverlag. Holger Ehling hat Anfang September die Buchmesse Moskau besucht und weiß von einer erfreulichen Bilanz. Christina Schulte stellt Digital Object Identifiers (DOIs) vor, mit denen Publikationen im Internet systematisiert werden können. Das europäische MEDRA-Projekt, an dem auch der Börsenverein beteiligt ist, bereitet die Einrichtung einer "Multilingual European DOI Registration Agency" vor. Und die Preisbindungsserie ist bei Teil sechs angelangt.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Der buchreport nimmt die Buchmesse zum Anlass, die wirtschaftliche Lage der Branche zu beklagen. "In den vergangenen Jahrzehnten ist das Geschäft für Verlage und Buchhändler in Verbindung mit der Buchmesse meist angezogen und hat sich in aller Regel bis zum Beginn des Weihnachtsgeschäfts gesteigert. Inzwischen haben die Probleme der Branche aber die Buchmesse selbst erfasst und auch dort Krisensymptome zu Tage gefördert." In seiner Kurzkolumne schreibt Bodo Harenberg: "Auch wenn die Umsätze im Minus stecken und die Perspektiven noch keinen Hauch von Morgenröte haben: Die Buchmesse ist der Ballsaal der Branche. Es darf und muss getanzt werden. Und sei es ein Tanz auf dem Vulkan."

Einen Werbeeffekt für das Buch erhofft sich die Stiftung Lesen von ihrer Kooperation mit Coca Cola: "Schnapp dir ein Buch" heißt die Initiative, die sich an Kinder zwischen acht und zwölf richtet. "Die Buchförderer und der Brausemixer haben den 22. November zum 'Coca-Cola-Lesetag' erklärt, an dem im ganzen Land 'Bücherpartys' veranstaltet werden sollen. Auf einer zentralen Veranstaltung in Berlin lesen Prominente aus Film, Sport und Musikgeschäft aus ihrem Lieblingsbuch vor."

Zwei weitere Werbeevents stehen im November an: In Anlehnung an die Aktion "One book, one city", die in den USA offenbar recht erfolgreich war, lässt der Verlag Hoffmann und Campe Hamburg am 9. und 10. November das Buch "Der Mann im Strom" von Siegfried Lenz lesen. In Köln wird vom 2. bis zum 10. November Böll gelesen: Die grün-nahe Heinrich-Böll-Stiftung, die Erbengemeinschaft Heinrich Böll und der Verlag Kiepenheuer & Witsch richten in diesen acht Tagen insgesamt 40 Einzelveranstaltungen aus. Anlass sind eine Reihe von Jubiläen: Bölls 85. Geburtstag, 30. Jahrestag der Verleihung des Literaturnobelpreises und - wichtiger noch - 20-jähriges Jubiläum der Ernennung zum Ehrenbürger von Köln. Im Oktober erscheinen die ersten drei Bücher einer 27-bändigen Werkausgabe des Schriftstellers.

Ökologische Kostenwahrheit könnte auch Bücher teurer machen. Das Barsortiment KNO fordert schon jetzt höhere Buchpreise, weil möglicherweise ab Sommer nächsten Jahres für Lkw eine Autobahn-Maut fällig wird. Nach Angaben von KNO könnten die Kosten für die Transportunternehmen um zehn Prozent steigen. "Die Auswirkungen der höheren Transportpreise auf die Gesamtkosten von Sortiment und Verlag werden zwar relativ gering sein, trotzdem werden sie die Gewinnmarge schmälern", schreibt der buchreport. Bei KNO sei man überzeugt, dass durch "rechtzeitige Preiserhöhungen (...) Mehreinnahmen generiert werden" könnten. In einem Kommentar bezweifelt Andrea Czepek, dass Preiserhöhungen zurzeit "ein vernünftiges Anliegen" sind: "Wenn die Wege immer teurer werden, müssen Wege eingespart werden - auch die Remissionsquote wird wieder zu diskutieren sein. Sie ist im letzten Jahr bei den Auslieferern von 6,9 Prozent auf 8,1 Prozent angestiegen." Auch seien die Sortimenter dazu angehalten, Bestellungen stärker zu bündeln. 2001 seien 37,1 Prozent der Lieferungen leichter als zwei Kilo gewesen.

