Efeu - Die Kulturrundschau

Maliziös grinsende Mädchen

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09.10.2021. Die FAZ wird in Basel von Hexen und Puppen durch den Krieg in der Psyche Goyas geschleudert. SZ und NZZ erstarren derweil angesichts des schieren Ausmaßes des Verfalls, dem das für einige Tage geöffnete Berliner ICC ausgesetzt ist. Dass Abdulrazak Gurnah hierzulande kaum bekannt ist, wirft ein Schlaglicht auf die Verdrängung der "historischen Schuld der deutschen Gesellschaft", meint Intellectures. Zeit und NZZ finden neuen Fehler in der von einer KI komponierten Zehnten Sinfonie Beethovens. Und die nachtkritik schaut bewegt zu, wenn Edouard Louis an der Schaubühne im Superheldenkostüm Chirac, Sarkozy, Hollande und Macron beschießt.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 09.10.2021 finden Sie hier

Kunst

Bild: Francisco de Goya . Hexensabbat (El Aquelarre),1797/98. Museo Lázaro Galdiano, Madrid

"In Goyas Psyche scheint von Anfang an ein Krieg gewütet zu haben. Seine Vorstellungskraft war reif für das Grauen", zitiert Stefan Trinks in der FAZ den irischen Schriftsteller Colm Toibin, der einen Text zum Katalog der großen Goya-Schau in der Baseler Fondation Beyeler beigesteuert hat. Besser kann man den "schwarzgalligen Soziologen des Pinsels" nicht beschreiben, meint Trinks: "Bereits im ersten Großauftrag von 1791, er soll 'lustige' Tapisserie-Vorlagen für den königlichen Landsitz liefern, stecken Abgründe, obwohl er die hochformatigen Paneele im heiteren Rokokostil fertigt. Maliziös grinsende Mädchen schleudern mittels Sprungtuch eine Strohpuppe in die Luft, wobei diese auf den ersten Blick wie ein Mensch wirkt. Durch die unsanfte Behandlung knickt der bezopfte Kopf der Puppe auf die Seite ab, als würde er soeben guillotiniert. Der Beleg für die These von der durchgängig dunklen, Tóibín zufolge geradezu voyeuristisch Leid und Gewalt suchenden Vorstellungswelt Goyas ist in einem der letzten Säle zu sehen: Dort schleudern Hexen ebenfalls mit einem gespannten Tuch einen nun realen Menschen in die Luft, dessen Kopf und Gliedmaßen durch die Wucht abknicken."

Für die taz porträtiert Beate Scheder die norwegisch-kongolesische Künstlerin Sandra Mujinga, die mit dem Preis der Nationalgalerie 2021 ausgezeichnet wurde. Mujinga baut überlebensgroße Gestalten aus Stahl und Stoff, die jene Dinge verkörpern sollen, "die wir glaubten, hinter uns gelassen zu haben, die aber doch wieder auftauchten. Die koloniale Vergangenheit und deren Systeme der Gewalt etwa, oder das, was Menschen nichtmenschlichen Wesen auf diesem Planeten angetan hätten", erfährt Scheder, die sich die Ausstellung der Nominierten in der Nationalgalerie angesehen hat: "Eine Skulptur hat etwas von einem dystopischen Tyrannosaurus Rex, andere ähneln breitschultrigen Sensenmännern oder unsympathischen Figuren aus der Fantasyliteratur, Dämonen, in denen man auch die eigenen verkörpert sehen kann."

Außerdem: Im Standard schaut Amira Ben Saoud in Wien im ehemaligen Verkehrsbüro vorbei, in dem der Großgastronom Martin Ho gemeinsam mit dem Berliner Galeristen Johann König mit der Ausstellung "One Decade of Female Sculptors" nun das "Kleine Haus der Kunst" eröffnet: "Als Ausstellungshaus funktioniert das Kleine Haus der Kunst nicht, weil es keinerlei Vermittlungsarbeit (keine Wandtexte, keine Führungen etc.) leistet - wer unbeleckt in One Decade of Female Sculptors stolpert, geht vielleicht mit ein paar Instagram-Fotos, aber ohne Erkenntnisgewinn wieder heraus." "Träumen von Freiheit" gibt sich Ingeborg Ruthe in der FR in der gleichnamigen Ausstellung im Dresdner Albertinum zur Romantik in Russland und Deutschland hin, die ihr die Gemeinsamkeiten zwischen Künstlern wie Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Alexej Wenezianow oder Alexander Iwanow zeigt.
Archiv: Kunst

