Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
11.12.2004. In der FR erzählt der ukrainische Dichter Tymofiy Havryliv, wie die Anhänger des grauen Janukowytsch zur orangen Revolution überliefen. In der NZZ beschreibt Richard Wagner, wie er in Deutschland zum Rumänen wurde. In der Welt misstraut Dan Diner der Erregung über Israel. In der SZ beklagt Cord Riechelmann fehlende Klagen über das Waldsterben. Und die FAZ hält die Stasi-Unterlagen noch lange nicht für ein Kulturgut. Und alle sind begeistert von Paul Hindemiths nach einundachtzig Jahren uraufgeführter "Klaviermusik mit Orchester".

FR, 11.12.2004

Der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Tymofiy Havryliv (mehr) berichtet von den Demonstrationen aus Kiew: "Die 'andere Seite' hat Reisende nach Kiew geholt, teils unter Zwang, teils gegen Belohnung. Sie veranstaltete eine 'alternative' Demonstration gleich am Hauptbahnhof - weiter wagte sich der inzwischen beurlaubte Ministerpräsident des Landes nicht. Sein Auftritt war ein blasses Abbild des Geschehens auf dem Unabhängigkeitsplatz. Recht schnell gab es die ersten Überläufer: Die Janukowytsch-'Anhänger' schlossen sich der orangenen Revolution an; dort war die Stimmung heiterer, dort bekam man etwas zu Essen und einen Schlafplatz im Zelt."

Ein kleiner Theater-Schwerpunkt. Recht süffisant informiert Florian Malzacher über Roland Koch und die von ihm verliehenen Preise für konservatives Theater: "Der Ministerpräsident nutzt seinen Auftritt zum Plädoyer für ein Theater als moralische Anstalt (ausgerechnet - und keiner im Publikum lacht). Er sagt, dass das Theater den politisch Handelnden auch wehtun darf. Und meint ein Theater, das harmlos im gewohnten Rahmen bleibt." Und natürlich folgen dann Besprechungen genau der Sorte Theater, die Roland Koch & Co auf den Tod nicht ausstehen können, nämlich "Bloody Mess", das jüngste Spektakel der großartigen englischen Performance-Truppe Forced Entertainment und des Postdramas "Patent: Nightflight" von Melanie Mohren und Bernhard Herbordt.

Außerdem besprochen: Eine CD, die die verblüffende und "nicht ganz symmetrische" Liebesgeschichte zwischen Soul und Country vorführt, der Dokumentarfilm über Zeitenwenden in den Karpaten "Carpatia", die Johannesburger Tanzshow "Black Footprint", eine späte Hindemith-Uraufführung, ein Weihnachtskonzert für Kinder und eine Ausstellung über den Formalismus im Hamburger Kunstverein.

Welt, 11.12.2004

"Der Holocaust macht den Juden gegenüber verlegen. Und verlegen ist auch die Rede über den jüdischen Staat", schreibt Dan Diner in der Literarischen Welt. "Wie steht es also um die allenthalben in den Modus von Kritik gefasste Erregung über Israel in seinem Handeln den Palästinensern gegenüber? Hat sie von vornherein als antisemitisch oder - bitteschön - nur als antisemitisierend zu gelten, wenn die für Urteilskraft gehaltene Meinung über Juden öffentliche Sprache und Stimme für sich reklamiert? Um es gleich herauszusagen: Der sich als objektiv gerierenden Meinung wird kein leichtes Gelingen beschieden sein."

Weiteres: Norman Manea schreibt eine Hommage an den "Patrizier des Geistes" und Freund Claudio Magris. Francis Fukuyama bespricht Timothy Garton Ashs "Freie Welt: Europa, Amerika und die Chance der Krise". Abgedruckt ist außerdem ein Text von Martin Walser über Werner Stuhlers Fotografien aus seinem Band "Woher diese Schönheit?"

NZZ, 11.12.2004

In einem schönen Text beschreibt der Schriftsteller Richard Wagner, wie er als Spätaussiedler nach Deutschland kam: "Laut Gesetzesgrundlage und Ansicht der Zuständigen, die auf der Gesetzesgrundlage beruhte, war ich zurückgekehrt, weil ich als Deutscher unter Deutschen leben wollte... Wenn ich in Rumänien als Deutscher galt und es als Banater Schwabe in meinen eigenen Augen auch war, so wurde ich in Berlin ständig eines Besseren belehrt. Mal war ich Deutschrumäne, mal Rumäne, manchmal sogar rumänischer Schriftsteller. Gelegentlich wurde ich sogar nach meinem Übersetzer gefragt. Ab und zu versicherte man mir, dass es erstaunlich sei, dass ich in so kurzer Zeit so gut Deutsch gelernt hätte."

