Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
12.02.2002. Die SZ befasst sich mit der wieder erstarkenden Friedensbewegung in Israel. Die FAZ berichtet über die neuen Dokumente zu Werner Heisenbergs "Friedensmission", findet aber, dass sie gar "nichts Neues" bringen. Die NZZ meldet: Schlechte Stimmung an der Belgrader Universität. Die FR betrachtet Störfälle im Herzen Eruopas: Haider, Zeman, Temelin.

FAZ, 12.02.2002

Nachdem die SZ eine Woche Vorsprung in der Berichterstattung über die neuen Heisenberg-Dokumente hat und die FAZ nur die Sensationsmache "einer süddeutschen Zeitung" mit kleinem "s" beklagte, legt sie sich nun doch auch ins Zeug. Dietmar Dath erklärt im Aufmacher, dass die neuen Dokumente aus dem Nachlass von Niels Bohr "nichts Neues" über die "Friedensmission" Heisenbergs in Dänemark 1941 bringen. Unterfüttert wird die These durch ein Interview mit dem ehemaligen Mitarbeiter Heisenbergs, Peter Dürr. "Das Papier bringt historisch nichts Neues", sagt auch er. Im Gespräch mit Bohr hätte Heisenberg mitgeteilt, man wolle in Deutschland einen Reaktor bauen, keine Bombe. "Als Bohr daraufhin einwand, die Kettenreaktion funktioniere doch gar nicht, und Heisenberg entgegnete, er sei überzeugt, dass es doch funktioniere, war klar, wie unterschiedlich die Auffassungen der beiden über die Machbarkeit der Bombe waren."

Weiteres: Christoph Albrecht fragt sich im Anschluss an die Thesen des Bibliothekars Karl Wilhelm Neubauer, ob Bibliotheken sich nicht durch eine intensive Vernetzung und Spezialisierung reformieren sollten (hierzu hat ein Kongress in Bielefeld stattgefunden). Der Urbanist Klaus R. Kunzmann beklagt in der Reihe über die Zukunft des Ruhrgebiets das mangelnde internationale Profil der Gegend. ("Wie heißt der Pott auf englisch?") Martin Kämpchen schickt einen Bericht aus Indien, wonach nun auch an der Grenze des Landes zu Bangladesch Spannungen zu gewärtigen sind. In Carl Zuckmayers Report über die Zuhausegebliebenen geht es heute um den Publizisten Fridrich Sieburg. Jordan Mejias stellt New Yorks neues Folk-Art-Museum vor. Eduard Beaucamp gratuliert dem Kurator Erich Steingräber zum achtzigsten Geburtstag. Matthias Grünzig beklagt, dass ein architektonisch wertvolles Hochhaus aus den dreißiger Jahren in Magdeburg vom Abriss bedroht ist. Stefanie Peter berichtet über polnische Verärgerung über Michael Apteds "Enigma"-Film, der polnische Verdienste um die Entschlüsselung des deutschen Geheimcodes nicht würdigt. Christian Geinitz begleitete Gerhard Schröder ins Goethe-Institut von Mexiko-Stadt, das durch seine Ausstellung "Agua - Wasser" Aufsehen erregt.

Auf der Berlinale-Seite bespricht Michael Allmaier "Den Felsen" von Dominik Graf verhalten positiv. Und Peter Körte hat Robert Altman in seinem Berliner Hotel besucht. Auf der letzten Seite informiert uns Wiebke Deneke, das heute das chinesische Jahr des Pferdes beginnt. Katja Gelinsky profiliert den Kölner Historiker Christof Mauch, der zum Direktor des Deutschen Historischen Institut in Washington ernannt wurde. Und Julia Spinola durfte Daniel Barenboim (mehr hier) und seine Staatsoper nach Japan begleiten, wo drei komplette "Ring"-Zyklen gegeben wurden.

Auf der Medienseite amüsiert sich Michael Hanfeld darüber, "wie die WAZ schreibt, was die WAZ will" (nämlich Kirchs Anteil bei Springer). Eva Menasse analysiert die Rolle der FPÖ beim Postengeschacher im Staatsender ORF. Und Siegfried Stadler bespricht eine MDR-Dokumentation über Männer, die angeblich Walter Ulbricht ermorden wollten. Auf der Bücher-und-Themen-Seite widmet sich Rainer Maria Kisesow dem Genre des Campus-Romans.

Besprochen werden Ingmar Bergmans Inszenierung von Ibsens "Gespenstern" in Stockholm, neue Ausstellungen im neuen "Museum Kunst Palast" in Düsseldorf, Raimung Hoghes Tanzspektakel "Sarah, Vincent et moi" in Brüssel, die Berlin-Ausstellung "1929 - Ein Jahr im Fokus der Zeit" in Marbach, eine landeshistorische Kunstausstellung in der Stuttgarter Staatsgalerie, Blanca Lis Tanzspektakel "Traum des Minotaurus" an der Komischen Oper Berlin und Kalevi Ahos Oper "Bevor wir alle ertrunken sind" in Lübeck.


