Magazinrundschau

Anrecht auf eine echte Debatte

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
03.09.2013. Das New York Magazine berichtet, wie die New Yorker Polizei zusammen mit der CIA die Muslime in New York überwacht. The Nation liest die Schriften Albert Camus' zu Algerien und meint: Der Mann hat sich geirrt. In Open Democracy erfahren wir - fast - was die Syrer wollen. Harper's mietet sich eine Kuschlerin für ein Nickerchen in einem japanischen Co-Schlaf-Café. In Elet es Irodalom wehren sich Péter Esterházy und Péter Nádas gegen Vorwürfe, sie hätten mit Politikern der Kadar-Ära kooperiert. Die NYT empfiehlt vier französische Fernsehserien.

Rolling Stone (USA), 12.09.2013

Senator Ron Wyden hat sich vom Saulus zum Paulus gewandelt: Der einstige Unterstützer des Patriot Act zählt nun zu den zentralen Kritikern von dessen intransparenten Methoden. Janet Reitman hat sich mit dem NSA-kritischen Politiker unterhalten: "Die digitalen Technologien haben sich so rasant ausgebreitet, dass wir es noch nicht immer nicht völlig begriffen haben. ... Wir sitzen hier mit Computern in unseren Taschen, mit Smartphones, mit der Möglichkeit, die Leute rund um die Uhr überwachen zu können. Das sind Probleme von äußerster Relevanz. Und die Amerikaner haben ein Anrecht auf eine echte Debatte darüber, wie wir mit dem verfassungstechnischen Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit umgehen. Es fällt wirklich schwer, sich irgendetwas auszumalen, was für unser Land und seine grundlegenden Werte wichtiger sein könnte. Und ich denke, was die Leute heute schützen wird, sind neue Gesetze, um diesen allgegenwärtigen, immer weiter um sich greifenden Überwachungsstaat zu bremsen. Und wenn wir das jetzt nicht tun, wenn wir nicht begreifen, dass dies tatsächlich ein einzigartiger Moment in der Geschichte von Amerikas Verfassung ist, wird es unsere Generation auf ewig bedauern."
Archiv: Rolling Stone

New York Magazine (USA), 02.09.2013

Nach dem 11. September 2001 installierte die New Yorker Polizei einen eigenen Geheimdienst, um die Muslime der Stadt zu beobachten, wie die Journalisten Matt Apuzzo und Adam Goldman herausgefunden haben. In einem Auszug aus ihrem morgen in den USA erscheinenden Buch "Enemies Within" berichten sie, wie sich NYPD-Chef Ray Kelly mit CIA-Agent Larry Sanchez nach dem Anschlag vom 11. September zusammensetzten und überlegten, wie man die fünf Viertel New Yorks beobachten könnte, in denen vor allem Menschen aus dem Nahen Osten und Südasien lebten: "Die Hauptidee von Cohen und Sanchez war, dass die Dinge anders sein könnten, wenn die NYPD ihre eigenen Augen und Ohren in den ethnischen Communities der fünf Viertel hätte. Sie mussten in den Buchläden sein, um den Terroristen mit seinem neuen Bart zu entdecken, oder in den Restaurants, um Freunde über Amerika herziehen zu hören. Wenn Detektive muslimische Studentengruppen infiltrieren würden, dann könnten sie vielleicht junge Männer identifizieren, die von embryonischem Fanatismus schäumten. Schließlich wären Muhammed Atta und seine Mittäter deutlich sichtbar gewesen, hätte nur jemand hingesehen. Es gab im amerikanischen Strafverfolgungssystem nichts vergleichbares. Und natürlich war das Verhalten, das sie beobachten wollten, nicht nur bei den Attentätern vom 11. September üblich, sondern bei einer großen Anzahl unschuldiger Menschen. Die meisten Cafébesucher, Mitglieder eines Fitnessclubs und Kneipengänger waren keine Terroristen. Die meisten strenggläubigen Muslime waren es auch nicht. Um die wenigen zu fangen, musste die NYPD viele ausspionieren."

