Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
09.08.2003. Die FAZ beklagt, dass Berlusconi den billigen Jakob zum Schutzheiligen Italiens gemacht hat. Die SZ fürchtet ein intellektuelles Ausbluten Deutschlands. Die NZZ hört "Propheten einer allgemeinen Umnachtung" in New York. Und Jean Baudrillard malt in der FR aus, wie sich der verbitterte Okzident für den Verlust seiner Werte an anderen Kulturen rächen wird.

FAZ, 09.08.2003

Dirk Schümer darf ausführlich über die "Ästhetik des Primitiven, Dummen und Dreisten" verzweifeln, mit der Berlusconi im "Land neureicher Wirtschaftswunderkinder" seine Einschaltquoten in Stimmenprozente verwandelt. "Was immer politisch aus Berlusconi wird - diese nahezu widerstandslose Vulgarisierung einer nationalen Öffentlichkeit in Gestalt einer Ballettrattenrepublik wird ihn überleben. Weil er seine Billig- und Werbeversion von Hollywood in Europa zu etablieren verstand, ist Berlusconi der Prototyp unserer Kultur geworden. Der Welt der Drückerkolonnen, der Horoskopleger und der Teppichhändler entstiegen, hat er den billigen Jakob zum neuen Schutzheiligen Italiens und das Krakeelen der Werbung zum Orgelton unserer Zivilisation gemacht."

Weiteres: Ilona Lehnhart berichtet von der jüngsten Berliner Posse zu berichten: Der Neubau der Berliner Akademie der Künste am Pariser Platz wird gestoppt. Der Keller ist so stark vom Schimmelpilz befallen, dass die Akademie ihr Archiv dort leider nicht unterbringen kann, womit der Bau praktisch wertlos geworden ist. Gerd Roellecke meint, dass auch oder gerade im Gesundheitssystem wieder die Gesetz der Natur stärker beachtet werden sollten, die bekanntlich hart, aber gerecht, sind. Beim Blättern durch osteuropäische Zeitschriften ist Joseph Croitoru auf einige selbstkritische Fragen über mangelnde journalistische Ethik und Unabhängigkeit gestoßen. Auf der Medienseite porträtiert Josef Oehrlein den argentinischen Staatssender "Canal siete".

Werner Schmitthals erklärt, warum das gemeinsame Abendmahl von Katholiken und Protestanten theologisch unmöglich ist. Werner Spies betrachtet Picassos Spätwerk, in dem sich "akribische Zeichnung", "spontane Malerei" und alte Perfektion verbanden.

Besprochen werden die Moma-Retrospektive zu Max Beckmann, den bei den Amerikaner offenbar als düsterer, humorloser, arroganter Deutscher populär ist, die Schau "Neapel - Bochum -Rimini" in der Bochumer Zeche Hannover, eine Schau von Fotografien zu den "Black Panthers" in Berkeley.

Und Bücher, darunter Sybille Bedfords großer Gesellschaftsroman "Ein Vermächtnis", die Katherine-Hepburn-Biografie "Ein Jahrhundertleben", Zadie Smiths Roman "Der Autogrammhändler" sowie Hörbücher zu Antoine de Saint-Exupery und Christian Morgenstern (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Und in der Frankfurter Anthologie stellt Marcel Reich-Ranicki ein Sonett von Wolf Wondratscheks vor:

Am Quai von Siracusa

Die Möwen lassen sich durch Winde fallen,
die Schiffe liegen wie auf Grund.
Das Meer steht still zu dieser Stund,
der dunkelsten von allen.

Kein Gast bewohnt im Grand-Hotel die Räume.
Verlassen stehn die Kaufmannshäuser da.
Hier ist die Schönheit ganz dem Ende nah
und ohne Trost selbst deine Träume.

Den Löwen sitzt schon Moder im Gebiss.
Katzen gebären in leeren Palästen.
Und durch das Lächeln der Madonna geht ein Riss.

Eroberer sind hier an Land gegangen.
Die Fischer halten ihren Fang. Die Stadt,
Vergangenheiten überhangen, von Anfang an.

