04.10.2003. Die Russen kommen! Etwa 100 russische Autoren besuchen die Frankfurter Buchmesse, diskutieren und lesen aus ihren Büchern. Hier eine kleine Auswahl der interessantesten Veranstaltungen. Von Heike Maria Johenning.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Frankfurter Buchmesse gibt sich
Russland als
Gastland die Ehre. Unter dem Motto
"Russland - Neue Seiten" präsentiert sich die Kulturnation vom 8. - 13. Oktober mit rund 100 Schriftstellern in Frankfurt. Da die russische Regierung Verlage und Kultur durch Steuer-, Zoll- und andere Vergünstigungen unterstützt, hat sich in den vergangenen Jahren viel bewegt. Im Jahr 2001 wurden
7.000 Titel verlegt, davon allein 400 aus der deutschen Sprache übersetzte Bücher.
Das Gastland bespielt im Wesentlichen zwei große Bühnen: In
Halle 5 auf dem Messegelände laden 150 russische Verlage zur Inspizierung ihrer
Neuerscheinungen ein. Im
Forum (Forum Ost- und Mitteleuropa) befindet sich neben einigen Ausstellungen - zum Beispiel über Sankt Petersburg - auch ein Multimediacafe, in dem sich der Besucher mit neuen Entwicklungen auf dem
Multimediamarkt in den Bereichen Geschichte, Literatur und Kunst Russlands auf Russisch, Deutsch und Englisch vertraut machen kann. (
Hallenplan)
Hier einige
Veranstaltungen des Gastlandes, die man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte:
Am
8. Oktober liest
Wladimir Sorokin um 16.00 Uhr in Halle 3.1 aus seinem neuen Roman "Ljod. Das Eis". Im Anschluss daran bieten Galina Dursthoff und der dtv-Verlag ab 17.00 Uhr in Halle 3.0 "Russische Begegnungen". Als Gäste werden die beiden Schriftsteller Wladimir Tutschkow und
Karl Dedecius sowie der Übersetzer David Drevs erwartet, die über die
literarische Landschaft Russlands sprechen werden.
Am
9. Oktober stellt Michail Tarkowski um 11.00 Uhr im Forum sein Buch "Der Taigamensch" vor und serviert dazu Leckerbissen aus der sibirischen
Taiga. Um 15.00 Uhr liest Ljudmila Ulitzkaja in der Buchhandlung Carolus in der Liebfrauenstraße 4 in der Frankfurter Innenstadt aus ihrem Buch
"Die Lügen der Frauen".
Im Forum auf dem Messegelände stellen in der Zeit von 17.30 bis 18.30 Uhr namhafte Vertreter des russischen Geisteslebens, u.a. der Chefredakteur der
Literaturnaja Gazeta, Juri Poljakow, und der Schriftsteller
Andreij Bitow die internationale humanitäre Mission
"Puschkin Institut" vor. Um 20.00 Uhr trifft sich die russische
Krimielite zu einer Lesung mit
Polina Daschkowa,
Alexandra Marinina und
Boris Akunin beim Hessischen Rundfunk in der Bertramstraße 8.
Am
10. Oktober um 12.30 Uhr soll die
russische Poesie im Forum wie "Phönix aus der Asche" steigen. Es lesen unter anderen Wera Pawlowa und
Dmitrij Prigow. Um 20.00 Uhr veranstaltet der
Suhrkamp-Verlag im Literaturhaus Frankfurt einen Abend mit "seinen" Autoren
Oleg Jurjew,
Andreij Bitow und
Jurij Mamlejew. Als Alternative bittet
Wladimir Kaminer ab 19.30 Uhr in Halle 1.2 zur "Russendisko" mit russischen Rhythmen und Kostproben aus seinen Büchern.
Am
11. Oktober von 12.30 bis 14.00 Uhr packen
Hamburger Übersetzer aus. In Halle 4.0 gibt es einen Blick hinter die Kulissen der Zunft, die Weltliteratur erst möglich macht: Von 14.00 bis 16.00 Uhr diskutieren hier
Tatjana Tolstaja,
Ljudmila Ulitzkaja,
Dina Rubina, Ljudmila Petruschewskaja und andere das Zitat von Anna Achmatowa
"Ich hab die Frauen gelehrt zu sprechen" und anderes (mehr über
Achmatowa hier,
hier und
hier). Als Moderatoren im Forum treten auf: Alexander Melichow und
Viktor Jerofejew.
Das inoffizielle Highlight der diesjährigen Frankfurter Buchmesse wird am
11. Oktober um 10.45 Uhr im Forum eine
Live-Schaltung zu dem russischen
Kosmonauten Jurij Malentschenko und dem Astronauten
Edward Lu in die
Internationale Raumstation ISS sein. Einfach einsteigen und mitfliegen!
Am
12. Oktober geht es zwischen 12.00 und 14.00 Uhr in einer Diskussion um "die
intellektuelle Literatur der Gegenwart", mit hochkarätigen Gästen wie etwa
Pawel Krussanow, Jurij Mamlejew,
Alan Tschertschessow, Wladimir Nowikow, Nikolaj Kononow und
Irina Prochorowa in Halle 5.
Weitere Veranstaltungen finden Sie unter
www.russia-frankfurt.ru, Informationen über russische Autoren und Bücher gibt es
hier.
Zwei spannende
Fotoausstellungen erwarten den Besucher abseits des Messegeländes. Im Internationalen Fotografie-Forum verbergen sich hinter
"Fotografien aus dem neuen Russland. 1991-2003" spannende Einblicke in die russische Gegenwart. Im Leinwandhaus darf man sich von "
Nackt für Stalin. Das
Körperbild in der Sowjetunion in den 20er und 30er Jahren" inspirieren lassen. Außerdem beleuchtet die Schirn Kunsthalle die
visuelle Kultur der Stalinzeit anhand von Exponaten aus der Tretjakow-Galerie und dem Historischen Museum in Moskau. Präsentiert wird ein transmediales Zusammenspiel von Architekturzeichnungen, Skulpturen, Filmen, Plakaten und Malerei mit Arbeiten von Malewitsch, Lissitzky, Kabakov und anderen unter dem Titel
"Traumfabrik Kommunismus".
Nach den tollen Russen ein Hoch auf die phantastischen Schweizer: Zur weitergehenden Lektüre verweisen wir auf das
hervorragende Dossier, das die
NZZ in ihrer Beilage "Literatur und Kunst" über Russland, seine Literatur und seine Literaten zusammengestellt hat. Mit Texten von
Andrej Stasiuk,
Wladimir Sorokin, Ulrich M. Schmid (
hier und
hier),
Felix Philipp Ingold,
Sonja Margolina und
Marina Rumjanzewa.
Heike Maria Johenning