Magazinrundschau
Sadik al-Azm: Rushdie ist der neue Galilei
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
04.09.2007. In der Internationalen Politik sieht der syrische Philosoph Sadik al-Azm in Salman Rushdie einen neuen Galileo Galilei. Al Ahram stellt erschrocken fest, dass die Masturbation in Ägypten den Sex ersetzt hat. Der Economist erklärt, warum die USA kein Problem mit Moscheebauten haben. L'Espresso begibt sich auf die Spur des Paten von San Luca, Ntoni Gambazza. In der Gazeta Wyborcza unterhalten sich Adam Krzeminski und Heinrich August Winkler über das verwickelte deutsch-polnische Verhältnis. Prospect beklagt die politische Apathie der indischen Mittelklasse. Outlook India fragt, was Menschen dazu bringt, einen Rekord im Ketchup-Schnelltrinken aufzustellen. Im Folio führt Nigel Barley durch die totale Überwachungsstadt London. In Nepszabadsag stellt Noam Chomsky klar, dass die USA sozialistischer waren als Osteuropa. Und die New York Times porträtiert Musikguru Rick Rubin.
Internationale Politik (Deutschland), 01.09.2007

Al Ahram Weekly (Ägypten), 30.08.2007

Außerdem zeigt sich ebenfalls Karim El-Khashab bemüht um eine neutrale Berichterstattung über den in Kairo lehrenden Soziologen Saadeddin Ibrahim, der in der Washington Post heftige Vorwürfe gegen die ägyptische Regierung erhebt. Salonaz Sami informiert über das bei den jungen Erwachsenen Kairos in Mode gekommene "Cruisen", d.h. das ziellose Herumfahren mit dem Auto durch den dichten Großstadtverkehr und hat sich mit ägyptischen DJs der jüngeren Generation getroffen.
Economist (UK), 31.08.2007

Auf der Titelseite fragt der Economist "Wer hat Angst vor Google?" und analysiert Chancen und Risiken für die Zukunft der Firma - und die Nebenwirkungen ihres Erfolgs auf Internet und Gesellschaft.
Weitere Artikel: Nachdem eine Investmentfirma große Teile des Strands von Coney Island aufgekauft hat, droht sich dessen Gesicht radikal zu verändern - die Firma plant, wie der Economist berichtet, Themenrestaurants, Hotel-Hochhäuser und einen High-Tech-Vergnügungspark. In den USA (freilich nicht in Texas) wächst, wie aktuelle Statistiken zeigen, die Skepsis gegenüber der Todesstrafe. Besprochen werden Yasmina Rezas Begleitbuch über den Wahlkampf von Nicolas Sarkozy, eine Amerigo-Vespucci-Biografie, das Theaterstück "A Disappearing Number" der Kompanie "Theatre de Complicite" und die Attraktionen des Festivals von Edinburgh.
Espresso (Italien), 31.08.2007

In seiner Bustina di Minerva erinnert Umberto Eco an Norman Cohn und dessen Thesen zu den angeblichen "Protokollen" der Weisen von Zion.
Gazeta Wyborcza (Polen), 01.09.2007

