Magazinrundschau

Der Kampf zwischen Gehirn und Geldbörse

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
19.03.2019. Die London Review of Books erzählt, wie der Westen dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman auf den Leim ging. MicroMega liest ein Buch über die Fassade der Homophobie in der Katholischen Kirche. Harper's berichtet über die Tücken internationaler Adoptionen. La Vie des Idees ist mit Cas Mudde dem Populismusbegriff auf der Spur. Die LA Review of Books erwärmt sich mit Musikkritiker Mark Fisher für die Notwendigkeit, Urteile zu fällen.

London Review of Books (UK), 21.03.2019

Mit einer gewissen Bitterkeit erinnert Madawi Al-Rasheed daran, wie bereitwillig Journalisten und Akademiker im Westen daran mitgearbeitet haben, Kronprinz Mohammed bin Salman zum segensreichen Reformer Saudi-Arabiens zu stilisieren: PR-Firmen wie Consulum und Freud lancierten gigantische Kampagnen, bevor ihm die Queen den roten Teppich ausrollte und niemand mehr nach Kritikern im Gefängnis oder den Zerstörungen im Jemen fragte. Economist und Financial Times waren ganz berauscht von der Aussicht, ein Teil der auf drei Billionen Dollar geschätzten staatlichen Ölfirma Saudi Aramco könnte privatisiert werden. Cambridge, Harvard und das MIT haben sich Lehrstühle von MBS finanzieren lassen. PR-Institute wurden zu Think Tanks verklärt. "In westlichen Berichten zur Ägide von MBS geht es selten um die saudische Gesellschaft selbst. Wenn, dann erklären uns Reporter und Akademiker, dass die Gesellschaft sich ändert und Freiheit angebrochen ist. Sie verschweigen, dass Saudis noch immer nicht die Freiheit haben, nach eigenem Willen zu denken und handeln - und dass es natürlich keinerlei Freiheit gibt, die Arrangements der Macht zu kritisieren. Diskussionen über religiöse Reformen, über soziale Themen und Geschlechterfragen werden nicht toleriert, wie die steigenden Zahl von verhafteten Klerikern und Frauenrechtlerinnen zeigen. Auch Debatten über die wirtschaftlichen Pläne von MBS sind nicht erlaubt. Nehmen wir den Fall des Ökonomen Essam al-Zamil, der in den sozialen Medien die Weisheit der geplanten Priviatisierung von Saudi Aramco in Zweifel zog. Am 1. Oktober letzten Jahres, dem Tag vor der Ermordung Jamal Kashoggis, wurde al-Zamil angeklagt, sich einer terroristischen Organisation angeschlossen und Informationen an ausländische Diplomaten gegeben zu haben. Während MBS seine Macht konsolidiert und genauso repressiv regiert wie jeder andere saudische Herrscher vor ihm, schafft er es, im Ausland dafür gepriesen zu werden, dass er lautstark westliche 'Freiheiten' verkündet. Dabei kommen ihm diese 'Freiheiten' nur zugute. Kino und Zirkus: Sie halten die jungen Leute beschäftigt. Die Aufhebung des Autofahrverbots für Frauen - in den Augen der Welt schon immer eine Peinlichkeit - ein Kinderspiel."

Mit den Gelben Westen geht Frankreichs Peripherie auf die Straße, so viel ist klar, anderes bleibt an dieser Bewegung rätselhaft, muss auch Jeremy Harding eingestehen. Warum zum Beispiel gehen nicht auch die Einwanderer auf die Straße? Sind Krawalle nicht die Spezialität der Banlieue? Andererseits ist die Banlieue arm, aber nicht Peripherie. "Als Reporter für Libération bekam Ramsès Kefi eine große Bandbreite von Reaktionen zu hören. Zum Beispiel: 'Warum sollen wir uns ihnen anschließen? Sie haben auch nie mit uns protestiert.' Er erfuhr aber auch, dass viele junge Leute mit demonstrieren wollten, aber von den Älteren aufgehalten wurden. Bei den Ausschreitungen an Samstagen bestand immer die Gefahr, dass die Sicherheitskräfte viel härter gegen Nicht-Weiße vorgehen als gegen Weiße. Oder wie es Youcef Brakni formulierte, als ich ihn im Februar auf einer Demo in Paris traf: Wenn sich junge Schwarze im Zentrum von Paris so aufgeführt hätten wie die Gilets Jaunes, dann hätte es Tote gegeben."

