Magazinrundschau - Archiv

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32 Presseschau-Absätze - Seite 2 von 4

Magazinrundschau vom 12.06.2018 - Ceska pozice

Der Linksliberalismus verzettelt sich in Demonstrationen und Protestbewegungen (darunter #BlackLivesMatter und #MeeToo), anstatt konkret um die politische Macht zu kämpfen, befürchtet der Ideengeschichtler Mark Lilla in einem spannenden Gespräch mit Přemysl Houda über das zerrisene Amerika. Die Spaltung sei keine der sozialen Klassen, sondern eine kulturelle Spaltung: "Es ist tragisch, dass die Liberalen im Grunde fast nichts über die Konservativen wissen. Sie wissen nicht, wie die Leute leben, die regelmäßig in die Kirche gehen, was diejenigen denken, die ihre Kinder zur Armee schicken. Das interessiert sie auch gar nicht." Den Einwand des Interviewers, auch die Konservativen wüssten doch nichts über die Liberalen, lässt Lilla nicht gelten. In den Medien etwa seien die Liberalen wesentlich präsenter: "Was glauben Sie, wie oft Sie in amerikanischen Fernsehsendungen einen Südstaatenakzent hören? Fast nie - dabei lebt jeder vierte Amerikaner im Süden. Und wie viel erfahren Sie in Film und Fernsehen über die Evangelikalen? Im Grunde nichts, und doch ist jeder fünfte Amerikaner ein Evangelikaler." In den USA würden sich derzeit zwei Revolutionen gleichzeitig abspielen: "Die eine ist politisch und wird von Donald Trump und den Anhängern seiner populistischen Politik verkörpert. Die andere ist kulturell und vollzieht sich in Kämpfen um Toleranz, Gleichberechtigung und so weiter." Das Problem der Liberalen sei, dass sie nicht erkennen, dass sie nur kulturell siegen können, wenn sie auch politisch siegen. Protestmärsche und andere gesellschaftliche Aktionen hätten vielleicht einen Effekt, wenn die Demokraten in der Regierung säßen, aber Republikaner interessierten sich dafür kein bisschen.

 

Magazinrundschau vom 10.04.2018 - Ceska pozice

Im Interview mit Petr Kain spricht der (von Bill Gates hochgeschätzte) tschechisch-kanadische Wissenschaftler Vaclav Smil über technische Innovationen und die Zukunft der Menschheit. Seiner Meinung nach hat es in den letzten 50 Jahren keine bedeutende technologische Innovation gegeben. Auch Mobiltelefone seien letztlich nur der letzte Entwicklungsschritt im Bereich der Mikroprozessoren, die schon wesentlich früher entwickelt wurden. Ohne die Entdeckungen der Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts hingegen wäre unsere moderne Zivilisation nicht denkbar. "Am maßgeblichsten für den weiteren Fortschritt war meiner Meinung nach die Erzeugung, Verteilung und Nutzung der Elektrizität." Befürchtungen, künstliche Intelligenzen seien die zukünftige Bedrohung der Menschheit, teilt Smil nicht. "Im Vergleich mit anderen Problemen - von den Risiken eines Atomkriegs bis hin zur Zerstörung der Umwelt - würde ich die Bedrohung durch das Auftauchen künstlicher Intelligenz nicht einmal unter die ersten zehn einordnen. Alle Instrumente, Maschinen und Prozesse der künstlichen Intelligenz benötigen eine fortwährende Stromversorgung. Es wird noch lange dauern, bis solche 'Geschöpfe' es lernen, selbständig die notwendige Elektrizität herzustellen, sie in Netze zu leiten und sich einen unerschöpflichen Vorrat zu sichern. Bis dahin genügt es, sie einfach aus der Steckdose zu ziehen oder die Batterie nicht zu wechseln." Auch die Frage nach Fake News und dem sinkenden Vertrauen in die Wissenschaft kann Smil nicht erschüttern. "Das war doch immer schon so in der Geschichte. Jetzt wird es nur ausführlicher thematisiert, weil in den Massenmedien alles unaufhörlich durchgekaut wird."

Magazinrundschau vom 20.03.2018 - Ceska pozice

Anlässlich der Ermordung des slowakischen Journalisten Ján Kuciak und dessen Lebensgefährtin unterhält sich Ondřej Koutník mit dem italienischen Investigativjournalisten Antonio Papaleo, der sich auf die Machenschaften der italienischen Mafia in Mitteleuropa spezialisiert hat und quasi auf der Flucht lebt. Nicht zuletzt seit Papaleo kriminelle Tätigkeiten slowakischer Unternehmer in Hongkong aufgedeckt hat, ist er diversen Bedrohungen und physischen Einschüchterungsversuchen ausgesetzt. Die kalabrische 'Ndrangheta sei von allen Mafia-Clans der kosmopolitischste, und in den mitteleuropäischen Ländern könne sie besonders ungestört agieren. "Es lässt sich überhaupt nicht ausschließen, dass auch der tschechische Staat von dem Kraken erfasst ist, von dem man jetzt in der Slowakei zu reden beginnt." Vor einigen Jahren habe die 'Ndrangheta Teile der deutschen Wirtschaft erfasst, doch Deutschland habe gezeigt, wie man die süditalienische Mafia bekämpfen könne: "Nach dem 'Die Fehde von San Luca' genannten Fall in Duisburg, bei dem 2007 sechs Menschen ermordet wurden, hat die deutsche Regierung eine große Kraftanstrengung unternommen, um die Anhänger der Mafia-Clans aus dem Land zu vertreiben. Leider haben sie sich dann nach Tschechien, Polen und die Slowakei verschoben."

