10.09.2008. Heute morgen wurde am Genfer Cern der Teilchenbeschleuniger LHC in Betrieb genommen. Wir haben einige Links zum größten Experiment der Menschheitsgeschichte zusammengesucht. Von Julian Küspert.
Seit heute morgen kann man per
Webcast einem der
rekordträchtigsten Experimente der Physik zusehen: LHC, der leistungsstärkste
Teilchenbeschleuniger der Welt, geht am Europäischen Labor für Teilchenphysik in Genf in Betrieb (sehr aufregend ist die
Seite des LHC mit Webcam-Aufnahmen und Animationen). Am
CERN arbeitet mittlerweile die
Hälfte aller Teilchenphysiker an einem Projekt, das etwa 4 Milliarden Euro kostet (
dradio). Als
kollidierende Klaviere, rasende Güterzüge oder
Elefantenherden im Trab versuchten Physiker in den letzten Tagen, ihre Experimente Journalisten gegenüber anschaulich zu erklären. Den Höhepunkt dieser Bemühungen dürfte allerdings der
LHC-Rap darstellen.
Im 27 km langen unterirdischen
Doppelring des
Large Hadron Collider kreisen
Protonen im Vakuum mit annähernder
Lichtgeschwindigkeit; ein Teil der Protonen im Uhrzeigersinn, der andere gegenläufig. Beim
Zusammenprall entstehen Zustände wie kurz nach dem
Urknall. Allerdings sind die ersten Kollisionen erst Mitte Oktober zu erwarten, mit voller Energie stoßen die Teilchen sogar erst nächstes Jahr zusammen (
Basler Zeitung). Gigantische Nachweisgeräte für neue Teilchen (wie der
ATLAS-Detektor) sammeln bei den Zusammenstößen Daten, die pro Sekunde einen handelsüblichen
CD-Rohling füllen würden. Die Auswertung wird, auch unter
Mithilfe interessierter Laien, Monate dauern.
Vereinfacht ausgedrückt,
erhofft man sich von den Experimenten nicht weniger als die Antwort auf die faustische Frage, "was denn die Welt
im Innersten zusammenhält". Ein Schritt dahin könnte der experimentelle Nachweis des sogenannten
Higgs-Bosons sein. Die Existenz des Teilchens ist im
Standardmodell zwar theoretisch vorausgesagt, aber noch nicht experimentell belegt.
Das nach dem schottischen Physiker
Peter Higgs benannte Teilchen und das Higgs-Feld sollen erklären, wie subatomare
Elementarteilchen zu ihrer
Masse kommen (hier ein
Zeit-Interview mit dem Wissenschaftler). Eine anschauliche
Erklärung (engl.) lieferte der Physikers David Miller, der den komplizierten Higgs-Mechanismus mit einer
Cocktailparty verglich, auf der die Ex-Premierministerin für
Attraktion sorgt.
Den
Gegnern des Projekts liefert vor allem der Tübinger Chemiker Otto Rössler Munition, der warnt, die Erde könne in einem schwarzen Loch
versinken. Sein
Eilantrag zum Stopp des Superbeschleunigers wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abgewiesen. Abgesehen vom amerikanischen Physiker Walter L. Wagner, der vor einem Bundesgericht auf Hawaii Klage eingereicht hat (
taz), steht Rössler mit seiner Meinung in der Fachwelt allein da. Das
KET (Komitee für Elementarteilchenphysik) sieht Rösslers Thesen in einer
Stellungsnahme als falsch und widerlegt an. Dass aus legitimer Skepsis gegenüber dem Experiment in der Gerüchteküche des Internets dennoch schnell gefährliche Panik werden kann, hat der CERN-Physiker Frank Wilczek erfahren müssen, der sogar schon
Todesdrohungen erhielt. (
Spiegel online).
Eine
Studie, die am 5. September 2008 in der Online-Ausgabe des "Journal of Physics G: Nuclear and Particle Physics" veröffentlicht wurde, erklärt die LHC-Experimente für ungefährlich und bestätigt damit die Ergebnisse einer Sicherheits-Studie von 2003 (hier die
Präsentation der Ergebnisse auf Englisch). In Beziehung zur Größe der Protonen ist die freiwerdende Energie gewaltig - absolut betrachtet aber nicht größer als beim
Zusammenstoß zweier Mücken, wie man beim CERN in einer Presseerklärung betont (
der Standard) - folglich würden die im LHC erzeugten Schwarzen Löcher deutlich kleiner und ungefährlicher sein als die im Weltall.
Julian Küspert