Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
15.08.2001.

FAZ, 15.08.2001

"Auf unserer Seite ist nicht nur das Recht, sondern auch die Macht", sagte Karl-Eduard von Schnitzler nach dem Mauerbau im "Schwarzen Kanal". Nun stellt Frank Pergande "unsere Seite" vor. Das Rundfunkarchiv in Babelsberg hat den Schwarzen Kanal ins Internet gebracht: mehr als 62.000 Seiten aus Manuskripten, "sowie Quellenangaben, Literaturhinweise und Filmausschnitte".

Dieter Bartetzko hat unterdes das neue hypermoderne Schalke-Stadion besucht und war tief beeindruckt: "Auch 112 Zapfhähne, in die fünf Kilometer gekühlter Leitungen münden, die 480 Hektoliter Bier befördern können, meldet die Gelsenkirchener Erfolgsbilanz."

Zhou Derong erzählt, wie die Journalisten von der New York Times den chinesischen Staatspräsidenten Jian Zemin bei einem Interview in der letzten Woche in eine Falle lockten. Ob er denn gern im Internet surfe, fragten sie: "Ja, das tue er, antwortete er frohgemut. Ihm, dem ehemaligen Elektroingenieur, bereite das Internet überhaupt keine Probleme, außer dass ihm das Hantieren mit der kleinen Maus gelegentlich zu schaffen mache. Und er erzählte munter weiter, wie gern alle in seiner Umgebung, also der Enkelsohn, die Bodyguards, Sekretäre und Krankenschwestern, das Surfen mögen. Die Journalisten, angeführt von ihrem Herausgeber, Arthur Sulzberger Jr., hörten sich dies alles geduldig an. Dann fragten sie ganz unschuldig, warum denn der Internetauftritt der New York Times in China gesperrt sei. Mindert man dadurch nicht den Spaß beim Surfen?"

Ute Diehl berichtet, dass die Römer gern die originale Mark-Aurel-Statue auf dem Kapitolsplatz wieder haben möchten. Die 1997 dort hingestellte Kopie mögen sie nicht. Sie hat "eine peinlich braune Farbe, und es gibt auch nach vier Jahren noch kein Anzeichen von Patina."

Weitere Artikel: Dietmar Dath skizziert den Einbruch der Lichttechnologie ins Computerwesen. Michael Urban geht der Frage nach, ob Sebastian Haffner seine "Geschichte eines Deutschen" möglicherweise nach 1939 retuschiert hat und glaubt, dass nichts dafür spricht. Andreas Platthaus porträtiert den Comickünstler Enki Bilal, der in seinem neuesten Band "Der Sarkophag" ein "Museum der Zukunft" entwirft, das er gern im stillgelegten Kraftwerk von Tschernobyl unterbringen würde. Christian Welzbacher findet, dass Einkaufen im Netz harte Arbeit ist.

Ferner bespricht der Arzt und Sammler Reiner Speck Sigmar Polkes Bilder zur Französischen Revolution, die im Chateau de Vizille ausgestellt werden. Jörg Magenau erzählt, das das Haus Wiesenstein im heutigen Jagniatkow, wo der Dichter zuletzt lebte, zu einem Gerhard-Hauptmann-Museum umgestaltet wurde.

Besprochen werden die Anton-Raphael-Mengs-Ausstellung in Dresden und eine Ausstellung mit Magnum-Fotos, die während der Dreharbeiten zu "Misfits" gemacht wurden, im Filmmuseum Düsseldorf. Auf der Stilseite liefert Ingeborg Harms eine lange Besprechung des Antwerpener Modespektakels "Mode 2001 Landed", das ihrer Meinung nach allerdings eine Bauchlandung darstellt.

NZZ, 15.08.2001

Auch Joachim Güntner findet die Vorwürfe des Dresdner Professors Jürgen Paul gegen Haffners "Geschichte eines Deutschen" nicht stichhaltig: "Jürgen Paul hat schlecht recherchiert. Von Sprachwissenschaftern und Historikern muss er sich nun sagen lassen, dass 'Endsieg' schon in der Weimarer Republik eine gebräuchliche Vokabel gewesen sei, dass das Wörtchen 'virtuell' bereits 1871 aus dem Französischen entlehnt wurde (Meyers Konversationslexikon von 1908 etwa verzeichnet den Eintrag denn auch) und dass die Redensart 'business as usual' im Deutschen spätestens für das Jahr 1917 belegt sei. Wie es um die Existenz der U-Bahn-Rolltreppen bestellt ist, klärt ein Anruf bei den Berliner Verkehrsbetrieben: Haffner hat da nichts Falsches geschrieben."

