Heute in den Feuilletons
Auf einer Stufe mit der Elbphilharmonie
Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
10.12.2012. Wer ist eigentlich dieser Hans Barlach, der jetzt den Suhrkamp Verlag leiten will?, fragt der Tagesspiegel. Die SZ verteidigt den Nobelpreisträger Mo Yan gegen Kritik aus dem Westen. Die Welt lernt aus seiner Rede (auf die wir verlinken), wie man in China die Wahrheit sagt und wie nicht. Auch die FAZ verortet Mo Yans wahres Ich in der Literatur. Laut Kontakter plant jetzt auch der WAZ-Konzern drastische Einsparungen. Und das NYRBlog zeigt einen Buster Keaton, der lacht.
Tagesspiegel, 10.12.2012
Gerrit Bartels schreibt ein kleines Porträt des Suhrkamp-Gesellschafters Hans Barlach, der jetzt laut einem Interview im Focus gern den ganzen Verlag übernehmen würde. Seine Qualifikationen sehen so aus: "Als Enkel des Bildhauers Ernst Barlach kümmert sich der 1955 in Ratzeburg geborene und in Hamburg lebende Barlach vor allem um den Nachlass seines Großvaters, er leitet Stiftungen und bereitet Ausstellungen mit vor, nicht zuletzt ist er Kunstsammler und Galerist."
Der sonst so heitere Kolumnist Harald Martenstein macht sich ernste Gedanken über Israel: "Die Vorstellung, dass Gott nichts Besseres zu tun hat, als sich in seinem Himmel über die Landesgrenzen seines Lieblingsvolkes Gedanken zu machen, gehört zu den besonders bizarren Ausprägungen von religiösem Wahnsinn. Dieser Wahnsinn regiert zur Zeit Israel."
Der sonst so heitere Kolumnist Harald Martenstein macht sich ernste Gedanken über Israel: "Die Vorstellung, dass Gott nichts Besseres zu tun hat, als sich in seinem Himmel über die Landesgrenzen seines Lieblingsvolkes Gedanken zu machen, gehört zu den besonders bizarren Ausprägungen von religiösem Wahnsinn. Dieser Wahnsinn regiert zur Zeit Israel."
Welt, 10.12.2012
China-Korrespondent Johnny Erling lässt noch einmal Mo Yans Nobelpreisrede Revue passieren, in der der Autor Liu Xiaobo zwar nicht erwähnte, aber indirekt durchaus Kritik am Regime übte: "Mo Yan ist, wie er selbst sagt, 'nur ein Erzähler'. Ein Blogger fasste spottend die Realität der politischen Kultur und die Grenzen der chinesischen Toleranz zusammen: 'Wer die Wahrheit direkt sagt, kommt ins Gefängnis. Wer sie in Geschichten verpackt, bekommt einen Preis.'"
Weitere Artikel: Lucas Wiegelmann spottet über den Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, Gerhard Ludwig Müller, der statt der im Maya-Kalender angedrohten Apokalypse mit vagen Worten den jüngsten Tag als Tag der Freude in Aussicht stellte - aber ohne Termin: "Das stellt die Wiederkehr Christi unweigerlich auf eine Stufe mit der Elbphilharmonie." Henryk Broder schickt Reisenotizen aus der tiefsten amerikanischen Provinz, nämlich "Hollywood in Maryland, 60 Meilen südlich von Washington". Marc Reichwein liest für seine Feuilleton-Kolumne das Büchlein "55 Klassiker des Kulturjournalismus", in dem nur drei Frauen auftauchen: Madame de Stael, Erika Runge und Gabriele Goettle. Und Felix Mescoli würdigt die Verdienste des seit dreißig Jahren aktiven und immer noch rüstigen "deutschen Thrash Metal".
Besprochen werden Frank Wedekinds Drama "Franziska" unter Andreas Kriegenburg in den Münchner Kammerspielen und der "Lohengrin" an der Scala.
Weitere Artikel: Lucas Wiegelmann spottet über den Chef der Glaubenskongregation im Vatikan, Gerhard Ludwig Müller, der statt der im Maya-Kalender angedrohten Apokalypse mit vagen Worten den jüngsten Tag als Tag der Freude in Aussicht stellte - aber ohne Termin: "Das stellt die Wiederkehr Christi unweigerlich auf eine Stufe mit der Elbphilharmonie." Henryk Broder schickt Reisenotizen aus der tiefsten amerikanischen Provinz, nämlich "Hollywood in Maryland, 60 Meilen südlich von Washington". Marc Reichwein liest für seine Feuilleton-Kolumne das Büchlein "55 Klassiker des Kulturjournalismus", in dem nur drei Frauen auftauchen: Madame de Stael, Erika Runge und Gabriele Goettle. Und Felix Mescoli würdigt die Verdienste des seit dreißig Jahren aktiven und immer noch rüstigen "deutschen Thrash Metal".
