Magazinrundschau

In komfortabler Nostalgie

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
10.03.2015. Die größten Fiktionen werden heute von Unternehmen erzählt, nicht von Schriftstellern, behauptet Tom McCarthy im Guardian. In Telerama fordert der Mittelalter-Historiker Patrick Boucheron, sich in der Kritik der republikanischen Werte zu üben. Respublica analysiert den polnischen Streit um den oscarprämierten Film "Ida". Tablet besichtigt die "israelfreie Zone" Bradford in Britannien. Die NYT erklärt die Vorzüge von junk DNA.

Guardian (UK), 07.03.2015

Warum noch schreiben, wenn alle Informationen eh automatisch aufgezeichnet werden? Und wer schafft Fiktionen und wer kann sie noch lesen? Der Schriftsteller Tom McCarthy denkt in einem sehr interessanten Text über Big Data, die Anthropologie und das Ende der Literatur nach: "Heute arbeiten die Hälfte aller Ethnologen für Unternehmen. Nicht über, sondern für. Ethnografisches Wissen soll Firmen helfen, ihre Märkte tiefer zu durchdringen, Städte beraten, wie sie sich selbst vermarkten können, und Regierungen unterstützen, ihre Politik besser zu erzählen. Das ist der Punkt. Hier geht es um Anthropologie und Literatur. Denn es ist nicht nur so, dass Leute mit einem Abschluss in englischer Literatur für Unternehmen arbeiten; es geht darum, dass Unternehmen die Arenen geworden sind, in denen mit Abstand die dynamischsten und prägnantesten Narrative und Fiktionen, Metaphern, Metonyme und symbolischen Netzwerke generiert, ausgearbeitet und verwandelt werden. Während sich die offizielle Literatur in komfortabler Nostalgie auf Königsgeschichten zurückzieht, oder zeitgenössische Erzählung im ebenso nostalgischen Modus eines oberflächlichen Realismus, sind es funkige Architekturfirmen, die digitale Medienkonzerne und PR-Firmen, die die Position der kulturellen Avantgarde übernommen haben. Sie leisten jetzt, was eigentlich Aufgabe der Schriftsteller ist, arbeiten sich durch die fragmentierten Ordnungen früherer Erfahrungen und Darstellungen und erfinden und ordnen die jetzigen in neuer radikaler Form. Wenn es 2015 jemanden mit dem Genie und der Vision eines James Joyce gibt, dann arbeitet er für Google."

Weiteres: Charlotte Higgins erklärt sich den derzeitigen Boom des politischen Theaters mit dem Ende theatraler Politik. William Dalrymple erinnert daran, dass es nicht die britische Krone war, die Indien unterwarf, sondern die East India Company, "ein gefährlich unreguliertes Privatunternehmen, mit einem kleinen Büro in London als Hauptquartier und in Indien von einem instabilen Soziopathen geleitet - Robert Clive".
Archiv: Guardian

Guernica (USA), 02.03.2015

Chris Parris-Lamb, 33-jähriger amerikanischer Literaturagent mit bereits beachtlichem Erfolg - drei Bestseller im letzten Winter, von denen einer für den National Book Award nominiert war - verteidigt im Interview die Idee von der großen Literatur und großen Autoren. Initiativen wie der National Novel Writing Month sind seiner Ansicht nach eine Beleidigung für jeden "richtigen Autor". Große Autoren seien ungefähr genauso selten wie große Herzchirurgen und brauchten genauso viel Übung. "Wahres Talent - die Gabe würde Lewis Hyde es wohl nennen - kann vor überall her kommen. Und wenn der National Writing Month dazu beiträgt, dass einer dieser talentierten Menschen sich die Zeit nimmt, seine Gabe zu kultivieren, dann ist diese Initiative vielleicht doch etwas wert. Aber ich bin skeptisch gegenüber der Vorstellung, ohne den National Writing Month würden diese Gaben nicht entdeckt werden. Ich glaube, es ist Teil der Natur einer Gabe, dass man sie nicht nicht ausdrücken kann - wer die Gabe hat, muss sie nutzen. Was einfach nur bedeutet, dass Menschen, die einen großen Roman in sich tragen, immer einen Weg finden werden, ihn zu schreiben. Falls es bis jetzt noch nicht klar geworden ist, ich finde jeder Autor sollte Lewis Hyde lesen."
Archiv: Guernica