Literatur

Nach dem Literaturnobelpreis für den aus Tansania stammenden Schriftsteller Abdulrazak Gurnah nimmt Thomas Hummitzsch von Intellectures geradezu erstaunt eine neue Demut der deutschsprachigen Literaturkritik zur Kenntnis: Abgesehen von einem aufgekratzten NZZ-Kommentar herrscht im wesentlichen Dankbarkeit für den Hinweis auf einen bis dahin im deutschsprachigen Raum kaum gelesenen Autor vor (unser Resümee). "Derlei Töne in der ansonsten besserwisserischen Kritiker:innenszene sind neu. Man nimmt sie mit Wohlwollen auf." Doch "dass Gurnah, obwohl er immer wieder die deutsche koloniale Vergangenheit in seinen Romanen thematisiert, hierzulande dennoch kaum bekannt ist, wirft ein Schlaglicht auf die Verdrängung der Geschichtsvergessenheit und historischen Schuld der deutschen Gesellschaft. ... Dass in diesem Bücherherbst mit Abdulrazak Gurnah und Tsitsi Dangarembga zwei nahezu Unbekannte die Hauptbühne des deutschsprachigen Literaturzirkus betreten, zeigt nicht nur, dass unsere Literaturlandschaft immer noch zu stark auf Autor:innen aus Europa und Amerika fixiert ist, sondern ist auch eine Chance, sich mit der kolonialen Vergangenheit genau dieser Weltregionen auseinanderzusetzen." Der Nachholbedarf lässt sich im übrigen mit unserem Büchertisch zumindest mit englischsprachigen Ausgaben füllen.

Weitere Artikel: "Hochverdient" findet es Andreas Platthaus in der FAZ, dass Joe Saccos Comicreportage "Wir gehören dem Land" über die indigene Bevölkerung Kanadas als erster Comic überhaupt mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet wurde. Im Literarischen Leben der FAZ befasst sich der Literaturwissenschaftler Mathias Mayer mit Kafkas Blick auf die Welt.

Besprochen werden Antje Rávik Strubels "Blaue Frau" (taz), Dietmar Daths "Gentzen oder: Betrunken aufräumen" (Intellectures), Garry Dishers Krimi "Moder" (FR), Bachtyar Alis "Mein Onkel, den der Wind mitnahm" (taz), Emma Stonex' "Die Leuchtturmwärter" (FR), Paul Nizons "Der Nagel im Kopf" (SZ) und Ioana Pârvulescus "Wo die Hunde in drei Sprachen bellen" (FAZ).
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Architektur

Bild: ICC Berlin. Berliner Festspiele. Foto: Eike Walkenhorst

Schon beim Anblick des inzwischen von Jugendlichen bemalten Steglitzer "Bierpinsels" soll die Architektin Ursulina Schüler-Witte "dem Herzinfarkt nahe" gewesen sein. Anders dürfte es ihr auch nicht mit Blick auf das ebenfalls von ihr und ihrem Mann Ralf Schüler entworfene Internationale Congress Centrum ergehen, glaubt Peter Richter in der SZ, der das Gebäude im Rahmen des Festivals "The Sun Machine Is Coming Down" der Berliner Festspiele erstmals wieder betreten kann: "Beängstigender als jeder Thriller, der hier schon gedreht wurde, ist das schiere Ausmaß des Verfalls und der Vernachlässigung im Umfeld des ICC. Es ist, als hätte die Stadt ein Interesse daran, dass möglichst keiner mehr hierherkommen mag. Der Wunsch, sich auch dieses Baus am besten einfach durch Abriss zu entledigen, ist schließlich nicht neu, und dass neuerdings Denkmalschutz besteht, ist erfahrungsgemäß noch keine Bestandsgarantie. Die Messe als Eigner hat das ICC schon vor fast zehn Jahren einfach dichtgemacht. Privaten Initiativen zur kulturellen Weiternutzung wurde von der Stadt mit abweisender Frostigkeit begegnet."

