Magazinrundschau - Archiv

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64 Presseschau-Absätze - Seite 4 von 7

Magazinrundschau vom 31.05.2016 - Slate.fr

Gibt es heute eigentlich noch verfemte Autoren wie einst de Sade, Baudelaire oder Bataille? Oder darf man heute wirklich alles schreiben? Rémi Guinard denkt in seinem Artikel über Begriffe wie gute Sitten, Selbstzensur und Grenzen nach und macht als eines der letzten Schreibtabus die Pädophilie aus: "Es ist schon paradox: Je mehr die Jugend als solche idealisiert wird - kommerzialisiert, Objekt unausgesetzten Marketings - desto mehr wird der sexuelle Reiz, den sie auf Erwachsene ausübt, mit einem Verbot belegt. Laut [dem Historiker] Jean-Yves Mollier gibt es 'wenige verbotene Themen, aber Pädophilie ist ein solches, und zwar ein sehr bedeutendes'. Er schätzt, dass ein Buch wie 'Les Moins de seize ans', in dem in den Siebziger Jahren ein gewisser Gabriel Matzneff seine Erwachsenen-Jugendlichen-Romanzen idealisierte, 'in der heutigen Zeit keinesfalls mehr verlegt werden würde'." Und Mollier glaubt: "Den verfemten Autor entdeckt man erst im Nachhinein, in dem Moment, wo er zu einem Mythos wird."

Magazinrundschau vom 03.05.2016 - Slate.fr

Frankreich ist unfähig, seine Souveränität gegenüber den Amerikanern zu schützen, erklärt Julian Assange in einem Interview, in dem er auch über die Panama-Papers und seine gegenwärtige Situation spricht. Auf die Frage, warum sich die französische Regierung nicht massiv gegen das Abgehörtwerden durch die Amerikaner gewehrt habe, was Assanges Wikileaks 2015 enthüllt hatte, meint er: "Die französischen Nachrchtendienste sind keine Idioten. Aber sie wollten die britischen und amerikanischen Dienste nicht verstimmen. Dieser Wille war dermaßen stark, das man es vorzog, lieber Opfer zu sein anstatt zu begreifen. Wir haben noch weitere Dokumente, die wir nicht veröffentlich haben. Es gibt immer noch Dinge, die die Geheimdienste bezüglich der Bespitzelung Frankreichs durch die Amerikaner nicht wissen, einschließlich der Bespitzelung innerhalb der politischen Parteien."In voller Länge ist das Interview, das von Arte und Slugnews geführt wurde, hier zu sehen.

Magazinrundschau vom 16.02.2016 - Slate.fr

In einer langen Reportage berichtet Frédéric Martel über Palästinenser, die seit Jahren außerhalb Palästinas in der Diaspora leben. Flüchtlinge in Jordanien, Ägypten, im Libanon oder anderswo pflegen Heimweh nach einem Land, das sie niemals kennengelernt haben. Zwischen Hoffnungen, Fantasievorstellungen, politischem Aktivismus, Integration und Resignation träumen nicht alle mehr vom gleichen Land. Martel schreibt: "Zu einem großen Teil verstärkt die Rechtlosigkeit dieser Palästinenser, die in ihren Aufnahmeländern oft als Bürger zweiter Klasse angesehen werden, ihre Verbitterung."

Magazinrundschau vom 20.10.2015 - Slate.fr

Fanny Arlandis geht der Frage nach, weshalb historische Schwarzweiß-Fotografien und -Filmaufnahmen nachträglich koloriert werden. Isabelle Clarke, Regisseurin eines Dokumentarfilms über den Ersten Weltkrieg, argumentiert für diese Praxis: "Das Schwarzweiß schafft eine Form der Distanz. Will man Geschichte einem größeren Publikum erzählen, muss man sie lebendig machen. Danach suchen wir: die Wahrheit durch dieses Bilder zu erzählen. Um ihnen neues Leben einzuhauchen und dieses zu vermitteln, sind Ton und Farbe nötig. Wir brauchen sie, um uns unsere Geschichte anzueignen." Der Wissenschaftler Adrien Genoudet weist dagegen auf das damit verbundene Paradox hin: "Farbbilder erlauben es, Dinge schöner, evidenter wiederzugeben, in Wirklichkeit schafft man jedoch eine neue Distanz."

