Efeu - Die Kulturrundschau
Männer raus aus Westberlin
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
11.01.2021. In der FAZ verteidigt Cornelia Funke ihre Schriftstellerkollegin J.K. Rowling, gegen die Kampagne ihrer GegnerInnen. Die SZ erlebt mit Sohrab Shahid Saless' "Utopia", wie das Berliner Bürgertum auf der Kantstraße seine existenzielle Not erblickte. Die taz beobachtet, wie Leon Ferraris Kunst Spaniens Erzkatholiken noch immer provoziert. Die Welt erkennt die Logik in der Rückkehr von Simon Rattle aus London nach München. Und der Guardian blickt in die Zukunft hybrider Bürowelten in der Füßgängerzone.
9punkt - Die Debattenrundschau
vom
11.01.2021
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Architektur

Film

Mit Sohrab Shahid Saless' "Utopia" kommt eine lange vermisste Rarität des BRD-Kinos der Achtziger endlich auf BluRay heraus. Der junge Manfred Zapatka spielt in dem Film des Exil-Iraners einen fiesen Zuhälter, der auf der Berliner Kantstraße ein Bordell betreibt. "Die Ruhe in diesen Filmen - 'Utopia' nimmt sich über drei Stunden Zeit - ist von tiefer Verzweiflung durchdrungen, das Bürgertum wird seiner existenziellen Not ansichtig", schreibt Fritz Göttler in der SZ. "Tschechow war ihm wichtig, ich bemühe mich sehr, sagt Saless, so zu filmen, wie er geschrieben hat. 'Utopia' ist kein missachteter Film, er wurde in der ganzen Welt gezeigt, auf vielen Festivals, lief im ZDF, das bei der Finanzierung einsprang, als das Geld knapp wurde, stand in zahlreichen Saless-Retrospektiven auf dem Programm. ... Bei der Uraufführung bei der Berlinale gab es Transparente im Saal, 'Männer raus aus Westberlin' oder 'Neue Männer braucht das Land'. Die Entwicklung der 'Me Too'-Diskussion hat das Profil der Figur verändert, der knallharte Unterdrücker ist selber eine demolierte, hohle, jämmerliche Figur."
Weitere Artikel: Für den Standard spricht Dominik Kamalzadeh mit dem ungarischen Autorenfilmer Kornél Mundruczó über dessen auf Netflix veröffentlichtes Schwangerschaftsdrama "Pieces of Woman", dessen Hauptdarstellerin Vanessa Kirby Bert Rebhandl würdigt (mehr zum Film bereits an dieser Stelle). Esther Buss empfiehlt im Tagesspiegel eine Reihe mit Filmdebüts namhafter Regisseure beim Streamingdienst Mubi. Silvia Hallensleben legt uns derweil im Freitag die Online-Retrospektive Philipp Scheffner des Kinos Arsenal ans Herz (mehr dazu hier). Andreas Busche (Tagesspiegel), David Steinitz (SZ) und Claudius Seidl (FAZ) schreiben Nachrufe auf Michael Apted.
Besprochen werden Bert Rebhandls Biografie über Jean-Luc Godard (Jungle World) und die zweite Staffel der Fantasyserie "His Dark Materials" (Freitag).
Kunst

Die Retrospektive des argentinischen Künstlers León Ferrrari - "Die freundliche Grausamkeit" im Madrider Museum Reina Sofia - hat die Erzkatholiken auf den Plan gerufen, berichtet Reiner Wandler in der taz. Kirchenvertreter und Aktivisten überziehen das Museum mit Klagen und Protesten: "In der Ausstellung sind Jesusfiguren in einer Bratpfanne, auf einer Zitronenpresse oder einem Reibeisen zu sehen. Mehrere Collagen mischen religiöse und sexuelle Symboliken. Eines der wichtigsten Gemälde ist eine Kopie des Bildes 'Das jüngste Gericht' aus der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo, bedeckt mit Vogelscheiße. 'Die wahre Hölle ist, mental mit der Idee der ewigen Strafe zu leben', schrieb Ferrari einst. Der Teufel verstecke sich hinter Intoleranz und dem blinden Glauben."