Telerama (Frankreich), 08.03.2015

Historiker sollten viel undisziplinierter sein, meint der Mittelalter-Historiker Patrick Boucheron in einem Gespräch über die heutigen Anforderungen seines Fachs. Dazu gehört für ihn unbedingt, es auch in der heutigen Gesellschaft wahrnehmbar zu machen: "Sich für die republikanischen Werte wie den Laizismus oder die Meinungsfreiheit einzusetzen, wird zwar als Dringlichkeit empfunden. Doch um sie an der Schule wirksam zu verfechten, das heißt, sich gegen diejenigen zu rüsten, die sie in Frage stellen, ist es besser, in der Kritik dieser Werte geschult zu sein. Beispielsweise zu verstehen, dass das Erbe der Aufklärung eher eine ganze Sammlung an Problemen als an Gewissheiten darstellt, dass die Pressefreiheit im 18. Jahrhundert sofort in Spannung zu der Notwendigkeit gedacht wurde, den öffentlichen Raum gegen Verleumdung zu schützen. Kritisieren bedeutet nicht verwerfen. Sondern die Geschichte unseres Glaubenssockels zu Tage zu fördern und daran zu erinnern, dass diese Glaubensgrundsätze soziale Konstruktionen sind und immer auch komplex und widersprüchlich. Das hindert nicht daran, sie anschließend zu verteidigen, eher im Gegenteil."
Archiv: Telerama

New York Review of Books (USA), 19.03.2015

Der große Castro- und Garcia-Marquez-Kritiker Enrique Krauze liest Marc Franks Buch "Cuban Revelations: Behind the Scenes in Havana", eine für seinen Geschmack etwas zu zuckrige Reportage aus Kuba, die ihn an Waldo Frank erinnert, Marc Franks Vater, einst selbst ein Castro-freundlicher Autor, der dennoch in Ungnade fiel und emigrieren musste. Gerade die kritischen Passagen bei Marc Frank überzeugen Krauze nicht: Er bemängele etwa das zu langsame Internet auf der Insel. Das eigentliche Problem aber liege woanders. "Blogger werden überwacht und von Behörden ausgefragt und zuweilen ins Gefängnis gesteckt. Eine spezialisierte Polizeieinheit kontrolliert auf dem Flughafen von Havanna die Einführung von Computern und Handies. Kuba hatte 2013 zwar 800 Internetcafés, aber der Preis (4,50 Dollar pro Stunde) ist für normale Kubaner unerschwinglich. Und der Nutzer muss die Nummer seines Personalausweises, seine Adresse und seine Suchanfragen angeben."

Michail Chodorkowski schreibt seine Gefängniserfahrungen auf und befasst sich in einem ersten Artikel mit den Wärtern. Die Gefängnisse sind für ihn ein Schlüssel zum Verständnis Russlands: "Mit der Zeit wurde ich von einem normalen Opfer zu einem interessierten Beobachter. Ich habe bemerkt, dass die Gefängniswelt für viele eine terra incognita bleibt. Und doch sitzt in unserem Land einer von hundert im Gefängnis, jeder zehnte (heute vielleicht schon jeder siebte) aus der männlichen Bevölkerung verbringt mindestens einmal in seinem Leben Zeit im Gefängnis. Das Gefängnis hat eine schreckliche Wirkung auf die Mehrheit der Gefangenen und der Wärter. Und man weiß noch nicht, welche de beiden Gruppen stärker betroffen ist."

Svobodne forum (Tschechien), 03.03.2015

Seit der Samtenen Revolution tun sich die Tschechen mit der Rückgabe von im Kommunismus enteigneten Kirchengütern schwer. Im atheistischsten Land Europas ist das 2012 beschlossene Restitutionsgesetz in der Bevölkerung höchst unbeliebt. Anlässlich des Streits um das Grundstück des nordböhmischen Klosters Osek (in dem pikanterweise bis zur Enteignung deutsche Mönche lebten) schlägt Jan Jandourek eine Bresche für die Kirchen: "Es geht hier nicht um eine klassische Restitution, sondern um Wiedergutmachung von begangenem Unrecht. Die Kirchen, vor allem die katholische, erhalten schätzungsweise ein Drittel des vom kommunistischen Regime gestohlenen Besitzes zurück. (…) In dieser sogenannten Restitution ist nicht enthalten der entgangene Gewinn, den die Kirchen im Laufe von 40 Jahren erwirtschaftet hätten und von dem sie nicht viel hatten, denn die Gehälter der Geistlichen waren unterdurchschnittlich und ihre historischen Bauten in einem schlimmen Zustand - manche sind für immer zerstört. Der Verlust wird auf 150 Milliarden Kronen geschätzt. (…) Die Kirchen haben Anrecht auf die Rückgabe ihres Eigentums - ob es Gott nun gibt oder nicht."
Archiv: Svobodne forum