Die S. Fischer Verlage wollen ihren Novitätenausstoß in den kommenden Jahren "deutlich reduzieren", zitiert der buchreport den kaufmännischen Fischer-Geschäftsführer. Nach der Neuordnung der Zuständigkeiten in den Chefetagen "soll in den nächsten Monaten der programmatische Feinschliff einsetzen". Betroffen sei vor allem der Scherz Verlag, der künftig neben dem "klassischen Krimi-Segment" auch die "Ratgeber im Bereich der Lebenshilfe" stärker in den Vordergrund stellen werde.

Bücher für die spanischen Muttersprachler in den USA wurden bislang aus Mexiko, Spanien und Argentinien importiert. Nun haben die US-Verlage "mit eigenen Imprints den spanischen Sprachmarkt und damit eine einflussreiche Minderheit aufs Korn genommen". Als Beispiele für spanische Imprints werden Rayo (HarperCollins), Libres en Espanol (Simon & Schuster) sowie Vintage Espanol und Para Ninos (beide Random House) genannt. Bookspan, eine gemeinsame Buchclubtochter von Bertelsmann und AOL Time Warner, hat gleich einen spanischen Buchclub gegründet.

Streit gibt es in Großbritannien um den Booker-Prize. Die Jury habe sich beschwert, dass die Verlage nur noch "pompöse" und absolut humorlose Bücher einreichen. Empörte Verleger forderten daraufhin eine "eine öffentliche Entschuldigung und eine Überarbeitung des Booker-Formats. Ärger gibt es auch um die Zusammensetzung der sechs Auswahltitel, unter denen kein einziger englischer Autor vermerkt ist, dafür aber drei Kanadier notiert sind. Höchst umstritten ist zudem die Nichtberücksichtigung von Zadie Smith und 'The Autograph Man', den die Medien und Buchmacher - allerdings etwas voreilig - zum großen Favoriten 2002 erklärt haben." Der Sieger des Booker-Prize wird am 22. Oktober verkündet.

Weitere Meldungen befassen sich mit den Expansionsplänen der Mayerschen Buchhandlung (deren Umsatz in Aachen seit der Eröffnung des neuen, größeren Stammhauses am 19. September um 80 Prozent gestiegen ist), mit einer möglichen Übernahme der Essener Buchhandlung Baedeker durch "die expansive Buch & Kunst-Gruppe aus Sachsen" sowie mit den Thalia-Plänen für die Amadeus-Kette in Österreich (O-Ton Thalia: "Top-Service, Top-Qualität und Top-Ambiente"). Schließlich erfahren wir, dass Weltbild in den Handel mit Kinderspielzeug einsteigt, dass die Akademische Buchhandlung Interbook in Trier aus der Fleischstraße vertrieben wurde, weil dort eine "Center-Anlage" entstehen soll, dass die Großdruck-Bücher von dtv 25 Jahre alt werden und dass das ZVAB ein neues Internetangebot entwickelt hat.

Und hier geht es zu den Bestsellerlisten.

Börsenblatt

Beim insolventen Könemann Verlag gibt es, so das Börsenblatt, Klärungsbedarf. "Der Könemann-Herausgeber und Autor Andre Domine hat jetzt in einem offenen Brief an den Insolvenzverwalter gegen die Modalitäten des seit 1. August laufenden Insolvenzverfahrens protestiert. Der Vorwurf: Urheberrechte würden seit längerer Zeit ungenutzt bei dem MA-Anbieter liegen." Das Büro des Insolvenzverwalters erklärte dagegen, man sei derzeit in Verhandlungen, um die Könemann-Titel "geordnet" abzuverkaufen. "Die komplizierte Rechtelage macht dies anscheinend schwierig, schreibt das Börsenblatt weiter. Mittlerweile haben sich andere Autoren Domines Kritik angeschlossen.

Die Deutsche Verlags-Anstalt spricht bereits mit vier "Wunschkandidaten", von denen sie gern übernommen werden würde. Wie berichtet, will sich die FAZ-Gruppe von der DVA, von deren Imprints sowie von ihrer 50-prozentigen Beteiligung an Buch Habel trennen. Mit wem die DVA verhandelt, wollte ihr Geschäftsführer Jürgen Horbach dem Börsenblatt nicht verraten, "nur so viel: 'Wir bevorzugen natürlich einen Käufer oder Partner, der verlegerisches Interesse mitbringt. Wir handeln schließlich nicht mit Schrauben.' Ob die Konzernunternehmen Holtzbrinck und Bertelsmann zu Horbachs Wunschkandidaten zählen, sagte er nicht." Beide Unternehmen hätten gegenüber dem Börsenblatt ihr Interesse an der DVA bekundet.