Nur der Stand-by-Betrieb des geschlossenen ICC kostet "etwa 15 Millionen Euro im Jahr. Die Kosten für die komplette Sanierung werden auf 400 bis 600 Millionen Euro geschätzt", weiß Florian Heilmeyer in der NZZ, der einen Besuch des Festivals unbedingt empfiehlt: "Dieses wunderbar vielteilige Festival versetzt das kolossale Haus in einen wilden, zehntägigen Rausch. Die Festspiele haben gar nicht erst versucht, ein eigenes Leitsystem gegen das Original zu setzen - so braucht man eine ganze Weile, um sich zu orientieren. Langsam tapsend bewegen sich die Besucher wie Höhlenforscher immer tiefer hinein ins Halbdunkel des Kolosses. Nie kann man sich ganz sicher sein: Ist das da Kunst oder doch ein seltsamer Teil des alten Hauses? Denn die Kunst legt sich nicht als neue Schicht über die Räume, sondern arbeitet mit ihnen, hat sich eingenistet im gewaltigen Organismus. Das schafft Momente grandioser Verunsicherung."

Neben der im Haus beherbergten Privatsammlung des Waffenhändlers Emil Bührle gibt auch David Chipperfields Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthauses ordentlich Anlass zur Kritik, meint Niklas Maak in der FAZ: "Jenseits der Frage, ob und wenn ja, wie man eine Sammlung zeigen kann, die mit Blutgeld und Ausbeutung von Zwangsarbeiterinnen finanziert wurde, ist es interessant, zu sehen, welche Idee von einem Museum in Zürich umgesetzt wurde. Es ist eine seltsame Pointe, dass der Bau, der eine mit Rüstungsgeldern der Dreißigerjahre finanzierte Privatsammlung beherbergt, stilistisch ein wenig an den monumentalistischen Neoklassizismus dieser Jahre erinnert - wobei Chipperfield intelligent genug ist, die Fensteröffnungen so asymmetrisch zu platzieren und die Fassade mit Lisenen so zu strukturieren, dass nicht gleich der Eindruck entsteht, vor einem auf helvetische Maße heruntergepegelten Luftfahrtministerium zu stehen. (…) Das Leben gleitet ab, der Verkehr zieht vorbei, die Kunst sieht aus wie eine Privatangelegenheit, die von der Öffentlichkeit nach Möglichkeit ferngehalten werden soll."
Archiv: Architektur

Film

Halten eisern durch: The Sparks

Die Sparks sind mit die tollsten Spinner im Popgeschäft und das seit 50 Jahren. Jetzt ehrt der sonst auf Komödien spezialisierte Regisseur Edgar Wright die Band mit einem Dokumentarfilm, der den Spleens der Band offenbar in nichts nachsteht: "Der Film hat kein Interesse daran, das Privatleben der Brüder zu enthüllen", schreibt Christian Bomm in der Jungle World. "Authentizität findet man hier nicht. Stattdessen ist es Wright eine helle Freude, mit Stop-Motion, Zeichentrick, Collagen, Voice-over und dergleichen immer wieder über das streng normierte Genre der Musikdokumentation hinauszugehen; zugleich zollt er mit diesem Potpourri den beiden Kunstfiguren Respekt, nicht nur, weil diese wilde Art der Band entspricht, sondern auch, weil eben darauf verzichtet wird, den Mythos der Band entzaubern zu wollen, die sich selbst immer als äußerst mysteriös inszeniert hat." Tazler Tim Caspar Boehme staunt über "die Geschichte des Durchhaltens gegen alle Widerstände aus der Musikindustrie, die der Film exemplarisch vorführt." Eine weitere Besprechung gibt es im Tagesspiegel.