New Yorker (USA), 16.03.2015

Für die aktuelle Nummer des New Yorker besucht Adam Gopnik das 1933 nach London emigrierte einzigartige Warburg Institute, das durch Umstrukturierungsmaßnahmen der University of London in seiner Existenz bedroht ist, und stößt auf seltsame Parallelen: "Es handelt sich um eine Bibliothek wie keine zweite in Europa - mit ihrer interdisziplinären Anlage, all ihren Eigenheiten und ihrer Originalität, ihrer seltenen Tiefe und ihren unerwarteten Untiefen. Magie und Wissenschaft, Böses und Heiligenleben liegen hier nah beieinander in einem Labyrinth der Imagination, der Zeichen und des Gedächtnisses … Es geht ums Geld. Die Universität wollte, dass Warburg, wie andere Institute auch, seine Mittel selber organisiert. Die Warburger dagegen wollten, dass die Universität sie unterstützt, auf ewig, so wie die Stifungsurkunde von 1944 es vorsieht."

Richtig finster liest sich Patrick Radden Keefes riesiger Artikel über die Frage, ob der Sinn-Fein-Chef Gerry Adams entgegen seinen Beteuerungen auch Mitglied der IRA war. Er war mehr als das, wenn man den mündlichen Zeugnissen einstiger führender Mitglieder der Truppe glaubt, findet Keefe heraus, er war sogar der Chef der IRA. Adams selbst bestreitet das vehement und weist nicht unzutreffend darauf hin, dass seine einstigen Weggefährten den von ihm getragenen Friedensprozess brüsk ablehnten. Anhand des IRA-Mords an der Hausfrau und Mutter von zehn Kindern Jean McConville, der laut Adams" ehemaligen Kumpanen von Adams selbst angeordnet wurde, entfaltet Keefe noch einmal das ganze Hass-Panorama dieses Konflikt, der heute ruhig gestellt, aber nicht ausgestanden ist. Adams hat der 2013 gegen ihn angestrengte und bald fallengelassene Strafprozess nicht geschadet: "Sinn Fein ist heute die populärste Partei in Nordirland. Laut Umfragen glauben die Hälfte ihrer Anhänger nicht an Adams" Behauptungen, er sei nie IRA-Mitglied gewesen. Aber es scheint sie nicht zu kümmern."

Außerdem: Jill Lepore denkt nach über Ungleichheit in den USA und ihre Ursachen. Thomas Mallon porträtiert Marios Varga Llosa und seinen ruhelosen Realismus.
Archiv: New Yorker

Mustard (UK), 24.02.2015

Auch wenn es schon etwas länger online steht: Interviews mit Alan Moore sind immer eine wahre Freude, insbesondere wenn er einmal so ungezügelt plaudern darf, wie in dem epischen Gespräch, das Alex Musson im Verlauf mehrerer Jahre mit dem exzentrischen Comicautor für das britische Comedymagazin Mustard führen konnte. Wir erfahren etwa, warum er die Filmindustrie und deren Erzeugnisse noch immer für eine Ausgeburt des Teufels hält: "Das Problem besteht darin, dass Comics, wenn man sie lediglich im Verhältnis zum Kino betrachtet, nicht mehr sein können als Filme ohne Bewegung und ohne Ton. Mit "Watchmen" wollte ich Elemente erkunden, die unverfilmbar sein würden, die man einzig im Comic anstellen kann. Also haben wir, um nur ein Beispiel zu nennen, auf mehreren Ebenen gelagerte Narrative, mit einem kleinen Jungen, der ein Comicheft liest, während ein Zeitungshändler sich daneben in rechtsextremem Sermon ergeht, während im Hintergrund andere Dinge geschehen, alles gleichzeitig und miteinander verbunden ... Sicher, was ich so gehört habe, mag es toll sein, die Bilder von Zeichner Dave Gibbons nun auf der großen Leinwand nachgestellt zu sehen... Nun ist es wohl, mal ganz hartherzig ausgedrückt, eine gute Sache, dass es jetzt diese Kinderversion für all jene gibt, die nicht in der Lage sind, einem Superheldencomic aus den Achtzigern zu folgen." Unser Kritiker kam zu ganz ähnlichen Schlüssen.
Archiv: Mustard

