Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
12.04.2003. In der FAZ entwickelt Julian Barnes ein Punktesystem für das große Irak-Spiel. In der NZZ stellt Dubravka Ugresic den indischen Autor Joydeep Roy Bhattacharya vor, der am liebsten über Ungarn schreibt. Die FR schildert, wie Erich Loest von der Stasi drangsaliert wurde. In der taz erfahren wir, dass Andreas Baader die RAF-Logos von Werbegrafikern begutachten ließ. In der SZ empfiehlt Martin Crimp den Bagdader Kindern, auf dem Fahrrad Helm zu tragen.

NZZ, 12.04.2003

Die europäische Literatur ist wie ein Wettbewerb um den Eurosong, findet Dubravka Ugresic ("Lesen verboten"): Autoren wie den Sängern haftet dabei das Herkunftsland wie ein Markenzeichen an. Ugresics Held dagegen ist Joydeep Roy Bhattacharya (mehr hier), ein in Amerika ansässiger Inder, der einen Roman über Ungarn in den sechziger Jahren geschrieben hat, der sehr gelobt wurde. ("Gabriel Club", Leseprobe auf englisch und auf ungarisch.) "Joydeep ist ein junger, gut aussehender Mann. Und sehr fotogen. Sein amerikanischer Verleger veröffentlichte seinen Roman in der Hoffnung, Joydeep würde zur Vernunft kommen und etwas über Indien schreiben. Etwas wie 'Der Gott der kleinen Dinge', nur aus männlicher Perspektive. Meine Mama, der ich das Buch mit Joydeeps Foto auf dem Einband zeigte, solidarisierte sich instinktiv mit dem amerikanischen Verleger. 'Warum schreibt er nicht über Indien', seufzte sie, 'er ist schöner als Sandokan.' Bei einem Gespräch mit Joydeep war ich verblüfft von seiner Kenntnis und seiner Leidenschaft für Osteuropa. 'Ich denke nicht daran, zur Vernunft zu kommen', sagte er. 'Wie meinst du das?', fragte ich. 'Der Roman, den ich jetzt schreibe, spielt während der fünfziger Jahre in Dresden. Danach kommt ein Roman über die Schlacht bei Stalingrad, aus weiblicher Perspektive', fügte er hinzu."

Außerdem in Literatur und Kunst: Wolfgang Friedrich Stammler zeichnet ein faszinierendes Porträt von Zahiruddin Muhammad, auch Babur der Tiger genannt, Begründer der Moguldynastie und erster Großmogul von Indien (1483-1530), der nebenbei auch ein glänzender Dichter war. (Leseprobe seiner Erinnerungen auf englisch.) Im Feuilleton wirft Otto Kallscheuer einen Blick auf die Geschichte der amerikanischen Zivilreligion im Allgemeinen und George W. Bush im Besonderen. Uwe Justus Wenzel grübelt anlässlich der Kriegsberichterstattung von "eingebetteten" Journalisten mit Adorno und Boris Groys über den "Verdacht". Stefan Sonderegger erinnert zum 100. Geburtstag an den Dialektologen Rudolf Hotzenköcherle.

Besprochen werden Ariane Mnouchkines Inszenierung von "Le Dernier Caravanserail (Odyssees)", ein Kollektivwerk des Theatre du Soleil, und viele Bücher, darunter Jean-Marie Gustave Le Clezios Roman "Fisch aus Gold", eine Studie zu Benedetto Croce, Carson McCullers Autobiografie (Leseprobe) und ein Werk des Mystikers Ibn Arabi (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