New Republic (USA), 29.08.2013

Seit der Guardian mit der Veröffentlichung der Snowden-Papiere öffentlich macht, in welchem Ausmaß amerikanische und britische Geheimdienste ihre eigene Bevölkerung und "befreundete" Staaten ausspionieren, ist in Großbritannien ein Klassenkampf unter Journalisten ausgebrochen, der nach der Verhaftung David Mirandas und der Zerstörung von Festplatten und Computern im Gebäude des Guardian erst richtig hochkochte, berichtet ein besorgter Peter Jukes. Andere Zeitungen verteidigen den Guardian nicht, sondern werfen ihm Heuchelei vor, wegen seiner Rolle in der "News of the World"-Affäre: "In diesem erbitterten Streit zwischen 'unterdrückten' Boulevardjournalisten und dem 'elitären liberalen Establishment' wird der das 'öffentliche Interesse' betreffende Inhalt der Geschichte völlig übersehen. Aber stehen die Enthüllungen über die NSA, selbst wenn sie illegal beschafft wurden, auf der selben Stufe wie die sexuellen Eskapaden eines Reality-TV-Starlets, dessen Handy gehackt wurde?"
Archiv: New Republic

The Verge (USA), 27.08.2013

In ihrer kleinen Kulturgeschichte des Bleep geht Maria Bustillos dem Widerspruch zwischen Redefreiheit und dem Entfernen anstößiger Inhalte auf den Grund - der letztlich vielleicht gar kein Widerspruch ist: "Es ist naheliegend zu glauben, dass selbst eine so milde Variante der Zensur wie broadcast bleeping eine Beschneidung der Freiheit darstellt, aber die Wahrheit ist komplizierter. Tatsächlich kann Bleeping ebenso gut als eine besonders lebhafte Demonstration angewandter Redefreiheit verstanden werden. Denn der Zensur-Bleep lenkt automatisch die Aufmerksamkeit auf das, was er eigentlich verdecken soll, er markiert es, indem er es lautstark auslässt."
Archiv: The Verge
Stichwörter: Redefreiheit, Beschneidung

El Espectador (Kolumbien), 30.08.2013

"Ponchos, Töpfe und Demokratie." Der kolumbianische Philosoph Rodolfo Arango kommentiert die aktuellen massiven Bauernproteste in Kolumbien: "Unter ‚Fortschritt' hat man hierzulande immer nur Städtebau und die Errichtung von Infrastruktur verstanden und dabei Millionen von Menschen auf dem flachen Land der Gewalt und sich selbst überlassen. Die Guerrilleros von FARC und ELN wie auch unsere Regierung sollten die Botschaft aufmerksam wahrnehmen: Ihr Krieg ist nicht mehr unser Krieg. 'Die Staatsoberhäupter, die des Krieges nie satt werden können', von denen Kant in seiner berühmten Schrift 'Zum ewigen Frieden' spricht, sind auch das Vorbild für unsere nationalen Oberhäupter, die der großen Mehrheit der Bevölkerung Schmerz, Armut und Elend aufzwingen. Was unseren gegenwärtigen idiotischen Zuständen ein Ende bereiten könnte, ist eben genau die friedliche Revolution aus Ideen und abgestimmten gemeinsamen Aktionen der Landbevölkerung."
Archiv: El Espectador

Elet es Irodalom (Ungarn), 30.08.2013

Anlässlich des jährlich stattfindenden Schriftstellertreffens in Tokaj beschrieb am 19. August der Publizist János Csontos in der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Nemzet die Entstehung des "neuen literarischen Kanons" der Wende und griff dabei direkt und namentlich die Schriftsteller Péter Nádas, Péter Esterházy und Lajos Parti Nagy an. Csontos warf ihnen vor, dass sie einen Pakt mit dem Chefideologen Kadars, György Aczél, eingegangen wären und dafür Publikationsmöglichkeiten und Geld erhalten hätten. Dafür sollten sie die "politisch wirklich unangenehmen" Schriftsteller an die Peripherie zu drängen. Peter Esterházy meint dazu gewohnt ironisch: "Wir müssen dankbar sein für die beflügelte Formulierung von Csontos. Dieser hat die träge Erinnerung bewegt. Ansonsten hätte ich gesagt, ich hatte mich nie mit Aczél getroffen, ich sah ihn in der Zeitung, im Fernsehen, doch so kommt die Erinnerung wieder, wie ich mich mit Nádas und Parti Nagy (von ihnen distanziere ich mich in aller Deutlichkeit) in einer Hütte traf, doch darüber möchte ich nicht weiter reden."

