Magazinrundschau

Die Magazinrundschau

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
08.11.2005. Das ES-Magazin feiert einen Jahrhundertroman: Peter Nadas' "Parallele Geschichten". Im Spiegel sieht Hans Magnus Enzensberger in den Islamisten radikale Verlierer, wie es auch die Nationalsozialisten waren. Der New Yorker fragt, ob die CIA ihre Gefangenen im Ausland legal töten kann. Polen wird immer noch durch die Grenze von 1918 geteilt, stellt Polityka angesichts der Präsidentschaftswahlen fest. Verhindert die fehlende Aufarbeitung der französischen Kolonialgeschichte eine Integration der Einwanderer?, fragt Le Nouvel Observateur. George Bush benimmt sich wie ein Kommunist, bemerkt der Spectator. Religiöse Autoritäten in Ägypten verhindern das Erscheinen eines Buches über den Wahabismus, meldet Al Ahram. Jane Austens "Stolz und Vorurteil" ist die Fruchtfliege der literarischen Darwinisten, weiß das New York Times Magazine.

Spiegel (Deutschland), 07.11.2005

Hans Magnus Enzensberger analysiert den "radikalen Verlierer" wie er sich gestern in den Nationalsozialisten und heute in den Islamisten manifestiert. Die Anziehungskraft der Islamisten heute speist sich vor allem aus dem sich über Jahrhunderte hinziehenden Niedergang der islamischen Kultur: "In den letzten vierhundert Jahren haben die Araber keine nennenswerte Erfindung hervorgebracht ... Alles, worauf das tägliche Leben im Maghreb und im Nahen Osten angewiesen ist, jeder Kühlschrank, jedes Telefon, jede Steckdose, jeder Schraubenzieher, von Erzeugnissen der Hochtechnologie ganz zu schweigen, stellt daher für jeden Araber, der einen Gedanken fassen kann, eine stumme Demütigung dar." Welche Folgen das Bewusstsein einer permanenten und selbstverschuldeten Unterlegenheit auslöst, beschreibt Enzensberger am Beispiel der Deutschen: "Die Vermutung liegt nahe, dass es Hitler und seiner Gefolgschaft nicht darum ging zu siegen, sondern den eigenen Verliererstatus zu radikalisieren und zu verewigen. Zwar entlud sich die angestaute Wut in einem beispiellosen Vernichtungskrieg gegen alle anderen, die sie für ihre eigenen Niederlagen haftbar machten ... aber es lag ihnen völlig fern, die Deutschen zu verschonen. Ihr eigentliches Ziel war nicht der Sieg, sondern die Ausrottung, der Untergang, der kollektive Selbstmord, das Ende mit Schrecken."

Außerdem: Lars von Trier erzählt im Interview, was ihn zu seinem Film "Manderlay" inspiriert hat: "Ich wollte einen Film drehen, der meinen Eltern - vor allem meiner Mutter, einer überzeugten Sozialistin - gefallen hätte." Im Aufmacher erzählt der Spiegel, wie es 16 Jahre nach dem Mauerfall dazu kam, dass wir von zwei Ostdeutschen regiert werden.
Archiv: Spiegel

Elet es Irodalom (Ungarn), 04.11.2005

Die literarische Sensation des Herbstes in Ungarn ist eindeutig Peter Nadas' Roman "Parallele Geschichten". Er wird von der Literaturkritik als Jahrhundertroman gefeiert - ebenbürtig Werken wie Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften" und Leo Tolstois "Krieg und Frieden". Warum es in diesem Roman statt eines Ich-Erzählers mehrere, von der ersten in die dritte Person "gleitende" Erzähler gibt, die statt einer Geschichte "parallele Geschichten" vom Ungarn des 20. Jahrhunderts erzählen, sagt Peter Nadas im Interview: "Früher habe ich gehofft, dass die Liebe das Individuum in einer Diktatur retten kann, dass der Liebesroman wenigstens von der Bewahrung der Sehnsucht nach Freiheit erzählen kann. Ich musste einsehen, dass das Individuum nicht gerettet werden kann, sondern jene Banalität eintritt, die wir aus dem wunderschönen Gedicht von Gyula Illyes 'Ein Satz über die Tyrannei' kennen: Die Tyrannei stieg sogar ins Hochzeitsbett, infizierte sogar die Paarung. Wenn die Tyrannei sogar in der Liebe, in den intimsten Situationen zu spüren ist, dann dringt die Gesellschaft sehr tief ins Individuum hinein. Dann wirken kollektive Bewusstseinsinhalte nicht nur als kultureller Kitt, sondern auch als zerstörerische, vernichtende Kraft. Die Frage ist, ob es überhaupt ein Individuum gibt, wenn solche kollektiven Kräfte in einem einzigen Menschen toben. Wo ist die Person in mir, wenn das Herdentier in mir so stark ist?"

