Magazinrundschau

Krieg um Kameras

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Freitag Mittag
09.05.2014. In der London Review rollt der Historiker Richard Evans noch einmal den Reichstagsbrand auf. Der Merkur besucht das rumänische Hafenstädtchen Calafat. Slate.fr denkt über Glück und Gleichheit nach. Im Corriere della Sera staunt Gerhard Richter immer noch über die Gläubigkeit der RAF. In Nepszabadsag erklärt die Dichterin Krisztina Tóth die Gründe für ihre schlecht gelaunte Perspektivlosigkeit. In der Huffington Post.fr fordert Patrick Ndungidi die afrikanischen Filmregisseure auf, den eigenen Markt zu erobern. Der New Yorker schlürft eine Dosis Soylent.

London Review of Books (UK), 08.05.2014

Die Ukrainer hätten ihre Lenin-Denkmäler ruhig stehen lassen können, meint Slavoj Zizek und erinnert daran, dass Lenin seinen letzten Kampf gegen Stalin und dessen Projekt einer zentralisierten Sowjetunion führte. 1922 mussten auf Stalins Geheiß die Ukraine, Belarus, Aserbaidschan, Armenien und Georgien "ihren Wunsch" erklären, der Sowjetunion beitreten zu dürfen, 1939 dann die drei baltischen Staaten: "Mit all dem kehrte Stalin zur vorrevolutionären Politik des Zaren zurück: Russlands Kolonisierung Sibiriens im 17. Jahrhundert und des muslimischen Asiens im 19. Jahrhundert wurde nicht länger als imperialistische Expansion verurteilt, sondern begrüßt, weil es diese rückständigen Gesellschaften auf den Pfad der fortschrittlichen Modernisierung brachte. Putins Außenpolitik ist eine klare Fortsetzung der zaristisch-stalinistischen Linie." Und Zizek schließt: "Die Demonstranten vom Maidan waren Helden, doch der wahre Kampf - für eine neue Ukraine - beginnt erst jetzt, und er wird noch härter als der Kampf gegen Putins Intervention. Ein neues und riskanteres Heldentum wird nötig sein. Gezeigt haben es schon jene Russen, die sich der nationalistischen Leidenschaft ihres Landes entgegenstellen und sie als Instrument der Macht entlarven. Es ist an der Zeit für eine Solidarität von unten zwischen Ukrainern und Russen."

Der Historiker Richard Evans rollt noch einmal den Reichstagsbrand auf und verwirft die von Benjamin Carter Hetts Streitschrift "Burning the Reichstag" erneut angefachte These, dass der Brand doch nicht von Marinus van der Lubbe, sondern von den Nazis gelegt wurde. "Verschwörungstheorien sind nicht notgedrungen falsch, in manchen Fällen gibt es viele Hinweise, dass großen historischen Ereignissen Konspirationen zugrunde liegen. Aber nicht in diesem Fall."

Außerdem: Jenni Diski liest ein Buch von Lynne Segal über das Altern im Allgemeinen und das Altern von Frauen im Besonderen. Und Charles Hope schreibt noch einmal über die große Veronese-Schau in der National Gallery und entdeckt unter all der Opulenz auch die Schwächen des Malers: "Was Veronese vor allem fehlte, war die Fähigkeit, stimmige und dramatische Bilderzählungen zu entwerfen. Das ist zum Teil Folge seines Farbgebrauchs, der oft eher einem harmonischen Gesamteindruck dienlich war als der Hervorhebung eines Hauptprotagonisten."

Merkur (Deutschland), 01.05.2014

Die Schriftstellerin und Übersetzerin Susanne Röckel sucht an der Donau das neue Europa und stößt in Rumänien auf das alte Hafenstädtchen Calafat, wo von der früheren Pracht nicht viel erhalten ist: "Alte Gebäude stehen für die eigene Geschichte, und Geschichte stiftet Identität, so lernt man es in Deutschland. Aber hier, in Calafat, kommt mir das Wort plötzlich unstatthaft, ja verlogen vor, als wäre "Identität" ein Luxus, den man sich nur leisten kann, wenn man satt und sicher ist. Hier ist die Vergangenheit auf ganz andere Weise vorhanden als bei uns. Es gibt keinen roten Faden, der sie zu einem Zusammenhang macht, zu einer Geschichte, in der man selbst unbestreitbar seinen Platz hat. Man scheint sie misstrauisch, distanziert, fast hilflos zu betrachten. Vielleicht ist auch etwas wie Stolz im Spiel, ein trotziges und gleichgültiges: "Was hat uns das alles gebracht?" Calafat ist eine Stadt, die kein Ganzes ergibt."