Ehemalige Mitarbeiter der Ratgeberverlage Falken / Mosaik haben sich am alten Standort Niedernhausen selbstständig gemacht. "Jump (Jung Medienpartner) heißt die neue Agentur, die der langjährige Falken-Produktionsleiter Josef Jung nun gegründet hat. Das Unternehmen bietet Verlagen und Werbetreibenden ein Fullservice-Programm an - von der Konzeption und Autorenakquise über die grafische Produktion bis zum fertigen Print- oder Digitalmedium. Kerngeschäft: Sachbücher und Ratgeber, Zeitschriften, Geschäftsberichte."

Eine neue Bücher-Sendung im Fernsehen: Seit dem 4. Oktober läuft beim SWR Baden-Baden das Magazin Schümer & Scheck. Dirk Schümer und Denis Scheck werden vierzehntäglich um Mitternacht mit Gästen über Bücher und den Buchmarkt sprechen - zur ersten Sendung war Robert Gernhardt zu Gast.

Die Zahl der Online-Anbieter auf dem Buchmarkt hat sich seit dem Jahr 2000 um 20 Prozent erhöht, hat der Börsenverein in seiner jüngsten Netzumfrage ermittelt. In absoluten Zahlen: Vor zwei Jahren boten 2.149 Buchhandlungen ihre Geschäfte im Internet an, im vergangenen Jahr waren es bereits 2.584. "Trotz leichter Sättigungstendenzen bleibt festzuhalten: Das Internet stellt eine interessante - und aus Imagegesichtspunkten auch unerlässliche - Angebotsplattform für Bücher dar. Schwerpunkte sind dabei Ratgeber und Sachbücher sowie Belletristik." Die Bedeutung des Internets spiegele sich auch im Gesamtumsatz des Online-Buchhandels wider, der sich seit 1997 immer weiter erhöht und 2001 mit rund 288 Millionen Euro seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht habe. Der Marktforscher Forrester Research rechne bis 2006 gar mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Euro. Dennoch bleibt das Online-Geschäft für die meisten Sortimenter eine Marginalie: "Etwa 40 Prozent der Befragten gaben an, dass der Anteil am Umsatz geringer als 0,5 Prozent sei".

Volkhard Bode stellt Dienstleister vor, die medienneutrale Datenhaltung ermöglichen. "Was einmal über ein Content-Management-System (CMS) medienneutral in einer Datenbank erfasst, aktualisiert und ergänzt sei", so sagen Experten, "könne wie Lego-Bausteine blitzschnell zu immer neuen Einheiten verbunden werden. Das Ausgabemedium kann entweder ein Buch, eine CD-ROM oder das Internet sein."

Adrienne Braun porträtiert den Frommann-Holzboog Verlag, der in diesem Jahr 275 Jahre alt wird und dem der Ruf vorauseile, "solide Bücher für Bibliotheken zu machen, die für den Einzelnen unerschwinglich sind". Ganz im Sinne medienneutralen Publizierens will Verleger Günther Holzboog von diesem Ruf weg kommen, indem er kleinere Texte aus größeren Editionen auskoppelt und als Studientexte oder CD-ROM anbietet.

Weitere Meldungen: Thalia hat seine 2.000-Quadratmeter-Großfläche in Krefeld eröffnet, Buch Habel wird voraussichtlich im März 2003 in Sichtweite des Thalia-Hauses eine 3.000 Quadratmeter große Filiale aufmachen. Natürlich wächst auch Weltbildplus unaufhörlich weiter, zuletzt in Hamburg-Harburg und Friedberg. Zum Bertelsmann-Empfang im Arabella Sheraton Grand Hotel kommen Dieter von Holtzbrinck, Mathias Döpfner, Andreas und Florian Langenscheidt, Frank Schirrmacher, Stefan Aust und Larry Kirshbaum. Das Börsenblatt spricht mit Rosemarie von dem Knesebeck über die Corine - den in München verliehenen Internationalen Buchpreis. Und schließlich wird die Serie zur Preisbindung fortgesetzt. Im fünften Teil geht es um länderübergreifende Lieferungen.