Magazinrundschau vom 26.05.2015 - Slate.fr

Die Überreste von Résistants aus dem Umfeld des Pariser Musée de l"homme werden in diesen Tagen ins Panthéon überführt. Sie gehörten zu den allerersten Widerstandkämpfern in Frankreich überhaupt und schlossen sich gleich nach der Niederlage gegen die Deutschen De Gaulles Londoner Appell an. Jean-Marie Pottier schildert das bunte Volk, um das es sich dabei handelte: "Unter den Gruppen, die um das Netz kreisten, findet man auch einen literarischen Zirkel namens Les Amis d"Alain-Fournier, zu dem die Schriftsteller Claude Aveline, Jean Cassou und Marcel Abraham zählten, dann die Kunsthistorikerin Agnès Humbert, die "Vive de Gaulle" auf Geldscheine tippte, mit denen sie ihre Einkäufe tätigte. Hinzu kamen eine Gruppe von Feuerwehrmännern, eine Gruppe von Anwälten (darunter der große Strafrechtler Albert Naud) und einige Résistants aus der Bretagne, dem Norden Frankreichs und Toulouse... Keine Kommunisten, denn wir befinden uns noch vor dem Bruch des Hitler-Stalin-Pakts."

Magazinrundschau vom 20.01.2015 - Slate.fr

Vincent Manilève nimmt sich die Verwendung von zwei Begriffen vor, die in den Medien derzeit wieder verstärkt zirkulieren, wo sie zur Erklärung der jüngsten Anschläge auf islamische Einrichtungen herangezogen werden: islamophob und anti-muslimisch. Er sieht im komplizierten Gebrauch dieser beiden Begriffe eine gewisse Mehrdeutigkeit am Werk. Manilève lässt den Soziologen Houda Asal zu Wort kommen, der sich in einem Aufsatz ("Islamophobie: la fabrique d"un nouveau concept") mit dem Begriff Islamophobie beschäftigt hat: "Asal ist der Ansicht, dass man "nach langen semantischen Debatten über die Treffsicherheit und Relevanz des Begriffs "Islamophobie" heute sagen kann, dass er ein Synonym für "anti-muslimischen Rassismus" geworden ist ... Spricht man von Islamophobie, anti-muslimischem Rassismus oder Muslimophobie, besteht das Problem letztlich darin zu definieren, was Rassismus ist und wie man von einer Feindseligkeit gegenüber der Religion zu einer essentialistischen, umfassenden und stigmatisierenden Sicht auf alle Moslems kommt.""

Magazinrundschau vom 28.10.2014 - Slate.fr

Laura Guin geht der nicht ganz unspannenden Frage nach, ob der Paella-Tourismus zum Kollateralschaden im Krieg zwischen Madrid und Barcelona wird. Schließlich gehören Paella wie Flamenco und Stiere zu den Symbolen, die Touristen in die katalanische Hauptstadt ziehen - leider jedoch keineswegs katalanisch sind. Der Wunsch nach Unabhängigkeit wird dennoch sicher nicht so weit gehen, sie aus Katalanien zu verbannen, meint Guin: "Das ist wohl das Paradox der Unabhängigkeitspolitik. Denn wenn die Befürworter der Unabhängigkeit in der Debatte um die Autonomie der Region niemals zögern, auf den kulturellen Spezifika Kataloniens zu beharren, so scheint die Gefahr, die die katalanische Kultur bedroht, von selbst vor den Grenzen der Tourismusindustrie Halt zu machen. Eine Art Identität von wechselnder Geometrie entscheidet darüber, wann und auf welche Weise sie in Gefahr ist. Folglich beunruhigen Fächer, Stiere und Flamencotänzer die politischen Eliten nicht so sehr, um das touristische Bild von Grund auf zu reformieren. Diejenigen, die auf ein Ende des "Paella-Tourismus" als kulturelle und politische Widerstandsgeste angesichts des abgesagten Referendums warten, werden enttäuscht sein."