In der Beilage Literatur und Kunst wird Jürgen Habermas' Dankesrede nachgereicht, in der er anlässlich des Kyoto-Preises Auskunft über sich selbst geben sollte: "Zunächst also die frühe Kindheit mit einer Operation unmittelbar nach der Geburt. Ich glaube nicht, dass dieser Eingriff, was nahe läge, mein Vertrauen in die Umwelt nachhaltig erschüttert hat. Aber diese Intervention könnte das Gefühl von Abhängigkeit und den Sinn für die Relevanz des Umgangs mit Anderen geweckt haben. Später wurde jedenfalls die soziale Natur des Menschen zu einem Ausgangspunkt meiner philosophischen Überlegungen. Es gibt viele Tierarten, die gesellig leben. Auch die Primaten, unsere nächsten Verwandten, leben in Horden und familialen Vergesellschaftungsformen - allerdings ohne die komplexen Verwandtschaftssysteme, die erst homo sapiens erfunden hat.

Barbara Villiger Heilig reist auf der Suche nach Schillers Geist zu fünf verschiedenen Inszenierungen durch Deutschland und Österreich. Thomas Hermann untersucht, wie christliche Feiertage literarisch verarbeitet werden. Weitere Artikel beschäftigen sich mit dem Denken des jüdischen Philosophen Moses Maimonides und Siegfried Kracauers Schriften.

Gemeldet wird die Vergabe des Nobelpreises an Elfriede Jelinek und dass Jean-Frederic Jauslin neuer Direktor des Schweizer Bundesamtes für Kultur wird.

Besprochen werden eine Schau der Fotografien von Robert Frank in der Londoner Tate Modern, eine Ausstellung mit Arbeiten des Landschaftsarchitekten Günther Vogt in Basel und, wie immer samstags, jede Menge Bücher, darunter Edith Whartons Novelle "Der Prüfstein", Urs Mannharts Roman "Luchs", Juan Goytisolos Essay über das westlich-islamische Verhältnis "Gläserne Grenzen" (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr).

Berliner Zeitung, 11.12.2004

Im Magazin spricht Daniel Libeskind im Interview über seine Arbeit in Berlin und New York und den Anteil, den seine Frau daran hat. "Nina hatte lange ihre eigene sehr erfolgreiche Karriere gehabt. Sie hat Wahlkampfkampagnen geführt, internationale Organisationen geleitet und war Gewerkschaftsvermittlerin. Aber als ich den Wettbewerb um das Jüdische Museum gewonnen hatte, habe ich zu ihr gesagt: 'Ich mache das nur unter der Bedingung, dass du für mich arbeitest.' Das hat sie gemacht. Sie hat ihren Job für mich aufgegeben ... Es gibt wenige Architektenehefrauen, die mit ihren Männern zusammenarbeiten. Frank Gehry macht das und auch ein paar andere. Aber bei denen sind die Ehefrauen immer auf eine bestimmte Rolle festgelegt. Sie agieren meistens im Hintergrund, bei Nina ist das nicht so. Sie ist immer vorne mit dabei. Es ist Teamarbeit, und ich schätze mich wirklich sehr glücklich, sie an meiner Seite zu haben."

TAZ, 11.12.2004

In der Reihe "Erlesenes erhalten" verkündet die Autorin und Medienwissenschaftlerin Susanne Fengler heute in leichter Abwandlung Niklas Luhmanns die frohe Botschaft: "Was wir über die Massenmedien wissen, wissen wir durch taz, FAZ & Co. Denn ein ganz erheblicher Anteil an empirischen Studien über Medieninhalte und Medienwirkungen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hierzulande vorgelegt wurden, stützt sich auf die Berichterstattung der überregionalen Tageszeitungen."