FAZ, 12.04.2003

Der Krieg im Irak ist praktisch gewonnen. Wer hatte nun Recht? Die Kriegsgegner oder die -befürworter? Julian Barnes (homepage, Bücher hier) liefert schon mal eine Abrechnung: "Beginnen wir mit der Grundeinheit: Für einen toten irakischen Soldaten gibt es einen Punkt, für ein Mitglied der Republikanischen Garde zwei, für ein Mitglied der Sondereinheiten der Republikanischen Garde oder der Fedaijin Saddam drei Punkte - und so weiter bis zu den Spitzen des Regimes, zum Beispiel 5000 Punkte für Chemical Ali, 7500 für jeden der Saddam-Söhne, 10 000 für den Tyrannen selbst. Nun zur potentiell demoralisierenden Kehrseite. Für einen getöteten irakischen Zivilisten sind abzuziehen: für Männer einen Punkt, für Frauen fünf, für Kinder zwanzig Punkte. Für einen getöteten Koalitionssoldaten sind fünfzig Punkte abzuziehen. Und dann der schlimmste Fall (weil er an die Vergeblichkeit und Zufälligkeit des Krieges erinnert): Für einen durch 'friendly fire' getöteten Soldaten der Koalition sind hundert Punkte abzuziehen. Andererseits gewinnt man 1000 Punkte durch jeden Vorfall, der ein paar Jahre später zu einem gefühlvollen Hollywoodfilm verarbeitet werden kann, zum Beispiel 'Die Rettung der Gefreiten Jane Lynch'." (Das Original aus dem Guardian finden Sie hier.)

Weitere Artikel: Der Jurist Gerd Roellecke findet es überflüssig, sich nach dem Sieg der angloamerikanischen Streitkräfte im Irak noch über die Frage "Durften die das?" zu streiten. Jochen Hieber kommentiert die Bewerbung verschiedener deutscher Städte für Olympia 2002 - heute wird entschieden, welche Stadt endgültig ins Rennen zieht. Mark Siemons hat sich in Berlin die Performance "dis-positiv" angesehen, "eine Art Rache der Kunst an jener Sphäre aus Theorie, Diskurs und Projektemacherei, die die Kunst wie eine zweite Haut umgibt". Jürgen Kesting gratuliert Montserrat Caballe zum Siebzigsten. Gemeldet wird, dass das Kleist-Archiv Sembdner nun doch in Heilbronn bleibt.

In den Ruinen von Bilder und Zeiten erinnert Henning Ritter an Benjamin Constant (mehr hier), den ersten Kritiker der Kriege Napoleons. Abgedruckt ist ein Text von Susan Sontag (homepage) über Kriegsfotografie aus ihrem Buch "Regarding the Pain of Others" (hier der link zur Besprechung in der New York Times und einer Leseprobe.)

Besprochen werden die Ausstellung "Free Lance" mit Werken des Karikaturisten Arnold Roth im Cartoon Art Trust in London (ab 17. Mai in Basel), die Uraufführung von Ariane Mnouchkines "Karawanserei" im Pariser Theatre du Soleil, Emanuele Crialeses Film "Lampedusa", das "fabelhafte" Tanzstück "Foi" von Sidi Larbi Cherkaoui in Berlin, Martin Crimps Stück "Spiel mit Wiederholungen" im Dresdner Theater in der Fabrik, die Ausstellung "Femmes fatales" im Groninger Museum und Bücher, darunter Kinderbücher, ein Katalog über Frankreichs "Mission heliographique" 1851 und Roswitha Harings Novelle "Ein Bett aus Schnee" (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Auf der Schallplatten- und Phonoseite beklagt Julia Spinoza, dass nur eine Plattenfirma, nämlich die Deutsche Grammophon, imstande war, pünktlich zum hundertsten Geburtstag von Rudolf Serkin eine Edition herauszubringen. Ellen Kohlhaas stellt Aufnahmen von Bizets "Ivan IV" und "Carmen" vor ("starke weibliche Seilschaft", immerhin liefert Thomas Hampson als Escamillo eine "plastische Charakterstudie eines Balzhahns"). Andreas Obst drückt mit scharfen Worten sein Missfallen aus über Anne-Sophie Mutters Tango-Album ("die Geigenvirtuosin donnert durch das Nachmittagsständchen wie ein Sattelschlepper über den Kinderspielplatz"). Weiter werden besprochen Mozarts mittlere Quintette, eingespielt vom Ensemble Villa Musica, und das Album "Free Country" von Joel Harrison.

