Magazinrundschau

Die Gnadenlosigkeit sozialer Determinismen

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
01.02.2022. En attendant Nadeau liest die Schriften des japanischen Historikers Masao Maruyama über den japanischen Faschismus. Respekt findet den Versuch einer Ehrenrettung Chamberlains in dem Netflixfilm "München" geschichtsverfälschend. Der Film-Dienst widmet sich dem Werk Jean Eustaches, das er mit den Büchern Annie Ernaux' vergleicht. La regle du jeux erinnert an die heute völlig vergessene Künstlerin Sonia Mossé, die mit 27 Jahren in Sobibor ermordet wurde. Der New Yorker will wissen, wie die Deutschen den Ausstieg aus der Kohle schaffen, und besucht die Bergleute der Lausitz.

En attendant Nadeau (Frankreich), 31.01.2022

Der Name Masao Maruyamas ist auch in Deutschland bekannt, die letzten Übersetzungen sind bald zehn Jahre alt. Masao ist einer der bedeutendsten japanischen Politologen und Historiker des 20. Jahrhundert. In Frankreich erscheint ein Band mit drei seiner wichtigsten Schriften über den "japanischen Faschismus", den Maurice Mourier vorstellt. Die Essays sind für Nicht-Kenner nicht immer leicht zu verstehen, so Mourier, "die Ausgabe wird jedoch durch ein umfangreiches und übersichtliches Glossar bereichert, das es ermöglicht, sich im Dickicht der Geschichte des Landes zurechtzufinden. Es handelt sich um die politischen Ereignisse der Jahre 1919-1945, in denen der japanische Militarismus in Kampfbereitschaft versetzt wurde, seinen totalitären Einfluss auf die Gesellschaft verstärkte und sich verschärfte; schließlich führte der blinde Aktionismus des Generalstabs zum Untergang des Regimes und des ganzen Landes." Das Interessante an dem Band ist für Mourier, dass Maruyama zeigt, wie sich die Ereignisse verketten, so dass der Prozess "ab einem bestimmten Zeitpunkt nach dem Modell der Katastrophe vom August 1914 quasi autonom funktioniert und sich nur in zweiter Linie auf eine Reihe von Willensakten stützt, um auf ein einziges, klar definiertes Ziel hinzuarbeiten." Nachtrag vom 1. Februar: Im Iudicium Verlag sind einige wichtige Schriften auch auf deutsch erhältlich. einiges gibt es auch in Zeitschriften.

Respekt (Tschechien), 01.02.2022

Die britisch-deutsche Netflix-Produktion "München - Im Angesicht des Krieges" (nach dem Roman von Robert Harris) trifft in Tschechien auf große Vorbehalte: "Die Autoren lassen die tschechische Realität außer Acht. Der Film ist kalt wie eine Hundschnauze", meint Filmkritiker Kamil Fila auf aktuálně.cz. Netflix habe keine Ahnung, was es da angerichtet habe. Das Münchner Abkommen von 1938, in das die Tschechoslowaken nicht einbezogen wurden - Hitler wollte die Sudeten, und Frankreich und England gaben sie ihm -, ist in Tschechien ebenso historisches Trauma wie eine Quelle nationaler Mythen. Auch Erik Tabery, Chefredakteur von Respekt, erkennt zwar den Versuch an, ein neues Bild von Chamberlain zu zeichnen, der bisher nur als der Politiker galt, der im Angesichts des Bösen versagte, doch die Realität umzuschreiben sei auch gefährlich. In der Interpretation des Films wisse der damalige britische Premier, dass man dem Tyrannen Hitler nicht vertrauen könne, mache es mit seiner Unterschrift unter das Abkommen aber seinem Land möglich, sich auf den Krieg vorzubereiten. "Hitler gewann im Jahr 1938 ja nicht nur das Sudetenland, im Jahr darauf die ganze Tschechoslowakei, die Ausrüstungen der hiesigen Armee und wichtige Fabriken, sondern vor allem die Erkenntnis - die er vor seinen Generälen äußerte -, dass die Führer Englands und Frankreichs schwach seien. Was seinen Appetit noch weiter anregte." Tabery schließt: "Der Versuch der Filmemacher, Chamberlains Vorgehen zu rechtfertigen, könnte angesichts der Ereignisse in Osteuropa zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen. Manchmal ist es schwer, Lehren aus der Geschichte zu ziehen, denn die Umstände sind immer jeweils spezifisch. Doch sobald ein Land den Nachbarstaat als ein künstliches Konstrukt bezeichnet, dessen Grenzen nicht anerkennen will und mit den Säbeln rasselt, ist es immer besser, mit Churchills strengem als mit Chamberlains naivem Blick hinzuschauen."
Archiv: Respekt

