Magazinrundschau - Archiv

Les inrockuptibles

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Magazinrundschau vom 04.11.2014 - Les inrockuptibles

Die Sexualität ist repressiv geworden, erklärt die israelische Soziologin Eva Illouz in einem Gespräch über ihr jüngstes Buch "Die neue Liebesordnung. Frauen, Männer und "Shades of Grey"". Darin erneuert sie ihre These, der Grund, warum Liebe weh tue, sei eine Nachwirkung der sexuellen Befreiung. "Man begreift seine Gefühle als Funktion von Normen. Sexualität ist nicht nur normiert, sondern selbst Norm geworden. Die Frage der sexuellen Performance ist heutzutage derartig wichtig, dass man Probleme hätte, sich nicht am Maßstab dieser Norm zu messen. Sexualität, die einmal Quelle der Befreiung war, ist inzwischen repressiv, weil sie zur Norm und zur Wertquelle geworden ist."

Magazinrundschau vom 28.10.2014 - Les inrockuptibles

David Doucet unterhält sich mit dem Historiker Paul Veyne über seine gerade in Frankreich erschienene Autobiografie "Et dans l"éternité je ne m"ennuierai pas". Veyne spricht darin unter anderem darüber, wie er zu seiner Profession kam - um seine Mutter zu ärgern - und über seinen Freund Michel Foucault, der an nichts geglaubt, sich aber über vieles entrüstet habe. Eingangs geht es um das Thema des gegenwärtigen Extremismus, zu dem er erklärt: "Dieses Phänomen beunruhigt mich, weil es paneuropäisch ist. Es verbirgt sich etwas Abgründiges dahinter, ich weiß allerdings nicht, was. Ich glaube nicht, dass es dabei um das Gefühl ökonomischer Ungleichheit geht. Ich frage mich, ob es nicht vielmehr um alte archaische Reflexe handelt, die schwer zu definieren sind."

Magazinrundschau vom 30.09.2014 - Les inrockuptibles

Anne Laffeter unterhält sich mit dem Soziologen François Dubet über dessen Buch "La Préférence pour l"inégalité". Er bilanziert darin ernüchtert und ikonoklastisch eine typisch französische Leidenschaft: den Kampf gegen die Ungleichheit. Seine zentrale These lautet, Gesellschaften entscheiden sich für jene Ungleichheiten, die sie selbst produzieren: "Wir haben rund um das republikanische Thema - der Staat kann alles, die Schule wird uns retten - eine Art religiöses Denken aufgebaut. Und befinden uns heute in einer Gesellschaft, in der die Menschen Überzeugungen mit Zähnen und Klauen verteidigen, statt sich die Welt anzusehen. In meiner Jugend war die Linke gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich in der Minderheit, hatte intellektuell jedoch eine Vormachtstellung. Man dachte links. Das ist heute verloren. Wir müssen eine neue Form der politischen Repräsentation aufbauen. Man bedenke nur, dass im Parlament kein einziger Arbeiter sitzt!"

Magazinrundschau vom 16.09.2014 - Les inrockuptibles

Noch nie zuvor sei unsere Gesellschaft so politisiert gewesen, erklärt der Soziologe Albert Ogien in einem Gespräch mit Jean-Marie Durand über das Buch "Le Principe démocratie", das er gemeinsam mit der Philosophin Sandra Laugier verfasst hat. Sie untersuchen darin den weltweiten Anstieg an Protestbewegungen, von Tunis 2011 bis hin zu derzeit Katalonien, und gehen der Grundsatzfrage nach: Wie lässt sich Politik neu denken in Hinblick auf jene Bürger, die von einer anderen Sozialordnung träumen? "Die Politik konzentriert sich zu sehr auf das Spiel der Institutionen. Diese extreme Fokussierung auf das Handeln der Regierungen und das Leben ihrer Führer macht ein wenig blind für Veränderungen, die die Gesellschaften in der Tiefe anregen. Das Politische reduziert sich nicht auf Politik. Es besteht auch in der Ordnung der gewöhnlichen sozialen Beziehungen, die Menschen untereinander pflegen."

Magazinrundschau vom 09.09.2014 - Les inrockuptibles

Jean-Marie Durand bespricht eine Biografie von François Dosse über den griechisch-französischen Philosophen Cornélius Castoriadis. Dosse konzentriert sich darin besonders auf die Diskrepanz zwischen Castoriadis" akademischer Außenseiterposition und seinem untergründigen Einfluss: "Zu diesem Rätsel einer mangelnden Anerkennung, die er mit anderen teilt, gesellt sich ein weiteres, komplexeres: die Bewunderung, die er seit den 1980er Jahren bei sogenannten "liberalen" Intellektuellen hervorruft, von Claude Lefort, Pierre Nora, Krzysztof Pomian, François Furet, Jacques Julliard, Bernard Manin, über Pierre Manent, Marcel Gauchet, Philippe Raynaud, bis hin zu Luc Ferry, Miguel Abensour oder Alain Renault. All diese Intellektuellen finden sich in der Frage einer konzessionslosen Totalitarismuskritik an seiner Seite, die es ermöglicht, "eine Denkgemeinschaft zu zementieren"."