Eurozine (Österreich), 24.02.2015

Pawel Pawlikowskis Film "Ida" hat letzten Monat einen Oscar als bester ausländischer Film erhalten, aber in Polen ist darum eine erbitterte Debatte entstanden, die Filip Mazurczak in der Zeitschrift Respublica (englisch in Eurozine) analysiert. Der Film spielt in den Sechzigern. Eine junge Nonne, die als Waise ins Konvent kam, erfährt, dass sie Jüdin ist. Ihre Eltern wurden von einem polnischen Bauern umgebracht. Und sie erfährt, dass sie eine Schwester hat, die eine böse kommunistische Richterin ist. Angegriffen wird der Film von rechts und links - von rechts, weil der einzige Judenmörder im Film ein Pole ist, während Zehntausende Juden von Polen unter Lebensgefahr gerettet wurden. Von links, weil die rächende kommunistische Jüdin ein antisemitisches Klischee sei. Mazurczak plädiert dafür, den Film nicht als ein historisch repräsentatives Bild, sondern als eine individuelle Geschichte zu sehen: "Was die Mehrheit der Polen angeht, so hatten manche Mitleid mit den Juden und andere empfanden Schadenfreude... Es ist überliefert, dass es es polnische Bauern gab, die Juden, die bei ihnen untergebracht waren, umgebracht haben. Und darum ist der Film nicht als solcher antipolnisch. Nie wird in dem Film suggeriert, dass das Verhalten des Bauern die polnische Gesellschaft repräsentiert."
Archiv: Eurozine

Tablet (USA), 06.03.2015

Ben Judah ist nach Bradford gefahren, einer Gemeinde in England, die ihr Bürgermeister George Galloway zur "israelfreien Zone" erklärt hat. Ein Schachzug, der ihm ordentlich Wählerstimmen bescherte hatte. Und er ist nicht der einzige britische Politiker, der das erkannt hat: "Galloway glaubt keine Sekunde daran, dass das Land erfolgreich multikulturell geworden sei, wie die politische Klasse gern behauptet. Darin besteht sein Genie. Unter der Oberfläche haben pakistanische Clans die vernachlässigten lokalen Parteien in Bradford übernommen. Sowohl Labor als auch die konservativen Parteien sind diesen Clanführern entgegengekommen, die ihnen ganze Stimmenblocks anboten. David Goodhart, Vorsitzender des Mitte-Links-Thinktanks Demos und ein führender Experte in Immigrationsfragen, meint dazu: "Die beiden am meisten vernachlässigten großen Minderheitengruppen, Pakistanis aus Kaschmir und Bangladeschis, sind politisch so erfolgreich und gut organisiert wie sie wirtschaftlich erfolglos sind. Und die Art, wie sie Teile der Lokalpolitik erobert haben, gibt Anlass für einige unangenehme Fragen." [...] In Bradford hat der politische Zugriff der Clans eine Kultur der politischen Verwahrlosung, kulturellen Entfremdung und des städtischen Verfalls noch verstärkt. Dieses System hat Galloway gezielt und erfolgreich angegriffen indem er an die "muslimische Straße" appellierte, die nicht von den Clans repräsentiert wurde und die enthusiastisch auf reißerische und hysterisch antizionistische Parolen reagierte - vielleicht die einzige Sache, auf die sich alle Muslim in Bradford einigen können."
Archiv: Tablet

Magyar Narancs (Ungarn), 10.03.2015

Die Schriftstellerin und Theaterkritikerin Andrea Tompa hat sich mit Árpád Schilling, Regisseur und Gründer der unabhängigen Theatergruppe Krétakör, über dessen Produktion "Der Loser" unterhalten. Es geht in dem Stück um das Verhältnis von Politik und künstlerisches Schaffen. Das Interview ist von einer gewissen Spannung geprägt, da Tompa selbst vor kurzem von der Regierung für ihre schriftstellerische Tätigkeit ausgezeichnet wurde. Sie war von einer der letzten fachlichen Kommission vorgeschlagen worden und nahm darum die Auszeichnung an, nicht jedoch die damit verbundene Dotierung - aus Protest gegen die Kulturpolitik der Regierung. Dies hatte zur Folge, dass die öffentlich-rechtlichen Medien in Ungarn ihre Auszeichnung ignorierten: "Schilling: Im Stück "Loser" ist die Annahme der Auszeichnung der Verrat - Árpád Schilling nimmt die Auszeichnung der Machthaber an und verkauft dadurch seine Seele. Es ist aber auch wahr, dass es in deinem Falle bei einer Ablehnung der Auszeichnung nicht zum Eklat gekommen wäre. Dennoch sagt die Macht mit dieser Auszeichnung: wir wissen, wer du bist, Andrea Tompa, wir kennen deine Meinung und sieh da, trotzdem zeichnen wir dich aus. So scheint alles in Ordnung zu sein. (…) Tompa: Ich sehe meine Sache anders. Ich wurde vom letzten Fachgremium vorgeschlagen. Das Geld nahm ich nicht an. Später, nachdem die Nachricht aus den öffentlich-rechtlichen Medien verbannt worden war, wurden meine Aussagen eigentlich erst interessant, denn es ging um Zensur, und meine Geste hatte sich selbst gerechtfertigt."
Archiv: Magyar Narancs