Monika Grütters' Nachfolge im Amt wird wohl jemand aus der SPD übernehmen, vermutet Rüdiger Suchsland auf Artechock: Das werde "den deutschen Film vor Aufgaben stellen, die er seit 20 Jahren nicht gewohnt ist. Eine in jeder Hinsicht gute Nachricht", meint er, denn künftig müsse neu verhandelt werden, was der deutsche Film will und wie er sich aufstellen will: "Die Logik, den Staat um immer mehr Geld anzubetteln, führt im Filmbereich nicht mehr weiter. Wichtiger ist es, das vorhandene viel zu viele Geld endlich sinnvoll einzusetzen", etwa dadurch, kommerzielle und künstlerische Produktionen strikt zu trennen: Darin liegt "das Grundübel des deutschen Filmschaffens. Diese Vermischung zwingt Filmkünstler, so zu tun, als könnten sie am Markt mit einem kunstfeindlichen Film wie 'Fack ju Göhte' oder mit Til-Schweiger-Produkten mithalten. Und sie zwingt Kommerzfilmer wie die Constantin oder Til Schweiger, so zu tun, als wäre das, was sie in den Markt werfen, Filmkunst. Und im schlimmsten Fall zwingt es sie, das auch noch selber zu glauben."

Weitere Artikel: Lisa Füllemann porträtiert im Tages-Anzeiger die russische Schauspielerin Julia Peressild, die sich gerade für Dreharbeiten auf der IS-Raumstation befindet. Dominik Kamalzadeh spricht für den Standard mit dem Schauspieler Murathan Muslu, der aktuell im Historienthriller "Hinterland" zu sehen ist. Dessen Regisseur Stefan Ruzowitzky meldet sich im Filmdienst-Gespräch zu Wort. Und in der "Langen Nacht" des Dlf Kultur widmet sich Beate Becker diesmal Jean-Luc Godard.

Besprochen werden Julia Ducournaus Cannes-Gewinnerfilm "Titane" (SZ, Freitag, FAZ, unsere Kritik hier), die Ausstellung "Methode Rainer Werner Fassbinder" in der Bundeskunsthalle Bonn, die den Regisseur als streng organisierten und klar strukturierten Filmemacher nachvollziehbar macht (Filmdienst), Julie Delpys Netflix-Serie "On the Verge" (Freitag), Uberto Pasolinis Vater-Sohn-Drama "Nowhere Special" (SZ, Tagesspiegel), Nana Neuls Verfilmung von Lucy Frickes Roman "Töchter" (ZeitOnline), Josef Schnelles Buch über Werner Herzog (Filmdienst) und die schwedische, auf ZDFNeo gezeigte Thriller-Serie "Box 21" (FAZ).
Archiv: Film

Bühne

Bild: Edouard Louis. Wer hat meinen Vater umgebracht? Schaubühne Berlin. Foto: Jean-Louis Fernandez.

Die schwierige Aufgabe sich selbst zu spielen, meistert Edouard Louis in Thomas Ostermeiers Inszenierung von des Louis-Romans "Wer hat meinen Vater umgebracht?" bravourös, findet die bewegte Nachtkritikerin Gabi Hift: "Édouard Louis verwandelt sich vom verletzten Kind in einen Ankläger, der sich zum Rächer der Menschen erklärt, die ihm die Kindheit zur Hölle gemacht haben. Das ist auf dem Papier etwas zweifelhaft. In der Inszenierung funktioniert es aber großartig. Es ist nämlich nicht der erwachsene Édouard Louis, der zum Rächer wird. Es ist das Kind, das sich ein Superheldenkostüm wie vom Fasching anzieht - Cape und Maske - und Fotos der Männer an eine Wäscheleine hängt, die seinen Vater fertiggemacht haben (und damit mittelbar auch ihn): Chirac, Sarkozy, Hollande, Macron. Der Superheld verliest ihre Untaten und beschießt die Bilder mit Sylvesterkrachern."