New Statesman (UK), 28.01.2022

Das stärkste Argument des Liberalismus war stets, dass nur offene Gesellschaften Innovationen und Wohlstand generieren können, doch China hat diese Annahme widerlegt, gesteht John Gray im Gespräch mit dem amerikanischen Konservativen Ross Douthat, der den Westen ebenfalls im Niedergang sieht. Eine Nachfolge für die kulturelle Hegemonie der USA ist Gray zufolge aber nicht in Sicht: "Die westliche Macht schrumpft sowohl in geopolitischer als auch in kultureller Hinsicht rapide. Das bedeutet nicht unbedingt, dass ein neuer globaler Hegemon auftritt. China wird den Platz, den Amerika in der Welt besetzte, nicht einnehmen, auch weil es nicht von dem universalistischen Wertesystem angetrieben wird, das der westliche Liberalismus vom Christentum geerbt hat. Russland strebt kein globales politisches Projekt wie zu Sowjetzeiten an, sondern will sich wieder als Großmacht behaupten. Der Islam ist ein universalistischer Glaube, aber innerlich zu gespalten, um das, was von der westlichen Zivilisation übrig geblieben ist, systematisch herausfordern zu können. Auf absehbare Zeit wird es keinen Nachfolger für die amerikanische Hegemonie geben. Aber durch seinen wirtschaftlichen Einfluss auf Hollywood, Silicon Valley und die westlichen Universitäten wird China seinen kulturellen und politischen Einfluss weiter ausbauen. Auch Indien wird seine Kultur exportieren, teilweise durch den Erfolg seiner Diaspora, von der einer - Rishi Sunak - ein zukünftiger britischer Premierminister sein könnte. Russland, das wegen der abschreckenden Wirkung von Putins Autoritarismus gemeinhin als Kulturexporteur abgeschrieben wird, kann seine zivilisatorische Reichweite durch seinen wachsenden Einfluss auf das 'nahe Ausland' und die Eliten Kontinentaleuropas ausweiten. Keine dieser Entwicklungen wird auf das hinauslaufen, was Sie als 'eine rivalisierende Weltkultur' bezeichnen."
Archiv: New Statesman

La regle du jeu (Frankreich), 28.01.2022

Zoé Le Ber sammelt in einem sehr bewegenden Artikel einige Spuren über die heute völlig vergessene Künstlerin Sonia Mossé, deren Gesicht alle Menschen kennen, die einmal die Fotos Man Rays betrachtet haben (zum Beispiel dies Foto, das sie zeigt, wie sie Nusch Eluard in den Arm nimmt). Wenn überhaupt, so Le Ber, bleibe Mossé als "Muse" in Erinnerung. Sie ist zu früh gestorben, im Alter von 27 Jahren im Vernichtungslager Sobibor, festgenommen in der Rue du Bac von der französischen Polizei. Ein substanzielles Werk konnte sie nicht hinterlassen. Aber einige Werke haben überlebt, manche von ihnen sind zu sehen wiederum auf Fotografien Man Rays, andere sind in Kellern Pariser Galerien aufgetaucht und befinden sich jetzt im Besitz des Centre Pompidou. Die kleine, auf Autografe spezialisierte Librairie Métamorphoses in der Rue Jacob konnte Le Ber auch den letzten Brief Mossés präsentieren, den Mossé in einem Übergangslager in Lyon an den Dichter Paul Eluard schrieb. "Der Brief ist auf den 18. März 1943 datiert, das ist eine Woche vor ihrer Deportation in das Vernichtungslager Sobibor. Es ist schwer, die Gefühle zu beschreiben, die man beim Lesen empfindet. Der Brief ist tragisch und voller Hoffnung. Sonia erzählt, dass sie den Kindern im Lager Zeichenunterricht gibt, und sie porträtiert einige Internierte. Sie kopiert die Verse einer dichtenden Mitgefangenen, in der Hoffnung, dass Éluard sie veröffentlicht. Dieser Brief versetzt uns für einen Moment an ihre Seite, in eine surrealistische Realität, an die Schwelle des Unbekannten, des großen Aufbruchs in die Hölle des Konzentrationslagers."
Archiv: La regle du jeu