Und Peter Nádas schreibt: "Man kann über mich viel Schlechtes reden, und wenn jemand bei der Aufzählung nicht weiterkommen sollte, dann bin ich gerne behilflich. Aber mit gutem Herzen kann nicht wirklich gesagt werden, dass ich in irgendeinem System Kollaborateur gewesen wäre. Ich war ein freier Mensch und ich blieb ein freier Mensch. Csontos behauptet das Gegenteil. (...) Man kann nur wirkliche Ereignisse rekonstruieren. Wann hat uns Aczél zu sich gerufen? Und sind wir gemeinsam hingegangen oder getrennt? Denn soweit ich weiß, hat Esterházy Aczél nie getroffen, von Parti Nagy weiß ich es nicht (er war aber zu der Zeit auf dem Gymnasium). Was ich aber weiß ist, dass wir gemeinsam nirgendwo hingegangen sind. Wir hätten ja gehen können, jetzt bedauere ich es, das wir nicht einmal ins Freudenhaus gemeinsam gegangen sind, aber wir sind es nicht."

Point (Frankreich), 29.08.2013

Bernard-Henri Lévy hat keine Zweifel, dass die Giftgasattacken in Syrien vom Assad-Regime zu verantworten sind - und scheint schon am letzten Montag, als er die am Donnerstag veröffentliche Kolume für le Point schrieb, einiges geahnt zu haben: "Barack Obama hat vor einem Jahr den Einsatz von Giftgas zur roten Linie erklärt. Entweder sein Wort gilt etwas, dann muss er reagieren - oder er zögert und gestikuliert nur mit seinen Kriegsschiffen, dann haben sein Wort und das seines Landes keine Glaubwürdigkeit und keine Relevanz mehr, dann gratulieren wir zu den Folgen in Nordkorea und dem Iran und all den anderen Ländern, die von Massenvernichtungswaffen träumen und die in Syrien einen Testfall für die Entschlossenheit der demokratischer Länder erkennen."
Archiv: Point

Open Democracy (UK), 30.08.2013

In der syrischen Oppostion sind nicht alle Fraktionen für eine Intervention des Westens, erklärt Odai Alzoubi, einige lehnen jedes Eingreifen von außen ab, andere wollen nur ein humanitäres. Die Befürworter schildert er als ziemliche Hardliner: "Eine dritte Partei glaubt, dass wir eine militärische Intervention brauchen. Sie argumentiert so: Es gibt keine moralische oder humanitäre Interventionen, wir müssen die bösen Kräfte des Westens zuhilfe rufen, weil dies der einzige Weg ist, um Assad an einem weiteren Einsatz von Giftgas zu hindern... Trotzdem zieht diese dritte Fraktion die Motive und Ziele der Intervention in Zweifel. Warum jetzt? Was ist mit den mehr als Hunderttausend Syrern, die von Assad getötet wurden? Warum Assad bestrafen? Weil er die Regeln verletzt, die von eben Mächten aufgestellt wurden - die Regeln, die sagen: 'Keine chemische Waffen auf diesem Planeten, weil Amerika es so will.'"

Wie die Faust aufs Auge passt dazu ein Interview mit Noam Chomsky, das Mohammed Attar für die Heinrich Böll Stiftung bereits im Juli dieses Jahres geführt hat: "Lange Zeit hat sich die arabische Welt illusorischen Vorstellungen über die übernatürlichen Mächte der Vereinigten Staaten hingegeben, die mithilfe vertrackter Verschwörungen angeblich alles kontrollieren. In dieser Weltsicht können alle Ereignisse mit imperialistischen Verschwörungen erklärt werden. Aber das ist ein Fehler."
Archiv: Open Democracy