Magazinrundschau vom 07.10.2014 - Slate.fr

Nathan Reneaud unterhält sich mit Luc Dardenne, dem älteren des belgischen Filmemacher-Brüderpaars, übers Kino, das Filmemachen und sein Interesse an Philosophie. Das Gespräch wird anhand von Film- und Musikausschnitten oder Zitaten geführt, die Dardenne kommentiert. Mit einem Satz von Emmanuel Levinas konfrontiert, wonach geistiges Leben im Wesentlichen moralisches Leben sei und seine liebste Spielwiese das Ökonomische, erklärt Dardenne: "Dieser Satz inspiriert uns stark für unsere Filme. Man kann nicht sagen, es sei die Ethik, welche die Ästhetik unseres Kinos bestimmt hätte ... Kunst ist in erster Linie Intuition. Man kann erklären, was man macht, warum man die Kamera eher hier als da aufstellt. Im Blick selbst liegt natürlich Moral. Aber man darf nicht vergessen, dass man sucht, dass man sich vorwärts tastet."

Magazinrundschau vom 30.09.2014 - Slate.fr

Die Welle der Gewalt, die Syrien und den Irak erfasst hat, könnte auch das politische Leben ihrer Nachbarn lähmen und konservativen Regierungen wie in Ägypten Rückendeckung für antidemokratische Maßnahmen liefern, fürchtet Nadera Bouazza. Dort wiesen zwar gebetsmühlenartig viele darauf hin, es sei bei ihnen "immer noch besser als in Syrien und im Irak", und dennoch: "Die Gewalt spielt der alten Ordnung in die Hände und erscheint kurzfristig als ein Bestandteil der Stabilität. In Ägypten kommt zu diesem weit entfernten Chaos eine terroristische Bedrohung im Inneren dazu, die dschihadistische Gruppierung Ansar Beit al-Maqdis (Partisanen Jerusalems), deren Verbindungen zum IS noch eine Annahme bleiben. Also haben die ägyptischen Behörden im Namen des Kriegs gegen den Terror die gewaltsame Verdrängung der Muslimbrüder legitimiert. Und im Namen dieser Bedrohung wurden auch Aktivisten verhaftet, weil sie ohne Genehmigung demonstrierten."

Magazinrundschau vom 09.05.2014 - Slate.fr

Xavier Landes beschäftigt sich ausführlich mit den Ergebnissen von Studien der jüngeren Glücksforschung. Seit den 70er Jahren versucht diese Disziplin, das sogenannte Easterlin-Paradox zu erklären, das sich kurz gesagt im Bonmot "Geld macht nicht glücklich" zusammenfassen lässt. Abgesehen von Erkenntnissen zu Glücksgefühlen, die durch den Besitz von Statussymbolen ausgelöst werden, fanden sie unter anderem heraus, dass gerade die Bedingungen ihres Erwerbs und der damit verbundene soziale Status unerwünschte Folgen insbesondere für die Gesundheit mit sich führen kann. Ebenfalls interessant: "Die Studien zeigen außerdem: je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto geringer ist das Glücksempfinden. Auch wenn die letzte Beweisführung noch aussteht, muss man auf globaler Ebene eine starke Korrelation zwischen Glück und Gleichheit (der Einkünfte oder des Wohlstands) konstatieren. Es handelt sich dabei um einen der Faktoren, der das erhöhte Glücksempfinden in den skandinavischen Gesellschaften erklärt, allen voran Dänemark."