Leonardo da Vinci
Die Aphorismen, Rätsel und Prophezeiungen
Schirmer und Mosel Verlag, München 2003
Ausgewählt und übertragen von Marianne Schneider. Leonardos Denken ist von zwei scheinbar kontrastierenden Bewegungen gekennzeichnet. Die eine strebt auf die Einheit von allem zu, sieht das Universum und den Menschen als ein großes Ganzes, in dem alles miteinander verbunden, in unzähligen kleinen und kleinsten Verästelungen untereinander 'vernetzt' ist. Die andere äußert sich in Fragmenten, umkreist mit zunehmender Genauigkeit immer wieder Details, die seinem Auge auffallen und ihn unwiderstehlich anziehen - darin war er der erste im abendländischen Denken. Legt man alle seine Fragmente zusammen, ergibt sich doch nicht das, was man gemeinhin ein Gedankengebäude nennt. Doch umfasst er bisweilen mit einem einzigen Satz ein Universum. So sind auch die hier gesammelten Sprüche und Notate, die Marianne Schneider aus den verstreuten Schriften Leonardos zusammengetragen hat, keine Auszüge aus längeren Erörterungen. In ihrer knappen Form stehen sie, in einer Ecke oder wo gerade Platz war, auf Blättern, die von ganz anderen Dingen handeln.