George Saunders
Zehnter Dezember. Stories
Luchterhand Literaturverlag, München 2014
Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert. Niemand versteht es, so ungewöhnlich über ganz gewöhnliche Menschen zu schreiben, die sich mit einer nicht ganz gewöhnlichen, unvollkommenen Welt herumschlagen, wie George Saunders. Da ist zum Beispiel die fünfzehnjährige Alison. Als sie, den Kopf voller grandioser Weltumarmungsgefühle, von einem Fremden entführt zu werden droht, steht der Nachbarjunge, der alles mit ansieht, vor einer schweren Entscheidung: Soll er ignorieren, dass das schönste aller Mädchen vermutlich Opfer eines Verbrechens wird, oder soll er sich über alle moralischen Gebote, nach denen ihn seine Eltern großgezogen haben, hinwegsetzen und eingreifen? Oder da ist der Mann, den medizinische Versuche über die Grenzen seines Selbst hinausführen, und zwar sowohl in puncto Lust als auch in puncto Mordlust. Und da ist in der Titelgeschichte der dicke, einsame Junge, der sich auf unsicheres Eis begibt und dabei die Selbstmordabsichten eines alten kranken Mannes durchkreuzt…