Magazinrundschau vom 19.08.2014 - Les inrockuptibles

Meritokratie ist ein Mythos, erklärt der Soziologe Jules Naudet in einem Gespräch mit David Doucet über Naudets Buch "Grand patron, fils d"ouvrier". Naudet, der am Zentrum für Geisteswissenschaften in Neu Delhi arbeitet, interessiert sich vor allem für die Zirkulation zwischen sozialen Klassen und zeigt in seinem Buch anhand des Werdegangs eines großen Arbeitgebers, der ursprünglich aus dem Arbeitermilieu stammt, dass soziale Mobilität noch immer eher eine Ausnahme bleibt. "Trotz aller Anstrengungen sich einzureden, wir lebten in einer gerechten Gesellschaft, genügen diese Ausnahmen nicht, die Tatsache aus der Welt zu schaffen, dass soziale Reproduktion die Regel bleibt. Die Lasten der Unbeweglichkeit werden den jüngsten Generationen als Selbstverständlichkeit aufgebürdet, besonders stark in diesen Krisenzeiten. Man sollte sich jedoch nebenbei daran erinnern, dass es, wo es "Gewinner" gibt, notwendigerweise auch "Verlierer" geben muss."

Magazinrundschau vom 24.06.2014 - Les inrockuptibles

Die Soziologen Luc Boltanski und Arnaud Esquerre haben eine kleine Schrift über den Rechtsruck in Frankreich geschrieben: "Vers l"extrême - Extension des domaines de la droite". In einem Gespräch erläutern sie ihre Einschätzung, wonach rechte Themen zunehmend die Politik, auch die der Linken, infizierten und sogar in den Diskurs sogenannter intellektueller Milieus Eingang fänden. Luc Boltanski konstatiert "einen allgemeinen Rutsch. Etwa die neue Bereitschaft von Sozialforschern, die Frage der nationalen Identität für das zentrale Problem zu halten. Das war vor zwanzig Jahren nicht der Fall." Auf die Frage, ob er damit auch auf Alain Finkielkraut anspiele, begründet er seine Weigerung, Namen zu nennen so: "Sie haben Alain Finkielkraut genannt, aber wenn er es nicht ist, ist es ein anderer, auf den man stößt, der unerwartet den einen oder anderen dieser Gedanken äußert. Viele unserer Leser setzen verschiedene Namen unter die Zitate: Das bedeutet also, dass man einen Allgemeinzustand berührt."

Magazinrundschau vom 14.03.2014 - Les inrockuptibles

Marcel Ophüls gesteht in einem langen Interview mit Les Inrocks, er sei immer ein bisschen eifersüchtig auf seinen Vater Max gewesen, weil dieser so einen Schlag bei Frauen gehabt habe - ein Gefühl, das sich inzwischen allerdings etwas gelegt habe... In dem Gespräch anlässlich des Erscheinens seiner Autobiografie "Mémoires d"un fils à papa" spricht er auch über die Nazizeit, die Zusammenarbeit als Assistent seines Vaters bei Filmen wie "Lola Montez" und seine eigenen Anfänge als Regisseur. Auf die Frage, ob er aus Zufall ein großer Dokumentarfilmer geworden sei, antwortet er: "Könnte man so sagen, allerdings bin ich mit dem Dokumentarfilm nicht wunschlos glücklich. Ich habe gute Filme gemacht, vielleicht auch einige bedeutende, aber der Dokumentarfilm ist ein enges Genre, in dem man keine Bewegungsfreiheit hat, in dem man nichts erfinden kann. Ich weiß nicht, ob ich fähig bin, Geschichten zu erfinden, aber wenn man über dieses Talent verfügt, ist Fiktion befriedigender. Auch das Ergebnis ist präziser: Mit einem Drehbuch und Schauspielern kann man genau den Teil der Wirklichkeit auswählen, den man erzählen möchte. Im Dokumentarfilm ist die Bearbeitung eines Themas dagegen ein Slalom um die Zeitumstände."

Magazinrundschau vom 27.11.2012 - Les inrockuptibles

Ludovic-Mohamed Zahed ist der Muslim Frankreichs, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt, berichtet Ann Royer in den Inrocks. Nun will er eine Moschee eröffnen. "Das Konzept: ein 'inklusiver' Ort der Gottesdienste, offen für Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Imaminnen, Frauen mit und ohne Kopftuch. Heißt das nicht einfach 'Kommen Sie, wie Sie wollen'? 'Genau so ist es', antwortet Ludovic-Mohamed und lacht." Der Artikel erzählt Zaheds wahrlich nicht uninteressante Geschichte: Er stammt aus einer nicht sehr gläubigen Familie, entdeckte seine Homosexualität ausgerechnet im salafistischen Milieu in Algerien, fiel vom Glauben ab, studierte kognitive Psychologie - und wurde wieder gläubig!

Magazinrundschau vom 06.11.2012 - Les inrockuptibles

"'Nemesis' ist mein letztes Buch", bekennt Philip Roth in einem Gespräch mit Les Inrocks, das offensichtlich erst jetzt freigeschaltet wurde. Er werde keinen Roman mehr schreiben, sondern sorge jetzt dafür, dass die Biografie, die es mit oder ohne seine Mithilfe über ihn geben werde, wenigstens korrekt sei. "Schauen Sie sich E.M. Forster an, der hat mit etwa vierzig mit dem Romanschreiben aufgehört. Und ich, der ich Buch an Buch gereiht habe, habe jetzt seit drei Jahren nichts geschrieben. Ich arbeite jetzt lieber in meinem Archiv, um es an meine Biografen [Blake Bailey] weiterzugeben. Es besteht aus Tausenden von Seiten, eher Erinnerungen, die nicht literarisch sind. So kann man das nicht veröffentlichen. Ich möchte meine Memoiren nicht selbst schreiben, aber wollte, dass mein Biograf noch vor meinem Tod Material für sein Buch hat. Sollte ich vorher sterben, womit sollte er dann anfangen?"
Stichwörter: Roth, Philip