Das ES-Magazin ist nicht überrascht, dass in der von Foreign Policy und Prospect präsentierten Liste der 100 wichtigsten Intellektuellen der Welt, die Osteuropäer stark unterrepräsentiert sind. Verfasser der Liste "kennen sich nach eigenen Angaben vor allem im englischen Sprachgebiet aus. Großbritannien ist mit seinen ehemaligen Kolonien enger verbunden als mit den großen Kulturnationen des europäischen Kontinents. Deshalb ist Kenia, erfreulicherweise, sogar mit zwei Namen vertreten - soviel wie Deutschland", kommentierte in der vorletzten Ausgabe Janos Szeky. Die Wahl Noam Chomskys zum wichtigsten der 100 wichtigsten Intellektuellen erklärt er sich in der letzten Ausgabe mit der Faszination, die der Typ des "radikalen Oppositionellen, den Chomsky verkörpert", auf die "altliberalen, regierungs- und establishmentfreundlichen Leser beider Magazine" ausübt.

Nouvel Observateur (Frankreich), 03.11.2005

Der Historiker Pascal Blanchard untersucht in einem Buch, das jetzt in Frankreich von sich reden macht, "La Fracture coloniale". Darin beklagt er eine massive Verdrängung der französischen Kolonialgeschichte, von der nur unbedeutende Reste im Gedächtnis der heutigen Franzosen geblieben seien. Vielleicht einer der Gründe für die Jugendunruhen? Im Interview mit dem Nouvel Obs sagt Blanchard: "Diese Frage betrifft sieben Generationen und gut 700 Millionen Individuen. Wenn ein Land überhaupt kein Material und keine Orte der Information über eine solche Frage zur Verfügung stellt - was soll ein Geschichtslehrer vor einer Schulkasse, die zu siebzig Prozent aus Abkömmlingen ehemaliger Kolonien besteht, dann machen? Was soll er sagen? Der Schüler hat in dieser Geschichte nur das Gefühl, als 'Feind der Republik' wahrgenommen zu werden oder in dieser langen Geschichte der Nation als illegitim zu gelten." Auch der Figaro befasst sich mit dem Buch und weiteren Neuerscheinungen zum Thema.

Vorgestellt werden außerdem unter anderem zwei Bücher gegen die "Vergötterung des Fortschritts": "Nous autres, modernes" (Ellipses) des Philosophen Alain Finkielkraut, ein Sammelband seiner Vorlesungen an der Ecole polytechnique, und "Moderne contre moderne" des Schriftstellers und Essayisten Philippe Muray. "Glaubt man Muray und Finkielkraut, ist sich die Moderne in ihrer ultramodernen Einsamkeit selbst zum Feind geworden. Die Moderne hat die Moderne durch Chaos besiegt."

New Yorker (USA), 14.11.2005

In einer ausführlichen Reportage untersucht Jane Mayer den Tod des in Abu Ghraib bei einem Verhör zu Tode gekommenen mutmaßlichen Terroristen Manadel al-Jamadi und geht der Frage nach, ob die CIA "Gefangene legal töten" könne. Der Hintergrund: "Nach dem 11. September stellte das Justice Department geheime, legale Richtlinien auf, welche offenbar CIA-Agenten absichern, die außerhalb der Vereinigten Staaten aggressive und auch gewalttätige Verhöre durchführen. Techniken wie das 'Wassertauchen', bei dem Verdächtige fast ertränkt werden, wurden von einer Behörde ausdrücklich genehmigt, die meint, dass derartige Methoden nötig wären, um den Krieg gegen den Terrorismus zu gewinnen." Die Bemühungen, genaue Auskunft über diese Richtlinien zu erhalten und vor allem, herauszufinden, wer genau für den Tod von al-Jamadi verantwortlich ist, werden von der Regierung blockiert. "Es besteht die Möglichkeit, dass nach den geheimen Richtlinien die Tötung Jamadis kein Gesetzesbruch war."