Außerdem ahnt Eckhard Schumacher in seiner Kolumne einen Zusammenhang zwischen dem Bedeutungsverlust von Pop und der Zunahme der institutioneller Pop-Diskurse.
Archiv: Merkur

New Yorker (USA), 12.05.2014

Im New Yorker untersucht Lizzie Widdicombe die neuesten Entwicklungen aus den Küchen synthetischer Essensforscher. Soylent heißt tatsächlich das Produkt der Stunde, zusammengerührt von ein paar vom ewigen Aufwärmen der Fertiggerichte und dem Abwasch angenervten Elektroingenieuren und dazu angetan, nicht nur unsere Essgewohnheiten, sondern unsere ganze Lebensweise zu verändern: "Als Ende der Ernährung apostrophiert, beschwört Soylent eine Welt ohne Pizzerias und Taco Bell herauf. Beigefarbenes Pulver anstelle von Bananenbrot. Wir schlürfen Brei anstatt uns in der Eisdiele zu vergnügen." Rob Rhinehart, einer der Macher von Soylent, sieht das ein bisschen anders, nämlich als Trennung von funktionalem und sozialem Essen. "Soylent soll nicht unsere Potluck-Dinners ersetzen, sondern Tiefkühlkost … Die Formel für Soylent besteht aus sämtlichen Hauptnahrungsmittelgruppen - Lipide aus Canolaöl, Kohlehydrate aus Maltodextrin, Protein aus Reis usw., ergänzt durch Fischöl, Vitamine und Mineralien und etwas Sucralose, um den Geschmack der Vitamine zu kaschieren." Vorteil des synthetischen Essens: Man kann tagelang mit Arbeit zubringen ohne lästige Essensunterbrechungen. Nachteil: "Mit einer Pulle Soylent auf dem Schreibtisch, dehnt sich die Zeit schier endlos, gestaltlos und ein bisschen traurig."

Weiteres: Anthony Lane bespricht die Filme "Ida" von Pawel Pawlikowski und "Chef" von Jon Favreau. Jill Lepore bespricht Nikil Savals "Cubed", eine geheime Geschichte des Arbeitsplatzes: Einen Auszug aus dem Buch kann man bei n+1 lesen.
Archiv: New Yorker

Corriere della Sera (Italien), 07.05.2014

Der Corriere bringt ein Gespräch zwischen Hans Ulrich Obrist und Gerhard Richter. Unter anderem kommen sie auf den RAF-Zyklus Richters zu sprechen. Richter erzählt, dass ein Gefühl der Befremdung am Anfang stand: "Wir kamen aus dem Osten, und wir waren glücklich, in den Westen gelangt zu sein. Wir waren überwältigt von der Freiheit, die es da gab. Und dann kam die sogenannte 68er-Generation und sagte, das ist gar keine Freiheit, das ist Faschismus. Ich kam aus einem quasi faschistischen Staat und war erstaunt über ihre Konsequenz und darüber, wie mächtig ein Glaube werden kann."

Guardian (UK), 05.05.2014

Sukhdev Sandhu porträtiert die Musikerin Fatima Al Qadiri, deren Debütalbum "Asiatisch" auch den Standard und die taz in positive Schwingungen versetzte. Sandhu eröffnet ihren Text mit einem Zitat der im Senegal geborenen Kuwaiterin: ""Ich glaube an Geister", sagt Fatima Al Qadiri. "Ich glaube an böse Geister, die auf der Erde herumspuken. Ich rieche sie nicht und sehe sie nicht, aber ich fühle sie - vor allem in Kuwait. Es ist einer der spukhaftesten Orte auf der Welt. Trotz all des Betons und der Schnellstraßen und Esplanaden. Es ist sehr gruselig. Wir haben griechische Ruinen in Kuweit. Alexander der Große hat heilige Tempel auf einer unserer Inseln gebaut. Ich fühle dort immer so etwas wie Furcht. Sogar in meinem Haus. Es dauert Stunden, bis ich einschlafen kann. Und die Musik ist auch eine Art Geist: es geht um heraufbeschworene Erinnerungen, Erscheinungen, etwas, das dich an deine Vergangenheit erinnert.""
Archiv: Guardian