FR, 09.08.2003

Viel Weltpolitik heute: In Zeit und Bild druckt die FR druckt die gekürzte Fassung eines Aufsatzes der amerikanischen Menschenrechtsexpertin und Pultizerpreistzrägerin Samantha Power, demnächst im Essayband "Empire Amerika" zu lesen. Power rät ihrer Heimat dringend zu mehr Bescheidenheit - und dem Ablegen einiger liebgewonnener Angewohnheiten. "Unsere Amnesie. Wenn ein Amerikaner ein Amt antritt, beginnt eine neue Zeitrechnung. Wir löschen die Erinnerung an vergangene Untaten und Untätigkeiten aus. Wir führen Krieg gegen die Taliban, ohne zuzugeben, dass wir ihnen vorher geholfen haben."

In einem Vortrag für das Pariser Institut du monde arabe erklärt Jean Baudrillard (Bücher) den Terrorismus zur Folgeerscheinung der Globalisierung, die alle Kulturen gleichzumachen trachtet und damit Abwehrreaktionen hervorruft. "Die Mission des Okzidents (oder besser des Ex-Okzidents, wo er doch schon lange keine eigenen Werte mehr hat) besteht darin, die vielfältigen Kulturen mit allen Mitteln dem rohen Gesetz der Gleichwertigkeit zu unterwerfen. Eine Kultur, die ihre Werte verloren hat, kann nicht anders als sich an den Kulturen der anderen zu rächen. Sogar die Kriege zielen in erster Linie und jenseits der politischen oder ökonomischen Strategien darauf ab, Wildwuchs in normale Bahnen zu lenken und alle Territorien auf Linie zu bringen."

Weitere Artikel: Stefan Müller hat wenig Mitleid mit den Plattenfirmen, wenn die so unflexibel bleiben wie gerade beim dem erfolgreichen, aber inoffiziellen Duett von Nena und Eminem. Isolde Charim kennt den neuen Artikel von Robert Kaplan im nächsten Atlantic Monthly schon und macht uns schon mal mit dem amerikansichen Idealhelden bekannt: dem Zugewanderten, dem "Afghano-, der Irano-, Irako- oder Palästina-Amerikaner". Renee Zucker rät allen wissenschaftlich bewiesen planlosen Frauen: nicht auf die Banker vertrauen! Benedikt Köhler empfiehlt nach der Lektüre des Standardwerks "Heat Wave" des New Yorker Soziologen Eric Klinenberg den Biergarten als probate Abkühlungsvorrichtung. Burkhard Müller-Ullrich schüttet Kübel voller Hohn über Guido Knopp und dessen Suche nach dem größten Deutschen. Gemeldet wird, dass der Jesus-Film von Mel Gibson antisemitisch sein soll und dass die Kulturstiftung des Bundes einen Fonds für den Kultur-Austausch zwischen Ost und West eingerichtet hat.

Auf der Medienseite nimmt Harald Keller die neue "Beastmaster"-Serie zum Anlass, die Mechanismen der weltweiten Serienvermarktung darzustellen.

Besprochen werden, die umfassende Schau der Bilder von Jean Dubuffet im Salzburger Museum Rupertinum, das enttäuschende Tanzstück "Once" von Anne Teresa De Keersmaeker beim Wiener ImPulsTanz-Festival und Bücher, etwa ein imposantes Fotobuch über "Die Trick-Fabrik. DEFA Animationsfilme 1955 - 1990", Anatole Frances Liebesroman "Die rote Lilie" sowie Ross Kings erfrischend resprektloses Porträt Michelangelos.

Im Magazin zetert, lästert und tobt der Werber Erik Spiekermann über schlimme Reklame, das schlaffe Land und die Banausen im Amt: "Dort gibt es niemanden, der Geschmack hat, niemanden, der weiß, dass es auch so etwas wie Kultur gibt. Deshalb bekommt bei Ausschreibungen immer der billigste Anbieter den Zuschlag. Da gibt es keine praktischen und schon gar keine kulturellen Kriterien. Und deshalb bekommen die immer wieder Dreck, weil Dreck am billigsten ist. Kein Anbieter, der so was wie ästhetische Qualität liefert, kann sich leisten, denen etwas anzubieten. Dreck ist billiger als was Schönes, Geiz ist geil."