Weitere Artikel: John Seabroock traf den Soziolinguisten und bedeutendsten Dialektforscher der Vereinigten Staaten William Labov, der gerade einen "Atlas of North American English" herausgegeben hat. Wyatt Mason porträtiert den spanischen Schriftsteller Javier Marias und rezensiert seinen Roman "Your Face Tomorrow: Volume I, Fever and Spear", der jetzt in den USA erschienen ist. Sasha Frere-Jones erkundet den Houston HipHop von Bun B.. Und Anthony Lane sah im Kino das Familiendrama "Bee Season" von Scott McGehee und David Siegel und Joe Wrights Verfilmung von "Pride and Prejudice?, die ihn aufstöhnen lässt: "Jane Austen wurde brontefiziert." Zu lesen ist außerdem die Erzählung "The Best Year of My Life" von Paul Theroux.

Nur in der Printausgabe: ein Porträt des Schauspielers Steve Buscemi, der Kommentar zu einem offenbar inhaltlich zentralen Kompromiss bei den Demokraten, ein Bericht über ärztliche Kunstfehler und Lyrik von Mahmoud Darwish und Meghan O?Rourke.
Archiv: New Yorker

Espresso (Italien), 10.11.2005

Mahmud Ahmadinejads verbale Attacke gegen Israel ist Ausdruck der derzeitigen außenpolitische Stärke des Iran, meint Antonio Carlucci. "Das vorrangige Ziel der iranischen Führung ist die Vorherrschaft im Nahen Osten und auf Teilen der arabischen Halbinsel. Teheran hat verstanden, dass sein historischer Feind - die USA - nicht in der Lage ist, die Winkelzüge des Iran in der Region zu verhindern. Faktisch wird die iranische Präsenz im Irak durch die direkt kontrollierten politischen Parteien, die offen mit Leuten, Waffen und Geld unterstützt werden, von den Vereinigten Staaten im Namen des Kriegs gegen den Terrorismus toleriert."

Umberto Eco würdigt den verstorbenen französischen Künstler Arman (mehr), der mit seinen Vervielfältigungsarrangements die Vielfalt feierte. "Er zeigt uns, dass es im Inneren des Gleichen (viele Gabeln, viele Brillen, viele Musikinstrumente) die Möglichkeit einer Modulation der Multiplikation gibt. Im närrischen (aber eigentlich strengen Regeln folgenden) Spiel seiner Anordnungen, in dem jedes Objekt, durch eine Neigung, eine Ungleichgewichtigkeit, eine minimale Drehung, sich vom seinem Pendant unterscheidet, wandelt Arman die Monotonie des Identischen in eine Sinfonie des Heterogenen um."

Weiteres: Die 30-jährige saudi-arabische Fernsehmoderatorin Rania al-Baz sagt Gigi Riva im Interview, warum sie sich als eine der Ersten öffentlich für die Rechte der Frauen in ihrem Land stark macht: "Wenn nicht ich, wer dann?" Im Kulturteil gibt Monica Maggi einen knappen Überblick über die Neuerscheinungen der aufstrebenden italienischen Comicbranche.
Archiv: Espresso
Stichwörter: Eco, Umberto, Geld, Irak

Polityka (Polen), 07.11.2005

Polen ist ein geteiltes Land, stellen Mariusz Janicki und Wieslaw Wladyka fest. Das Abstimmungsverhalten bei den Präsidentschaftswahlen spiegele auf erstaunliche Art und Weise die Grenzen Polens von 1918-1939 und sogar aus der Zeit der Teilung 1795-1918 wieder: Die ehemals preußischen Regionen im Norden und Westen stimmten konsequent für die liberalen, proeuropäischen Kräfte, während der traditionelle und bäuerliche Süden und Osten die national-konservative Option wählten. "Es sind Jahrzehnte vergangen, Kriege rollten über das Land hinweg, die Bevölkerung wurde durchmischt, die Gleichmacherei zu Zeiten des Sozialismus tat ihr Übriges - und trotzdem trennt eine unsichtbare Grenze das Polen von Tusk und das Polen von Kaczynski."

