Magazinrundschau - Archiv

The Chronicle of Higher Education

21 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 3

Magazinrundschau vom 05.03.2013 - Chronicle

Marc Parry stellt den britischen Historiker Ian Morris vor, der, nachdem es mit einer Karriere als Gitarrist von Iron Maiden nicht klappte, jetzt höchst umstrittene Bücher schreibt, für die sich sogar die CIA interessiert. "Why The West Rules - For Now" heißt eines. Morris analysiert darin anhand von Daten aus 15.000 Jahren, welche Bedingungen nötig waren, damit sich der Westen zur dominierenden Kraft auf dem Globus entwickeln konnte. Oder sein Jahrtausende umspannendes Buch "War! What Is it Good For?", eine Frage, mit der sich auch Steven Pinker beschäftigte. "Aber Morris meint, Pinker habe "'nicht genug historische Feuerkraft aufgebracht'. Wenn man es aus langer Sicht betrachtet, meint er, sei man gezwungen, eine paradoxe Erklärung für die Abnahme von Gewalt zu akzeptieren: Krieg. Krieg schafft größere Gesellschaften, entweder durch Eroberung oder durch Gruppen, die sich aus Angst eben davor zusammenschließen. Die Herrscher dieser Gesellschaften unterdrücken interne Gewalt. 'wenn diese Gesellschaften größer und größer werden', so Morris, 'nimmt die Zahl der Menschen, die herumläuft und anderen den Schädel einschlägt, kontinuierlich ab. Die Welt wird ein friedlicherer Ort." Für die Zukunft gelte das allerdings nicht mehr.
Stichwörter: Pink, Pinker, Steven, Iron Maiden

Magazinrundschau vom 04.12.2012 - Chronicle

Robert Zaretsky erinnert an Albert Camus, der nächstes Jahr hundert Jahre alt geworden wäre, und an die Rolle, die er heute noch in Algerien spielt: "Nach dem sogenannten zweiten algerischen Krieg in den 1990ern, der zwischen der Regierung und den islamischen Fundamentalisten stattfand und über 100.000 Todesopfer unter Zivilisten forderter, entdeckten verschiedene algerische Schriftsteller Camus als einen der ihren. Säkular, moderat und französischsprachig sahen diese Algerier eine Parallele zwischen ihrer eigenen, durch die muslimischen Fundamentalisten bedrängten Identität und Camus' Insistieren auf die algerische Identität der pieds-noir. Diese algerischen Autoren fühlen sich angezogen von Camus, weil er algerische Wurzeln hat, aber auch, weil seine Schriften universale Werte beschwören. Das ist vielleicht der Grund, warum sein Geist über dem arabischen Frühling schwebte."

Magazinrundschau vom 27.03.2012 - Chronicle

Tom Bartlett berichtet über einen - sogar mit Videospielen im Dschungel ausgetragenen - Streit um Noam Chomskys linguistische Theorien, den der Linguist Daniel Everett ausgelöst hat. Der fand in seiner Forschung über das Leben und die Sprache der Piraha vieles heraus: ganze Unterhaltungen können bei ihnen gepfiffen werden, sie nutzen keine Zahlen und - in ihrer Sprache gibt es keine "recursions", Einbettungen, die Möglichkeit also, Sätze immer weiter zu verschachteln. Dieser letzte Umstand hat jetzt erneut die Debatte um Chomskys "Universalgrammatik" entfacht, da dieser in einem 2002 veröffentlichten Aufsatz geschrieben hatte, dass genau diese Einbettung der eine wesentliche Aspekt sei, durch den sich die Universalgrammatik der menschlichen Sprache auszeichne: "Everetts Buch ist ein Versuch, der Universalgrammatik, wenn schon keinen fatalen Schlag, wenigstens einen ordentlichen rechten Haken zu verpassen. Er ist der Überzeugung, dass die Stuktur der Sprache nicht unseren Köpfen entspringt, sondern hauptsächlich von der Kultur geformt ist und verweist als Beleg auf jenen Stamm am Amazonas, den er dreißig Jahre lang untersucht hat. Es ist nicht so, dass Everett glaubt, unsere Gehirne spielten keine Rolle - ganz offensichtlich tun sie das. Aber er argumentiert, dass nur, weil wir zur Sprache fähig sind, diese nicht zwangsläufig vorstrukturiert ist. Wie er in seinem Buch schreibt: 'Die Entdeckung, dass Menschen besser darin sind, sich Häuser zu bauen als Delphine, sagt uns nichts darüber, ob Architektur den Menschen angeboren ist.'" Die Debatte, obwohl von beiden Seiten heftig geführt, kommt aus zwei Gründen allerdings nicht recht voran: Zum einen ist Everett einer von sehr wenigen "Außenseitern", die die Sprache der Piraha beherrschen. Es ist also sehr schwierig, seine Aussagen zu überprüfen. Auf der anderen Seite vermeidet es Chomsky, seine Vorstellung von einer Universalgrammatik zu konkretisieren. In Barletts Worten: "Ein Phantom lässt sich nur schwer erlegen."