Oxford American (USA), 06.03.2015

Im zweiten Teil seiner Serie über "Texas, alte Zeitungen, race music, und zwei schwarze Männer, die die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung geformt haben", erzählen John Jeremiah Sullivan und Joel Finsel die Geschichte des Zeitungsmannes Clifton Frederick Richardson. Richardson war aber nicht nur Journalist und Bürgerrechtler, lernen wir in einem Nebenstrang, er war auch Vorsitzender des Coleridge-Taylor Choral Clubs in Houston, Texas. Samuel Coleridge-Taylor war ein schwarzer britischer Geiger und Komponist, der Ende des 19. Jahrhunderts großen Erfolg in Europa und Amerika hatte und der den tschechischen Komponisten Anton Dvorak bewunderte, der wiederum in Amerika ein großer Verehrer "echter Negermelodien" geworden war: "Die Bedeutung von Coleridge-Taylor - dessen Musik heute noch Freude bereitet - liegt nicht darin, dass seine DNA halb afrikanisch war, sondern dass er seine Musik für spirituell schwarz hielt. Mit anderen Worten, er folgte Dvorak nicht im Sinne von: Hier bin ich, der schwarze Komponist, den du prophezeit hast. Statt dessen folgte er der Methode Dvoraks, der selbst viele seiner Stücke aus alten böhmischen Volksliedern geschaffen hatte, und Edvard Griegs, dem Lieblingskomponisten seiner Jugend. Coleridge-Taylor erkannte, dass er den seltenen Zugang zu einem ähnlich tiefen Brunnen mit ererbtem melodischen Material hatte."
Archiv: Oxford American

New York Times (USA), 08.03.2015

Im Magazin der New York Times rekonstruiert Carl Zimmer den Streit der Genetiker über sogenannte "junk DNA", Massen von nichtkodiertem Erbmaterial im menschlichen Genom, und lässt sich dessen mögliche Existenz mit einer Art genetischem Darwinismus erklären: "Über einen Zeitraum von Millionen von Jahren wuchs das menschliche Genom spontan, wurde angereichert mit nutzlosem genetischen Material und austauschbaren Elementen. Unsere Ahnen tolerierten das, weil dieses "Extra-Gepäck" nicht allzu schwer war. Es machte sie nicht krank. All diese Extra-DNA zu kopieren, kostete sie nicht viel Energie. Sie konnten nicht unbegrenzt viel davon anreichern, aber eine ganze Menge. Um das überflüssige Material auszusortieren, hätte es hingegen einen Haufen Proteine gebraucht. Ein sich selbst reinigendes Genom hätte das Rennen unweigerlich gegen andere Genome verloren, die entsprechend mehr Ressourcen frei gehabt hätten für Krankheitsbekämpfung oder Fortpflanzung … So gesehen wäre "junk DNA" kein Beleg für das Scheitern der Evolution, sondern für einen langsamen und ein wenig schlampigen Triumpf."

Außerdem begleitet Azam Ahmed eine Woche lang die Afghanische Nationalpolizei bei ihrer Arbeit und stellt fest, dass es längst kein Krieg der USA mehr ist, den es zu führen gilt: "Dieser Krieg ist verloren. Die Taliban sind nicht ausgelöscht worden. Das Land ist nicht befriedet, die politische Zukunft bleibt zutiefst ungewiss, und die Todesrate war nie höher. Für die Regierung in Kabul geht es darum, die Bevölkerung davon abzuhalten, Jagd auf Aufständische zu machen. Die lokalen und nationalen Polizeikräfte sind die einzigen, die diesen Kampf gewinnen können."
Archiv: New York Times