Prospect (UK), 01.09.2007

Weitere Artikel: Am Beispiel einer Familie beschreibt Kim Sengupta das ganze Elend des Irak seit dem Einmarsch der westlichen Truppen. Edward Skidelsky porträtiert den 1923 geborenen Schriftsteller Nicholas Mosley, den moralische Fragen umtreiben und der mit dem Realismus jüngerer britischer Autoren wie Allan Hollinghurst oder Ian McEwan wenig anfangen kann.
Outlook India (Indien), 10.09.2007
Shruti Ravindran versucht die indische Obsession für das Aufstellen von verrückten Rekorden mit Psychologen zu erklären. Letztlich bleiben Fälle wie der von Harprakash Rishi aber unerklärliche Einzelphänomene. Er ließ sich alle Zähne ziehen, um 555 Strohhalme in den Mund zu bekommen. "Rishis schaffte es vor zwanzig Jahren zum ersten Mal ins Guinnes Buch, als er zwanzigtausend Kilometer auf einen Luna-Moped zurücklegte. Er hat seitdem eine ganze Reihe von Anträgen eingeschickt, von denen 47 noch nicht anerkannt sind. Darunter gibt es den Rekord für das schnellste Ketchup-Trinken, den längsten Domain-Namen, das längste Testament, das längste Non-Stop-Tragen eines Ziegels, die weiteste Curry/Pizza-Lieferung, den Verzehr der meisten Chilis innerhalb von drei Minuten, und die meisten leeren Seiten in einem veröffentlichten Buch. Seltsamerweise auch den größten Büstenhalter. Seine Begeisterung ist ansteckend. Sogar seine Frau, Bimla Rishi, hat einen Rekord für das kürzeste Testament, das aus zwei Worten in Hindi besteht, die 'Alles dem Sohn' bedeuten."
Nach den Bombenattentaten von Hyderabad mit 41 Toten bezweifelt Saikat Datta die Theorie der Regierung, die Terrorgruppen aus dem Ausland verantwortlich macht: "Niemand hier gibt sich der Illusion hin, dass es einige Bangladeshis waren, die Tage und Nächte damit zugebracht haben, die Ermordung von indischen Bürgern in Hyderabad zu planen. Die meisten Menschen glauben, dass die Ursachen für diesen entsetzlichen Akt in der Stadt selbst liegen. Sie halten ihn für vielfach verwoben mit der komplexen politischen Matrix von Hyderabad, besonders der Altstadt... Sie ist arm, rückständig, ohne auch nur die einfachsten Annehmlichkeiten und in Quartiere unterteilt, von denen einige ganz von Muslimen dominiert werden, andere eine gemischte Hindu-Muslim-Bevölkerung haben."
Weiteres: Shefalee Vasudev kann die Feministinnen beruhigen: Die Diskussion ist nicht zu Ende, sie wird nur unspektakulärer, dafür aber auf breiter Front weitergeführt. Besprochen wird die erste gemeinsame westlich-indische Kunstausstellung in Delhi, in der Francis Bacon und Lucian Freud neben Francis Newton Souza und Tyeb Mehta hängen.
Nach den Bombenattentaten von Hyderabad mit 41 Toten bezweifelt Saikat Datta die Theorie der Regierung, die Terrorgruppen aus dem Ausland verantwortlich macht: "Niemand hier gibt sich der Illusion hin, dass es einige Bangladeshis waren, die Tage und Nächte damit zugebracht haben, die Ermordung von indischen Bürgern in Hyderabad zu planen. Die meisten Menschen glauben, dass die Ursachen für diesen entsetzlichen Akt in der Stadt selbst liegen. Sie halten ihn für vielfach verwoben mit der komplexen politischen Matrix von Hyderabad, besonders der Altstadt... Sie ist arm, rückständig, ohne auch nur die einfachsten Annehmlichkeiten und in Quartiere unterteilt, von denen einige ganz von Muslimen dominiert werden, andere eine gemischte Hindu-Muslim-Bevölkerung haben."
Weiteres: Shefalee Vasudev kann die Feministinnen beruhigen: Die Diskussion ist nicht zu Ende, sie wird nur unspektakulärer, dafür aber auf breiter Front weitergeführt. Besprochen wird die erste gemeinsame westlich-indische Kunstausstellung in Delhi, in der Francis Bacon und Lucian Freud neben Francis Newton Souza und Tyeb Mehta hängen.
London Review of Books (UK), 06.09.2007