Magazinrundschau vom 28.06.2011 - Chronicle

Der Kreationismus wird nicht nur von fundamentalistischen Christen in Amerika, sondern auch von vielen Muslimen vertreten, erzählt Steve Paulson in einem sehr interessanten und differenzierten Artikel. "Wie denken gebildete Muslime über die Evolution? Das war eine Frage, die Salman Hameed vom amerikanischen Hampshire College in einer ambitionierten Studie (mehr) zu beantworten sucht. Jetzt ungefähr in der Mitte der Befragungen angekommen, interviewt Hameed Physik- und Medizinstudenten in fünf muslimischen Ländern und drei muslimische Diasporas im Westen. Er fand heraus, dass sich die Einstellung zur Evolution von Land zu Land stark unterscheidet. So akzeptieren etwa die meisten pakistanischen Wissenschaftler die Evolution, sogar beim Menschen. 'Aber in Malaysien gibt es zu unserer Überraschung eine große Ablehnung nicht nur der menschlichen Evolution, sondern der Evolution überhaupt', sagt er. Hameed hatte dort eine viel größere Akzeptanz moderner Wissenschaft erwartet, weil Malaysien eine hoch entwickelte High-Tech-Industrie hat. Er und seine Kollegen überlegen jetzt, ob die Muslime sich eine kulturelle Nische gegraben haben, um sich von den gebildeteren Indern und Chinesen in Malaysien abzugrenzen. 'Wir glauben, die Ablehnung der Evolution ist Teil ihrer muslimischen Identität geworden', sagt er."

Magazinrundschau vom 18.01.2011 - Chronicle

Eines Tages verliebte sich Sherry Turkle vom MIT in einen Roboter namens Cog. Aber ihr wissenschaftlich geschultes Hirn sagte ihr sofort: Quark, berichtet Jeffrey R. Young, und sie forschte 15 Jahre diesem Gefühl hinterher: "Ihre Vorhersage: Firmen werden bald Roboter verkaufen, die Kinder hüten, Krankenschwestern ersetzen und behinderte Menschen mit Gefährten versorgen. Turkle findet das alles erniedrigend, 'übergriffig', und verheerend für unseren Sinn für Menschlichkeit. Sie hat nichts gegen Roboter als Helfer - Autos bauen, Korridore saugen, kranke Menschen baden, das ist eine Sache. Sie fürchtet Roboter, die Kumpel sein wollen, die indirekt eine emotionale Verbindung suggerieren, die sie nie aufbauen können." [Hüstel, der erste Roboter, in den wir uns verknallt haben, war Kismet, Anm. puterroter Perlentaucher]
Stichwörter: Behinderte, Roboter

Magazinrundschau vom 21.12.2010 - Chronicle

Peter Monaghan stellt fasziniert ein Buch über "Wagner und den erotischen Impuls" des Cellisten Laurence Dreyfus vor ("Wagner and the Erotic Impulse", Leseprobe bei Google). So hat noch niemand über die Erotik in Wagners Musik geschrieben! "In einem langen Kapitel zeigt Dreyfus, wie Wagner zum Beispiel verflochtene Körper durch melodische Kombinationen und kontrapunktische Umkehrungen suggeriert, mutmaßliches Geschlecht und Körperposition durch hohe und tiefe Instrumente und ihre Gesangslage, und vorgeführte sexuelle Klimax durch Rückkehr zur Tonika und perkussive Explosionen." Die Wagnerforschung hat das offenbar nie so recht gewürdigt. "Dreyfus findet sie zu prüde, zu weit entfernt sogar von den Prozessen und Emotionen des Musikmachens. Er schreibt: 'Wir sollten nicht unsere eigenen erotischen Empfindsamkeiten ausschalten, wenn wir auf Kunst reagieren - ein Syndrom, dass deprimierend oft in akademischen Diskursen auftaucht. Sobald wir das tun, schmälern wir die ästhetische Erfahrung und verleugnen das Offensichtliche.'"

Außerdem: Daniel W. Drezner erklärt, warum Wikileaks für Politikwissenschaftler kein Glücks-, sondern eher ein Unglücksfall ist. Und Carlin Romano singt ein Loblied auf die sehr spitzzüngige Kritikerin Terry Castle (hier ihr offenbar besonders gnadenloser Essay aus dem Jahr 2005 über ihre Beziehung zu Susan Sontag).

