28.11.2006. Der Perlentaucher taucht weiter. FAZ und SZ gehen unter. Ihre Klage gegen die Perlentaucher-Resümees ihrer Buchkritiken wurde vom Landgericht Frankfurt in allen Punkten abgewiesen. Es gab zahlreiche Reaktionen in den Medien. Eine kleine Presseschau.
Wie wir bereits gestern
meldeten, sind die Klagen der
FAZ und der
SZ gegen den
Perlentaucher vom Landgericht Frankfurt abgewiesen worden. Das Gericht wollte weder die urheberrechtlichen noch die wettbewerbs- und markenrechtlichen Argumente der Klägerinnen anerkennen. Die Urteile (
hier das Urteil gegen die
FAZ als
pdf auf den Seiten des Landgerichts Frankfurt) ist noch nicht rechtskräftig.
Die Urteile haben zahlreiche Reaktionen in den Medien ausgelöst. Hier eine kleine Presseschau mit den aktuellsten Stimmen zuerst.
Irmgard Berner
begrüßt das Urteil in der
Berliner Zeitung. "Was der Perlentaucher mit den Rezensionen aus FAZ und SZ anstellt, ist eine
geistige Eigenleistung, keine Kopie. Und die Zeitungen sollten sich freuen, dass ihre Rezensionen auf diese Weise mehr Aufmerksamkeit finden. Ein Schaden ist nicht zu erkennen, weder für die Zeitungen, noch für deren freie Autoren: denn neben den Perlentaucher-Notizen kauft buecher.de auch die Original-Rezensionen."
Auch
heise online brachte eine Meldung zum Urteil, die von den Lesern fleißig kommentiert wird.
"
Perlentaucher darf
FAZ- und
SZ-Auszüge kommerziell verwerten", meldete zunächst
dpa - ein nicht zutreffender Begriff, den die Agentur später korrigerte, denn der
Perlentaucher verbreitet
keine Auszüge von Artikeln, sondern Resümees in eigenen Worten von Buchkritiken der großen Zeitungen - neben
SZ und
FAZ auch
NZZ, Zeit,
taz und
FR. Auch die Richter betonen im Urteil, dass diese Resümees oder Rezensionsnotizen "
eigengestaltet" seien und nicht gegen das Urheberrecht verstoßen.
In der
Zeit online wertet Götz Hamann den Sieg des
Perlentauchers vor Gericht als "wiederholten Beleg für die
Trägheit der traditionellen Medien im Internet. Auf die Idee, dass ein Leser neben seiner Lieblingszeitung vielleicht ein 'Best-of' nutzen würde und sich daraus sogar ein neues Geschäft machen ließe, sind sie offenbar nicht früh genug selbst gekommen."
Die
Welt analysiert die Klippen des Urheberrechts im Internet. "Entscheidendes Kriterium dafür, ob diese Notizen zulässig sind, ist die Frage, ob der zusammenfassende Text das Original ersetzt oder nicht. Ersetzt er es nicht, sind die Veröffentlichung und auch der Weiterverkauf legitim."
Im
Deutschlandfunk bezeichnete Burkhard Müller-Ullrich den
Perlentaucher als das "wichtigste, was im deutschen Feuilleton seit zehn Jahren passiert ist. Wer den
Perlentaucher nicht liest, interessiert sich nicht für Kultur oder hat keinen Internetanschluss."
Laut Tagesspiegel prüft der Süddeutsche Verlag, ob er in Berufung gehen soll.
Die Complete Review, ein
Perlentaucher-ähnliches Weblog,
schreibt: "The first judgement has now come down in favour of Perlentaucher."
Das Weblog
Sehpferds sinnige Seiten schreibt: "Der Vorgang wirft viel Licht auf das Gebaren der deutschen Presse und zeigt deutlich, dass man einer
deutschen Untugend verfallen ist: der Arroganz - denn sehr viele Presseerzeugnisse, unter ihnen eben auch die FAZ, haben den Anschluss zur journalistischen Realität des 21. Jahrhunderts längst verloren - und versuchen nun offenbar, auf dem Prozesswege verlorenen Boden gut zu machen."
Und der Leser yomo kommentiert auf den
Seiten des Wiener
Standard: "die begründung trifft's m.E.: perlentaucher hält mich nicht davon ab, die originalrezension zu lesen, sondern meistens stolpere ich über eine notiz auf perlentaucher und lese dann das original."
Die
FAZ überschreibt ihre
Meldung mit dem Titel "Urheber ohne Rechte" - als gehe es hier um die Niederlage eines Zeilenknechts gegen einen Medienkonzern. Auch die
SZ bringt eine Meldung, in der sie fälschlich behauptet, der
Perlentaucher verbreite "Auszüge" ihrer Buchrezensionen.
David Hudson schreibt in seinem Filmweblog
Greencine: "A brief note to close this entry. To the
Süddeutsche Zeitung and the
Frankfurter Allgemeine Zeitung. If you're going to be
that backasswardly stupid as to go to court to try to put a stop to
free PR and branding, just shut down your new media departments. So
what if
Perlentaucher earns a euro or two promoting you at
their expense and not yours? Just get off the web right now and save yourselves the time, trouble and money. You never got it, you still don't and you never will. Get off. And good luck with your paper papers."