Weitere Artikel: Ed Harriman rekonstruiert, wohin all die US-Gelder für den Irak-Aufbau fließen - in den tatsächlichen Aufbau, stellt sich heraus, nur zum geringeren Teil. Daniel Soar informiert über technische Hindernisse für die geheimdienstliche Überwachung der Telekommunikation. Fintan O'Toole berichtet, dass jüngst ein Spieler der gälischen Fußball-Liga wüst beschimpft wurde - und erklärt die komplizierten Familien-Hintergründe der Geschichte, die tief in die Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten führen. Peter Campbell bespricht eine Ausstellung mit italienischen Renaissance- und Barock-Werken in der Londoner Royal Collection.
Nepszabadsag (Ungarn), 03.09.2007

Nach der Gründung der rechtsextremen "Ungarischen Garde" hat Zoltan Pokorni, der stellvertretende Vorsitzende der konservativen Oppositionspartei Fidesz, erklärt, diese Gruppe sei ein "Marketinggeschenk" für die sozialliberale Regierung. György Bugyinszki urteilt, die Konservativen wollten die rechtsextreme Szene schönreden: "Sie haben nichts dagegen, dass die Neonazis die Flagge der ungarischen Nazis der 1940er Jahre verwenden: Die österreichische Nationalflagge hat ja die gleichen Farben. Auch die schwarze Uniform sei nichts Schlimmes: Rabbiner und Schornsteinfeger sind ja auch schwarz gekleidet. Und im Schießen üben dürfe sich heute jeder... Die rechtsextreme Partei Jobbik, aus der die 'Ungarische Garde' hervorgegangen ist, hat erst vor einigen Wochen ihre Gesinnungsgenossen aufgehetzt, die friedlichen Demonstranten des Budapester Gay Pride brutal zusammenzuschlagen. Es ist also völlig überflüssig, darüber zu diskutieren, ob Jobbik faschistisch ist, und es ist heuchlerisch zu fordern, man solle abwarten, was die 'Ungarische Garde' wirklich tun werde. Was Jobbik während des Gay Pride getan hat, ist per definitionem faschistisch."
Folio (Schweiz), 03.09.2007

Heribert Prantl warnt davor, den Rechtsstaat dem "Monstrum Terrorismus zum Fraß" vorzuwerfen: "Wer hier den großen Kehraus veranstaltet, der kehrt, angeblich oder vermeintlich zur Verteidigung des Rechtsstaats, genau das weg, weswegen dieser Rechtsstaat verteidigt werden muss. Dann stirbt die Freiheit an ihrer Verteidigung. Was die westlichen Demokratien als Kampf gegen den Terrorismus bezeichnen, ist eher eine Flucht vor dem Terrorismus. Sie stellen sich der Bedrohung, indem sie vor ihr davonlaufen und dabei die Werte wegwerfen, auf die sie einst stolz waren. Der Westen ist, im canettischen Sinn, eine Fluchtmasse. Dem Terrorismus standhalten verlangt aber: an den Grundsätzen des Rechtsstaats festhalten. Der starke Staat ist der Staat, der seine Regeln verteidigt, nicht der, der sie aufgibt."
Weitere Artikel: Franz Zauner warnt in seinem Artikel vor infektiösen Computerviren, die "einen unersättlichen Appetit auf unsere Daten" haben. Anja Jardine spricht mit dem Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer, der uns in einem "Angstkreis des Perfektionismus" gefangen sieht.
Nouvel Observateur (Frankreich), 30.08.2007
Auch in Frankreich erscheint nun der neue Roman "Talk Talk" von T.C. Boyle. Aus diesem Anlass gibt der Autor in der Abteilung Reflexions Auskünfte über sich, seine Literatur und seine nächsten Projekte. "Den amerikanischen Traum gibt?s sehr wohl: Es ist der Traum von der sozialen Flexibilität. Ich bin ein lebendes Beispiel dafür. Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie und war der erste, der studiert hat. In meinem Leben hat es große Mentoren gegeben, Vaterfiguren. Die meisten von ihnen waren Schriftsteller und Lehrer. Sie haben mein Leben verändert. Ich zahle mit Vergnügen meine Schulden ab, indem ich weiterhin an der University of Southern California unterrichte. Das Unterrichten ist mein gesellschaftlicher Beitrag. Ich könnte diese Zeit mit Lesen oder Golfspielen verbringen, aber ich glaube leidenschaftlich an die Literatur."
Guardian (UK), 01.09.2007