Ein 20-seitiger Extra-Teil bereitet auf die Frankfurter Buchmesse vor. Einige Beiträge darin widmen sich dem Buchmarkt des Gastlandes Litauen. "Im modernen litauischen Roman reist man nicht mehr nur vom Dorf in die Stadt, sondern auch aus Litauen in die weite Welt", schreibt Laimantas Jonu?ys in einem Überblicksartikel. So etwa in "Von Träumen verweht" von Jurga Ivanauskaite, einem Roman, der von asiatischen Gurus und Reisenden aus aller Herren Länder handele; "vielleicht ist er der erste wirklich multikulturelle litauische Roman. Mystische Erleuchtungen kommen hier zusammen mit ungewöhnlichen sexuellen Erfahrungen." Weiter nennt Jonu?ys "Sterne der Eiszeit" von Renata ?erelyte (Rowohlt). "Die mosaikartige Bilderfolge illustriert im ersten Teil das Heranwachsen der Protagonistin in einem Provinznest. Das Dorf, das von Generationen litauischer Schriftsteller romantisiert worden war, ist hier geprägt von Rückständigkeit, Stagnation und zerstörerischem Alkoholismus." Die Heldin entkommt im zweiten Teil nach Vilnius. Die Romane "Vilniusser Pokerspiel" von Ricardas Gavelis und "Die Regenhexe" von Jurga Ivanauskaite (dtv) wurden als sexuell sehr provokant empfunden; "Die Regenhexe" verkaufte sich sehr gut, weil der Stadtrat von Vilnius versuchte, die Verbreitung des Buches einzuschränken. "Damals ging der Witz um, Ricardas Gavelis habe es der Obrigkeit übel genommen, dass sie die Sexszenen seines 'Vilniusser Pokerspiels' nicht ebenso brandmarkte: Er erschien im selben Jahr, erhielt aber weit weniger öffentliche Aufmerksamkeit." Neben Ivanauskaite und Gavelis sei Jurgis Kuncinas "der wohl am meisten beachtete Romanautor im ersten Jahrzehnt der litauischen Unabhängigkeit". In seinem Roman "Mobile Röntgenstationen" (Athena) verarbeite er die Sowjetzeit "mit Talent und Witz": "Es sind mehrere Geschichten von echter und unechter Liebe, echten Krankheiten, an denen die von dem jungen Erzähler begehrten Mädchen leiden, und eine vorgebliche Hämorrhoiden-Erkrankung, mit der der Protagonist versucht, den Militärdienst zu umgehen."
Archiv: Börsenblatt

buchreport.magazin

Die "Meinung" im buchreport.magazin ist im Oktober eher eine Mahnung: "Verlage und Buchhandel müssen sich darauf einrichten, dass Bescheidenheit der wichtigste Wegweiser für die nächsten Jahre sein wird." Dabei gehe es der Buchbranche noch schlechter als etwa der Nahrungsmittel- und Bekleidungswirtschaft. Im medialen Ausleseprozess hätten Bücher einen neuen Stellenwert bekommen. "Die wichtigsten Faktoren sind in Zukunft: Sorgfältig ausgewählte und aufbereitete Inhalte, kostenbewusstes Handeln in allen Bereichen und Phasen und vor allem: Neue Ideen."

Vor der Frankfurter Buchmesse hat Anja Sieg mit Helen Shiers über Buchmessen gesprochen. Shiers ist beim Messeveranstalter Reed für die fünf hauseigenen Buchmessen verantwortlich. Den Ausstellerrückgang bei der Konkurrenzveranstaltung in Frankfurt sieht sie kollegial-gelassen: "Wenn dieser Rückgang ein einmaliger Vorgang bleibt, lässt er sich verkraften. Jede Buchmesse reflektiert auch den Ist-Zustand der gesamten Branche. Der ist, soweit ich weiß, in Deutschland momentan eher trübe. (...) Ein Tief wie Frankfurt durchlebt ohnehin jede Buchmesse irgendwann, das kann morgen schon uns treffen." Zugleich weist sie darauf hin, dass Frankfurt zurzeit "etwas kritisch beäugt" werde: Der Plan einer Lizenzmesse "Frankfurt in New York" habe zweifellos sehr viel Porzellan zerschlagen. Ohne ihn namentlich zu nennen, kritisiert Shiers den vor drei Monaten entlassenen Buchmesse-Direktor Lorenzo A. Rudolf: "Ich glaube, dass in den letzten zwei Jahren zu viel Zeit und Energie verschwendet wurde, um die Frankfurter Buchmesse als internationalen Markennamen aufzubauen. Diese Veranstaltung ist doch längst eine eigene Marke, und zwar auch außerhalb der überschaubaren Buchbranche. Was Futura Mundi angeht, wird darüber nach der Messe abgerechnet. Prinzipiell halte ich begleitende Veranstaltungsprogramme für eine gute Sache, weil es ein belebendes Element ist. Sie dürfen nur auf keinen Fall vom Kern einer Buchmesse ablenken - und der liegt bei den geschäftlichen Interessen der Aussteller."