Der Literaturkritiker Marek Zaleski sorgt sich um die polnische Prosa. Gerade der Anspruch, die aktuelle Wirklichkeit beschreiben zu wollen, sei ein Problem: "Auf längere Sicht wird nur die Prosa der Autoren Bestand haben, die überraschen, ohne bemüht zu sein. Nicht ohne Wert ist auch der Sinn für Humor - lieben wir nicht deshalb Andrzej Stasiuk, Jerzy Pilch, Adam Wiedemann oder Dorota Maslowska?" Da die Lebensstile und somit die Lesegewohnheiten sich verändern, werden immer mehr kurze Prosaformen an Popularität gewinnen, prophezeit Zaleski.
Archiv: Polityka

Gazeta Wyborcza (Polen), 05.11.2005

Piotr Buras erklärt den Polen, warum der Wahlsieg der nationalkonservativen PiS in Deutschland so heftige Reaktionen hervorgerufen hat: "Das deutsche Lebensgefühl ist weitgehend linksliberal beeinflusst, was auch erklärt, warum der Konservatismus der PiS, der stark gegen Homosuexuelle gerichtet ist, solche Empörung hervorruft. Antiliberale, euroskeptische und deutschlandfeindliche Äußerungen kommen in Deutschland überhaupt nicht gut an. Ein weiterer Grund sind die zwei grundverschiedenen Definitionen von Konservatismus in beiden Ländern - einerseits der bürgerliche deutsche, andererseits der ländlich-katholische der Kaczynskis."

Über verschiedene Auslegungen von "Modernität" diskutiert Adam Leszczynski mit dem berühmten Soziologen Schmuel Eisenstadt, der letztens den Doktor honoris causa in seiner Geburtsstadt Warschau erhielt. "Jede Gesellschaft wählt ihre eigene Modernität - auch der Kommunismus war ein solches Projekt. Und der islamische Fundamentalismus - wissen Sie, dass das Wort 'Fundamentalismus' an der Wiege der Modernität entstand, in den USA? Die Islamisten sind die heutigen Jakobiner, die die Tradition für ihre Zwecke benutzen."
Archiv: Gazeta Wyborcza

Spectator (UK), 05.11.2005

Kommunistische Ideen wie die Vorstellung der permanenten Revolution sind quicklebendig, allgegenwärtig und haben den Westen fest im Griff - sogar amerikanische Konservative, behauptet John Laughland in einem Essay. "Wie die Marxisten und wie viele seiner europäischen Freunde scheint George Bush zu glauben, dass Freiheit eine unvermeidliche 'historische Kraft' sei und dass es ständiger Anstrengung bedürfe, sie zu erreichen. Er argumentiert wie Hegel, der Vorläufer von Marx, dass es nur eine Menschheit gibt, und dass ein freier Staat wie die USA nicht wirklich frei ist, solange andere Staaten in der Tyrannei leben ... 'Die Freiheit in unserem Land wird zunehmend davon abhängen, ob auch andere Länder frei sind' sagte er im Januar. Ein wahrer Konservativer würde dagegen sagen, dass es viel Böses in der Welt da draußen gibt und es die Pflicht eines Staatsmannes sei, es draußen zu halten."

Theodore Dalrymple kommentiert gewohnt snobistisch die Unruhen in den französischen Vorstädten und erinnert daran, dass dort täglich zwanzig bis vierzig Autos in Brand gesetzt werden: "Wenn Großbritannien Weltmeister im Autodiebstahl ist, dann ist Frankreich der Champion im Auto-Abfackeln. Für Frankreichs soziale Unterentwicklung spricht, dass die Brandstiftungen viel weniger die französische Bourgeoisie treffen als die Auto-Diebstähle die britische. In Frankreich wird dein Auto nur dann abgebrannt, wenn du an der Grenze zur Armut stehst. Auch wenn die französische Presse immer wieder gegen unsere wilden Liberalismus anschreibt, ist Großbritannien eine viel egalitärere Gesellschaft als Frankreich, wo Kriminalität so gut eingezäunt ist."
Archiv: Spectator

Clarin (Argentinien), 05.11.2005

Francis Fukuyama arbeitet an einer Neufassung seines berühmten Essays über "Das Ende der Geschichte". Im Interview mit Jose Fernandez Vega berichtet er von den Einsichten, die er gewonnen hat, seit dieses Ende sich nicht hat einstellen wollen: "Ein schwacher Staat ist die Ursache so gut wie aller Übel: Armut, Aids, Drogen Terrorismus." Außerdem gilt ab sofort: "Keine Gesellschaft entwickelt sich durch Druck von außen. Dieser Druck muss von innen kommen. Für gewöhnlich durch die politischen Eliten, aber manchmal auch durch Druck der Zivilgesellschaft im weitesten Sinne. Keine Reform wird durchgeführt werden, nur weil die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds ein Land dazu zwingen wollen. Das Beispiel Irak zeigt, dass es auch nicht hilft, wenn man ein Land militärisch besetzt: die Aufgabe der Außenstehenden ist folglich, innere Wandlungen zu unterstützen. Anders ist politischer Fortschritt schwer vorstellbar."