Weiteres: Petra Haller war bei der Kür des Strongman 2003 (ein Eindruck) und kann starken Männern, die Betonkugeln heben, nicht widerstehen. Denn "Muskelprotze und Poser haben hier keine Chance". Beate Köhne weiß von einem Wunder zu berichten: Zu Mariä Himmelfahrt tauchen auf der griechischen Insel Kefallonia regelmäßig Schlangen in der Kirche auf.

NZZ, 09.08.2003

Paul Jandl berichtet von einem einigermaßen befremdlichen Vorkommnis in Österreich: Die Familie Habsburg erdreistet sich, vom Österreichischen Entschädigungsfonds für NS-Opfer die Rückgabe von Wäldern, Schlössern und Gutsbesitz zu fordern. Bisher stoßen sie damit allerdings auf Granit: ""Das Einzige, was ich mir als Rückerstattung vorstellen könnte, ist bestenfalls ein Zimmer im Schloss Schönbrunn, wo immer ein Habsburger anwesend sein muss, um den Touristen zuzuwinken", spottete Josef Cap, der Fraktionschef der österreichischen Sozialdemokraten, und überhaupt: Die Habsburger müssten, statt Entschädigungen zu kassieren, eher noch für die Folgen des Ersten Weltkriegs aufkommen."

Andrea Köhler antwortet den New Yorker "Solisten des Wahnsinns", die in endlosen Selbstgesprächen ihrem Zorn freien Lauf Lauf lassen, mit einer kleine Elegie: "Sie sind die Günstlinge einer für diese Stadt spezifischen Toleranz, die sich von Gleichgültigkeit nicht unterscheidet, solange die Irren nicht lebensgefährlich werden. Wie die Propheten einer allgemeinen Umnachtung künden sie vom gärenden Bodensatz einer Gesellschaft, die humanen Ausschuss am laufenden Band produziert; so sind ihre Predigten ein Teil der sozialen Tonspur der Stadt. Die Exzentrik New Yorks, seine elektrische Ladung ist so monoman wie verstörend: Wo alles im babylonischen Stimmengewirr durcheinander weht, Erdteile, Weltbilder, Hautfarben, ist die Verwirrung des Geistes nur eine Sonderform des urbanen Deliriums."

Nico Bleutge stellt das ehrgeizige Projekt des Berner Autors Franz Dodel vor, einen Endlos- Haiku zu verfassen. Andrea Maurer berichtet vom ernüchternden Auftakt des Filmfestival Locarno.

In Literatur und Kunst erzählt Regisseurin Andrea Breth im Gespräch mit Barbara Villiger Heilig, wie sie sich auf ein neues Stück vorbereitet: "Ich lese seltsame Sachen. Ich suche eine Musik - nicht die Bühnenmusik -, die ich drei oder sechs Monate lang brauche zum Denken und Empfinden. Die würde ich niemandem verraten. Des Weiteren sehe ich mir Filme an, Malerei, alles Mögliche. All das fällt durcheinander. Am Schluss weiss ich gar nichts mehr. Dann kann ich anfangen."

Samuel Herzog unterhält sich außerdem mit Theodora Vischer und Bernadette Walter über Dieter Roth, zu dem sie eine Retrospektive im Baseler Schaulager organisiert haben. Caral Cugini erklärt, wie die Naturwissenschaft die Rezeption des Impressionismus prägte.