MicroMega (Italien), 31.03.2019

Frédéric Martels Buch "Sodoma, Enquête au coeur du Vatican" untersucht das massive und massiv beschwiegene Phänomen der Homosexualität in der Katholischen Kirche, das, wie Martel im Gespräch mit Matteo Gemolo in Micromega betont, keineswegs deckungsgleich ist mit dem des sexuellen Missbrauchs - auch wenn das eine mit dem anderen zu tun hat. Das Buch steht in vielen Ländern auf der Bestsellerliste. In Deutschland erscheint es erst im Sommer (die Zeit hat vor kurzem einige Passagen vorabgedruckt). "Was in den Augen vieler als Widerspruch erscheint, lässt sich soziologisch leicht erklären", sagt Martel, der selbst aus der französischen Schwulenbewegung kommt. "Obwohl dieses Buch kein rein akademisches Buch ist, versucht es zu zeigen, dass das, was im Vatikan passiert, kein Zufall ist. Die Realität ist viel simpler und banaler als die extreme Rechte denkt, die überall Verschwörungen und schwule Lobbys sieht: Auf der einen Seite ist da die Kirche, die seit langem in einer Spirale aus Protektion und persönlichen Interessen Menschen mit homosexuellen Tendenzen anzieht, auswählt, rekrutiert und befördert; auf der anderen Seite wurde eine große Zahl frustrierter, sozial marginalisierter Homosexueller für die Kirche gewonnen, weil sie dort einen Ort gefunden haben, wo sie ihre Homosexualität paradoxerweise frei leben können, ohne ihre Fassade der Homophobie aufgeben zu müssen." Gerade das starke Bedürfnis, das Thema zu kaschieren, habe aber, so Martel, die homophoben Tendenzen in der Kirche noch verschärft: Als Millionen Menschen an Aids starben, haben die Vorgänger von Papst Franziskus "entschieden, einen Krieg gegen das Präservativ zu führen. Dieser historische Fehler der katholischen Kirche kann so leicht nicht vergessen oder vergeben werden."
Archiv: MicroMega

Harper's Magazine (USA), 30.04.2019

Rachel Nolan erzählt am Beispiel eines als Kind von einem belgischen Ehepaar adoptierten jungen Mannes, wie über Jahrzehnte Kinder illegal in Guatemala von Adoptionsanwälten und Menschenhändlern verschachert wurden. Kinder, die oft noch Eltern hatten, die ausgetrickst wurden. "Es gibt viele Menschen in Guatemala und im Ausland, die glauben, dass internationale Adoptionen überprüft werden sollten. Die bekannteste Vertreterin ist Elizabeth Bartholet, selbst Adoptivmutter von zwei Kindern aus Peru und Professorin an der Harvard Law School. Bartholet räumt ein, dass es einen gewissen Betrug bei der internationalen Adoption gibt, aber sie glaubt, dass die Antwort darin bestehen sollte, die Illegalität zu bekämpfen, nicht, wie sie es ausdrückte, 'die ganze Sache abzuschalten'. 'Es gibt einen hohen Preis, den die Kinder bezahlen müssen, denen Adoptiveltern verweigert werden und die typischerweise in Institutionen landen', sagte sie mir. Das Problem bei dieser Sichtweise ist, dass die meisten der aus Guatemala adoptierten Kinder keine Waisenkinder oder Straßenkinder waren, sondern von Adoptionsanwälten vermittelt wurden. Ein Journalist nannte die Vorstellung, dass die meisten internationalen Adoptierten Waisenkinder sind, 'die Lüge, die wir lieben'."
Stichwörter: Adoption, Guatemala, Peru