Weiteres: Auch im Guardian empfiehlt jetzt Nadja Sadyej die Ausstellung über das Harlemer Künstlerkollektiv Kamoinge im New Yorker Whitney Museum (mehr hier). Im Tagesspiegel spricht der Galerist Aeneas Bastian über seine Rückkehr aus London nach Berlin.
Bühne
Im Tagesspiegel erinnert Sandra Luzina an die Verwerfungen in der Ballettwelt, in der immer wieder über Rassismus, Konformitätszwang und Schikanen diskutiert werden müssten: "Ist das Ballett nicht ein Anachronismus? Gabriele Brandstetter, Professorin für Tanzwissenschaft an der Freien Universität Berlin, widerspricht: 'Das Ballett war und ist ständig im Wandel. Viele Leute setzen es aber gleich mit der Zuckerfee.' Wichtig sei, dass man frage, inwiefern das Repertoire, aber auch die Strukturen dieser historisch gewachsenen Institution, Diskriminierung unterstützten. Oft fehle das Bewusstsein dafür, dass eine kritische Bewertung bestimmter Werke notwendig sei."
Jan Brachmann trifft für die FAZ die finnische Sopranistin Camilla Nylund, die über die mittlerweile prekäre Lage vieler SängerInnen spricht: "Aber sie kenne viele Sänger, die nicht mehr wüssten, was sie jetzt machen sollten, weil ihnen das Wasser bis zum Hals stehe. 'Manche von ihnen arbeiten inzwischen im Supermarkt.' Es hat viel böses Blut gegeben in diesem Jahr, vor allem nachdem Bernd Loebe, Intendant der Oper Frankfurt, in einem Interview mit dieser Zeitung hatte verlauten lassen, Sängern mit kleinen Gagen werde geholfen, wer aber bislang achttausend Euro am Abend bekommen habe, hätte doch was zurücklegen können."
Weiteres: Das Berliner Theatertreffen hofft nach den Worten der Festivalleiterin Yvonne Büdenhölzer darauf, in diesem Jahr wieder auf der Bühne stattzufinden, meldet der Tagesspiegel. Besprochen wird Fabrice Mazliahs Choreografie "Telling Stories" beim Digitalen Mousonturm (FR).
Jan Brachmann trifft für die FAZ die finnische Sopranistin Camilla Nylund, die über die mittlerweile prekäre Lage vieler SängerInnen spricht: "Aber sie kenne viele Sänger, die nicht mehr wüssten, was sie jetzt machen sollten, weil ihnen das Wasser bis zum Hals stehe. 'Manche von ihnen arbeiten inzwischen im Supermarkt.' Es hat viel böses Blut gegeben in diesem Jahr, vor allem nachdem Bernd Loebe, Intendant der Oper Frankfurt, in einem Interview mit dieser Zeitung hatte verlauten lassen, Sängern mit kleinen Gagen werde geholfen, wer aber bislang achttausend Euro am Abend bekommen habe, hätte doch was zurücklegen können."
Weiteres: Das Berliner Theatertreffen hofft nach den Worten der Festivalleiterin Yvonne Büdenhölzer darauf, in diesem Jahr wieder auf der Bühne stattzufinden, meldet der Tagesspiegel. Besprochen wird Fabrice Mazliahs Choreografie "Telling Stories" beim Digitalen Mousonturm (FR).
Design
ZeitOnline erinnert mit einer Bilderstrecke an Coco Chanel, die vor fünfzig Jahren gestorben ist.
Literatur
Musik
Es sieht sehr danach aus, dass Sir Simon Rattle vom London Symphony Orchestra zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nach München wechseln und somit die Nachfolge Mariss Jansons antreten wird. Manuel Brug mutmaßt in der Welt über die Hintergründe dieser Entscheidung, die Rattles Engagement in London auf ein Intermezzo reduzieren würde: Dort machte man sich Hoffnungen, dass mit dem namhaften Dirigenten endlich auch ein eigener Konzertsaal für den Klangkörper zu erreichen ist - was aber immer unwahrscheinlicher wurde. Auch das BR-Orchester wäre angesichts von Sparmaßnahmen "mit einem so bedeutenden Chef einigermaßen sicher. Und Sir Simon ... könnte sofort in die anstehende Kampagne um den neuen, beschlossenen und bereits im Architekturwettbewerb abgeschlossenen Konzertsaal im Münchner Werkviertel einsteigen. ... Angesichts der steigenden Kosten und der finanziellen Post-Pandemie-Probleme wäre ein glanzvoller, zudem kampagnenerfahrener Name unbedingt vonnöten, um das Wolkenkuckucksheim auch klingende Wirklichkeit werden zu lassen."