In der Frankfurter Anthologie stellt Wolfgang Schneider das Gedicht "Nasse Zäune" von Gottfried Benn vor:

"Nasse Zäune
über Land geweht,
dunkelgrüne Stakete,
Krähenunruhe und Pappelentblätterung
als Umwelt ..."

FR, 12.04.2003

"Es geht seinen Gang", nannte Erich Loest (kleine Biografie) prophetisch seinen 1978 in der DDR erschienenen Roman. Was wirklich in Gang kam, war die Zensur. Im neuaufgelegten Bericht "Der Vierte Zensor" beschreibt Loest den langen Kampf, bis er sein "gelbes Buch" doch veröffentlichen konnte. Udo Scheer ist überrascht von der "Spitzelquote in Loests Bekanntenkreis. 'Freunde', deren Meinung der Autor zu markanten Manuskriptstellen gern einholte, waren ebenso wie Eberhard Günther, sein Verlagsleiter im Mitteldeutschen Verlag, sein Lektor und die Außengutachter Bestandteil der MfS-Strategie. Diese lautetete: Verhinderung des Romans wegen 'literarischer Schwächen' - eine beliebte Verunsicherungs- und Zermürbungstaktik gegen missliebige Autoren. Gleichzeitig sollte Loest hingehalten und an den Verlag gebunden werden, damit der Roman nicht anderswo erscheine."

Im Magazin spricht Dschihad Ballut, der Politikchef des Fernsehsenders Al Dschasira über ausgewogene Berichterstattung und den Tod seines Kollegen Tariq Ayoub - durch eine amerikanische Präzisionsbombe. "Sie wussten genau, wo sich unser Büro befindet. Wir haben ihnen vor Kriegsbeginn die Koordinaten des Gebäudes genannt, damit sie unsere Leute verschonen. In diesem Fall geht es nicht nur um Al Dschasira, sondern generell um den Umgang mit Journalisten in Zeiten des Krieges. Und die Amerikaner verstehen sich als Hüter der Pressefreiheit. (...) Es gibt offensichtlich jemanden, der nicht will, dass wir in dieser Phase des Kriegs aus dem Irak berichten."

Die irakische Opposition lädt irakische Juden dazu ein, das Land wiederaufzubauen. Natan Sznaider reibt sich ob so viel Versöhnlichkeit verwundert die Augen. "Nun haben die Amerikaner mit ihrem Sieg die nahöstliche Welt ein Stück sicherer gemacht. Israelis können jetzt endlich ihre Gasmasken entsorgen."

Weitere Artikel: Dabei sein ist alles, tröstet Christian Thomas schon mal die vier Städte, die sich nicht für Olympa 2012 bewerben dürfen. Renee Zucker meditiert in Zimt über Satzunterstreicher, Eselsohrenknicker und Weinglasverwechsler. Gemeldet wird, dass das neue Urheberrechtsgesetz durch ist, gegen die Stimmen der FDP.

Auf der Medienseite widmet Eva Schweitzer dem Medienmogul Rupert Murdoch ein interessantes Porträt. Dabei beantwortet sie unter anderem die Frage, ob der Besitzer von 175 Zeitungen konservativ sei. "Kaum lag Michael Moores Buch 'Stupid White Men' zur Auslieferung bereit, drohte der Verlag auch schon, es einzustampfen. Nach dem 11. September passte es nicht mehr ins Programm. 'Diese Direktive', vermutet Moore, 'kam von ganz oben - von Murdoch.'" Noch Fragen?