Guardian (UK), 18.03.2019

Englisch ist in vielen afrikanischen Ländern zur ersten Sprache geworden, es hat Konflikte unter Ethnien befriedet und Akademikern, Unternehmen und Literaten auf dem globalen Markt einen enormen Vorteil verschafft. In Nigeria ist die Sprache der Igbo - anders als die der Yoruba und der Haussa - inzwischen fast verschwunden. Adaobi Tricia Nwaubani erzählt, wie ihre Muttersprache auch in einem wahnsinnigen Wettstreit um Prestige unter die Räder geriet: "Ein ewiges Problem unter den Igbo im Südwesten Nigerias ist der Kampf zwischen Gehirn und Geldbörse. In ganz Nigeria erkennt man die Igbo an ihrem Unternehmergeist und Geschäftssinn. Von vorkolonialen Zeiten bis heute waren die erfolgreichen Händler des Landes Igbo. Viele begannen als Lehrling und arbeiteten sich hoch, ohne zur Schule zu gehen. Die Igbo sind auch bekannt für Protz und Extravaganz - wer Geld hat, kann es nicht verschweigen ... Der schwelende Konflikt zwischen denen mit Diplomen und denen mit Dollar brach in den neunziger Jahren an die Oberfläche, als die nigerianische Wirtschaft einstürzte. Auf einmal heirateten selbst gebildete Frauen bereitwillig einen Mann, der die Verantwortung für das Wohl ihrer Eltern und ihrer Geschwister übernahm. Ob er Englisch sprechen konnte, lesen oder schreiben war nebensächlich geworden. Zur gleichen Zeit kamen eine große Zahl von ungebildeten, aber verwegenen Igbo zu Geld und in Verruf, indem sie Westler um Millionen betrugen, die als 419er bekannten Gaunereien. Auf einmal trafen gebildete Männer, Professoren und Ingenieure bei Gemeindetreffen auf offene Verachtung: 'Danke für Ihre Worte, aber wie viel Geld werden Sie beitragen?', wurden sie gefragt. 'Wir sind nicht hier, um Englisch zu essen.' 419er konterten, wenn man sich über ihr inkorrekes Englisch oder ihre falsche Aussprache lustig machten: 'Ihr kennt die Marken, wir besitzen die Autos.'"

Weiteres: David Treuer erkundet, ob die indianischen Communities in den USA von der Marihuana-Freigabe besser profitieren können als von ihren Spielcasinos: "Die Gewinne stiegen von 100 Millionen Dollar im Jahr 1980 auf 26 Milliarden 2009 - mehr als Las Vegas und Atlantic City zusammen. Trotz des Geldsegens haben die Casinos wenig für die meisten Indianer geändert. Das ist schließlich Amerika. Wie alle Wege zum Reichtum privilegieren auch die Casinos die Wenigen und lassen die Mehrheit außen vor. In Tulalip zeigen sich allerdings Anzeichen eines dritten Weges." In einem weiteren Vorabdruck erklärt Frans de Waal, was wir von Tieren lernen können.
Archiv: Guardian

Magyar Narancs (Ungarn), 17.03.2019



Viktoria Traubs "Meerjungfrauen und Nashörner" ist der erfolgreichste ungarische Animationsfilm der vergangenen Jahre, so lief er u.a beim Animationsfilm-Festival in Annecy, wurde auf Arte gezeigt und kam nun in Ungarn als Vorfilm zusammen mit Christian Petzolds "Transit" in die Kinos. Im Gespräch mit Tamás Soós freut sich Produzentin Polett Dús über den unerwarteten Erfolg, findet es aber auch "traurig, dass viele hervorragende ungarische Animationen die Zuschauer nicht erreichen. So war es von Anfang an unser Ziel, dass unser Film auch in den Kinos gespielt wird. Dafür bedarf es über die pure Absicht hinaus der Filmpreise auf Festivals wie in Annecy. Nach der Nominierung von Annecy kontaktierte uns der deutsch-französische Fernsehsender ARTE, der den Film inzwischen ausgestrahlt hat. (...) Vielleicht ist 'Meerjungfrauen und Nashörner' keine leichte Kost, die der Mensch sofort verdaut, doch er hat eine universelle Botschaft und Qualität, darum konnte es passieren, dass er von Kalifornien bis Bangalore in sehr unterschiedlichen Kulturen ausgezeichnet wurde. Auch der von uns ausgesuchte ungarische Vertreiber mochte den Film, und so war der passende Premierenfilm, der Film von Christian Petzold schnell gefunden, mit dem "Meerjungfrauen und Nashörner" inhaltlich zusammenpasst." (Hintergrund:
Archiv: Magyar Narancs