In der Welt staunt Manuel Brug außerdem über den Erfolg, dessen sich die Sängerin Mina inItalien bis heute ungebrochen erfreuen kann, obwohl sie selbst als Person nicht mehr in Erscheinung tritt, sehr wohl aber regelmäßig Alben veröffentlicht. Sie ist "eine Marlene Dietrich des Schlagers. Die immer wieder mit neuen stilistischen Volten überrascht. Die ihre Songwelt wechselt wie das Chamäleon die Hautfarbe. ... Mina, die Wandelbare, die sich trotzdem stimmlich treu bleibt." Unvergessen: Monica Vitti tanzt zu Minas Schlager "Mai" in "L'Avventura":
Weitere Artikel: Juliane Streich stellt in der taz Lina Burghausens Label 365xx vor, auf dem die Rap-Journalistin ausschließlich Rap von Frauen veröffentlichen will. Michael Stallknecht schreibt in der NZZ über die Geschichte und Tradition des Klavierstücks für eine Hand, dem sich der Pianist Maxime Zecchini in einer auf mittlerweile enzyklopädische Ausmaße angewachsenen Serie von Aufnahmen widmet. Christiane Peitz stellt im Tagesspiegel neue Forschungen zum Musik- und Konzerterleben vor. Michael Kube sieht für die NMZ die Neuerscheinungen zum Beethoven-Jahr durch.
Besprochen werden Michael Allreds Comic "Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume" über David Bowie (Berliner Zeitung, Tagesspiegel), M. T. Hadleys EP "There Isn't a Window That I Won't Look Out Of" (Jungle World), Navy Blues "Song of Sage: Post Panic!" (Pitchfork) und weitere neue Musikveröffentlichungen, darunter eine Aufnahme von Franz Schmidts Sinfonien des hr-Sinfonieorchesters unter Paavo Järvi (FAZ). Wir hören rein:
In der Welt staunt Manuel Brug außerdem über den Erfolg, dessen sich die Sängerin Mina inItalien bis heute ungebrochen erfreuen kann, obwohl sie selbst als Person nicht mehr in Erscheinung tritt, sehr wohl aber regelmäßig Alben veröffentlicht. Sie ist "eine Marlene Dietrich des Schlagers. Die immer wieder mit neuen stilistischen Volten überrascht. Die ihre Songwelt wechselt wie das Chamäleon die Hautfarbe. ... Mina, die Wandelbare, die sich trotzdem stimmlich treu bleibt." Unvergessen: Monica Vitti tanzt zu Minas Schlager "Mai" in "L'Avventura":
Weitere Artikel: Juliane Streich stellt in der taz Lina Burghausens Label 365xx vor, auf dem die Rap-Journalistin ausschließlich Rap von Frauen veröffentlichen will. Michael Stallknecht schreibt in der NZZ über die Geschichte und Tradition des Klavierstücks für eine Hand, dem sich der Pianist Maxime Zecchini in einer auf mittlerweile enzyklopädische Ausmaße angewachsenen Serie von Aufnahmen widmet. Christiane Peitz stellt im Tagesspiegel neue Forschungen zum Musik- und Konzerterleben vor. Michael Kube sieht für die NMZ die Neuerscheinungen zum Beethoven-Jahr durch.
Besprochen werden Michael Allreds Comic "Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume" über David Bowie (Berliner Zeitung, Tagesspiegel), M. T. Hadleys EP "There Isn't a Window That I Won't Look Out Of" (Jungle World), Navy Blues "Song of Sage: Post Panic!" (Pitchfork) und weitere neue Musikveröffentlichungen, darunter eine Aufnahme von Franz Schmidts Sinfonien des hr-Sinfonieorchesters unter Paavo Järvi (FAZ). Wir hören rein:
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