Die Sorge des Souveräns. Eine Diskursgeschichte des Opfers. Überarb. Diss.

Diaphanes Verlag, Zürich - Berlin 2005
Worum geht es, wenn auf der Bühne der Politik, in den Tabellen der Sozialstatistik oder in den Texten der Ethnologie von "Opfern" die Rede ist? Ist die begriffliche Übereinstimmung bloß zufällig - oder verbirgt sich mehr dahinter? Die Studie zeigt, wie das Opfer (das Opferritual, der Verzicht, das Geopferte) in der Frühneuzeit aus dem Bereich des religiösen Rituals nach und nach in den Bereich von Politik und Gesellschaft Eingang fand und dort seither zu einer prominenten Denkfigur, ebenso aber auch zu einem ganz konkreten verwaltungstechnischen Problem wurde. Das Opfer wird zum Gegenstand einer unablässigen Sorge, die der - sei es autoritäre, sei es demokratische - Souverän um die Verfassung seiner selbst trägt. Gezeigt wird, inwiefern die Opfer als Ausdruck gesellschaftlicher Konstitutionsprobleme, Pathologien und Kontingenzen immer wieder neu geschaffen werden. Zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert werden die staatlichen Programme, in deren Kern das "Opfer" steht, immer effizienter: Von der Sorge um die beiden »Körper des Königs« über die "polizeylichen" und demokratisch-pädagogischen Regimes, die imperialistische Erforschung "primitiver Gesellschaften" bis hin zur Ausarbeitung detaillierter Versicherungs- und Entschädigungssysteme. In der zugleich diskursiven und praktischen Sorge um die "Opfer" bahnt sich zugleich ein spezifisch neuzeitliches Projekt an: die Allianz von Politik und Humanwissenschaft, Literatur, Anthropologie und Ökonomie. "Opfer" wären so gesehen die Hervorbringungen eines scharf kalkulierenden und zugleich dichtenden "Willens zum Wissen" (Michel Foucault), der erst unter den medien- und verwaltungstechnischen Bedingungen des modernen Staates richtig produktiv werden kann. Nur vor diesem Hintergrund ist zu bestimmen, wann die Rede vom "Opfer" noch Diskurs der Macht und wann sie schon Gerede ist. Ein Text unter dem Titel "Opfer nach Auschwitz" schließt den Band ab.

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