Besprochen werden Frank Wedekinds Drama "Franziska" unter Andreas Kriegenburg in den Münchner Kammerspielen und der "Lohengrin" an der Scala.
NZZ, 10.12.2012
Peter Hagmann feiert den auch für italienische Verhältnisse ungewohnt turbulenten Saison-Auftakt der Mailander Scala mit Wagners "Lohengrin" (Staatskrise in Rom, Grippewelle im Sängerensemble). Barenboim dirigierte ihm zwar etwas zu pastos, "fabulös" aber fand er die "scharf konzipierte und präzis durchgeführte Inszenierung von Claus Guth - mit der die Scala nun definitiv den Anschluss an die Gegenwart des Musiktheaters gefunden zu haben scheint". Hier ein Video von der ganzen Aufführung.
Weiteres: Andrea Gnam besucht die Gustave-Caillebotte-Ausstellung in der Frankfurter Schirn, die ihr den fotografischen Blick des Impressionisten deutlich machte. Sven Lenz berichtet von einem Symposium zu Ehren des Philosophen Emil Angehrn an der Universität Basel. Ursula Rütten und Kai Kimmich erzählen von ihrer Pilgerreise durch das Pilis-Gebirge, Ungarns mythische Ur-Landschaft, in der das Herz der Welt schlage.

Aus den Blogs, 10.12.2012

turi2 zitiert den Kontakter, der meldet, dass der WAZ-Konzern drastische Kostenschnitte um 20 Prozent plant.
Gideon Böss antwortet in seinem Blog auf Welt online auf Harald Martensteins israelkritische Kolumne: "Was an der deutschen Israel-Fixierung immer wieder erstaunt und auch auf Martensteins Beitrag zutrifft, ist die Kombination aus aggressiver Ahnungslosigkeit und offensiver Empathielosigkeit."
TAZ, 10.12.2012
Friedrich Küppersbusch erklärt, warum die EU heute gleich drei Leute nach Oslo schickt, um den Friedensnobelpreis entgegenzunehmen: "Ratspräsident Van Rompuy repräsentiert den Egoismus der nationalen Regierungen, Kommissionschef Barroso die Willkür nicht demokratisch legitimierter Kommissare und Parlamentspräsident Schulz einen entmündigten Souverän."
Weitere Artikel: Tim Caspar Boehme war im Berliner Haus der Kulturen auf einer Tagung zu Religion und Ökonomie, die die Ähnlichkeit von Schuld und Schulden im Deutschen bis aufs Äußerste ausreizte. Elisabeth Wellershaus berichtet vom Performance-Festival "Spine" in Johannesburg. Brigitte Werneburg ist einfach hingerisssen von der Schau "Im Licht von Amarna - 100 Jahre Fund der Nofretete" im Neuen Museum in Berlin. Carolin Weidner schreibt zum 55-jährigen Bestehen der Ost-Pop-Zeitschrift Melodie & Rhythmus.
Und Tom.
Weitere Artikel: Tim Caspar Boehme war im Berliner Haus der Kulturen auf einer Tagung zu Religion und Ökonomie, die die Ähnlichkeit von Schuld und Schulden im Deutschen bis aufs Äußerste ausreizte. Elisabeth Wellershaus berichtet vom Performance-Festival "Spine" in Johannesburg. Brigitte Werneburg ist einfach hingerisssen von der Schau "Im Licht von Amarna - 100 Jahre Fund der Nofretete" im Neuen Museum in Berlin. Carolin Weidner schreibt zum 55-jährigen Bestehen der Ost-Pop-Zeitschrift Melodie & Rhythmus.
Und Tom.
SZ, 10.12.2012
Von Arroganz nicht gänzlich frei hält Burkhard Müller die Ansprüche, die von westlicher Seite am Nobelpreisträger Mo Yan geltend gemacht werden, während an hiesige Literatur andere Maßstäbe angesetzt werden: "In China soll der Autor ganz selbstverständlich eine Aufgabe erfüllen, von der wir uns im Westen entbinden durften, weil die Dinge bei uns bekanntlich so viel besser liegen."