New Yorker (USA), 26.08.2013

Online ist jetzt David Remnick Reportage aus dem Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien, in das sich über hunderttausend Syrer aus dem bitterarmen und heftig umkämpften Süden des Landes gerettet haben. "In Zaatari, meinte ein Helfer, gibt es kaum mehr als 'Sand, Schlangen und Skorpione'. Der Aufstand in Syrien, der 25 Meilen entfernt in Daara begann, hat all dies verändert. Der Strom der Flüchtlinge von Syrien nach Jordanien hat katastrophale Ausmaße erreicht - Tausende jede Nacht, die, immer im Visier der Scharfschützen, zu Fuß über die Grenze kommen -, so dass Mafraq, um nur eine Stadt zu nennen, aufs Doppelte angewachsen ist. Jordanien konnte mit einer Bevölkerung von sechs Millionen Menschen, viele von ihnen vertriebene Iraker und Palästinenser, nicht länger unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen. Ein Camp musste gebaut werden. Während des Ramadan im letzten Sommer errichteten der UNHCR, die Jordanier und eine Liste internationaler Hilfsorganisationen das Zaatari-Flüchtlingslager innerhalb von zwei Monaten. Zuerst musste der Sand mit Kies bedeckt werden, ein teures Projekt, das Sandstürme im Sommer und Schlammlawinen im Winter verhindern soll. Es half nichts. Es gab die Sandstürme. Es gab Schlammlawinen. Die Schlangen und Skorpionen blieben auch."

Im aktuellen New Yorker porträtiert John Lahr außerdem die Schauspielerin Claire Dane, die als bipolare CIA-Agentin Carrie Mathison in der Serie "Homeland" in fünf Richtungen gleichzeitig gucken kann.
Archiv: New Yorker

Espresso (Italien), 02.09.2013

Roberto Saviano erklärt in seiner stets lesenswerte Kolumne, wie Drogentransporte heute funktionieren. Anlass ist die Meldung, das zwei junge Mädchen aus Irland und UK in Peru festgenommen wurden. Sie waren auf Ibiza, wo sie in Diskotheken arbeiteten, angeheuert worden. "Sie sind jung und oft weiblich. Sie haben glatte Gesichter und keinerlei Vorgeschichte. Oft sind die Kuriere nicht mehr Lateinamerikaner, sondern Europäer - das ist weniger verdächtig. In diesem Fall haben sie allerdings den Stress nicht ausgehalten, sie waren nicht trainiert genug. Michaella McCollum und Melissa Reid sind auf dem Flughafen von Lima durch ihre Nervosität aufgefallen. Sie hatten Kokain im Wert von 2,3 Millionen Dollar in ihren Koffern, versteckt unter anderem in Kakaopackungen. Sie hatten nach Ibiza eingecheckt, von wo sie gekommen waren. Nun drohen ihnen 25 Jahre Gefängnis."
Archiv: Espresso

The Nation (USA), 16.09.2013

Albert Camus' Schriften zu Algerien sind in den USA erschienen und geben Anlass zu einigen größeren Besprechungen in den großen amerikanischen Zeitschriften. Algerien war Camus persönliche Tragödie - er hoffte auf einen dritten Weg zwischen Kolonialismus und Unabhängigkeit, etwa in Form eines Bundesstaats, schreibt Thomas Meaney. Der Rezensent hält bei aller Symapthie mit Camus, wie fast alle heutigen Autoren, daran fest, dass sich Camus in der Frage geirrt hätte - als hätte seine siegreiche Gegenseite, der Radikalismus Sartres, Fanons und später Saids, nicht viel fataler falsch gelegen. Mit Algerien geriert das Verhältnis zwischen "erster" und "dritter" Welt auf eine schiefe Bahn, die sie bis heute nicht verlassen hat. In den Augen Camus', schreibt Meaney, "war die von der Front de Libération Nationale (FLN) verfochtene Version der Unabhängigkeit eine Katastrophe für Frankreich, Algerien und den Westen. Sie bedeutete nicht nur, dass Algerien einer Handvoll Terroristen ausgeliefert wurde und mehr als eine Million pieds-noirs in die Vertreibung führte, sie bedeutete auch einen Sieg für den 'neuen arabischen Imperialismus' Ägyptens und für die antiwestliche Strategie der Sowjetunion." Meaney polemisiert auch gegen Paul Berman, der in The New Republic neulich Camus' Position verteidigte.
Archiv: The Nation