Diego Erlan spricht mit Eduardo Makaroff, einem der Begründer des Tango Ensembles Gotan Project, über Sinn und Zweck von dessen höchst erfolgreichem Electrotango (mehr hier): "Der Tango musste einfach ein weiteres Mal einen weltweiten Triumph erleben. Das war schon in den zwanziger Jahren so, danach mit Astor Piazzola, und jetzt mit uns. Der Tango ist eine der großen westlichen musikalischen Ausdrucksformen des 20. Jahrhunderts. Unsere Musik bezieht sich auch auf die Wirklichkeit und die Wahrheiten der argentinischen Geschichte. Che Guevara hat einmal gesagt: 'Wir wollen Frieden und ein besseres Leben für unser Volk.' Diese Botschaft finden wir interessant."
Archiv: Clarin

Al Ahram Weekly (Ägypten), 02.11.2005

Ägyptens religiöse Autoritäten der Al-Azhar-Universität verhindern das Erscheinen der ägyptischen Ausgabe eines Buches, das ursprünglich 2004 bei der Oxford University Press erschienen ist: Natana J. DeLong-Bas' Studie "Wahhabi Islam: From Revival and Reform to Global Jihad". Der offizielle Grund: "Informationen, die den Prinzipien des Islam widersprechen", erklärt Al-Ahram. Der Wahhabismus, begründet von Muhammad ibn Abd al-Wahhab, ist eine sehr strenge Form des sunnitischen Islam, die vor allem in Saudi-Arabien und von den Islamisten gepflegt wird. Überraschenderweise hoffen Verleger und Universitätsprofessoren aus dem Westen, dass der Bann aufgehoben wird, wenn den Zensoren erst klar werde, dass al-Wahhab in dem Buch eigentlich recht positiv dargestellt wird. Nur Gaber Asfour, Professor für Arabische Literatur an der Cairo University und Generalsekretär des obersten Kulturrats in Ägypten, protestiert gegen jede Form von Zensur - egal aus welchem Grund. Ob nun politischer Einfluss auf die Entscheidung genommen wurde oder nicht, "man muss wieder die allgemeine Regel in Erinnerung rufen, dass keine Autorität das Recht hat, die Meinungsfreiheit einzuschränken, das wäre ein Verstoß gegen die Menschenrechte, der den Prinzipien der Toleranz widersprechen würde, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind. Und Ägypten ist Mitglied der Vereinten Nationen."

Weitere Artikel: Reem Leila schaut sich vor den Parlamentswahlen in der ägyptischen politischen Landschaft um und sieht zwar Kandidaten jeder Coleur - aber fast keine Frauen. Dena Rashed schaut sich in der Muslimbrüderschaft nach Geschlechtsgenossinnen um. Und Samir Sobhi porträtiert den Dichter Bahaa Jahin, der traditionelle ägyptische Dichtung in die Postmoderne holt.
Archiv: Al Ahram Weekly

Weltwoche (Schweiz), 03.11.2005

Markus Schneider stellt die Visionen der Raumplaner für die Schweiz der Zukunft vor. Es geht um die Porta Alpina bei Sedrun und ein Loch, dass die vier Städtebau-Professoren Diener, Herzog, Meili und de Meuron in der Mitte des Landes entdeckt haben. "Dieses 'Loch' nannten sie 'alpine Brachen', die, schaut man genau hin, eigentlich auf eine einzige Brache hinauslaufen, die riesengroß ist und sich vom 'geografischen und mythologischen Zentrum rund um den Gotthard' in alle vier Himmelsrichtungen ausbreitet. Wörtlich handelt es sich hier um 'Zonen des Niedergangs und der langsamen Auszehrung. Ihr gemeinsames Merkmal ist eine anhaltende Abwanderung.'"