Magazinrundschau vom 02.01.2018 - Ceska pozice

Im Gespräch mit Přemysl Houda erklärt der russische Dichter, Musiker und Oppositionsaktivist Kirill Medwedew, warum er auf seine Autorenrechte verzichtet: "Indem ich das Copyright abgebe, befreie ich mich in gewissem Sinne. Dadurch lasse ich mich weder ins politische noch, sagen wir, ins konsumistisch-kapitalistische System zwängen. Zwar erleichtere ich damit potentiellen Verlegern das Leben, da sie mir für die Veröffentlichung meiner Texte kein Honorar zahlen müssen und sie ohne mein Einverständnis herausgeben können, auf der anderen Seite übernehmen sie dafür auch jegliche Verantwortung, was mir entgegenkommt."

Magazinrundschau vom 21.11.2017 - Ceska pozice

Přemysl Houda unterhält sich mit dem amerikanischen Philosophen Timothy Morton über globale Erwärmung, Hyperobjekte und den Begriff des Anthropozän. Letzterer beschreibe gerade nicht, so Morton, die Herrschaft des Menschen über die Erde, sondern sei im Grunde "das erste post- oder sogar antianthropozentrische Konzept. Denn es erzählt von Folgen, die der Mensch weder bedenkt noch sich überhaupt vorstellen kann, obwohl sie bereits im Gange sind." Und Morton zitiert den Marx-Ausspruch: "Sie wissen nicht, was sie tun, aber sie tun es." Der Interviewer hält mit Sloterdijk dagegen: "Sie wissen sehr gut, was sie tun, und tun es dennoch!", gerade im Hinblick auf die globale Erwärmung. Doch Morton bleibt hier bei Marx: Unbeherrschbare Phänome wie die Erderwärmung zeigten, dass es absolute Grenzen der Wissenschaft und der menschlichen Erkenntnis gebe. Dennoch plädiert Morton für einen verordneten Willensoptimismus: "Es gibt keinen Grund, sich zu fürchten. Fragilität ist der Grund dafür, dass Dinge geschehen. Alles auf der Welt ist fragil. Haben wir keine Angst davor!"

Magazinrundschau vom 12.09.2017 - Ceska pozice

Einen interessanten Besuch stattet Přemysl Houda im Prager Stadtteil Holešovice der NGO Paralelní polis ab, auf deren Website sich auch Schlagwörter wie "Anarchokapitalismus" und "Transhumanismus" finden. Zu Kommunismuszeiten wurde der Begriff der "Parallel-Polis" von Václav Benda im Dissidentenumfeld geprägt - was aber hat diese heutige Organisation, die auch einen Coworking-Space mit Café bietet, für Ziele? Mitbegründer Martin Leskovjan klärt auf: "Es geht darum, Leute im Bereich Technologien und Dezentralisation auszubilden, ihnen zu zeigen, wie alles funktioniert, und die gesellschaftliche Diskussion gerade zu rücken. Noch vor kurzem stieß man, wenn man das Wort Bitcoin googelte, vor allem auf Drogen oder schmutzige Geldwäsche. Die Kryptotechnologien waren und sind bisher auf fast schockierende Weise negativ konnotiert. Das wollen wir ändern und die Leute darüber aufklären, wozu diese Technologien gut sind." Man informiere auch darüber, wie NGOs oder künstlerische Organisationen ohne staatliche Subventionen funktionieren können, "denn öffentliche Förderungen werden oft zum Begleichen politischer Rechnungen benutzt". Private Förderung sei dagegen in Ordnung.