In Zeit und Bild erinnert Heribert Kuhn an den vor 125 Jahren geborenen "Souverän der Höflichkeit" Robert Walser (Bücher). Und macht die unstete Mutter für einiges verantwortlich. "So taktet das kindliche Gefühl im Wechselstrom der mütterlichen Gemütszustände zwischen warmer Verzauberung und kalter Entleerung der Welt. Wenn Elias Canetti Walsers Besonderheit darin erkannt hat, dass dieser beim Schreiben stets die Angst in seinem Innersten leugnete, dabei einen Teil seiner selbst ausließ und gleichsam übersprang, dann geht dies auf die mit den Jahren nicht etwa verwundene, sondern mit immer noch mehr Erwartungsangst aufgeladene Erfahrung eines schlagartigen Verlusts der Welt zurück."

Besprochen werden Lawrence Kasdans verfahrene Stephen King-Adaption "Dreamcatcher", Rolf Lauters Neupräsentation der Sammlung in der Kunsthalle Mannheim, und Bücher, darunter Stephan Reimertz' rührend ahnungslose Biografie von "Max Beckmann", Hans Magnus Enzensbergers Gedichtband "Die Geschichte der Wolken" sowie Courtenay Smith's und Sean Tophams Sammelsurium "Xtreme Houses".

Außerdem im Magazin: Mareen Linnartz rätselt, welcher Diktator wie viele Doppelgänger sein eigen nennt - und was mit ihnen eigentlich geschieht, wenn das Original stirbt. Alexander Musik unterhält sich mit einem fröhlichen Tafwik Mathlouthi, dessen Geschäfte mit der leicht amerikafeindlichen Mecca-Cola glänzend laufen. Stefanie Bisping ist im Luxushotel Greenbrier Resort in West Virginia abgestiegen, wo sich einst der sehr geheime Atombunker der amerikanischen Regierung befand, der nun enttarnt und für Besucher zugänglich ist.

TAZ, 12.04.2003

Ganz erstaunt ist Sabine Leucht vom Intendanten des Müchner Volkstheaters Christian Stückl, denn der ist "Anarcho-Traditionalist", wie sie bewundernd schreibt, kommt aber dennoch aus Bayern. "Mit Kids aus Oberammergau und dem Chiemsee-nahen Riedering hat er zu Weihnachten ein Krippenspiel improvisiert, von dem der Nicht-Muttersprachler nur versteht, dass es rotzfrech ist - und die Dorfjugend aus vollen Kehlen musikalisch. Auch wenn es in der Aufführung mal holpert oder knirscht - hier wirkt im tiefsten Dialekt das erfrischend-archaische Gegengift zum angepassten Stoiber-Land." Steht doch Stückls Theater für "das große Live-Erlebnis, überbordende Spielfreude und für die Weigerung, 'Volk' aufs Folkloristisch-Biedere zu reduzieren."

Kein Geld für Drogen mehr? Dann auf zum Militär! Hans-Christian Dany findet es an der Zeit, eine kleine Geschichte der Amphetamine zu schreiben, wie sie im Irak-Krieg zur Standardausrüstung der Soldaten gehören. "Das Militär spricht von Go Pills, der Hersteller GalaxoSmithKline nennt das D-Amphetamine Dexedrine, auf der Straße heißt es einfach Speed."

Außerdem: Der Schriftsteller Selim Nassib führt sein Tagebuch aus der Perspektive von Al Dschasira weiter und berichtet heute vom Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in Bagdad und Basra. Jay Rutledge weiß, warum Papa Wemba, Superstar der kongolesischen Soukous-Musik, im Gefängnis sitzt und warum die belgischen Einwanderungsbeamten dazu übergegangen sind, jeden angeblichen afrikanischen Musiker vorspielen zu lassen.

Eine einsame Besprechung widmet sich dem Bildband "Raw Music Material - Electronic Music DJs today" (Buch-Website) von Walter Huegli und Martin Jaeggi.