Magazinrundschau vom 08.09.2009 - Chronicle

Geoffrey Nunberg, Linguist aus Berkeley, legt einen sehr instruktiven Artikel über Google Book Search vor - diesmal geht es nicht um das Google Book Settlement und seine Konsequenzen, sondern um die bisher äußerst dürftige Aufbereitung von bibliografischen Metadaten zu den Büchern, die angesichts des kommenden und bereits teilweise realisierten Monopols von Google bei "verwaisten Büchern" dringend verbessert werden müssen. Eines der vielen Beispiele aus seinem Artikel sind falsch angegebene Publikationsjahre: "Um es mit einem Google-Wort zu sagen - 1899 war ein literarisches annus mirabilis, in dem Raymond Chandlers 'Mörder im Regen', eine Taschenbuchausgabe von Dorothy Parker, Andre Malraux' 'La Condition Humaine', Stephen Kings 'Christine', die gesammelten Erzählungen Virginia Woolfs, Raymond Williams' 'Culture and Society 1780-1950' und Robert Sheltons Biografie über Bob Dylan erschienen."

Magazinrundschau vom 13.01.2009 - Chronicle

Zensur werde immer mehr zu einer Sache von Privatunternehmen. Dagegen wird wenig unternommen. Und das liegt auch daran, dass es nur wenige Dinge gibt, von denen wir zugleich so stark abhängen und so wenig wissen wie Google, schreibt Harry Lewis, Fellow am berühmten Berkman Center for Internet and Society in Harvard und Mitautor von "Blown to Bits - Your Life, Liberty, and Happiness After the Digital Explosion": "Welche Inhalte Ihnen durch Internetfilter angezeigt werden, liegt in der Entscheidung eines Unternehmens. Googles Geschäft besteht darin den Leuten die Information zu bringen, die sie wünschen. Wie die Firma entscheidet, ob ein bestimmtes Suchergebnis an Platz 1 oder 100.000 steht (der unerheblich, weil zu weit hinten ist), ist Teil des Geheimrezeptes von Google. Wir haben keinerlei Kontrolle darüber, wie uns Suchmaschinen informieren."

Magazinrundschau vom 18.11.2008 - Chronicle

Verschwindet der öffentliche Intellektuelle? Unsinn, meint Daniel W. Drezner. Erstens gibt es das Internet und zweitens kommen heute "viele öffentliche Intellektuelle eher aus den Sozial- als aus den Geisteswissenschaften. In Richard Posners berüchtigter Liste der Top-Intellektuellen gibt es zweimal so viel Sozialwissenschaftler wie Professoren aus den Geisteswissenschaften. In einem kürzlichen Ranking, das Foreign Policy veröffentlichte, betrug das Verhältnis zwischen Ökonomen und Politikwissenschaftler einerseits und Künstlern und Schriftstellern andererseits vier zu eins. Wirtschafswissenschaften haben die literarische Kritik als 'universale Methode' der meisten Intellektuellen verdrängt. Vor allem diese Tatsache könnte das starke Gefühl in literarischen Kreisen erklären, der öffentliche Intellektuelle sei tot." ... Früher begannen die Intellektuellen mit literarischer Kritik und wandten sich dann der sozialen Analyse zu. Als Sozialwissenschaftler wie Tyler Cowen oder Richard Posner das Kompliment erwiderten, wurden sie wie Emporkömmlinge oder methodologische Imperialisten behandelt."
Stichwörter: Geisteswissenschaften

Magazinrundschau vom 30.09.2008 - Chronicle

Die experimentellen Philosophen sind auf dem Vormarsch. Christoper Shea erklärt, was das ist. "'Wenn irgendetwas in einem Sessel betrieben werden kann, dann ist das Philosophie', erklärte der angesehene Oxforder Philosoph Timothy Williamson vor einigen Jahren der Aristotelian Society in London. Das mag sich wie eine harmlose Wahrheit anhören: Man kann sich Bertrand Russell beim Philosophieren nur in einem Sessel vorstellen, oder vielleicht noch im Bett, postkoital. Tatsächlich aber ist Williamsons Bemerkung heute heftig umstritten. Es gibt eine wachsende Bewegung unter den Philosophen, die glauben, dass die im Sessel entwickelten Argumente von Philosophen ausprobiert, empirisch belegt und echten Experimenten unterzogen werden müssen. ... Tatsächlich ist ein in Flammen aufgehender Sessel das informelle Symbol der experimentell-philosophischen Bewegung, auch bekannt als 'x-phi'."
Stichwörter: Russell, Bertrand