Paris Review (USA), 01.02.2022

In der Paris Review erzählt die amerikanische Autorin Kathryn Davis, deren Mann Eric vor zwei Jahren starb, wie besessen sie seit der Highschool von Ingmar Bergmans Film "Das siebte Siegel" war: Ein schöner junger Ritter spielt eine Partie Schach mit dem Tod. "Der Ritter war gutaussehend, ja, und tugendhaft (obwohl er laut Marto, dem älteren Bruder meiner besten Freundin Peggy, kein sehr guter Schachspieler war), aber der Tod war übervoll von etwas, das mehr wie Leben aussah als das, was seinen Gegner beseelte. Als der Ritter sagt: 'Du hast Schwarz gezogen', antwortete der Tod: 'Angemessen, findest du nicht?' Im Gegensatz zu allen anderen im Film hat er einen Sinn für Humor. Ich war in den Tod verliebt. Wenn ich ihn nicht haben könnte, würde ich mich mit jemandem wie Marto zufrieden geben, einem gut aussehenden, schlagfertigen Taugenichts." Seit Erics Tod hat Davis einen Traum, in dem sie beide im Bett Zeitung lesen und Eric erklärt, dass er genug hat, auch von Bergman. "Viele Jahre unseres Erwachsenenlebens saßen wir so im Bett, Seite an Seite. Der Unterschied ist, dass es frühmorgens und nicht nachts war, dass die Zeitung gerade geliefert wurde, ein Stück der Welt, das auf unsere Veranda in Saint Louis geschleudert wurde oder am Rande unseres Vorgartens in Vermont landete, so dass ich mich im Schlafanzug auf den Weg machen musste, sie zu holen. Ich kann mich nicht erinnern, wann Eric und ich das letzte Mal auf diese Weise zusammengesessen und die Zeitung geteilt haben. Wenn jemand stirbt, mit dem man sehr lange zusammengelebt hat, funktioniert das Gedächtnis nicht mehr wie gewohnt - es spielt verrückt. Es ist nicht mehr wie ein Erinnern, sondern eher wie eine Astralprojektion. 'Wie die Dunkelheit im Kino prüft sie die Umrisse deines astralen Fußabdrucks', teilte mir mein Unterbewusstsein neulich mit, das von jenseits der Schlafzimmerwand sprach, während der große Memoirenschreiber Chateaubriand aus dem Jenseits säuerlich bemerkte, dass Erinnerung oft mit Dummheit verbunden ist."
Archiv: Paris Review

Quillette (USA), 29.01.2022

Als die Schulen pandemiebedingt geschlossen waren, haben viele amerikanische Eltern erstmals mitbekommen, was ihre Kinder in der Schule lernen. Und ein guter Teil war nicht glücklich über den Lehrplan. Ihnen wurde entgegengehalten, dass man Entscheidungen darüber besser den Pädagogen und Experten überlassen soll. Das ist Unsinn, findet Moshe Krakowski, selbst Lehrer ist, und warnt vor einer Überheblichkeit, die vor allem Milieuschutz sei: "Menschen, die in den Medien oder in der Politik arbeiten, neigen zu der Annahme, dass ihre Erfahrungen unbestreitbar allgemeingültig sind. Sie sind fast immer Stadtbewohner mit Hochschulbildung, die gut ein Schulsystem navigieren konnten, das ebenso sehr aus Vernetzung und Konformität besteht wie aus Algebra und Biologie ist. Für sie ist und war Bildung eine vorwiegend soziale und kulturelle Realität, deren Inhalt zufällig aus akademischen Inhalten besteht. Sie zeichnen sich aber vor allem in etwas aus, das Bildungsforscher als 'versteckten Lehrplan' bezeichnen - die grundlegenden Normen und Werte, die das Rückgrat der Sozialisierung in bestimmten Weltanschauungen und Praktiken bilden. Und weil sie (vielleicht unbewusst) das Bildungswesen mit dieser Sozialisierung gleichsetzen, neigen sie dazu, die sozialen Werte der Erziehung von Erziehungsfachleuten bestimmen lassen zu wollen, nicht von den Eltern. Aber das ist ein großer Fehler."