Weitere Artikel: Thomas Steinfeld schaut sich Julia Schulz-Dornburgs Fotografien von gescheiterten Immobilienprojekten in Spanien an (einige Bilder hier). Für "beispiellos" hält es Rudolf Neumaier, dass sich Kardinal Lehmann bei Schwulen für deren Engagement gegen die homophobe und mittlerweile aus dem Netz verschwundene Hetzseite kreuz.net bedankt (allerdings nutzt Lehmann die Gelegenheit auch, um sich über zuviel "Kirchenkritik" in der Kampagne gegen das Blog zu beklagen). Niklas Hofmann liest (hier, hier und hier) Überlegungen über die Vor- und Nachteile einer bruchlosen Online-Dokumentation der eigenen Identität im Laufe der Zeit.
Besprochen werden neue DVD-Veröffentlichungen, Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Wedekinds "Franziska" an den Münchner Kammerspielen (die im Laufe "immer aufgedunsener und anstrengender" wird, ächzt Christine Dössel) und Bücher, darunter Silke Scheuermanns Roman "Die Häuser der anderen" (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).
Weitere Artikel: Thomas Steinfeld schaut sich Julia Schulz-Dornburgs Fotografien von gescheiterten Immobilienprojekten in Spanien an (einige Bilder hier). Für "beispiellos" hält es Rudolf Neumaier, dass sich Kardinal Lehmann bei Schwulen für deren Engagement gegen die homophobe und mittlerweile aus dem Netz verschwundene Hetzseite kreuz.net bedankt (allerdings nutzt Lehmann die Gelegenheit auch, um sich über zuviel "Kirchenkritik" in der Kampagne gegen das Blog zu beklagen). Niklas Hofmann liest (hier, hier und hier) Überlegungen über die Vor- und Nachteile einer bruchlosen Online-Dokumentation der eigenen Identität im Laufe der Zeit.
Besprochen werden neue DVD-Veröffentlichungen, Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Wedekinds "Franziska" an den Münchner Kammerspielen (die im Laufe "immer aufgedunsener und anstrengender" wird, ächzt Christine Dössel) und Bücher, darunter Silke Scheuermanns Roman "Die Häuser der anderen" (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).
FAZ, 10.12.2012
Mark Siemons fasst die Nobelpreisrede Mo Yans zusammen (hier kann man sie auf Chinesisch hören, hier auf Deutsch lesen). Und auch wenn er die Kritik daran teilt, dass Mo Yan sich mit keinem Wort für inhaftierte Schriftsteller wie Liu Xiaobo eingesetzt hat, hat Mo Yan für ihn doch mehr Kontur bekommen: "als Autor, der mit seinem Schreiben immer einen Eigenraum gegenüber der totalitären Politik erobern wollte, sein wahres Ich in der Literatur zu bewahren versuchte und jetzt fürchtet, aus diesem Schlupfloch wieder vertrieben zu werden."
Weitere Artikel: Jürg Altwegg stellt das unterirdische Hobbit-Museum vor, das der ehemalige Finanzmakler Bernd Greisinger mit den Resten seines von Bernie Madoff reduzierten Vermögens in der Schweiz baut (mehr zum Museum hier bei Facebook, hier auf Youtube und hier in einem auf Englisch übersetzten Artikel der italienischen Tolkien Society). Und eine Meldung informiert uns, dass Hans Barlach laut Focus "große Lust" hat, den Suhrkamp Verlag selbst zu führen.
Besprochen werden die Ausstellung "Im Farbenrausch" über die Fauves und den deutschen Expressionismus im Museum Folkwang in Essen (links im Bild Max Pechsteins "Flusslandschaft", 1907) , Markus Bothes Adaption von Bulgakows "Der Meister und Margerita" für die Frankfurter Bühne, die Uraufführung eines Faust-Balletts von Goyo Montero in Nürnberg und ein Mailänder "Lohengrin" mit Barenboim, Annette Dasch und Jonas Kaufmann, von dem Eleonore Büning schwärmt: "Er hat Metall, Strahlkraft und einen unerschöpflichen Atem." Hier kann man die ganze Aufführung hören und sehen.
Weitere Artikel: Jürg Altwegg stellt das unterirdische Hobbit-Museum vor, das der ehemalige Finanzmakler Bernd Greisinger mit den Resten seines von Bernie Madoff reduzierten Vermögens in der Schweiz baut (mehr zum Museum hier bei Facebook, hier auf Youtube und hier in einem auf Englisch übersetzten Artikel der italienischen Tolkien Society). Und eine Meldung informiert uns, dass Hans Barlach laut Focus "große Lust" hat, den Suhrkamp Verlag selbst zu führen.

Kommentieren