NZZ, 12.02.2002

Drinka Goikovic liefert einen Stimmungsbericht aus der Belgrader Universität. Sie stellt Apathie, aber auch ein Wiederaufkommen nationalistischer Regungen fest. "Ob aus der Stadt und vom Land, ob aus Serbien oder aus den abgespaltenen Gebieten Ex- Jugoslawiens, ob wohlhabend oder mittellos - die Belgrader Studenten verbindet etwas Grundlegendes: Sie leben in einer Gesellschaft, in der Nationalismus seine Energie verloren hat, aber die nationalistischen Denk- und Verhaltensmuster nicht gänzlich demontiert sind. Die heutigen Absolventen sind noch in der Zeit nationalistischer Gehirnwäsche und pervertierter politischer Praxis groß geworden. Das Serbien nach Milosevic hat ihnen weder eine Interpretation der tragischen zehn Kriegsjahre angeboten noch den Rückhalt in der Utopie einer neuen, an universalistischen Werten ausgerichteten Gesellschaft."

Weiteres: Gerhard Gnauck freut sich, dass "die Danziger Theaterszene zu neuem Leben erwacht". Besprochen werden Ibsens "Gespenster" in Ingmar Bergmans Stockholmer Inszenierung, eine Paul-Klee-Ausstellung in der Londoner Hayward Gallery und einige Bücher, darunter zwei Romane von Walter Mosley und Angelika Klüssendorfs Episodenroman "Alle leben so" (siehe unsere Bücherschau ab 14 Uhr).

SZ, 12.02.2002

Navid Kermani berichtet über die wieder erstarkende israelische Friedensbewegung: sie "ist jünger, in viele Grüppchen zersplittert und radikaler als ihre Vorgängerin: Die meisten der Redner und Zuhörer wollen keine Verhandlungen mehr, sondern einfach raus aus den besetzten Gebieten." Zu Massenkundgebungen werde sie es so bald wohl noch nicht bringen, schreibt Kermani, "aber sie hat es geschafft, einen Teil des ehemals linksliberalen Lagers wachzurütteln."

Außerdem druckt die SZ einen offenen Brief von Gideon Levy, Journalist bei der israelischen Tageszeitung Ha?aretz, an Schimon Peres. Levy erhebt darin schwere Vorwürfe ? in deutlichen Worten: "Dein Schweigen und Deine Untätigkeit sind inzwischen auf keine Weise mehr zu rechtfertigen. Schimon, Du bist zum Mitwirkenden an Verbrechen geworden. (...) Polizeioffiziere, die Frauen und Jugendliche misshandeln, lassen das Schlimmste für die Zukunft befürchten. Dies alles steht für einen Kontrollverlust, dessen Ursache in einem totalen Verlust an Orientierung liegt."

Die Journalistin und Schriftstellerin Slavenka Drakulic erklärt, welche Rolle Milosevics Frau Mira Markovic für ihn und die serbische Politik spielte: "Sie funktionierten ganz als Paar, und eben dies hat Milosevic dorthin gebracht, wo er nun ist. (...) Wegen ihrer willkürlichen Urteile und ihrer Macht war Mira noch gefürchteter und verhasster als ihr Mann. Deshalb trägt sie ... zumindest eine moralische Mitverantwortung für seine Handlungen."

Weitere Themen: Herbert Riehl-Heyse stellt einen "Zeitvergleich" darüber an, dass Mitte dieser Woche das Dritte Reich und die deutsche Mauerfreiheit die gleiche Dauer aufweisen. Alexander Kissler kommentiert die Äußerungen des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Ludwig Stiegler, zur "großen Mitschuld" der Liberalen "am Erstarken des Nationalsozialismus". Und Ulrich Wessener berichtet, wie ein Freiburger Historiker im Posener Schloss Adolf Hitlers nie bezogene Residenz entdeckte. Außerdem lesen wir einen kurzen Nachruf auf den "schreibenden Mörder" Jack Henry Abbott, dessen Korrespondenz mit Norman Mailer 1981 unter dem Titel "In the Belly of the Beast" (Im Bauch der Bestie) erschien. Und wir erfahren, dass Maximas Brautkleid von Valentino bereits jetzt schon im Museum hängt.

Berlinale-Themen sind heute das Kino der Traurigkeit im Panorama mit Filmen von Shunji Iwai, Aluizio Abranches, Coline Serreau und Leon Ichaso. Der Blick in den Wettbewerb gilt Beiträgen aus Ungarn, Dänemark und Neufundland. Mehr zur Berlinale in der Perlentaucher-Rubrik Außer Atem.

Stefan Koldehoff lobt eine Ausstellung im Amsterdamer Van Gogh Museum, die das schwierige Verhältnis zwischen Van Gogh und seinem Kollegen Gaugin thematisiert. Christine Dössel verreißt Stefan Puchers Inszenierung von Büchners "Leonce und Lena" am Hamburger Schauspielhaus; gefallen hat dem SZ-Rezensenten dagegen die Romantische Oper "Der Vampyr" Heinrich Marschner in Freiburg.