Im tazmag plaudert Nike Breyer mit dem Werbegrafiker Holm von Czettritz (zur Person), der aus nächster Nähe miterlebte, wie die RAF entstanden ist. In dem anekdotenreichen Gespräch erzählt Czettritz unter anderem, wie Andreas Baader einmal zu ihm kam, um das Kalaschnikow-Logo überarbeiten zu lassen. "Heute würde man Relaunch dazu sagen. Weil ich dazu aber keine Lust hatte und ich das irgendwie so naiv fand, hab ich ihm damals gesagt: 'In seiner Rustikalität hat das eine Originalität, die würde ich nicht verändern. Das muss diesen rauen Ursprungscharakter behalten. Das sag ich dir als Markenartikler.' (lacht) Weil er diesen Beruf ja als kapitalistischen Beruf verachtete. Lässt sich aber von einem beraten."

Weitere Artikel: Susanne Stiefel macht sich ein paar trotzige Gedanken zum Altern, verflucht die Falten und begrüßt die Narrenfreiheit. Matthias Küntzel erinnert die deutsche Linke daran, wie gern die die Vorläufer der islamischen Hamas (Auszüge aus der Charta) mit den Nazis zusammengearbeitet haben. Rene Martens klärt uns auf, inwieweit die historische Zuneigung, die der Fussballclub Ajax Amsterdam bei den Juden genießt, auch gerechtfertigt ist (mehr zu Juden im deutschen Fussball). Sead Husic berichtet aus einem muslimischen Beerdigungsinstitut (mehr zu muslimischen Beerdigungsbräuchen) mit professionellen, korantauglichen Wäschern.

SZ, 12.04.2003

Moshe Zimmermann, Leiter des Richard Koebner Center for German History in Tel Aviv, schildert das "süße Erfolgsgefühl", dass der Sturz Saddams in Israel auslöst. "Schon der casus belli bot reichlich Anlass zur Genugtuung: Die Alliierten, so hieß es, zogen in einen Präventivkrieg gegen Diktatur, Terror und Massenvernichtungswaffen. Das rechtfertigte nachträglich nicht nur Israels Angriff auf den irakischen Osirak-Reaktor vor 22 Jahren, sondern auch den Libanonkrieg vor 21 Jahren und den Einmarsch in die palästinensischen Autonomiegebiete vor einem Jahr. Überhaupt zeigte sich hier prinzipiell, dass Konflikte wohl doch besser mit militärischer Gewalt als mit Verhandlungen zu lösen sind." Bald aber, prophezeit Zimmermann, werden seine Landsleute von der unangenehmen Frage aller Fragen eingeholt werden: "ob der Preis für die Siedlungspolitik - getötete Soldaten, Opfer von Terroranschlägen, der Ausfall des Tourismus, die Wirtschaftskrise, das Ende des Wohlfahrtsstaates - dies alles wert ist."

Die SZ druckt die bissigen "Ratschläge für irakische Frauen", ein polemisches Gedicht des Londoner Dramatikers Martin Crimp. Hier der Anfang:

Der Schutz von Kindern steht an erster Stelle.
Auch ein Kleinkind sollte auf einem Fahrrad einen Helm tragen. Und ein neugeborenes Baby muss im Flugzeug mit seiner Mutter angeschnallt sein.
Ein Kind auf Roller-Skates sollte Knieschützer tragen.
Und Ellbogenschützer.
Ein Kind auf Roller-Skates sollte Knie- und Ellbogenschützer tragen sowie einen Helm.

Weitere Artikel: Joachim Kaiser plaudert über und mit dem baldigen Dirigenten der Münchner Philharmoniker Christian Thielemann und erbittet gen Schluss gar den allerhöchsten Segen für den Wunschkandidaten. Franziska Augstein lässt uns an der aktuellen amerikanischen Debatte teilhaben, wo geklärt werden soll, in welcher politischen Tradition die Niederwerfung des Irak stehe - Hamilton, Wilson, Jefferson oder Jackson. "ema" beobachtet die Wiederauferstehung Saddams bei Ebay. Reinhard J. Brembeck freut sich, dass der Intendant des Züricher Schauspielhauses Christoph Marthaler 2004 den "Tristan" in Bayreuth inszenieren wird.