In der Kultur erinnern sich taz-Autoren, Pisa-inspiriert, an ihre Schulzeit. Detlef Kuhlbrodt denkt sogar noch weiter zurück: "Nach dem Kindergarten sagten meine Eltern, nun würde aber der Ernst des Lebens beginnen. Da wars grad 68. Der Ernst des Lebens bestand in erster Linie darin, dass ich allein zu Fuß in die Schule ging, und war ganz gut." Katrin Kruse schimpft mit dem Berliner Kunstgewerbemuseum, das die glanzvolle Kostümsammlung von Kamer/Ruf erworben hat, aber keine Werbung dafür macht. Ruslan Polukhin warnt, dass das architekturgeschichtlich bedeutende Moskauer Zylinderhaus von Konstantin Melnikow verfällt, wenn der Westen nicht eingreift. Zum 100.000 Film gratuliert Dietrich Kuhlbrodt der Filmprüfstelle FSK, der er angehört.

In der taz zwei spricht Dieter Salomon (Website), der grüne OB von Freiburg, über die Verhältnisse im Ländle und das grüne "Südbaden-Feeling": "Sagen wir es so: Sie fühlen sich als links, verdienen überdurchschnittlich, sind eigentlich sehr bürgerlich, merken es aber nicht. In Freiburg würde keiner mehr sagen: Den kannst du nicht wählen, der ist Grüner. Ich bin OB, weil das weitgehend dem Lebensgefühl der Menschen entspricht."

Im tazmag stellt Ulrike Winkelmann die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft vor, die ungefähr das Gegenteil von dem ist, wonach sie klingt: "Die INSM ist nur eine von mehreren Unternehmungen der Wirtschaftslobby, die in den vergangenen Jahren gegründet wurden, um das Vertrauen in den Staat zu schwächen und das Vertrauen in Marktgesetze zu stärken. Die zweitprominenteste derartige Veranstaltung dürfte der 'Bürgerkonvent'des Sozialstaatsdenunzianten Meinhard Miegel sein. Der schloss sich mit mehreren anderen Initiativen im Mai dieses Jahres zur 'Aktionsgemeinschaft Deutschland' zusammen - woraufhin das gesamte Gebilde von der Bildfläche verschwand."

Weiteres: Tobias Rapp erinnert zum 40. Todestag an Sam Cooke, zu Lebzeiten der "größte Star des schwarzen Entertainments". Rezensiert werden unter anderem Thomas Kapielskis neuer Band "Weltgunst" (enthusiastisch), Suspense-Werke, die keine Krimis sind (in der crime scene), Gedichte des recht unbekannten, aber sehr fleißigen Lyrikers Cid Corman. Politisches: Alex Callinicos anitkapitalistisches Manifest und Gilles Kepels "brillante" Analyse der islamo-westlichen Verhältnisse, "Die neuen Kreuzzüge" (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr.)

Schließlich Tom.

FAZ, 11.12.2004

"Siebzehn Minuten Sensation, linker Hand": Wolfgang Sandner umjubelt Paul Hindemiths "Klaviermusik" für die linke Hand auf, das am Donnerstag von den Berliner Philharmonikern und Leon Fleisher nach einundachtzig Jahren uraufgeführt wurde und verheißt dem Stück eine große Karriere. Besonders eine "lyrisch-kantable Insel im ansonsten ungestümen Klaggeschehen" hat ihm angetan: "Ein Duo zwischen Englischhorn und Klavier und eine anschließende Solokadenz, die mit zum Schönsten gehören dürften, was Paul Hindemith je geschrieben hat."

Mark Siemons hätte gern das "innerbürokratische Arrangement", die Birthler-Behörde künftig nicht mehr dem Bundesinnenminister, sondern der Kulturstaatsministerin zu unterstellen, etwas offener diskutiert gesehen: "Was sich darin, über rein organisatorische Fragen hinaus, ausdrückt, ist eine Bewegung weg von der unmittelbaren politischen Auseinandersetzung hin zur Historisierung und Archivierung der DDR. Es ist eine Feststellung oder Behauptung mit diesem Vorgang verbunden: die Einschätzung, dass die politische Sprengkraft der Unterlagen des 'Ministeriums für Staatssicherheit' der DDR so sehr nachgelassen habe, dass sie bedenkenlos der 'Kultur', also der bloßen Bearbeitung von Bewusstseinszuständen, überlassen werden könnten."