Besprochen werden eine Studie der New York Times über Biowaffen, eine Untersuchung zum Umgang mit "bedeutenden Gebeinen" am Beispiel Schiller und Goethe, ein Band über den gemeinen "Unfrieden der Kultur" respektive "Europäische Gewaltgeschichten" und eine Reihe von Publikationen zu dem Homer-Übersetzer und Schriftsteller Johann Heinrich Voß.

FR, 12.02.2002

Die FR hat ihre heutige Ausgabe erst so spät ins Netz gestellt, dass wir ihre Verdienste nur kurz würdigen.

Erik Franzen betrachtet die Störfälle im "Herzen Europas" ? Haider, Zeman, die Sudetendeutschen, das Kraftwerk Temelin. Das vertrackte an der Situation sieht Franzen nicht nur in der "EU-Osterweiterungsparanoia", die fleißig von den Gestrigen geschürt werde, sondern auch darin, dass dem Rechtspopulisten Haider mit Milos Zeman ein ziemlich ungeschickter Linkspopulist gegenüberstehe: "Dem schon länger durch Entgleisungen auffallenden Politiker wurde denn auch zu Recht im eigenen Land bescheinigt, er besitze die geniale Fähigkeit, das denkbar Falscheste zum denkbar falschesten Zeitpunkt zu tun."

Die Berlinale-Berichte widmen sich Silvio Soldinis "Brucio nel vento" (Brenne im Wind) und Robert Altmans "Gosford Park", sowie den chinesischen Beiträgen im Forum.

Besprochen werden die Sound-Art-Ausstellung " Frequenzen", mit der Max Hollein sein Debüt als neuer Leiter der Frankfurter Schirn gibt, eine Ausstellung über Mies van der Rohes erstes Bauvorhaben im Nachkriegsdeutschland in Dessau, Shakespeares "Was ihr wollt" im Deutschen Theater in Berlin und "Leonce und Lena" im Hamburger Schauspielhaus.

Auf der Wissenschaftsseite sucht Klaus Lüdersen Wege zu mehr individueller Gerechtigkeit in der Jurisprudenz.

TAZ, 12.02.2002

Berlinalebedingt nach wie vor nur eine Seite Kultur. Andi Schoon bespricht die Ausstellung "Frequenzen [Hz]" in der Schirn-Kunsthalle Frankfurt. Kurator Jesper Jorgensen hat bei dieser Suche nach "einem neuen Vokabular in der Medienkunst" versucht, seinem Konzept vom Museum als Plattform und Ermöglicher gerecht zu werden: Er glaubt, Museen müssten als "Koproduzent der Künstler fungieren". Gerrit Bartels hat derweil ein "geschmackvolles" Konzert von Oasis in Berlin gehört.

Im Ressort Politisches Buch wird eine Publikation zu Parteigeschichte der CDU zwischen 1945 und 1969 besprochen - unter besonderer Berücksichtigung des parteieigenen Spendensystems. Außerdem wird die Autobiografie von Fausto Cattaneo vorgestellt, in der er von seiner Arbeit als Undercoveragent gegen die Drogenkartelle erzählt.

Auf der Medienseite empfiehlt Roland Hofwiller anlässlich des Prozesses gegen Milosevic statt der "TV-Einheitsübertragung aus dem Haager Tribunal" das Internet als die "umfassendere Informationsquelle".

Und hier TOM.

TAZ, 12.02.2002

Berlinalebedingt nach wie vor nur eine Seite Kultur.

Andi Schoon bespricht die Ausstellung "Frequenzen [Hz]" in der Schirn-Kunsthalle Frankfurt. Kurator Jesper Jorgensen hat bei dieser Suche nach "einem neuen Vokabular in der Medienkunst" versucht, seinem Konzept vom Museum als Plattform und Ermöglicher gerecht zu werden: Er glaubt, Museen müssten als "Koproduzent der Künstler fungieren". Gerrit Bartels hat derweil ein "geschmackvolles" Konzert von Oasis in Berlin gehört. (Was wir uns bei dieser Band ehrlich gesagt gar nicht vorstellen können!)

Im Ressort Politisches Buch wird eine Publikation zu Parteigeschichte der CDU zwischen 1945 und 1969 besprochen - unter besonderer Berücksichtigung des parteieigenen Spendensystems. Außerdem wird die Autobiografie von Fausto Cattaneo vorgestellt, in der er von seiner Arbeit als Undercoveragent gegen die Drogenkartelle erzählt.

Auf der Medienseite empfiehlt Roland Hofwiller anlässlich des Prozesses gegen Milosevic statt der "TV-Einheitsübertragung aus dem Haager Tribunal" das Internet als die "umfassendere Informationsquelle".

Und hier TOM.