Jorge Semprun
Zwanzig Jahre und ein Tag. Roman
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
Aus dem Spanischen von Elke Wehr. Eine unterschwellige Atmosphäre von Gewalt, Auflehnung, ungehöriger Sinnlichkeit empfängt den amerikanischen Historiker Michael Leidson, als er im Juli 1956 zum Landgut der herrschaftlichen Familie Avendano in der Provinz Toledo kommt. Dort soll die jährliche Bußzeremonie stattfinden, mit der die Erschießung des jüngsten Bruders durch aufgebrachte Landarbeiter beim Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs "gesühnt" wird - ein merkwürdig atavistisches Ritual, dessen Bedeutung Leidson erhellen möchte. Der Politische Kommissar Roberto Sabuesa dagegen hofft dort den heimlichen Kopf der Studentenunruhen zu ermitteln, die Franco-Spanien im Frühjahr aufgestört haben. Sie werden Zeugen, wie an diesem Tag der gewaltsamen Beschwichtigung die kaum verhohlenen politischen wie erotischen Spannungen in der Familie Avendano aufbrechen. Nach und nach deckt der Erzähler, der selbst stärker involviert ist, als der Leser anfangs ahnt, die Fäden der Handlung auf und verfolgt sie bis in eine jüngste Gegenwart.