Weiteres: Michael Jeismann freut sich schon mal auf das "Musee de L'Europe", das derzeit noch als Geheimunternehmen in Brüssel geplant wird, für rund vierzig Millionen Euro. Jordan Mejias blätter in amerikanischen Zeitschriften, die sich mit dem politischen Gefecht um die Großfamilie befassen. In der Leitglosse tut "igl" Eckhard Henscheids Ausfälle gegen Elfriede Jelinek als "neidgenährtes rhetorisches Fliegenklatschen" ab. Jürgen Dollase preist das zweite Menü der FAZ-Gourmetvision an, die von den Köchen Andree Köthe und Yves Ollech im Nürnberger Restaurant "Essigbrätlein" besorgt wird. Harald Hartung gratuliert dem Dichter, Kritiker und Übersetzer Friedhelm Kemp zum Neunzigsten. S.K. meldet, dass das Badminton Cabinet für 24,6 Millionen Euro bei Christie's von Fürst Hans-Adam II ersteigert und damit der teuerste Schrank der Welt wurde.

In Frankreich wird Kunst vom Staat gekauft und ausgestellt, erklärt Werner Spies auf den Seiten der ehemaligen Tiefdruckbeilage, der Sammler und die Leidenschaft haben einen schweren Stand: "Den Kauf von Kunst, die Verwaltung von Kunst umgibt so etwas wie ein laizistisches Pflichtgefühl. Das passt zum republikanischen Geist, zum Spiel mit der Chancengleichheit. Für den Künstler hat die Vorstellung, nur den Staat zu beliefern, etwas Demoralisierendes, Pejoratives. Denn der Diskurs, den der Künstler mit dem Sammler zu führen vermag, fällt aus. Und für die leidenschaftliche Beziehung ist allein der Sammler zuständig." Friedrich Niewöhner schreibt zum achthundertsten Todestag des Philosophen Maimonides.

Auf der Medienseite sieht Jürgen Kaube den Münchner Tatort auf seinem Höhepunkt, etwas weiter unten in der Qualitätsskala verortet "miha" den Terror-Tag X im ZDF.

Besprochen werden die Videoarbeiten des Belgiers David Claerbout im Münchner Lenbachhaus, Ayse Polats Film "En Garde", eine Schau im Felix-Nussbaum-Haus zum hundertsten Geburtstag des Künstlers, ein Konzert der norwegischen Band Emmerhoff and the Melancholy Babies (leider vor leerem Haus), neue Beethoven-Aufnahmen von Alfred Brendel und Maria Kliegel, neue Platten von The Donnas, Shawn Philips, Joseph Schwantner, sowie Bücher, darunter Stephen Greenblatts Shakespeare-Biografie "Will in der Welt" und Marcel Reich-Ranickis Dramenkanon (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

In der Frankfurter Anthologie stellt Wulf Segebrechts Erich Kästners "Weihnachtslied, chemisch gereinigt" vor:

"Morgen, Kinder, wird's nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt
Mutter schenkte euch das Leben.
Das genügt, wenn man's bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit,
Morgen ist's noch nicht so weit.

SZ, 11.12.2004

Der neueste Waldschadensbericht stellt fest: Der Wald stirbt, immer noch. Zwei Drittel der Bäume sind krank. Das scheint aber keinen mehr zu kümmern. Außer Cord Riechelmann, Biologe und Philosoph und Feuilleton-Experte für Tier und Natur. Er gibt dies zu bedenken: "Wenn also jetzt niemand mehr mit fatalistischen Weltuntergangsszenarien auf den Waldzustandsbericht reagiert, hat das sicher auch mit den Überreaktionen früherer Jahre zu tun und muss deshalb nicht schlecht sein. Die Gründe für den Zustand des Waldes sind damit natürlich nicht vom Tisch."

Der irakische Schriftsteller Najem Wali erinnert sich an das Rezeptionsschicksal Kafkas in der arabischen Welt: "Die wahnwitzige Kampagne gegen Kafka nahm ihren Anfang im Irak Saddam Husseins. In den siebziger Jahren überrumpelten uns die offiziellen, vom Kultusministerium herausgegebenen Kulturmagazine mit einer Reihe von Studien über zionistische Literatur. In all diesen Studien stand Kafkas Name oben an. (...) In den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde in der arabischen Welt kein anderer humanistischer Schriftsteller so sehr verachtet, entwertet und verbrannt wie Kafka."