Außerdem: Imran Said wirft einen Blick auf muslimische Länder in Europa, Asien und Afrika und stellt fest, dass der Islamismus fast überall aus der Mode kommt.
Archiv: Quillette
Stichwörter: Schule, Islamismus, Unbewusste

Film-Dienst (Deutschland), 28.01.2022

In einem großen Essay befasst sich Esther Buss mit der Art, wie Jean Eustache in seinen Filmen autosoziobiografisch erzählt, und erblickt dabei Parallelen und Widersprüche zum aktuellen autofiktionalen Schreiben: "Wenn Eustache von sich selbst spricht, trifft er allgemeingültige Aussagen; im Sprechen aus der ersten Person neutralisiert sich das Ich. Vor dem Hintergrund des in jüngerer Zeit viel besprochenen Felds der literarischen Autofiktion beziehungsweise Autosoziobiografie gewinnt sein Werk neue Konturen. ... Annie Ernaux, nur zwei Jahre nach Eustache geboren, spricht über sich selbst meist mittelbar, gebrochen in der Erinnerung an Rituale, an Sprache, Gesichter und Objekte. In ihrem Mutterporträt 'Eine Frau' schreibt sie, dass sie nach einer Wahrheit suche, die nur durch Worte gefunden werden könne, gleichzeitig wolle sie unterhalb dessen bleiben, was gemeinhin als Literatur gelte. Wie Eustache in seinen Filmen durchmisst sie die Kluft zwischen Vergangenheit und Gegenwart und versucht dabei 'etwas von der Zeit retten, in der man nie wieder sein wird' - ohne sich darin neu einzuschreiben. Ohne sich zu versöhnen. Eine Nähe findet sich auch in ihrem Blick auf die Gnadenlosigkeit sozialer Determinismen. Gleichzeitig ist Ernaux' Perspektive so dezidiert weiblich wie die von Eustache männlich. ... Zu den gängigen autosoziobiografischen Narrativen verhalten sich die Filme von Eustache jedoch eher antagonistisch. Auch wenn er seinem Schicksal in der Provinz entkam und als ein in Paris lebender Filmemacher in ein anderes soziales Milieu hinüberwechselte (die Mittellosigkeit sollte ihm bleiben), erzählt er seinen eigenen Lebensweg nicht als Loslösung von der eigenen Herkunft, als Klassenwechsel. Seine Sicht auf die Möglichkeiten sozialer Mobilität ist von Grund auf pessimistisch. Während Erzählungen wie Didier Eribons 'Rückkehr nach Reims' oder auch Annie Ernaux' 'Die Scham' bei allen schmerzhaften Erfahrungen letztlich Auf- und Ausstiegsgeschichten sind."
Archiv: Film-Dienst

HVG (Ungarn), 27.01.2022

Im Interview mit István Balla spricht der Erziehungs- und Bildungswissenschaftler Imre Knausz über die Nützlichkeit der Schulbildung zum Beispiel im Hinblick auf den Erhalt und die Festigung der Demokratie. "Die funktionierende Demokratie ist ein Langzeitprozess, dessen Bedingungen erschafft werden müssen und an denen dann ständig gearbeitet werden muss. Wenn es auch in Ungarn wieder gelingt, eine wahre Demokratie auszuarbeiten, dann muss sie wohl gut gestützt werden, was nicht ohne eine Demokratisierung der Bildung gehen wird. Man kannte ja das Problem schon in der Antike: Wenn jeder in der Politik mitreden kann, dann entscheiden ungebildete Menschen, denn sie sind in der Mehrheit. Aber wie kann von ihnen erwartet werden, dass sie sinnvolle Entscheidungen treffen? In diesem Sinne muss eben eher erklärt werden, wie im Westen so lange die Demokratie funktionieren konnte. Doch die richtige Antwort auf dieses Dilemma ist nicht, dass wir dann keine Demokratie brauchen, sondern dass wir weniger ungebildete Menschen haben sollten."
Archiv: HVG
Stichwörter: Ungarn, Demokratie