New Yorker (USA), 25.03.2019

In der aktuellen Ausgabe des New Yorker berichtet Ed Caesar über die Machenschaften des britischen Geschäftsmannes und Mitbegründers der Leave.EU-Kampagne, Arron Banks: "Banks kanzelt seine Kritiker als überhitzte Brexit-Gegner ab. Was die Medien über genaue Herkunft seiner Zahlungen (von 8,4 Millionen Pfund, die Red.) an die Kampagne schreiben, nennt er ein Produkt durchgedrehter Journalisten. Das erinnert an Trumps Verteidigung seiner russischen Kontakte. Banks behauptet, er habe die Kampagne auf völlig legale Weise unterstützt und werde nun dafür bestraft, dass seine Hilfe effektiv war. Alle strafrechtlichen Ermittlungen wären ähnlich politisch motiviert … Bei aller Bonhomie hat Banks eine finstere Seite. Der Social-Media-Feed von Leave.EU, der von ihm beaufsichtigt wird, vertrat oft die Ansicht der alternativen Rechten, dass liberale globale Eliten einen zu großen Einfluss auf Politik und Medien ausüben. Zwei kürzlich von Leave.EU veröffentlichte Beiträge enthielten Bilder des Investors George Soros, der Ziel antisemitischer Hassreden und rechter Verschwörungstheorien ist. In einem Beitrag wurde Soros als Marionettenspieler dargestellt, der Tony Blair kontrolliert. Das Bild erinnerte an ein Nazi-Propaganda-Poster der vierziger Jahre, auf dem ein Jude die Marionetten Churchill und Stalin lenkt … In gewisser Weise war die von Banks geleitete Kampagne eine Protestbewegung gegen den selbstgefälligen Globalismus der herrschenden Klasse - gegen die 'große Politik', die Farage in seiner Siegesrede verurteilte. Aber es war auch eine Kampagne der Hundepfeifen. Unmittelbar nach dem Massaker in einem Schwulen-Nachtclub in Orlando, Florida, twitterte Leave.EU ein Foto von Isis-Kämpfern zu diesem Text: 'Der freie Handel mit Kalaschnikows in Europa hilft Terroristen. Stimmen Sie am 23. Juni für mehr Sicherheit, stimmen Sie für #Leave.' Und explizit die Tragödie ausnutzend weiter: 'Handeln Sie jetzt, bevor wir hier eine Gräueltat im Orlando-Stil sehen.'"

Außerdem: Alexandra Schwartz porträtiert die kanadische Schriftstellerin Miriam Toews, die sich von ihrer menonitischen Kirche gelöst hat. Hua Hsi erklärt, wie die Kulturwissenschaftlerin Lauren Berlant in ihrem Buch "Cruel Optimism" die Politik à la Trump vorausgesehen hat. Und Joshua Rothman entdeckt versteckte Energiequellen in den Bildern des Malers Peter Sacks. Carrie Battan hört d.j. Mike Lévy. Alex Ross hört neue Klavierkonzerte von Thomas Ades und John Adams. Und Anthony Lane sah im Kino Anthony Maras' Film "Hotel Mumbai" über die islamistische Terrorattacke in Indien 2008.
Archiv: New Yorker

LA Review of Books (USA), 09.03.2019

Bei der Lektüre von Mark Fishers Buch "k-punk", einer nach Fishers Suizid vor zwei Jahren zusammengestellten Auswahl seiner umfangreichen Blog-Notizen und Essays, kommen Richard Luckhurst mitunter die Tränen angesichts dieses enormen intellektuellen Verlusts. Zugleich wird hier nochmals die prekarisierte Position vitaler intellektueller Gegenwartsauseinandersetzung unter den gegenwärtigen Bedingungen kenntlich - weder der akademische Betrieb, noch der Musik- und Kulturjournalismus bieten dafür noch eine verlässliche Heimat. Dass Fisher insbesondere in einem (kaum monetarisierbaren) Blog einen Wirkungsort gefunden hat, ist für Luckhurst daher kein Zufall: "Fisher schreibt darüber, wie er sich als Arbeiterklassenkind ohne Zugang zu Büchern für den New Musical Express begeisterte: Das Magazin bot ihm eine unorthodoxe Bildung in Politik und Philosophie, gefiltert durch eine leidenschaftliche Verteidigung der Post-Punk-Szene. Der NME stand für 'die Legitimität und Notwendigkeit, Urteile zu fällen'. Dieser Geist bestimmte auch seine Blog-Posts. K-Punk war das Resultat der Ausweidung der wöchentlichen Musikmagazine, die in den 90ern kollabierten und durch teure, von Hippies im mittleren Alter geführte Monatshefte ersetzt wurden (sowohl für den NME als auch für Fisher stellten Hippies die mutmaßlich niederste Lebensform auf diesem Planeten dar). Als Fisher darauf stieß, dass Simon Reynolds Musik online in Form eines frühen Blogs kommentierte, erkannte er sofort das Potenzial dieser Form, den 'Do it yourself'-Punk-Ethos wiederzubeleben. Aus k-punk wurde ein Bestandteil eines ganzen Klusters ähnlich gesinnter Musikblogs. Aber Fishers Schreiben durchtränkte sie mit einem Sinn für die Situation der Musik innerhalb kultureller Politik. Das Potenzial neuer Technologien zu erkennen und sie dann der anschmiegsamen Kapitalisierung durch Unternehmen zu entreißen, ist ein Markenzeichen der historischen Avantgarde. Fisher begann mit dem Bloggen, um den Beschränkungen sowohl der Musikpresse, als auch dem verkalkten Zustand des akademischen Schreibens zu entkommen. K-Punk war ein Dissident der akademischen Linken - und zwar hinsichtlich Position und Form. Er verweigerte sich den sonderbaren Prosa-Orthodoxien des akademischen Betriebs sowie seiner Ehrerbietigkeit, Zurückhaltung und seinem schneckenlangsamen Tempo."