Besprochen werden bücher, darunter Ioanna Karystianis Roman "Schattenhochzeit", Durs Grünbeins Übersetzung von Senecas "Thyestes" und verschiedene Publikationen zu Ausdruckstanz und Performance (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

TAZ, 09.08.2003

Hans Pfitzinger (mehr) erinnert sich im tazmag an seine Tage als Revoluzzer, als er und seine Kameraden das Münchner Institut für Zeitungswissenschaft befreien wollten und dafür das Amerikahaus besetzten (mehr zu ihren universitären Kontrahenten). Drei Stunden Haft waren das Resultat. "Während ich durch den Schneematsch hinüber zum Karolinenplatz stapfte, um den senfgrünen Fiat 500 abzuholen, den ich damals fuhr, gingen mir die letzten Tage und Stunden durch den Kopf - die Zuspitzung der Lage kurz vor dem Prüfungstermin, die Auseinandersetzungen mit den Institutsassistenten - Peter Glotz profilierungssüchtig an der Spitze -, und die 'Genossen', die unvermittelt gestern Morgen aufgetaucht waren, als klar wurde, dass die Vollversammlung sich für unbefristete Besetzung aussprechen würde. Plötzlich waren sie da, verteilten Matratzen im Seminarraum, installierten einen Plattenspieler und ließen die Rolling Stones 'Sympathy for the Devil' dröhnen."

Einsam im Feuilleton: Stefan Reinecke hält nach der Lektüre der peinlichen Entlassungsforderung für Micha Brumlik sowohl den Verfasser Ted Honderich als auch die Affäre um dessen Buch für erledigt.

Auf der Medienseite unterhält sich Luca Caracciolo mit Tommy Krappweis, dem Erfinder des im Moment schwer angesagten Kinderfernsehstars "Bernd das Brot" (mehr). Verona von Blaupunkt gibt Hörspieltipps für die Hundstage.

Besprochen werden eine Ausstellung mit Bildern des chinesischen Pressefotografen Li Zhensheng im Pariser Museum Hôtel de Sully, Benjamin Leberts lang erwarteter zweiter Roman "Der Vogel ist ein Rabe", Constantin Gillies gut recherchierte Abrechnung mit der Dot-com-Ära "Wie wir waren. Die die wilden Jahre der Web-Generation" sowie Norbert Gstreins gelungener Roman "Das Handwerk des Tötens" über das Nichtzustandekommen eines Romans.

Nur wenige werden zum hinteren Ende der Veranda der kubanischen Tabaklegende Alejandro Robaina (Hintergrund) vorgelassen. Klaus Wittmann durfte - und erzählt im tazmag begeistert und metaphernreich von seiner Begegnung mit dem verehrten Meister des Deckblatts. "Der Maximo lider des Tabakblattes bittet uns auf seine Veranda. Er steckt sich eine dicke Havanna an - acht Stück pro Tag rauche er, sagt er, noch bevor wir die Frage, die er schon erwartet hat, stellen können. Mit elf Jahren hat er seine erste Puro geraucht, zeitweise waren es fünfzehn Stück am Tag. Aber inzwischen beschränkt er sich auf acht, die erste davon, wenn frühmorgens über der Vegas Cuchilla die Sonne aufgeht und er stolz über das grüne Meer der Tabakpflanzen blickt."

Außerdem: Kirsten Küppers liefert eine lange Gerichtsreportage über einen ehelichen Mord. Die Frau muss sich nun verantworten (Hintergrund zum Verhältnis Justiz und Frau). Christoph Twickel schildert den Kampf der Einwohner von Maclovio Rojas (Hintergrund) gegen die mexikanische Regierung, die die Siedlung lieber heute als morgen dem Erdboden gleichmachen will. Sebastian Heinzel lässt sich überzeugen, wie man das ehemalige Nazi-Bad Prora auf Rügen (Geschichte) künstlerisch nutzen kann.

Schließlich Tom.

SZ, 09.08.2003

"Haltet die Forscher!", ruft ein alarmierter Wolf Lepenies angesichts eines intellektuell ausblutenden Deutschlands. Im zweiten Teil der Migrations-Reihe zieht er eine gerade Linie von der Vertreibung der jüdischen Wissenschaftler bis zum Exodus des jungen Humankapitals in der Gegenwart. "Sie haben die Fiktion einer 'Juniorprofessur' durchschaut, die sie nach zwölf Jahren mit einem Berufsverbot bedroht. Sie sind es leid, durch Klinikchefs und Ordinarien zu Opfern einer 'Demütigungspädagogik' zu werden, wie Gesine Schwan, die Präsidentin der Europa-Universität Viadrina, die Schwundstufe der einst von Humboldt beschworenen Einheit der Lehrenden und Lernenden nennt. Sie gehen lieber in ein Land wie die USA, in dem es Karrierepfade, 'tenure tracks', gibt, die Forscher bei guter Leistung ohne neue Berufungsverfahren zur Festanstellung führen."