Zum zweiten Mal legt der buchreport sein internationales Ranking der Verlagskonzerne vor. Ein Resultat der Liste: "Die fetten Jahre sind (vorerst) vorbei, es ist Magerkost angesagt." Die größten 40 Verlage der Welt sind im vergangenen Geschäftsjahr um 5,6 Prozent hinter ihrem Vorjahres-Gesamtumsatz zurückgeblieben. Auf Platz eins steht wie im Vorjahr die britisch-niederländische Fachverlagsgruppe Reed Elsevier. Ihr Umsatz (7,34 Milliarden Euro) macht 13,8 Prozent des Gesamtumsatzes der 40 größten Verlage aus. Weltgrößter Publikumsverlag ist Random House. Unter allen Verlagen kommen die Bertelsmann-Verlage allerdings "nur" auf Platz sechs.

Aus der Nischengesellschaft in den Nischenverlag: Dem 1989 gegründeten Christoph Links Verlag geht es gut, weil er sein Programm und nicht den Verlag erweitert hat. "Den Erfolg seines Nischenverlags macht Links an zwei Punkten fest: intensive Pflege von Zielgruppe und Kunden und klares Profil beim Programm, um für die Leser wiedererkennbar und berechenbar zu sein", schreibt Peggy Voigt. Um das klare Profil beizubehalten, entscheide Links sich mitunter auch gegen einen Titel: Nachdem Alexander Osang sich der Belletristik zugewandt habe, so Links, "stand die Frage, ob wir auch Romane bei uns verlegen würden im Raum, aber das passt nicht zu unserem Profil".

Peggy Voigt stellt ein weiteres Berliner Unternehmen vor, die Verlagsgruppe Dornier. Unter diesem Dach sind seit einem Jahr Verlage wie Theseus, Henschel, Urania, Kreuz sowie E. A. Seemann zusammengefasst - "von B wie Biografie bis S wie Spiritualität", dazwischen noch Kunst, Musik und Ratgeber. Verlagsleiterin Sabine Schubert tut, was alle tun: Sie besinnt sich auf die Kernkompetenzen ihres Verlages. "Zwar wird allgemein gesagt, dass Verlage unserer Größenordnung die nächsten Verlierer sein werden, aber dem stehen wir nicht tatenlos gegenüber", so Schubert.

Bodo Kirchhoff hat im "buchreport.interaktiv" auf ein paar Stichwörter geantwortet. Daraus zwei Zitate: "Buchmesse. Die Buchmesse ist eine Hölle für jeden Autor, der dort sein eigenes Buch als das überflüssigste der Welt erkennt. Wenn man sich dorthin begibt, sollte man außerdem sehr viele Vitamintabletten essen, einen Schal kaufen und davon ausgehen, dass man hinterher in jedem Fall krank ist." - "Literaturbetrieb. Ist ein großes Gerücht, das sich zusammensetzt aus ein paar Tausend Einzelfiguren und ein paar Dutzend Leuten, die uns ständig erklären, dass alles mit allem zusammenhängt. Aber das einzige, was daran zusammenhängt, sind die Artikel darüber. Im Grunde genommen ist er völlig atomisiert, eine Erfindung, die es ohne die Medien nicht gäbe."

Daniel Lenz hat sich mit den handwerklichen Eigenarten der Schriftsteller befasst. Er unterscheidet Jäger und Sammler, die sich jeden Gedanken notieren, und Kopfarbeiter, die nach Enzensbergers Motto verfahren: "Es gibt einen Darwinismus der Einfälle. Die guten kommen immer wieder." Daneben gebe es Cafehaus-Poeten und Kämmerlein-Schreiber, Nachtvögel und Tagarbeiter, Nüchterne und Berauschte, Messies und Archivare, Hand-Werker und Schreib-Technologen. "Greifen Hand-Werker in einem zweiten Schritt zur Schreibmaschine oder zum Computer, dient dies der Objektivierung des eigenen Texts. 'Die Schrifttype auf dem Papier schafft ein erstes Maß an Distanz, da werden die Wörter ein bisschen dinglicher, fremder, so dass man mit ihnen umgehen kann', beschreibt der Lyriker Raoul Schrott den Schritt." Der Artikel ist mit Bildern aus dem Buch "Im Schreiben zu Haus" von Herlinde Koelbl illustriert.