La vie des idees (Frankreich), 13.03.2019

Sehr interessant lesen sich Tristan Guerras Ausführungen über das Buch "Populism : A Very Short Introduction" von Cas Mudde undt Cristóbal Rovira Kaltwasser, das gerade in französischer Übersetzung erscheint und das auch auf Deutsch vorliegt ohne dass es die größeren, vom Perlentaucher ausgewerteten Zeitungen zur Kenntnis genommen hätten. Das Buch scheint eine griffige und fruchtbare Definition des Populismus-Begriffs vorzulegen, der sich stets aus drei Elementen speise: Da sei erstens die Vorstellung von einem homogenen Volk, dem zweitens ebenso homogene, aber anmaßende Eliten gegenüber stünden. Als drittes kommt der Wille des Volks, die "volonté générale", hinzu, die nach dieser Vorstellung möglichst direkt gegen die Eliten durchzusetzen ist. "Die Entgegensetzung von Volk und Elite geschieht im Populismus auf äußerst manichäische Weise: Gut gegen Böse. Während dieser Gegensatz im Sozialismus auf dem Klassenbegriff und im Nationalismus auf dem der Nation beruht, ist er im Populismus im wesentlichen moralisch. Für die Populisten liegt das Wesen des Volks in seiner Reinheit und Echtheit, während die Eliten unrein sind." Interessant ist, dass die Autoren den Populismus als "dünne Ideologie" definieren: Er hat eigentlich keine Inhalte, muss entweder beim Sozialismus, dem Nationalismus oder auch dem Liberalismus andocken, um Inhalte zu formulieren. Darum könne es ebenso einen Links- wie einen Rechtspopulismus geben.

New York Times (USA), 17.03.2019

Für die aktuelle Ausgabe des Magazins rekapituliert Rollo Romig den Mord an Gauri Lankesh, einer Journalistin und beherzten Kritikerin der indischen Rechten und ihrer nationalistischen Politik: "Die indische Zeitungskultur gehört zu den vielfältigsten und dynamischsten der Welt, was durch die Gesetze zur freien Meinungsäußerung ermöglicht wird. Aber die durch diese Gesetze gebotenen Schutzmaßnahmen waren schon immer schwach. Das Land hat keinen ausdrücklichen verfassungsmäßigen Schutz der Pressefreiheit, und die bestehenden Gesetze sind im Interesse der Sicherheit, des Anstands oder der religiösen Stimmung leicht zu beschneiden. Das langsame Justizsystem lädt dazu ein, Journalisten zu belästigen, und die Korruption droht, ihre Arbeit zu gefährden. Die Situation hat sich in den letzten Jahren verschlechtert, eine Entwicklung, die viel mit dem Aufstieg der rechtskonservativen, hindu-nationalistischen BJP zu tun hat. Bei den Wahlen 2014 gewann die Partei 282 der 545 Sitze im Unterhaus des indischen Parlaments. Die Kongresspartei, die seit der Unabhängigkeit fast jede indische Regierung geführt hat, gewann nur 44. Politischer Druck auf Journalisten ist in Indien nichts Neues, aber die aktuelle Regierung ist die erste seit Jahren, die sie als ideologischen Feind behandelt. Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2014 hat Modi keine einzige Pressekonferenz abgehalten. Ein unter BJPlern beliebter Name für Journalisten lautet 'Presstitutes'. Ein Bericht des Committee to Protect Journalists zum indischen Journalismus vom letzten Jahr beschrieb ein beispielloses Klima der Selbstzensur und Angst … Unter diesen Umständen waren Lankeshs Kühnheit und Integrität umso bemerkenswerter. Ihr Mord befördert die Eiseskälte weiter."

Weitere Artikel: David Enrich erzählt die Geschichte eines "Immobilienmoguls, der durch polarisierende und wiederholte Verfehlungen bekannt wurde, und einer Bank mit hartnäckigen finanziellen Problemen und einer Geschichte des Fehlverhaltens" - mit anderen Worten die Geschichte des Verhältnisses von Donald Trump und der Deutschen Bank. Alec MacGillis berichtet über die wachsende Kriminalität in Baltimore. Und Lauren Oyler begutachtet Netflix' Dating Show "Dating Around.
Archiv: New York Times