Rudyard Kipling
Indische Erzählungen
Manesse Verlag, Zürich 2006
In seiner Anschaulichkeit unübertroffen ist das Bild, das der junge Autor vom indischen Subkontinent und seinen Bewohnern zeichnete: beispielsweise von der jungen, hübsche Ameera, die ihr Leben "ohne kirchlichen Segen" mit einem britischen Beamten teilt. Sie schenkt ihm einen Sohn, doch das gemeinsame Glück ist nur von kurzer Dauer. Von der stetigen Bedrohung der Menschen durch die Fährnisse der Natur erzählt die Geschichte des gelehrten Brahmanen Purun Bhagat: Im Einklang mit der belebten Welt sucht er nach Erleuchtung und setzt bei einer Überschwemmung sein Leben aufs Spiel. "Bisara von Pooree" ist der Name eines kleinen Silberkästchens, dessen Besitz von wundersamen Geschehnissen begleitet ist. Stolz und Gewitztheit der Einheimischen, Neugier und Staunen der britischen Kolonialherren sind weitere Themen der acht hier versammelten Erzählungen. Verdankte Kipling den "Dschungelbüchern" und dem Roman "Kim" seinen Welterfolg, so waren es die hochkarätigen Kurzgeschichten, die bereits früh seinen literarischen Ruhm begründeten. In ihrer heiter-ironischen Tonlage und stilistischen Brillanz waren sie von bedeutendem Einfluss auf die amerikanische Short story des 20. Jahrhunderts.