Rainer Uebelhöde stellt den Festa-Verlag vor, der alte Fantasy-Autoren wiederentdeckt und jungen Talenten eine Plattform geben will. Ein weiterer Fantasy-Artikel widmet sich dem Bestsellerautor Wolfgang Hohlbein, "der in den letzten 20 Jahren rund 160 Bücher vorgelegt und über eine Million Exemplare verkauft hat". In seinem Reihenhaus in einem "Randlage-Idyll" in Neuss hat er sich "in einem Mikrokosmos mit Versatzstücken aus der Welt des Mittelalters und der modernen Mythen eingerichtet".

Noch mehr Fantasy, allerdings in einer Soft-Variante: Andrea Czepek porträtiert Diana Gabaldon, die derzeit mit "Das flammende Kreuz" die Bestsellerliste anführt. "Ihre ersten Erfahrungen mit dem Schreiben von 'Fiction' sammelte sie 1978 bis 1980 als Comic-Autorin für Walt Disney. 'Da habe ich gelernt, was ich über das Geschichtenerzählen wissen muss', meint sie heute."

Auch in der Schweiz läuft das Geschäft mit Büchern derzeit "eher schleppend", schreibt Andrea Czepek. Dennoch baut Orell Füssli in Zürich an seiner zweiten Großfläche in der Stadt. Warum also die Expansion, bei der man sich selbst Konkurrenz macht? "Wenn wir es nicht machen, macht es jemand anders", sagt Vera Wernli, die Leiterin der existierenden Filiale.

Schließlich hat Peggy Voigt die Bücherei der Justizvollzugsanstalt Schwerte besucht. Über den Ankauf neuer Bücher entscheiden die Gefangenen mit, ansonsten richtet sich die Leiterin der Bücherei, Monika Schiller, nach der Bestsellerliste. "Die Gefangenenzeitung Kuckucksei, die von den Gefangenen Jörg P. und Ingolf V. geschrieben wird, veröffentlicht eine eigene Top-Ten der Bücherei und stellt Neuerscheinungen vor." Am 12. September auf Platz eins der Liste: "Aquarien Fische", gefolgt von "Bodybuilding", "Muskel Training", "Der Herr der Ringe" Band 1, "Harry Potter" Band 2, "Manipulieren - aber richtig", "Der Herr der Ringe" Band 2, "Langenscheidt Express Kurs Englisch", "Muskel Guide" und "Endlich Nichtraucher".

Weitere Beiträge: Ein Interview mit Fritz Eckenga und Wiglaf Droste anlässlich der Veröffentlichung des Eckenga-Gedichtbandes "Draußen hängt die Welt in Fetzen, lass uns drinnen Speck ansetzen" (Kunstmann). In dem Buch schreibt Eckenga, Reime seien "Kassengift". Warum er dann einen Gedichtband geschrieben habe. "Droste: Weil er sich das leisten kann. / Eckenga: Ja, ich kann's mir leisten... / Droste: ... und die Verlegerin kann es sich auch leisten." Brit München schreibt über die Veranstaltungsreihe "Kultur am Montag", mit dem ein Grefrather Buchhändler Kunden in seinen Laden lockt. Anja Sieg stellt auf drei schmalen Seiten die "Buchhauptstadt der Welt", New York, vor. Und die Rubrik "Webrolle" testet den neuen Internet-Auftritt von Ullstein, das Literaturportal Libelli (beide Note "2") sowie die Seite zu Marcel Reich-Ranickis Kanon ("Flop des Monats": "professionell gemacht", aber "leider nur ein Abbild des Einführungsbändchens").

Schwerpunkt des Heftes ist das Thema Kunst, Kultur, Architektur & Design. Darin Artikel über den Architektur-Verlag Callwey, den Dumont-Verlag, Museumsbuchhandlungen, Berlin-Bücher und den Phaidon-Verlag.