Huffington Post fr (Frankreich), 05.05.2014

Für welches Publikum sollen afrikanische Filme eigentlich sein?, fragt der kongolesische Journalist Patrick Ndungidi in seinem Blog bei der französischen HuffPo wenige Tage vor Cannes, auf dem nur ein Film aus Afrika zu sehen sein wird. „Das afrikanische Kino werde auf den unglücklichen Status des Exotischen reduziert“, zitiert er den kongolesischen Regisseur Rufin Mbou Mikima. Ndungidi fordert deshalb vor allem von Filmemachern im frankophonen Afrika, ihr „ewiges Assistentum“ endlich aufzugeben, und vom afrikanischen Kino, es müsse zunächst einmal den eigenen Markt erobern, bevor es an den internationalen denke: ""Viva Riva" von Regisseur Djo Munga ist einer der revolutionärsten Filme der letzten Jahre. Dieser Thriller aus dem Jahr 2010 ist komplett in Kinshasa gedreht, allein mit kongolesischen oder afrikanischen Schauspielern. Trotzdem ist dieser Thriller niemals beim Fespaco gezeigt worden, das sich selbst als größtes afrikanischen Filmfestival sieht. Welches Bild haben die Afrikaner selbst von ihrem Kino?"

Ein Phänomen beobachtet Jean-Samuel Kriegk: Immer mehr Comics mit historischen Themen finden sich in den Regalen französischer Buchläden. Bekanntes oder Abgelegenes wird in Form von Reportagen, Zeitzeugenschaften oder rein fiktiv darin höchst unterschiedlich verarbeitet. Kriegk stellt sechs aktuelle Beispiele dafür vor, die nur eines gemeinsam hätten: die Seriosität in Recherche und Wiedergabe der historischen Ereignisse. Über "Napalm Fever" von Allan Barte, in dem der Vietnam-Krieg anhand der Identitätssuche eines Fotografen im Exil erzählt wird, der 1967 vom KGB als Journalist in sein Land eingeschleust wird, schreibt er: "Sämtliche Figuren sind als Katzen dargestellt. Bringt diese Entscheidung sowie der Ton des Werks auch eine gewisse beabsichtigte Leichtigkeit mit, so erspart einem das Buch doch nichts vom Horror des Konflikts."

Slate (USA), 07.05.2014

Kein Bauwerk hat die Entwicklung von Paris so stark vorangetrieben wie der Pont Neuf, erzählt Joan DeJean: "Zuvor war es ein mühseliges Unterfangen gewesen, vom linken Ufer zum Louvre zu gelangen. Wer es sich nicht leisten konnte, sich auf einem Boot hinbringen zu lassen, musste zwei Brücken überqueren und an beiden Ufern lange Fußmärsche zurücklegen. Erst die neue Brücke erhob die Bezirke am rechten Seine-Ufer zum vollwertigen Bestandteil der Stadt. War dort noch 1600 der Louvre die einzige größere Attraktion gewesen, beherbergte das rechte Ufer am Ende des Jahrhunderts wichtige Wohnhäuser und Bauwerke, von der Place Royale bis zu den Champs-Élysées. Und wann immer sich im siebzehnten Jahrhundert etwas Bedeutendes ereignete, dann passierte es entweder auf dem Pont Neuf oder wurde dort zuerst besprochen."
Archiv: Slate

Eurozine (Österreich), 06.05.2014

Auf Initiative von Leon Wieseltier (New Republic) and Timothy Snyder treffen sich vom 16. bis 19. Mai in Kiew einige sehr bekannte Intellektuelle, um über die Maidan-Bewegung zu diskutieren. Zu den Gästen gehören Bernard-Henri Lévy, Slavenka Drakulic, Mustafa Nayem, Serhii Leshchenko, Agnieszka Holland, Adam Michnik, Serhii Zhadan, Ivan Krastev, Wolf Biermann, Timothy Garton Ash, Karl Schlögel und Bernard Kouchner. Die Fragen des Programms klingen ein bisschen abstrakt - aber das muss ja nicht heißen, dass keine Debatten zustande kommen: "Wie können Menschenrechte begründet werden, und welche Motivation ziehen wir aus der Idee der Menschenrechte? Wie geben Sprachen Zugang zur Universalität, und wann dienen sie zur Markierung politischer Differenz?" Das ganze Programm findet sich auf dieser Seite bei Eurozine.
Archiv: Eurozine