Merkur (Deutschland), 01.09.2013

Eva Geulen liest Benoit Peeters Derrida-Biografie als eine derjenigen, die von Derridas Texten intellektuell sozialisiert wurden. So vieles ist denen nicht geblieben: "Deshalb können sie sich ziemlich alt vorkommen, sind aber doch nicht alt genug, um zuverlässig zu wissen, ob die unglaubliche Ermächtigung, die von den bei Derrida und in seinem Umkreis praktizierten Lektüren lange ausging, lebensweltliche Gründe des Jungseins hatte - oder ob die als Lektürepraxis verstandene Dekonstruktion tatsächlich eine nahezu präzedenzlose und vielleicht die letzte Ermächtigung der Geisteswissenschaften darstellte, insbesondere der an Literatur und Philosophie interessierten. Diese Ermächtigung verdankte sich dem Gefühl, dass vor einer bestimmten Lektürepraxis kein Text - literarischer, philosophischer oder politischer Provenienz, Zeitungsartikel, Einkaufslisten, Filme, Werbung, Dylan oder Pop - sicher oder gefeit wäre; die Qualität der Gegenstände erwies sich an der Komplexität der Lektüren, die sie zuließen und forderten. Dieses Gefühl hat sich mit den Jahren verloren."

In seiner Designkolumne huldigt Christian Demand der glatten Oberfläche und fragt unter anderem, warum eigentlich Walter Ulbricht das Bauhaus zum obersten Gegner im Kampf der DDR gegen Formalismus und avantgardistische Experimente macht. Demand empfiehlt die erhellende Schrift "Cold War on the Home Front" des Designhistorikers Greg Castillo: "Man versteht zugleich auch, weshalb DDR-Politiker wie Walter Ulbricht, von persönlichen Geschmackspräferenzen einmal abgesehen, sich Anfang der fünfziger Jahre vom Bauhaus und allem, was irgendwie daran erinnerte, derart ostentativ distanzieren mussten, anstatt es weltanschaulich vereinnahmen zu können: Die Amerikaner waren ihnen schlicht zuvorgekommen."
Archiv: Merkur

Economist (UK), 31.08.2013

"Die Zeiten für Inspektionen sind vorbei", schreibt der Economist mit Blick auf die momentane Situation in Syrien und an Obamas Adresse: "Treff ihn hart!" Damit folgt er bereits früheren Plädoyers für einen gezielten Schlag gegen das Land: "Amerikas Zaudern hat Leben gekostet. Bereits vor einem Jahr argumentierten wir für eine Militärintervention: Nicht für eine Besetzung durch den Westen, doch für energische Bewaffnung der Rebellen, die Schaffung humanitärer Korridore, die Errichtung von Flugverbotszonen und, sollte Assad diese ignorieren, für Luftschläge gegen sein Verteidigungssystem und seine Artillerie. ... Mittlerweile haben sich die Fakten traurig gewandelt: Assads Regime ist stabiler, die Rebellen, abgeschnitten von westlicher Unterstützung und vor allem von den Saudis und Qataris abhängig, islamistischer, während die extremistischsten Jihadis an vorderster Front." Mehr dazu auch an dieser Stelle, sowie hier ein Überblick über die Geschichte chemischer Waffen.

Weiteres: Mit sorgevollem Blick beobachtet der Economist, dass sich Russland unter Putin zusehends dem Westen entsagt und sich China zuwendet. Und Satire boomt im Internet, erfahren wir hier, aber auch, dass sich davon immer schlechter leben lässt.
Archiv: Economist