Weitere Artikel: Die Pisa-Mathematiker Werner Blum und Michael Neubrand verteidigen die jüngst in der SZ heftig bezweifelte Leistungsfähigkeit des von ihnen mit entworfenen Tests. Den Vaterlandsverräterprozess gegen Friedrich Ebert aus dem Jahr 1924 rollt der Historiker Gerd Krumeich neu auf. Im Interview äußert sich Klaus Biesenbach - der nach seiner Berufung ans MoMA nur mehr aus der Ferne halb zuständig ist - zur im Januar startenden, vormals skandalumwitterten RAF-Ausstellung in Berlin, die nach der Rückzahlung öffentlicher Gelder nun mit der Versteigerung von Kunstwerken über Ebay bezahlt werden soll. Dazu gibt es eine Liste der vertretenen Künstler - von Beuys bis Meese, von Kippenberger bis Odenbach. Kurz vorgestellt werden die für den heute zu vergebenden Europäischen Filmpreis nominierten Filme, ihre Macher und Darsteller. Gemeldet wird die positive Bilanz des Goethe-Instituts, das jetzt nur den Standort in Rothenburg ob der Tauber schließen will. Wolfgang Matz gratuliert dem Übersetzer und Vermittler Friedhelm Kemp zum Neunzigsten.

Besprochen werden ein Konzert mit Maurizio Pollini im Münchner Herkulessaal ("ein aufwühlendes Ereignis"), Leon Fleishers Interpretation von Hindemiths Klavierkonzert in Berlin, die Ausstellung über den Untergang Pompejis in Mannheim und ein Buch der Eltern Elke Naters und Sven Lager (mehr in der Bücherschau des Tages).

Die SZ am Wochenende ist, wie immer, ihrer Zeit weit voraus. Heute macht sie mit einem Rückblick auf das WM-Endspiel 2006 auf: "Dann begann das Spiel. Kommentator war Johannes B. Kerner. Das ZDF hatte ihn in den Ball einnähen lassen, von wo aus er den Verlauf des Finales mit Übersicht schilderte. Ihm gelang die Sportreportage des Jahrhunderts." (Im übrigen: "Wieder nur Vize-Weltmeister.") Seiner Zeit um zwei Jahre hinterher hinkt dagegen Irving Tobin, 80 Jahre alt und an der Welt sehr interessiert. Zu sehr vielleicht: "Jeden Tag liest er seine Zeitung, die New York Times. Und zwar Wort für Wort, Satz für Satz, Artikel für Artikel, von der ersten bis zur letzten Seite. Und da die Times ein reichlich voluminöses Blatt ist, hat der alte Mann den Anschluss verloren."

Weitere Artikel: In der ein bisschen absurden Serie über Europas kleinste Hauptstädte ist heute Monaco dran, das heute vor allem vom Massentourismus lebt. Ein kleiner Schwerpunkt ist den Inuit gewidmet, ihrer Sprache, ihrer Lebensweise und einigem mehr. Aus Berlin berichtet Constanze von Bouillon von den Streitereien um die Mauer-Gedenk-Kreuze. Vorabgedruckt wird eine Kriminalerzählung von Hugo Hamilton, die im Rahmen des Projekts "Europa mordet. Ein internationales Krimiprojekt mit vierzehn spannenden Storys" entstanden ist. Im Interview mit Heiner Geißer geht es um die Angst. Der Politiker sieht das eher philosophisch: "Es gibt ja viele Ängste. Es gab mal die Raketen-Angst, es gab die Russen-Angst, die Lebensangst, oder, sehr aktuell: Fremdenangst. Die Todesangst ist allgemein verbreitet. Weil der Tod demokratisch ist. Von hundert Leuten sterben hundert."

Tagesspiegel, 11.12.2004

Auch dem Tagesspiegel hat Paul Hindemiths von den Berliner Philharmonikern uraufgeführtes Stück großartig gefallen: "Lupenreine Neue Sachlichkeit, 1923 absolut auf der Höhe ästhetischer Tendenzen in allen Bereichen der Kunst. Wie seine Dessauer Architektenkollegen stellt der Komponist die tradierten Formen nicht grundsätzlich in Frage. Die Sätze folgen dem klassischen Solokonzert-Schema schnell-langsam-schnell. Aber er reißt alle Dekoration herunter, klopft Stuck und falschen Marmor ab. Wild fahren die Blechbläser dazwischen, der Steinway-Flügel ist mehr Schlag- als Melodieinstrument. Vor allem aber tritt der Klaviervirtuose zurück ins Glied, als ein Instrumentalist unter vielen: Die Zeit der Helden ist vorbei."