New York Magazine (USA), 05.05.2014

Was geschah wirklich bei dem Anschlag auf die US-Vertretung in Bengasi, dem der Botschafter Christopher Stevens zum Opfer fiel? Und wie wurde darüber berichtet? Joe Hagan untersucht dies am Beispiel Lara Logan. Die CBS-Reporterin befindet sich im vorläufigen Ruhestand, seit sie im Oktober 2013 einen gefaketen Bericht über den Anschlag für die Sendung 60 Minutes nutzte. Hagan erklärt die politischen Implikationen des Skandals: "Logan suchte nach einem neuen Blickwinkel auf den Fall Bengasi, als der ehemalige Waffenschieber Dylan Davies Logan die emotional aufgeladene Geschichte erzählte, wie er dem Anschlag beigewohnt hatte. Die Story passte gut in das Schema, das die politische Rechte seit Monaten versuchte gegen ein für die Gefahr von Al-Qaida blindes Außenministerium in Stellung zu bringen. Bald stellte sich jedoch heraus, dass der Bericht von Davies fast vollständig erfunden worden war, um sein Buch zu verkaufen. Für eine Sendung wie 60 Minutes konnte so etwas das Ende bedeuten."

Außerdem: Fotograf Norman Jean Roy beweist in einer Fotostrecke, dass immer noch große Damen in New York leben: sieben wenigstens.

Nepszabadsag (Ungarn), 04.05.2014

Im Gespräch mit György Vári schildert die Dichterin und Schriftstellerin Krisztina Tóth, wie sich das gegenwärtige politische und gesellschaftliche Klima in Ungarn in den letzten 25 Jahren verändert hat: "Es ist jetzt schwerer als damals, denn vor der Wende kribbelte in jedem das Gefühl, dass alles nur noch kurz so bleibt, bevor sich alles ändert. Meine Generation ist zu alt, um auch jetzt noch zu denken: Diese paar Jahre werden wir schon noch überstehen. Den größeren Teil meines Erwachsenenlebens wird es so bleiben, aber ich bin jetzt nicht mehr zwanzig, sondern fünfundvierzig. Und ich spreche keineswegs nur von politischen Ereignissen: In ganz alltäglichen Situationen kann diese schlecht gelaunte Perspektivlosigkeit gefühlt werden."
Archiv: Nepszabadsag
Stichwörter: Toth, Krisztina, Ungarn

Columbia Journalism Review (USA), 01.05.2014

Über die Zukunft des Journalismus wird ja überall gemutmaßt. Einen ganz neuen Aspekt bringt aber Louise Roug in der Titelgeschichte der Columbia Journalism Review in die Debatte. Wie werden eigentlich die immer einfacher zu handhabenden Kameradrohnen den Journalismus verändern? Es liegt auf der Hand, das sie etwa Papparazzi entschiedene Vorteile bieten. Bisher ist ihr Gebrauch zumindest in den USA allerdings verboten. Roug geht von dem Fall des jungen Journalisten Pedro Rivera aus, der die Szenerie eines Autounfalls per Drohne filmte, und eine Beschwerde der Polizei bekam - obwohl er das Material gar nicht veröffentlicht hatte. Der lokale Fernsehsender, für den Rivera arbeitete, hat ihn daraufhin sogar entlassen. Rivera sieht das gar nicht ein und klagt vor Gericht: "Für Rivera ist das ein Krieg um Kameras. "Die Polizei möchte so wenig wie möglich bei ihrer Arbeit beobachtet werden." An öffentlichen Orten zu fotografieren, betrachtet er als ein verbrieftes Recht und argumentiert, dass der Gebrauch von Drohnen als geschützte Freiheit anzusehen ist. "Diese Drohne ist nichts anderes als eine Kamera", sagt er, "und wenn Hubschrauber nicht verboten sind, warum sind es dann Drohnen?""

