Der
FAZ-Filmkritiker und
Schriftsteller Dietmar Dath ist in diesem Jahr
Siegfried-Kracauer-Preisträger für die
beste Filmkritik (und zwar für
diese hier). Ulrich Kriest hat aus diesem Anlass
ein episches Gespräch mit Dath geführt, der eher zufällig zur Filmkritik kam, wie er erzählt: Nachdem er die
FAZ verlassen hatte, was ihn in Sachen literarischer Produktivität eher verlottern ließ, klopfte er reumütig wieder an beim Blatt - wo allerdings gar keine neue Stellen mehr eingerichtet wurden. Dann starb der
Filmkritiker Michael Althen - und Dath konnte nominell, aber mit inhaltlichen Freiheiten, Filmredakteur werden - quasi ein Praktikum unter Bedingungen einer Vollzeit-Festanstellung. "Okay, dann
war ich also Filmkritiker. Ich habe gar nicht erst versucht, Michael Althens Position einzunehmen, was Arbeitsabläufe, den intellektuellen Level oder die Vertrautheit mit den Gegenständen angeht. Sondern mich bemüht, mir das auf meine Art draufzuschaffen. ... Plötzlich kam ich in Berührung mit
Weltkino. Einen peruanischen oder chilenischen Film hatte ich vorher noch nie gesehen. Beim Arthouse-Kino hatte ich noch ein sehr schmales Repertoire. Das waren dann Filmemacher, die in irgendeine Genre-Richtung gingen. Wenn ich irgendwo las, dass 'Antichrist' von Lars von Trier 'doch nur so eine Art Horrorfilm' sei, dann musste ich lediglich das 'nur' durchstreichen, um mich dafür zu interessieren. So habe ich versucht, das zu lernen. Ich habe mir ein Beispiel genommen an Leuten wie Andy Mangels oder Harlan Ellison. Die hatte ich viel gelesen und die gingen - wie ich -
nicht aus cineastischen Gründen ins Kino. Dann guckte ich die anfallenden Filme und,
wie bei einer Klassenarbeit, meiner Nachbarin
Verena Lueken über die Schulter, wie die ihre Sache schmeißt. Deren Texte fand ich immer schon glänzend. Diese spezifische Mischung aus 'Ich hab' keine Ahnung', 'Ich fall' da rein', 'Ich geb' mir die größte Mühe, weil ich das auch als Broterwerb ernst nehme', 'Ich spick' ein bisschen zur Seite' und dabei immer Leute im Hinterkopf behalten, die mich früher begeistert haben. So lässt sich beschreiben, was da passiert ist. ... Wobei ich bei dieser Filmkritikertätigkeit das große Glück habe, dass ich das Ganze wiederum für mich selbst
nicht zu ernst nehmen muss. In dem Sinne, dass keine Überzeugungen oder das eigene ästhetische Projekt in einem Umfang daran hängt, wie es mir beispielsweise bei dem Wort 'Science-Fiction' als einem Begriff für Literatur geht. Wenn ich etwas über Science-Fiction als Literatur sage,
will ich viel stärker Recht haben, weil ich darüber seit 35 Jahren nachdenke. Da kommt es dann zu geronnenen Meinungen. Beim Film ist alles
mehr im Fluss."