Der Kollege Jonatham Lethem erklärt den Pop und sein falsches Versprechen der Selbstverwirklichung zum großen Trostbringer unserer Gesellschaft. Erläutert wird das Ganze anhand Lethems eigener Tanzbiografie, die 1991 ihren Gipfel erreichte. "Mitten in einer ermüdenden Reihe von Songs kam "Kiss" von Prince, und als ich mich von diesem Lied ergreifen, es wie eine Droge durch meinen Körper strömen ließ, mit einem Tanzstil zwischen unausgegorenem Kalkül und stumpfer Ekstase, da war ich mir sicher, dass niemand je besser getanzt hat. Ich stellte mir damals vor, dass es irgendwo auf der Welt zwar jemanden gab, der meine Sätze schreiben konnte, und auch jemanden, der so tanzte wie ich, aber dass da eben keiner war, der zugleich so tanzen und schreiben konnte wie ich. Und ich glaube das beinahe bis heute."
Buch der Woche ist das laut Christopher Tayler unerwartet humorige "Diary of a Bad Year" von JM Coetzee. Besprechungen gibt es zu Kevin Jacksons Hommage an die britischen Dokumentarfilmer sowie unkonventionelle politische Essays von Eric Hobsbawm.
Tygodnik Powszechny (Polen), 02.09.2007

HVG (Ungarn), 03.09.2007

New York Times (USA), 02.09.2007

Außerdem staunt Frederick Kaufmann über die Untiefen des Tierfuttergeschäfts. Und Michael R. Gordon zweifelt, ob der Fahnenwechsel einer Sunni-Rebellen südlich von Bagdad von Dauer ist.
Die Sunday Book Review wird grün: Noch einen Schritt weiter als Rachel Carson mit ihrem "Silent Spring" geht Alan Weisman mit seinem morbiden, aber laut Jennifer Schuessler faszinierendem Ökothriller "The World Without Us". Handelnde Personen gibt es hier nicht, es gibt überhaupt keine Personen mehr, die Menschheit ist auf einen Schlag ausgelöscht. "Sogar in den Zentren der besiedelten Welt würde der Verfall schnell einsetzen. Wenn niemand an den Pumpen steht, würden sich New Yorks U-Bahn-Tunnel innerhalb von zwei Tagen mit Wasser füllen. In 20 Jahren wäre die Lexington Avenue ein Fluss. Von Feuer und Wind gebeutelte Hochhäuser würden irgendwann umstürzen wie gigantische Bäume. Nur Wochen nach unserem Verschwinden würden die 441 Atomkraftwerke zu radioaktiven Haufen zusammenschmelzen, während die petrochemischen Anlagen, die auch heute schon 'tickende Zeitbomben' sind, sich auf Jahrzehnte hinaus in brennende und giftspuckende Geysire verwandeln würden. Abseits dieser Problemzonen schildert Weisman eine Welt auf ihrem langsamen Weg zurück in die Wildnis. Nach ungefähr 100 000 Jahren wären die Kohlendioxidwerte wieder auf vormenschlicher Höhe. Domestizierte Arten, von der Kuh zur Karotte, würden sich hin zu ihren Vorfahren zurückentwickeln."
Weiteres: Als "eine Art Meisterwerk" bezeichnet Jim Lewis den neuen Roman "Tree of Smoke" von Dennis Johnson, einem Experten für Trauer und Hoffnungslosigkeit - aber immer originell präsentiert. Nick Gillespie studiert Matt Bais "The Argument", eine nicht sehr freundliche Analyse der amerikanischen Demokraten. Pagan Kennedy begibt sich auf Myspace, um herauszufinden, aus welchem Holz die Leser seiner Bücher geschnitzt sind. Viele essen vegane Erdnussbutter, wie er feststellen muss.