Magazinrundschau vom 30.05.2017 - Ceska pozice

Přemysl Houda unterhält sich mit dem italienischen Informationsphilosophen Luciano Floridi über unser Dasein als Inforgs - in eine Infosphäre eingebettete Organismen. In Bezug auf Google, Facebook und Konsorten findet Floridi "die Vorstellung irrsinnig, wir würden irgendwelche Dienste kostenlos nutzen, denn wir bezahlen mit uns selber, mit unseren Daten, wir verkaufen uns." Dennoch lehnt Floridi den Vergleich mit dem vielbemühten Orwell'schen Big Brother ab: "Es gibt da einen großen Unterschied. Orwells Welt ist eine politische Dystopie, da geht es nicht um Wirtschaft. In dem einen Fall hat man die Politik der Kontrolle und der absoluten Machtausübung über den Menschen, im anderen das ökonomische Interesse vieler Firmen, die menschlichen Wünsche zu erkennen und zu befriedigen. Natürlich gibt es eine gewisse Ähnlichkeit, da beide als Mittel Informationen - und möglichst viele davon - nutzen, weshalb auch in beiden Fällen ein großer Druck ausgeübt wird, Privates preiszugeben. Doch damit endet schon die Ähnlichkeit … Was tun Facebook oder Google, wenn Sie beschließen, sie nicht mehr zu nutzen? Nichts, dann ist eben Schluss. Was tut hingegen der Big Brother, wenn Sie gegen ihn aufbegehren? Lässt er Sie in Ruhe? Nein - er wird Sie augenblicklich umbringen, auslöschen." Doch was ist mit der politischen Datenkontrolle in Zeiten des Terrors? "Ich will, dass die Regierung mir sagt: 'Lieber Bürger, zwei Wochen oder zwei Monate lang werden die Sicherheitsmaßen erhöht und dieses oder jenes stärker kontrolliert werden, anschließend kehren wir sofort zum vorherigen Zustand zurück.' … Aber geschieht so etwas heute? Kein bisschen."

Magazinrundschau vom 25.04.2017 - Ceska pozice

Přemysl Houda unterhält sich mit dem (umstrittenen) israelischen Historiker Shlomo Sand über dessen neues Buch "Das Ende des französischen Intellektuellen" (noch nicht auf Deutsch erschienen). Seit Zolas Engagement in der Dreyfus-Affäre hätten Intellektuelle wie Romain Rolland, André Gide, Sartre oder Camus die Tradition des kritischen Intellektuellen zu einem festen Bestandteil der französischen Kultur gemacht, indem sie von einem moralischen Standpunkt aus den Kolonialismus, den Faschismus  oder den Stalinismus kritisiert hätten, so Sand. Houellebecq hingegen (auf den Sand sich besonders eingeschossen hat) kritisiere in erster Linie die muslimischen Migranten. Die Regierung selbst wage er nicht zu kritisieren, oder nur dafür, dass sie der Polizei nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stelle, "um alles, was mit Migranten zu tun hat, in den Griff zu kriegen". Dabei gilt es nach Meinung Sands heute ebenso, gegen die "Islamophobie" einzutreten, wie es vor rund achtzig Jahren nötig gewesen sei, gegen die zunehmende Judenfeindlichkeit aufzubegehren. Die sogenannte Neuen Philosophen um Bernard-Henri Lévy oder Alaun Finkielkraut hätten hier versagt. So drängt sich nach Lektüre des Interviews der vage Eindruck auf, sein Buch müsse eigentlich "Das Ende des linken französischen Intellektuellen" heißen.

Magazinrundschau vom 21.02.2017 - Ceska pozice

Přemysl Houda führt ein hochinteressantes, langes Gespräch mit dem israelischen Historiker Yuval Noah Harari über Fragen des liberalen Humanismus, der Moral und die Zukunft der Menschheit. Laut Harari werden Biotechnologien im 21. Jahrhundert die Welt verändern. Zum Beispiel werden sie in den kommenden Jahrzehnten radikal das menschliche Leben verlängern, mit noch unabsehbaren Folgen für die Gesellschaft: Ein so langlebiger Mensch werde sich ständig neu für den Arbeitsmarkt qualifizieren müssen. Er werde, je länger er lebe desto weniger bereit sein, Risiken einzugehen. Und auch die Familienstrukturen würden sich verändern: "Was wird es für eine 120-jährige Frau bedeuten, dass sie irgendwann um die Vierzig zwei oder drei Kinder zur Welt gebracht hat? Wird das nicht nur eine ferne Erinnerung für sie sein? Schwer vorauszusehen, wie unter solchen Bedingungen die Beziehung zwischen Eltern und Kindern aussehen wird." Freilich werden die Möglichkeiten, das eigene Leben zu verlängern, "nicht allen acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten zugänglich sein. Am Ende des 21. Jahrhunderts könnte die Gesellschaft die größten Ungleichheiten in ihrer Geschichte aufweisen. Erstmals wird sich zwischen Ländern und Klassen womöglich eine biologische Kluft auftun."

Magazinrundschau vom 10.01.2017 - Ceska pozice

Viele weiße Bärte - in Prag trafen ehemalige Unterzeichner der Charta 77 zum 40. Jahrestag zusammen. Dabei schwelgten die Teilnehmer nicht nur in Erinnerungen, sondern mahnten auch heute die Beachtung von Menschenrechten an. Unter den Rednern äußerte der Philosoph Jan Sokol: "Heute sehe ich als größtes Problem das öffentliche Lügen in der Politik, das sich nicht einfach bagatellisieren lässt. Das öffentliche Leben muss sich gewissen Prinzipien unterordnen, unter anderem dass zynisches Lügen nicht angebracht ist. Darauf zu beharren gilt heute ebenso wie damals." (Das tschechische Fernsehen bringt aus Anlass des Jahrestags eine Reihe von Dokumentationen - alle auf Tschechisch, versteht sich.)
Stichwörter: Charta 77, Sokol, Jan