Magazinrundschau
Fürstenkultur vom Feinsten
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
03.07.2018. Erschütterungen ahoi. Noch nie sind in Britannien über einen so langen Zeitraum die Realeinkommen gesunken, warnt John Lanchester in der London Review of Books. Der New Yorker grübelt, wie ein bedingloses Grundeinkommen aussehen müsste, das nicht neue Ungerechtigkeiten schafft. La vie des idees staunt über das ökonomische Imperium der katholischen Kirche in Irland. Elet es Irodalom begutachtet den Umbau Ungarns von der illiberalen Demokratie zur Christdemokratie. Wired analysiert das neue Selbstbewusstsein der IT-Arbeiter im Silicon Valley.
London Review of Books (UK), 05.07.2018

Außerdem: James Atlee besucht die Wanderausstellung "Picasso 1932", die die Tate Modern erreicht hat.
New Yorker (USA), 16.07.2018

Außerdem: Benjamin Moser fragt, warum der brasilianische Großschriftsteller Machado de Assis nicht breiter rezipiert wird, wo doch seine Charaktere so herrlich meschugge sind. Und Ariel Levy porträtiert die amerikanische Schriftstellerin Ottessa Moshfegh und ihre abstoßenden Frauenfiguren. David Sedaris besucht einen Schießstand. Hua Hsu würdigt den Godfather des Funk, George Clinton. Und Anthony Lane sah im Kino Stefano Sollimas "Sicario 2: Soldado".
168 ora (Ungarn), 10.07.2018

Merkur (Deutschland), 01.07.2018

Politikwissenschaftler Herfried Münkler entwirft vom obersten Feldherrenhügel aus eine neue Weltordnung, in der die Geografie wieder in ihr Recht gesetzt wird. Denn jetzt ist Realpolitik gefragt, die Erzählung vom Westen als Wertebündnis hat ausgedient, wie Münkler instruiert: "Es ist eine Erzählung für diejenigen, denen es um politische Wärme und Wohlfühlen geht, also Geschichtspolitik für einfache Gemüter. Sie muss im Vorfeld politikstrategischer Überlegungen dekonstruiert werden."
La vie des idees (Frankreich), 19.06.2018

Wer glaubt, man kenne bereits alle Details über das düstere Regime der katholischen Kirche über die Republik Irland, der lese Nathalie Sebbanes Artikel über die "Magdalene laundries", eine der "totalitären" Institutionen, mit denen die Kirche über Jahrzehnte das Land beherrschte (mehr bei der Wikipedia). Die "Magdalene laundries" waren Heime für "gefallene Frauen", die zuerst in den späten neunziger Jahren thematisiert wurden, als anonyme Leichen auf einem Grundstück der Kirche zutage gefördert wurden. Die "Magdalene laundries" gehörten mit den "Industrial Schools" für Heimkinder und den "Mother and Baby Homes" für uneheliche Mütter zu einem riesigen bevölkerungspolitischen und ökonomischen Imperium der Kirche. In den Magdalene Laundries mussten Frauen zum Teil jahrzehntelang ohne Lohn schuften (sie wuschen Wäsche, als Symbol für die Reinwaschung ihrer Seelen, der Staat bezahlte, indem er der Kirche die Krankenhauswäsche überließ). Die Frauen sind nie entschädigt worden und haben heute keine Rente. Ernstlich untersucht hat die Republik Irland die von Nonnen betriebenen Institutionen bis heute nicht, ein Untersuchungsauschuss wurde zwar eingerichtet, leistete aber nur oberflächliche Arbeit: "Die Zeugenaussagen der Nonnen fanden unter dem Siegel der Verschwiegenheit statt. Die Akten und Archivmaterialien, die die Kommission einsehen konnte, wurden den Kongregationen zurückgegeben, so dass eine wirkliche Forschungsarbeit über die Hierarchien und Verantwortungsstrukturen unmöglich gemacht wurde. Diese Materialien müssten eigentlich den Überlebenden, ihren Familien und Forschern zur Verfügung gestellt werden." Der Schauspieler und Regisseur Peter Mullan hat 2003 mit seinem Film "The Magdalene Sisters" auf das Schicksal der Frauen aufmerksam gemacht.
Ceska pozice (Tschechien), 01.07.2018

Wired (USA), 28.06.2018

Außerdem brütet Garrett M. Graff über der Frage, ob ein vor kurzem aufgetauchter, 21 Seiten umfassender Text mit zahlreichen Anekdoten und Erinnerungen tatsächlich, wie behauptet, von Satoshi Nakamoto, dem (oder den) anonymen Entwickler(n) von Bitcoin stammt. In der Tat wäre es ja mal ganz interessant zu wissen, wer sich hinter dem Pseudonym verbirgt. Denn: "Das 'wer ist Satoshi'-Spiel ist mehr als nur eine niedliche Online-Plauderei, wenn man sich vor Augen hält, was für immense Ressourcen allem Anschein nach in Nakamotos digitalem Geldbeutel schlummern. Forscher gehen davon aus, dass die Person (oder die Personen), die Bitcoin entwickeln haben, noch immer über etwas mehr als 900.000 Bitcoins verfügen. Ein Vermögen, das sich selbst zum mittlerweile stark gesunkenen Kurs - Bitcoin liegt heute etwa 70 Prozent unter dem Spitzenwert von 22.000 Dollars Ende letzten Jahres - auf gut 5,8 Milliarden Dollar belaufen würde."
Elet es Irodalom (Ungarn), 29.06.2018

New York Review of Books (USA), 19.07.2018

Außerdem: Jane Kramer liest Colm Toibins neuen Roman "House of Names", eine moderne Version der Atriden-Saga. Janet Malcolm singt ein Loblied auf den Schnappschuss. Silvana Paternostro versenkt sich in Santiago Gamboas "Return to the Dark Valley", einen satirischen Roman, der Kolumbien als "Republik des Guten" beschreibt. Und Wyatt Mason liest Bücher von Laurent Binet, unter anderem den Roman "The Seventh Function of Language", der viel Klatsch und Tratsch aus der poststrukturalistischen Pariser Szene um 1980 einarbeitet.
New York Times (USA), 01.07.2018

Für einen weiteren Artikel besucht Thomas Chatterton Williams Adrian Pipers große MoMA-Schau und stellt fest: "Pipers Arbeiten, unterhaltsam und streitlustig, wie sie sind, gehen von der Prämisse aus, dass Rassismus zunächst stets etwas Zwischenmenschliches ist, erst dann institutionell oder strukturell."
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