So recht kann Mateja Koležnik die Theaterkritiker am Berliner Ensemble mit ihrer Inszenierung der "Hexenjagd", jenem Stück über die Hexenverfolgung in New England im 17. Jahrhundert, das Arthur Miller vor dem Hintergrund der McCarthy-Ära schrieb, nicht erreichen. Nachtkritiker Michael Wolf mangelt es etwa an Aktualität: "Welcher spezifische Faschismus hier am Werke ist, welche Ideologie unserer Zeit da grassieren soll, bleibt im Dunkeln." Rüdiger Schaper erkennt zwar im Tagesspiegel mit dem Hinweis auf Fake News und Verschwörungstheorien durchaus Aktualitätsbezüge, hat aber ein anderes Problem: "Mateja Koležnik hat eine Idee, die auf den ersten Blick bestechend wirkt, sich aber als fatal erweist. Sie verlegt große Teile der Story in einen hinteren Raum, halb Turnhalle, halb Gerichtssaal - für das Publikum kaum einsehbar." In der FAZ behält auch Simon Strauss nur einzelne Bilder im Gedächtnis: "Wie gekonnt diese Mädchen ihre Hysterie vorspielen, mit jener Mischung aus lolitahafter Erotik und zelotischem Wahn, das treibt einem die Angst in die Knochen. Da denkt man an die Kinderkreuzzüge."

Besprochen werden Stephanie van Batums Inszenierung von William Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" am Staatstheater Mainz (nachtkritik), Robert Borgmanns Inszenierung "Passion I und II" nach Meister und Margarita von Michael Bulgakow und Johann Sebastian Bachs Matthäus-Passion am Schauspielhaus Bochum (nachtkritik), Volker Löschs "Stadt der Arbeit" im Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen (nachtkritik) und Jan Lauwers' Inszenierung der Monteverdi-Oper "L'incoronazione di Poppea" an der Wiener Staatsoper (Standard).
Archiv: Bühne

Musik

Wenig Freude hat NZZ-Kritiker Michael Stallknecht an der von einer künstlichen Intelligenz unter Anleitung von Walter Werzowa fertigkomponierten Zehnten Sinfonie Beethovens. Einmal mehr zeige sich: Einer lediglich mit Mustern bereits bestehender Arbeiten gefütterten "KI fehlt es an einer Intention, die auf einen möglichen Rezipienten gerichtet wäre. Sie kann deshalb nicht, was große Komponisten meisterhaft beherrschen: mit Erwartungen ihrer Hörer spielen und diese Erwartungshaltungen wechselweise bestätigen oder hintergehen. Stattdessen frisst sie sich oft an einem Muster fest, etwa auch in Details der harmonischen Entwicklung, um dieses dann ebenso unvermittelt zu verlassen oder zu wechseln. Das sorgt für den eigentümlich geheimnislosen, unorganischen Charakter, der schon bei ähnlichen Stil-Kopien anderer Komponisten zu erleben war."

Auch Wolfram Goertz winkt in der Zeit ab: "Die beiden Sätze Scherzo und Finale haben mit dem späten Beethoven kaum etwas gemein." Und zwischendrin "gibt es allerlei Prüfungsaufgaben nach dem Motto 'Finde die neun Fehler'. Einer unter vielen: die amateurhafte Rückmodulation von Es-Dur nach c-Moll (Takt 21 bis 24) im Scherzo. Das alles ist nie jener späte Beethoven, der immer weiterwollte, es gibt keine Momente der Überrumpelung, keine extremen Register, keine originell-bärbeißigen Lösungen bei Gelenkstellen, kaum motivisch-thematische Arbeit. Die KI erfindet nichts, was in die Zukunft weist, sondern bildet Mittelwerte."

Weitere Artikel: VAN dokumentiert eine sehr, sehr lange Diskussion über die Zukunft der Musik und welche Rolle darin schwarze Komponisten spielen werden. Arne Sonntag wirft für die NMZ einen Blick auf die Geschichte des Bundesjugendchors.

Besprochen werden James Blakes neues Album "Friends That Break Your Heart" (Standard), ein von Kent Nagano dirigierter Konzertabend in der eben wiedereröffneten Tonhalle Zürich mit Benjamin Brittens "War Requiem" (NZZ), ein Konzert des Geigers Frank Peter Zimmermann mit dem BR-Symphonieorchester unter dem Dirigenten Klaus Mäkelä (SZ), die Münchner Ausstellung "Nachts. Clubkultur in München" (taz) und das gemeinsame Album "Love for Sale" von Lady Gaga mit dem 95-jährigen Jazzmusiker Tony Bennett (SZ), dem man sein Alter so überhaupt nicht ansieht:

Archiv: Musik