Weitere Artikel: Christopher Schmidt sinniert über den letzten Schlussverkauf aller Zeiten, deutsche Enthemmung und innerstädtische Kampfzonen, um dann hitzetrunken zu resümieren. "Der Schluss ist verkauft, aber der Sommer geht weiter". Armin Rudi Kitzmann stellt ein Schreiben von Karl Dörfler an Heinrich Himmler aus dem Jahr 1938 vor. Wolfgang U. Eckart erinnert an die Verdienste des verstorbenen Peter Safar, Erfinder der Mund-zu-Mund-Beatmung. "mea" findet nichts dabei, den Kölner Dom als Bahnhofshalle zu nutzen. "dip" beobachtet eine teilweise Entspannung der Lage an der Kölner Kulturfront. Susan Vahabzadeh weidet sich genüsslich am Flop von Gigli, dem ersten gemiensamen Film des Langweilerpaars Lopez-Affleck. C. Bernd Sucher meldet sich mit seinem Theaterbazar aus Salzburg, wo man Sunnyi Melles an der Hotelbar trifft.

Auf der Literaturseite grübelt Ijoma Mangold, ob im Fall von Maxim Billers nun zensierter "Esra" gerade die Allmacht der Kunst ihre Beschränkung herbeiführen könnte.

Die Medienseite birgt Benjamin Henrichs Ode an den "Dämmergefährten" Fernsehen. Christian Mayer beschreibt die Ankunft des gefallenen Superstars Daniel Küblbock in der Klinik - noch alles fiktiv.

Besprochen wird eine Ausstellung der Gilbert Collection in London über "Die Kunst des Schachspiels", Jonas Åkerlunds filmischer Vollrausch "Spun" mit Mickey Rourke, und Bücher, darunter Susan Sontags nun auf Deutsch erschienener Essay "Das Leiden anderer betrachten", ein atmosphärisch dichter Fotoband Francesco Catala-Rocas über Barcelona und Madrid in der Nachkriegszeit sowie die erstaunlich egozentriklosen Memoiren des britischen Historikers Eric Hobsbawm, "Gefährliche Zeiten" (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

In der SZ am Wochenende verewigt Georg Klein (Bücher) in kurzweiliger Manier seine Wahlheimat, das ostfriesische Rheiderland. "Vor gut fünfzehn Jahren hätte ich auf die Frage, wo oder was der Dollart sei, selbst keine Antwort gewußt. Dieser merkwürdige Meerbusen, der halb zu den Niederlanden gehört, sich an seinem Ausgang ins freie Meer noch einmal sackartig verengt und von der Ebbe fast vollständig blankgezogen wird, war mir kein Begriff, geschweige denn eine Erfahrung. Wird man an sein Ufer geführt, genügt es nicht, bei Ebbe ein Weilchen am Rande der grauen Schlickfläche zu stehen oder mit hochgekrempelten Hosenbeinen eine paar Dutzend Schritte in die klebrige Pampe hineinzustapfen."

Außerdem: Robin Detje untersucht Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus in Deutschland und kommt zu dem Schluss, dass wir ihn wohl nie loswerden können. Birk Meinhardt porträtiert eindringlich Grünen-Gründungsmitglied Herbert Rusche, der sich wie als Bundestagsabgeordneter auch jetzt als Kassierer im Pornokino immer treu geblieben ist. Sven Siedenberg legt uns die sofortige Mitgliedschaft im Verein zur Verzögerung der Zeit ans Herz. Robert Lücke plaudert mit Matula-Mime Claus Theo Gärtner über Gerechtigkeit und die Unmöglichkeit, dass der Böse gewinnt.