Slate.fr (Frankreich), 03.05.2014

Xavier Landes beschäftigt sich ausführlich mit den Ergebnissen von Studien der jüngeren Glücksforschung. Seit den 70er Jahren versucht diese Disziplin, das sogenannte Easterlin-Paradox zu erklären, das sich kurz gesagt im Bonmot "Geld macht nicht glücklich" zusammenfassen lässt. Abgesehen von Erkenntnissen zu Glücksgefühlen, die durch den Besitz von Statussymbolen ausgelöst werden, fanden sie unter anderem heraus, dass gerade die Bedingungen ihres Erwerbs und der damit verbundene soziale Status unerwünschte Folgen insbesondere für die Gesundheit mit sich führen kann. Ebenfalls interessant: "Die Studien zeigen außerdem: je ungleicher eine Gesellschaft ist, desto geringer ist das Glücksempfinden. Auch wenn die letzte Beweisführung noch aussteht, muss man auf globaler Ebene eine starke Korrelation zwischen Glück und Gleichheit (der Einkünfte oder des Wohlstands) konstatieren. Es handelt sich dabei um einen der Faktoren, der das erhöhte Glücksempfinden in den skandinavischen Gesellschaften erklärt, allen voran Dänemark."
Archiv: Slate.fr

New York Times (USA), 04.05.2014

Thema Geld beim New York Times Magazine. In einem Gastbeitrag fragt Jesse Eisinger vom Non-Profit-Newsdesk ProPublica, wie es angeht, dass nur ein einziger, dazu nicht mal besonders skrupelloser Top-Banker für seine Rolle bei der Finanzkrise in den Staaten hinter Gittern sitzt. "Es sieht aus, als hätten die Behörden keinen Mumm, doch die Dynamik dahinter ist komplizierter. Das Justizministerium hat eine Reihe Fiaskos im Unternehmenssektor hinter sich, die zu bedeutenden Änderungen in der Strafverfolgung bei der Wirtschaftskriminalität geführt haben. Man setzte schließlich auf Vergleiche statt Gefängnisstrafen. Das zog einen Rückstand an Erfahrung nach sich, die aber nötig ist, um gegen die besten Anwaltskanzleien zu punkten. In der Folge wurden komplexe Finanzfälle immer wieder heruntergespielt. Hinweise, dass Lehman Vorstände mehr über den Liquiditätsmangel ihrer Bank wussten, als sie zugaben, wurden einfach vernachlässigt. Mitte der 90er machte Wirtschaftskriminalität 17,6 Prozent aller bearbeiteten Fälle aus, von 2009 bis 2012 waren es nur 9,4 Prozent ... Die Müßigkeit der Justiz hat zum Teil mit ihren eigenen Zielvorgaben zu tun. Bis in die 80er Jahre verfolgten Staatsanwälte individuelle Wirtschaftsstraftäter. Aber das Ausheben von Mafia-Clans wie den Bonnanos gab vielen das Gefühl, ganze Organisationen ins Visier zu nehmen, sei der effektivere Weg, um der Korruption Herr zu werden ... Die Behörden selbst haben allerdings andere Erklärungen: Die Fälle wären zu komplex, argumentieren sie, und den Jurys kaum auseinanderzusetzen. Außerdem hätten die Verfehlungen der Banker eher mit Leichtsinn zu tun, als mit Kriminalität."

Auf der Technologieseite berichtet David Streitfeld, dass Amazon Bücher des Hachette Verlags immer öfter erst nach zwei, drei Wochen ausliefert. Die Gründe dafür liegen nicht bei Hachette, versichert der Verlag. Streitfeld vermutet foul play von Amazon. Es wäre nicht das erste Mal: "2010 entfernte der Buchhändler alle Kauf-Buttons von Büchern des Macmillan Verlags, nachdem man sich nicht über die Preise der Ebooks einigen konnte. Zwei Jahren später verhandelte Amazon mit der Independent Publishers Group über höhere Rabatte. "Sie erklärten, dass wir unsere Bedingungen herunterschrauben müssten" sagte damals IPG-Präsident Mark Suchomel. "Es war unvernünftig. Man kann nur bis zu einer bestimmten Grenze gehen." Amazon entfernte prompt 4.000 Ebooks von IPG aus seinem Angebot. Nach langen und diskret geführten Verhandlungen einigten sich die Parteien und die Bücher wurden wieder aufgenommen."

Außerdem: In der Sunday Book Review wurden zwei Präsidentenbiografien besprochen - über James Madison (hier) und John Quincy Adams (hier).
Archiv: New York Times