In der Reihe Briefe aus dem 20. Jahrhundert kommentiert Wolf Lepenies ein Schreiben von Arnold Gehlen an Theodor W. Adorno aus dem Jahr 1962. Ulrich Kühne spekuliert über den möglichen Kauf von Universal Music durch Steve Jobs und Apple. Fritz Göttler geht die Nominierungen für den Deutschen Filmpreis 2003 durch. Andrian Kreye berichtet aus New York, wo SARS mittlerweile die ersten Opfer gefordert hat, nämlich unter den Restaurantbesitzern von Chinatown. Eine Meldung besagt, dass das Kleist-Archiv Sembdner nun doch in Heilbronn bleibt. Jens Bisky schildert auf der Literaturseite, wie talentiert Königin Noor von Jordanien in Berlin ihre Memoiren vorstellte.

Auf der Medienseite fragt sich Christoph Maria Fröhder in seinem Tagebuch aus Bagdad, ob sein Zensor verstanden hat, was er und seine Kollegen in Bagdad wollten. Seit Mittwochmorgen jedenfalls ist er verschwunden. Bernd Dörries zweifelt hingegen, ob N24 und n-tv ihre Kriegsquoten werden halten können.

Besprochen werden die New Yorker Werkschau "Christian Schad und die Neue Sachlichkeit", die Uraufführung der israelisch-palästinensischen "Gegenseiten" am Theater Heilbronn, Emanuele Crialeses zeitlos schöner Film "Lampedusa", und Bücher, darunter die Neuausgabe des Klassikers "Der Peloponnesische Krieg" von Thukydides, herausgegeben und übersetzt von Georg Peter Landmann, V. S. Naipauls Erinnerungen "Das Lesen und das Schreiben" sowie Maxim Billers "Esra", das eine Liebeserklärung von Marica Bodrozic erfährt (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

In der SZ am Wochende huldigt Thomas Steinfeld (Bücher) dem ostwestfälischen Sand, genauer dem Projekt Sennestadt (im Netz), das auf besagtem Sand steht. "Auf dem kargen Boden der Senne, wo Schafe weideten, wo ein paar Bauern, auf dem Gut Dalbke oder auf dem Hof Ramsbrock, ihre Kartoffelfelder pflügten, wo aber auch die von Kassel nach Osnabrück verlaufende Bundesstraße 68 die Autobahn kreuzt, gründete im Jahr 1956 die 'Sennestadt GmbH', ausgestattet mit einem Kapital von dreißigtausend Mark, eine 'Stadt im Grünen'. Diese Stadt war eine der größten, aber zugleich unauffälligsten sozialdemokratischen Utopien, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland errichtet wurden."

Weitere Artikel: Willi Winkler weiß, dass Hitler zwar die Deutschen, die Deutschen aber Hitler nicht verschmähten, was wiederum Hitler zum "stalker" macht. Birk Meinhardt porträtiert Katrin Saß, Hauptdarstellerin in GoodBye, Lenin!, deren Leben vor der Verabschiedung von Lenin schon fast zu Ende war. Oliver Fuchs ist sich sicher: Der norwegische Sänger Morten Harket (Leben und Platten) ist der dürre Junge im Freibad, der immer traurig seinen ewigen Herbst durchlebt. Holger Liebs vermisst die gemütliche Anonymität der Kettenhotels von anno dazumal. Patrick Illinger unterhält sich schließlich mit der Senkrechtstarterin in der Physik Fotini Markopoulou- Kalamara über Quanten, Zeit, den "Paten" und ihren Namen. "Der Standesbeamte hat mich versehentlich nach meinem Geburtsort benannt."