Über das Sehen und das Gesehenwerden ? zumal von den Geheimdiensten des Sozialismus ? schreibt der serbische Autor Bora Cosic: "Einige meiner Belgrader Freunde arbeiten daran, dass in der angeblichen Demokratie des heutigen Serbien die Archive geöffnet werden. Mich interessiert es nicht besonders, noch einmal Jahrzehnte meines Lebens aus fremdem Blickwinkel zu sehen. Ich habe mich selbst eingehend geprüft, und dabei soll es auch bleiben."

Weitere Artikel: Frank Nievergelt bespricht eine Westschweizer Ausstellung über Keramische Plastik. Derek Weber meldet, dass die Seebühne in Klagenfurt nun doch nicht privatisiert wird. Besprochen werden das Zeitfluss-Festival in Salzburg und einige Bücher, unter anderem Jan Assmann über Tod und Jenseits im alten Ägypten und Assia Djebars erster Roman (siehe unsere Bücherschau ab 14 Uhr).

SZ, 15.08.2001

Mariä Himmelfahrt! Bei jeder Gelegenheit feiern die Bayern, dass sie uns den Buß-und-Bettag weggenommen haben!

FR, 15.08.2001

Im Gespräch mit Constantin von Barloewen gibt der für seine Betonkurven bekannte Architekt Oscar Niemeyer die Quellen seiner Inspiration bekannt: "Der Brasilianer ist umschlossen von Gebirgen, sie bedrängen ihn. Das größere Wunder aber ist die Frau."

Die Schwierigkeiten einer Kritik an Israel von außen, auch für Juden, die außerhalb Israels leben, belegt Moshe Zimmermann mit dem Fall Barenboim: "Heute sendete Kol Israel, der offizielle israelische Radiosender, 'Palestrina' von Hans Pfitzner. Niemand hat protestiert, obwohl Pfitzners Antisemitismus, seine Nähe zum Nationalsozialismus, seine Freundschaft zum Judenmörder Hans Frank bekannt sind. Man kann sich schon vorstellen, wie es wäre, wenn Barenboim Pfitzner in Israel aufgeführt hätte."

Weitere Artikel: Elke Buhr meldet, dass nach dem Ende des deutschen Schlagers der neue deutsche Soul die Seelen retten will. Besprochen werden eine Ausstellung über Porträtfotografie im 19. Jahrhundert in der National Portrait Gallery, London, Jörg Sasses "Arbeiten am Bild" in der Bremer Kunsthalle und Michael Laubs "Total Masala Slammer" beim Berliner Tanz im August. Ferner schreibt Christian Esch zum Tode des Musikers und Dichters Werner Pirchner.

TAZ, 15.08.2001

Karl Kleineberg ist Geschäftsführer von "Industriekultur Saar". Ira Mazzoni schildert seine Pläne, Industriedenkmale des Saarlands architektonisch und kulturell neu zu definieren: "Für den Umbau wird er weder Norman Foster noch Rem Koolhaas verpflichten. Kleineberg setzt nicht auf die Magie der großen Namen, seine Vision ist, dass junge Architekten, Ingenieure und Künstler sich mit intelligenten Projekten im Saarland einen Namen machen. Dabei gehört ein vorbildlicher und wegweisender Umgang mit der Ressource Altbau zu den Grundaufgaben. Vielleicht entsteht auf diesem Sektor auch ein neuer Markt. Wer weiß?"

Weitere Artikel: Brigitte Werneburg erzählt, wie sie bei Woolworth eine "elektrische Maniküre für 22,73 Mark" erstand. Besprochen werden Janec Müllers Theaterspektakel "Schlaf!" in Weimar und die Ausstellung "Vincent van Gogh und die Maler des Petit Boulevard" im Frankfurter Städel.

Schließlich Tom.