Franziska K. Müller beschreibt die heftigen Reaktionen auf das Buch der New Yorker Schickse und Vogue-Redakteurin Kristina Grish: "Boy Vey! The Shiksa?s Guide to Dating Jewish Men".
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Stichwörter: Städtebau, Vogue, Weltwoche

Times Literary Supplement (UK), 04.11.2005

Mit großem Tamtam wurde Jean-Paul Sartres hundertster Geburtstag in Frankreich gefeiert, doch zu Arthur Koestlers Geburtstag gab es keine Fernsehsendungen, nach ihm wurden keine Straßen benannt. Und nun, bedauert Walter Laqueur, hat er auch noch Pech mit seinen Biografen. Weder Michel Lavals "L'Homme Sans Concessions" noch Christian Buckards "Ein extremes Leben" werden ihm gerecht, findet er. Denn Koestler mag zwar ein schwieriger Charakter gewesen sein, aber letztendlich doch sympathischer als das Paar Sartre/Beauvoir - und politisch natürlich etwas treffsicherer: "Trotz all seiner Kneipenschlägereien und der hässlichen Aggressionen, war er nicht so verlogen in seinen Beziehungen zu Sexualpartnern, er verachtete nicht diejenigen, die er vorgab zu lieben. Und er war auch nicht darauf spezialisiert, verwirrte junge Mädchen anzulocken. Er war ein verstörter Mann, dem weder Antidepressiva noch Psychoanalyse helfen konnten. Aber in ihm war nicht mehr Böses als in jedem anderen Menschen. Er war fähig zu lieben, sogar romantisch zu lieben, was man von Sartre und Beauvoir nicht behaupten kann."

Außerdem besprochen werdem Neuerscheinungen zu Jean-Paul Sartre, Max Egremonts Biografie des Dichters Siegfried Sassoon und Kathryn Hughes Biografie der viktorianischen Haushälterin Mrs. Beeton "The Short Life and Long Times of Mrs. Beeton".

New York Times (USA), 06.11.2005

D. T. Max beschäftigt sich im New York Times Magazine mit der relativ neuen Disziplin des literarischen Darwinismus. Deren Vertreter suchen in Büchern nach grundlegenden menschlichen Verhaltensweisen. Jane Austens "Stolz und Vorurteil" ist für sie eine wahre Schatzkammer und hat eine ähnliche Bedeutung wie die Fruchtfliege für Genetiker. "Die meisten Frauen in dem Buch bemühen sich, Männer von hohem Status zu heiraten, was sich mit dem darwinistischen Gedanken deckt, dass Weibchen nach Männchen suchen, deren Rang den Erfolg ihres Nachwuchses sichern wird. Gleichzeitig konkurrieren die Männer üblicherweise um die hübschesten Frauen, was mit der These Darwins übereinstimmt, dass Männchen Jugend und Schönheit als Zeichen reproduktiver Fitness ansehen. Darcys und Elizabeths Hin und Her verdeutlichen die Anstrengungen, die Männchen und Weibchen unternehmen, um zwischen kurzzeitiger Anziehung (ein kesser Gang, ein hübscher Geck), und langfristiger Zweckmäßigkeit (Stabilität, Verpflichtung, Reichtum, grundsätzliche Gesundheit) zu unterscheiden."

Weiteres: David Rieff diskutiert, ob Amerikas Grenzen offen bleiben sollen. Lisa Belkin porträtiert den Kinderarzt Holmes Morton als Mediziner der Zukunft. Morton studiert an seinen Patienten von den isolierten Amish People und Mennoniten seltene Erbkrankheiten und entwirft, basierend auf dem jeweiligen Genbild, individuelle zugeschnittene Therapien, die das Ausbrechen dieser Krankheiten von vornherein verhindern sollen. Alex Witchel stellt Sarah Smiley vor, die in ihrer Zeitungskolumne die Ängste einer Soldatengattin formuliert. Lawrence Ferlinghetti, 86-jähriger Eigentümer des legendären City Lights-Buchladens in San Francisco, klärt Deborah Solomon darüber auf, dass die Beatniks mit ihren Perfomances den Rappern den Weg gewiesen haben.

In der Sunday Book Review kann Terence Rafferty Gabriel Garcia Marquez' "aufgeweckte, perverse kleine Fabel" "Memories of my Melancholy Whores" (hier die deutsche Ausgabe) über einen alten Mann, der für alle Frauen seines Lebens bezahlt hat, nur empfehlen. David Brooks erfährt aus Jerome Karabels Untersuchung der amerikanischen Meritokratie "The Chosen" (erstes Kapitel), wie die Abgänger der amerikanischen Eliteuniversitäten die Aufnahmekriterien so modifiziert haben, dass auch ihrer Kinder wieder nach Yale und Harvard kommen. Charles Peters leuchtet James T. Pattersons historischer Abriss "Restless Giant" der amerikanischen Jahre von Watergate bis zum ersten Wahlkampf George Bushs durchweg ein. "Und Rachel Donadio erzählt ein paar Anekdoten rund um Bücher von Politikern.
Archiv: New York Times