New Yorker (USA), 07.02.2022

Ob der Kohleausstieg in der Lausitz glimpflicher ablaufen wird als in West Virginia? Dort arbeiteten in den fünfziger Jahren über hunderttausend Menschen im Kohlebergbau, jetzt sind es nicht einmal mehr fünfzehntausend. Die ökonomischen und politischen Folgen des planlosen Ausstiegs waren verheerend. Alec MacGillis ist in die ostdeutschen Braunkohlegebiete gefahren und stellt dort fest, dass es den Arbeitern vor allem um Anerkennung geht: "'Wenn man Kohlebergleuten bei der Arbeit zusieht, wird einem augenblicklich bewusst, in welch unterschiedlichen Welten die Menschen leben", schrieb George Orwell in 'The Road to Wigan Pier', seinem 1937 erschienenen Bericht aus Nordengland. 'Dort unten, wo nach Kohle gegraben wird, ist eine Welt für sich, man kann ganz leicht durchs Leben gehen kann, ohne je etwas von ihr erfahren zu haben. Wahrscheinlich würde es die Mehrheit der Menschen sogar vorziehen, nichts von ihr zu hören. Und doch ist sie das absolut notwendige Gegenstück zu unserer Welt hier oben... Ihre von Lampen erleuchtete Welt da unten ist für die Welt des Tageslichts da oben so notwendig wie die Wurzel für die Blume.' Diese Eigenschaft, nichts über den Kohleabbau hören zu wollen, die Abneigung der Menschen in den weit entfernten Städten, eine Verbindung zwischen ihrer Welt und der anderen herzustellen, hat einen Großteil des Unmuts in den Fördergebieten der USA hervorgerufen. 'Dieses Land hat davon profitiert, dass es den billigsten Strom der Welt hatte', sagte mir Cecil Roberts, der Präsident der United Mine Workers of America, im Juli in New York nach einer Kundgebung aktiver und ehemaliger Bergleute im Namen der streikenden Arbeiter von Warrior Met Coal in Alabama. 'Was sollen wir mit diesen Gemeinden machen?' Ähnlich äußerten sich auch Bergleute in Deutschland. 'Wenn wir jetzt wirklich dicht machen, dann hat Berlin keinen Strom mehr', sagte mir Toralf Smith, ein führender Vertreter der Kraftwerksarbeiter in der Lausitz. 'Und ich möchte mal sehen, wie es an den Universitäten in Berlin zugeht, wenn die Toiletten nicht funktionieren, die Handys nicht und das Internet. Wenn ihr Leben nicht funktioniert. Das ist ein Mangel an Respekt. Wenn wir aus klimapolitischen Gründen Dinge umstellen müssen, werden wir uns nicht dagegen wehren, aber es kann nicht auf unserem Rücken geschehen. Es muss mit uns gemacht werden.'"

Die Autorin Elif Batuman porträtiert die feministische Regisseurin Céline Sciamma, die mit "Porträt einer jungen Frau in Flammen" zeigte, dass Liebesgeschichten im Kino ganz ohne "Konflikt, Musik und Männer" auskommen können. Für Batuman gilt es jetzt, die ganze Filmgeschichte umzuschreiben: "Der vielleicht verstörendste Aspekt von #MeToo war, dass die meisten Filme,  die ich für den Ausdruck universeller ästehtischer Normen hielt, vielleicht sogar biologischer oder felsenfester Realitäten, die Fantasien einer kleinen Gruppe von Sexualstraftätern waren."
Archiv: New Yorker