13.11.2020. Die SZ hat Monika Maron vorgeworfen, viele ihrer Aussagen hätten "die Grenze zum völkischen Denken mühelos überschritten". Erstaunlich, wie eindeutig sich die KritikerInnen von SZ, FAZ und taz plötzlich gegen "rechts" positionieren. Neulich hat die SZ noch Peter Handke verteidigt, der sich ostentativ mit völkischen Kriegsverbrechern solidarisierte.
Hilmar Klute
fragt heute in der
SZ, warum Hoffmann-und-Campe-Verleger
Tim Jung nicht nachlegt in der Begründung für seine Entscheidung, künftig die von S. Fischer gefeuerte
Monika Maron zu verlegen: "Möchte nicht jeder, der Bücher liest und an intellektuellen Debatten interessiert ist, die
starken Stimmen derer hören, die die Arbeitsmittel des Diskurses, die Bücher nämlich, bereitstellen", fragt Klute.
Hat das
SZ-Feuilleton Heuchelei zum neuen Geschäftsmodell erhoben, möchte man zurückfragen.
Ein paar Absätze davor hat Klute Maron noch ausdrücklich in
die rechte Ecke gerückt und mit ihr auch ihren neuen Verleger Tim Jung: "Gerne hätte man nun von Verleger Tim Jung erfahren, ob Hoffmann und Campe keine Schwierigkeiten damit hat, dass Maron Aufsätze in der
Loschwitzer Buchreihe '
Exil' hat erscheinen lassen, deren Herausgeberin die Dresdner Buchhändlerin
Susanne Dagen ist. Dagens zur Schau gestellte Nähe zum österreichischen Neonazi Martin Sellner und zur Zynikerin Ellen Kositza aus Schnellroda ist auf Youtube unter dem Label 'Aufgeblättert, zugeschlagen - Mit Rechten lesen' abrufbar, samt Dagens Gefasel von der Lügenpresse und der Heimat."
Klute spielt hier das so beliebte Spiel "Kontamination durch Nähe". Wenn Maron kontaminiert ist durch ihre Nähe zu Dagen, die wiederum kontaminiert ist durch ihre Nähe zu Neonazis, dann, der Schluss ist so platt, dass Klute ihn todsicher gezogen sehen wollte, ist Jung durch seine Nähe zu Maron ebenfalls kontaminiert. Und in diesen "Diskurs" wollte sich der Verleger nicht hineinziehen lassen? Shocking!
Jung hätte sich natürlich gut darauf einlassen können. Immerhin hat sich seine neue Autorin nie Seite an Seite mit einem
völkischen Kriegsverbrecher sehen lassen und ihm Kränze geflochten wie der Liebling des
SZ-Feuilletons
Peter Handke. Aber auf Argumente kommt es in dieser neuen Art von "Diskurs", der Selberdenken für eine Zumutung hält, nicht an. Entwaffnend offen
bekannte Dirk Knipphals vor wenigen Tagen in der
taz zum Verlagswechsel der Maron: "Nun aber kann man sich als Leser*in entscheiden: Öffnung bei Fischer, Ressentiments gegen Offenheit bei Hoffmann und Campe." Da wird die Debatte doch erst richtig gemütlich.
Felix Stephan hatte Maron vor drei Tagen in der
SZ vorgeworfen, viele ihrer Aussagen zu Islam, Einwanderung und Gender hätten "die Grenze
zum völkischen Denken mühelos überschritten".
Belege blieb er schuldig. Das geht heute einfach so: Man kann einem Autor "völkisches Denken" unterstellen, ihn damit in die rechtsextreme Ecke - nicht zu den Konservativen, sondern gleich zu den Nazis - schieben und muss nicht mal das
klitzekleinste Argument dafür liefern. Im robusteren Debattenklima des 20. Jahrhunderts, das Klute so vermisst, haben Autoren schon geringere Provokationen
mit einer geraden Rechten beantwortet.
Da Stephan nicht sagt, wie er zu seiner Auffassung kommt, behaupte ich einfach mal, er hat sich von Hannah Bethkes zwei Tage vorher erschienener
kleiner Glosse in der
FAZ inspirieren lassen, die so knapp und unbestimmt wie möglich ein Gespräch Marons mit dem (angeblichen oder tatsächlichen) Rechtsintellektuellen David Engels zusammenfasste, um dann bei der Erwähnung von Spenglers "Abendland" endgültig auf Untergang zu schalten: "Maron kombiniert Klischees der islamischen 'Masseneinwanderung' mit diffusen Ängsten eines schillernden Kulturpessimismus, dessen Ruf nach gemeinschaftsbezogener Ordnung dem
demokratischen Selbstverständnis und Toleranzprinzip zuwiderläuft."
Erstaunlich, welche Aufwertung unser "demokratisches Selbstverständnis" in letzter Zeit erfahren hat. Vor zehn Jahren wurde in der
SZ noch vor der "
Siegerreligion der westlichen Werte" gewarnt und IslamkritikerInnen wie
Seyran Ates oder
Necla Kelek wurden als "unsere Hassprediger" (Thomas Steinfeld in der SZ), "unsere Heiligen Krieger" (Claudius Seidl in der
FAS) oder als fundamentalistische Aufklärer (Patrick Bahners in der
FAZ) niedergemacht (
mehr hier). Ich glaube nicht, dass die drei Journalisten das heute noch so schreiben würde. Zehn Jahre und
Hunderte von Toten später zeigt sich: Die Islamkritiker hatten Recht, als sie davor warnten, dass man den Islamismus nicht so einfach vom Islam trennen könne und dass die Islamisten eine
rechte Ideologie vertreten. So wie Handkes Völkermörder Milosevic.
Es ist wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel: Immer wenn die Kulturkritiker nach links laufen, steht da Rechts und ruft "Ich bin schon da". Die Frage, ob Demokratie der Weisheit letzter Schluss ist, klingt heute ganz anders als noch vor zehn Jahren. Die damals so beliebten
Relativierungen rücken einen heute "in die Nähe von". Da möchte man sich doch lieber wieder mit Eindeutigkeiten wie: Offenheit bei Fischer, Ressentiments bei Hoffmann und Campe ins rechte, pardon, linke Licht rücken, statt die Islamkritiker zu rehabilitieren. Aber wie sagte Peter Handke noch in seiner Dankesrede zur Verleihung des Ibsen-Preises? "Es graue ihm vor Menschen, die sich
auf die Moral beriefen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Es seien Teufel, die sich als Engel verkleidet hätten", zitierte ihn damals Thomas Steinfeld.
Anja Seeliger