Harper's Magazine (USA), 24.08.2013

In Japan gibt es nun die Möglichkeit, Kuschelnickerchen mit weiblicher Begleitung zu buchen. Gideon Lewis-Kraus hat sich die Sache einmal genauer angesehen und dabei Yukiko, eine Soziologie- und Kulturwissenschaftsstudentin, kennengelernt, die am liebsten in Belgien leben möchte. Dass es sich hierbei keineswegs um ein unmoralisches Gewerbe handelt, erfahren wir auch: "Für 3000 Yen, oder knapp 30 Dollar, habe ich die Mitgliedschaft in Tokios erstem Co-Schlaf-Café erworben, dann zahlte ich weitere 3000 Yen für 40 Schlafminuten; normalerweise sind es 5000, doch als Einsteiger qualifizierte ich mich für den Promo-Tarif (Das 10-Stunden-Gesamtpaket kostet 50000 Yen, ganze 20 Prozent Discount). Ein Video erklärte mir dann, dass alle sexuellen Angebote, ganz unabhängig von finanziellen Anreizen, verweigert würden. Dafür gibt es Bonus-Angebote gegen Aufpreis: Ich wählte 'einander in die Augen schauen' (1000 Yen pro Minute) und 'den Kopf getätschelt bekommen' (1000 Yen pro Minute). Andere Optionen beinhalteten den einmaligen Wechsel ihres Schlafanzugs, Schlafen in Löffelchenstellung oder mit dem Kopf in ihrem Schoß. So verlockend diese auch wirkten, schien es mir doch, als würde hier eine Art Grenze überschritten."

Nepszabadsag (Ungarn), 31.08.2013

Vor kurzem wurde in Ungarn "Blendwerk" veröffentlicht, der 2009 auf Deutsch erschienene zweite Band des autobiografischen Romans "Die gelöste Zunge" des deutschen Exilschriftstellers und Übersetzers aus dem Ungarischen, Hans-Henning Paetzke. Lajos Csordás ist überrascht von der politischen Klarsicht des Autors: "Die Neugier des Lesers über den politischen Underground der Vorwendezeit und dessen organische Beziehungen zur Literatur wird bestens befriedigt. Es dauerte eine gewisse Zeit, so schreibt Paetzke, bis sich hinter den blendenden Kulissen des Operettenlandes die gähnenden Schluchten auftaten. Nach dieser Erkenntnis suchte er immer öfter Erklärungen für die Urlügen des Kádár-Systems und die fortdauernden Sünden der Rákosi-Ära bei den Zeitzeugen. Paetzke kam zu der Erkenntnis, dass zwischen Täter und Opfer in vielen Fällen nur ein Haar liegt. Er half aktiv der liberalen Opposition, bis er 1984 des Landes verwiesen wurde. Das Buch ist ein subjektives Bild der Zeit des Gulyás-Kommunismus der 70er und 80er Jahren in Ungarn und Osteuropa. Der wahre Wert des Buches ist aber nicht literarisch, sondern das überraschend ehrliche Festhalten der Wirklichkeit."
Archiv: Nepszabadsag

New York Times (USA), 29.08.2013

Im NYT Magazine empfiehlt Alessandra Stanley vier aktuelle französische Fernsehserien: die Krimiserie "Engrenages", "Maison Close" über ein Pariser Luxusbordell im 19. Jahrhundert, die Zombieserie "Les Revenants" sowie "Un Village Français", die in einem französisches Dorf zur Zeit der Nazi-Besatzung spielt. Leider, so Stanley, ist es nahezu unmöglich, an diese Serien in den USA auf legalem Wege heranzukommen: "Das Fernsehen offenbart die Grenzen der Globalisierung. Im Zeitalter von Callcentern in Mumbai, von Online Offshore Banking, Skype Chats, Drohnenangriffen, Satellitentelefonen und Vogelgrippe-Pandemien sind Staatsgrenzen beinahe anachronistisch. Nur ausländische TV-Serien, die in Minnesota genauso zugänglich sein sollten wie in Monte Carlo, sind nicht ohne weiteres erhältlich." In Deutschland sieht es leider nicht besser aus, wer sich für die Serien interessiert, importiert am besten die DVDs (z.B. versandkostenfrei aus UK bei play.com).

Die Titelgeschichte ist ein Auszug aus einem neuen Buch der kanadischen Reporterin Amanda Lindhout über ihre Entführung in Somalia.
Archiv: New York Times